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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: 17 UF 280/04
Rechtsgebiete: türk ZGB


Vorschriften:

türk. ZGB Art. 164 Abs. 2
1. Die gerichtliche Rückkehraufforderung nach Art. 164 Abs. 2 türk. ZGB durch ein deutsches Gericht erfordert - entgegen dem türkischen Verfahrensrecht - eine Sachprüfung zur Berechtigung des Verlangens des den Antrag stellenden Ehegatten, um bei Erfolglosigkeit eine darauf gestützte Scheidungsklage zu begründen.

2. Eine ohne jegliche Sachprüfung durch Endurteil ergehende gerichtliche Rückkehraufforderung eines deutschen Gerichts im Sinne des Art. 164 Abs. 2 türk. ZGB verletzt wesentliche deutsche Verfahrensvorschriften. Die gebotene sachliche Überprüfung ist dann im Scheidungsverfahren nachzuholen. Die Rechtskraft des Rückkehraufforderungsurteils steht dem nicht entgegen.


Oberlandesgericht Stuttgart 17. Zivilsenat - Familiensenat - Urteil

Geschäftsnummer: 17 UF 280/04

In der Familiensache

wegen Ehescheidung

Verkündet am: 28. Juni 2005

hat der 17. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Strohal, der Richterin am Oberlandesgericht Köblitz und des Richters am Oberlandesgericht Maier

auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Ehefrau wird das Urteil des Amtsgerichts Besigheim - Familiengericht - vom 7.Oktober 2004 abgeändert.

Der Scheidungsantrag des Ehemanns wird abgewiesen.

2. Der Ehemann trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: Ehesache € 2.000,00 Gründe:

I.

Der am 25.07.1978 geborene Antragsteller und die am 09.12.1980 geborene Antragsgegnerin haben am 26.12.2001 in S./Türkei die Ehe geschlossen. Sie sind türkische Staatsangehörige.

Nach der Eheschließung zog die Antragsgegnerin zum Antragsteller in die Bundesrepublik Deutschland, der hier schon zuvor lebte. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen.

Die Eheleute waren sich über die jeweiligen Familien schon vor der Eheschließung bekannt. Der Antragsteller hat seine Ehefrau - wie er sagt - im Jahre 2000 "näher kennengelernt" und ist zusammen mit ihr ausgegangen. Wenige Tage später offenbarte er der Frau, dass er sie gerne in Deutschland haben wolle. Dies scheiterte zunächst daran, dass die Frau nicht nach Deutschland ziehen wollte. Der Antragsteller seinerseits war nicht bereit, zukünftig wieder in seiner Heimat zu leben. Dennoch trafen sich die Parteien im darauffolgenden Jahr 2001 wieder. Der Mann verbrachte seinen Urlaub im Haushalt der zukünftigen Schwiegereltern. Die Parteien verlobten sich und heirateten am 26.12.2001 standesamtlich. Am 22.06.2002 feierten sie hier in Deutschland die Hochzeit. Anschließend lebten die Eheleute etwa ein Jahr in Deutschland zusammen bis zum 22.07.2003.

Der Mann sieht die Sache so, dass ihn die Frau ohne rechtfertigenden Grund verlassen habe. Sie habe ihn mit der Heirat nur ausgenutzt, um so einfacher nach Deutschland kommen zu können und um ihre Eltern besser versorgen zu können. Schon im August 2002 habe man in der Ehewohnung getrennt gelebt. Gewaschen und gekocht habe seine eigene Mutter. Man habe getrennte Betten gehabt. Die Frau habe sich selbst versorgt (gewaschen und gekocht). Die Eheschließung sei ein Fehler gewesen, was sich ihm gleich zu Beginn des Zusammenlebens gezeigt habe. Die Eheleute hätten nicht zueinander gepasst.

Das stellt die Frau in Abrede. Sie fühlt sich dagegen eher von der Schwiegermutter unter Druck gesetzt, insbesondere wegen ihres Umgangs mit Freunden und ihrer eigenen Familie. Sie habe demzufolge darauf bestanden, dass der Mann eine Ehewohnung außerhalb des unmittelbaren Einwirkungsbereichs seiner Eltern suche und mit ihr wegziehe. Die Probleme hätten sich somit wegen der Familie des Mannes ergeben.

Bei ihrem Weggang aus der Ehewohnung am 22.07.2003 - als Reaktion auf die Zustellung des ersten Scheidungsantrags des Mannes - habe sie zwar die Wohnungsschlüssel im Briefkasten hinterlassen. Sie sei jedoch lediglich besuchshalber in die Türkei zurückgereist.

Der Mann hat die Frau jedoch umgehend am 05.08.2003 beim Ausländeramt abgemeldet.

Die prozessuale Entwicklung stellt sich folgendermaßen dar:

Im Verfahren 1 F 835/03 hat der Mann am 11.07.2003 einen ersten Scheidungsantrag beim AG Besigheim eingereicht. Dieser wurde der Antragsgegnerin am 19.07.2003 zugestellt (Bl. 6). Das Amtsgericht hat den Scheidungsantrag mit Urteil vom 28.10.2003 abgewiesen und hierbei eine Zerrüttung als nicht erwiesen angesehen.

Das Urteil wurde dem Mann und der Frau jeweils am zugestellt am 10.11.2003. Es wurde am 11.12.2003 rechtskräftig.

Bereits mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18.11.2003 hatte der Mann die Frau binnen Fristsetzung zum 25.11.2003 zur Rückkehr in die Ehewohnung auffordern lassen.

Die unterlassene Rückkehr der Frau in die Ehewohnung nahm der Ehemann zum Anlass, am 27.11.2003 eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens beim Amtsgericht Besigheim - 1 F 1483/03 - anhängig zu machen und die Ehefrau dabei erneut aufzufordern, binnen 2 Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in die Ehewohnung zurückzukehren. Zugestellt wurde der Frau dieser Antrag am 17.12.2003. Die Frau bezweifelte eine Verpflichtung zur Rückkehr, weil ihre Persönlichkeit, ihre wirtschaftliche Sicherheit oder der Friede der Familie durch das Zusammenleben erheblich gefährdet sei. Einzelheiten im Vortrag findet man dazu nicht. Allerdings bemängelt die Frau, dass zwischen der Rechtskraft des den ersten Scheidungsantrag abweisenden Urteils und der gerichtlichen Aufforderung keine Frist von 2 Monaten (insoweit beruft sie sich unzutreffend auf die Frist in Art. 132 tZGB aF) gewahrt gewesen sei. Nach mündlicher Verhandlung mit den Eheleuten am 22.01.2004 erging am 05.02.2004 - worauf das Amtsgericht hingewiesen hat - ohne weitere Sachprüfung eine gerichtliche Rückkehraufforderung. Die Ehefrau wurde aufgefordert zur Vermeidung eines Scheidungsverfahrens in die eheliche Wohnung zurückzukehren. Rechtskraft trat am 12.03.2004 ein.

Am 02.08.2004 wurde der hier gegenständliche zweite Scheidungsantrag des Ehemanns der Antragsgegnerin zugestellt. Er begehrt die Scheidung alleine wegen des Scheidungsgrunds des Verlassens. Die Antragsgegnerin trat im ersten Rechtszug dem Scheidungsbegehren des Mannes entgegen.

Durch das angefochtene Urteil vom 07.10.2004 hat das Familiengericht die Ehe der Parteien unter Anwendung des türkischen Heimatrechts (Art. 164 tZGB) geschieden.

Bei seiner Entscheidung geht es davon aus, dass durch den Auszug der Frau aus der Ehewohnung am 22.07.2003 die Getrenntlebenszeit der Parteien bereits mindestens 4 Monate betragen habe und der Antrag des Mannes nach Art. 164 tZGB daher begründet sei.

Dieses Urteil bekämpft die Frau, die weiterhin die Abweisung des Scheidungsantrags anstrebt. Der Mann verteidigt.

Seit 22.07.2003 leben die Parteien nunmehr fortwährend dauerhaft getrennt voneinander.

Der Senat hat Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, zu dem der Antragsteller nicht erschienen ist. Er war durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten. Die Ehefrau wurde persönlich angehört.

Die Antragsgegnerin stimmt nach wie vor dem Scheidungsantrag des Mannes nicht zu und möchte nicht geschieden sein.

II.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, da frist- und formgerecht eingelegt und begründet. Es hat auch in der Sache Erfolg.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 2 Abs. 1 lit a 1. Spiegelstrich EheVO (EU-Verordnung Nr. 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder vom 29.05.2000), nachdem das Ehescheidungsverfahren im August 2004 eingeleitet worden ist. Die durch die genannte Verordnung begründete Zuständigkeit verdrängt die Vorschrift des § 606a ZPO.

III.

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Ehescheidung hat Erfolg.

Auf das Scheidungsbegehren des Antragstellers ist nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB materielles türkisches Recht anzuwenden, weil beide Parteien türkische Staatsangehörige sind.

Der vom Antragsteller als einziger Scheidungsgrund vorgetragene Umstand, dass die Antragsgegnerin entgegen einer richterlichen Aufforderung nicht fristgerecht in die Ehewohnung zurückgekehrt sei, rechtfertigt die Scheidung nicht. Die von ihm veranlasste gerichtliche Rückkehraufforderung ist nicht als ernsthaft anzusehen und im Übrigen fehlerhaft und damit unwirksam.

Nach Art. 164 tZGB kann jeder Ehegatte Scheidungsklage erheben, wenn der andere Ehegatte ihn mit dem Ziel verlassen hat, die aus der ehelichen Gemeinschaft entstehenden Pflichten nicht zu erfüllen oder ohne wichtigen Grund nicht in die gemeinsame Wohnung zurückkehrt, solange dieser Zustand andauert und eine auf Antrag durch das Gericht erlassene Aufforderung ohne Ergebnis geblieben ist, wenn die Trennung wenigstens 6 Monate gedauert hat.

Die Ehefrau hat die Ehewohnung zwar tatsächlich am 22.07.2003 verlassen. Das Verlassen der Ehewohnung zu diesem Zeitpunkt war indessen gerechtfertigt und damit nicht rechtswidrig im Sinne von Art. 164 tZGB. Der Ehefrau stand ein triftiger Grund zur Seite, nachdem der Ehemann ihr bereits am 19.07.2003 hat den ersten Scheidungsantrag zustellen lassen. Denn bei dieser Sachlage war sie auf alle Fälle schon aus Rechtsgründen - ohne nachteilige Folgen befürchten zu müssen - befugt, getrennt von ihm zu leben. Diese Befugnis bestand während der gesamten Dauer einer Scheidungsklage (für Art. 132 tZGB aF, Hohloch, 6 B, Rn. 48). Daran hat auch die Reform im neuen tZGB nichts geändert, allenfalls sind die Fristen des vormaligen Art. 132 tZGB für die Rückkehraufforderung modifiziert worden (Finger/Turan-Schnieders, FamRB 7/2002, S. 213).

Berechtigtes Getrenntleben kann sich allerdings dann in eine rechtswidrige Trennung wandeln, wenn der Grund für das berechtigte Getrenntleben nachträglich wegfällt. Eine solche Sachlage kann vorliegend frühestens mit dem 11.12.2003 (rechtskräftiger Abschluss des ersten Scheidungsverfahrens) eingetreten sein. Für diesen Zeitraum fehlt es bis heute an einer Rückkehraufforderung durch den Mann.

Die Aufforderung zur Rückkehr muss ernst gemeint sein. Schon daran mangelt es. Wenn der Ehemann ein Scheidungsverfahren wegen Zerrüttung führt und noch vor dessen rechtskräftigem Abschluss die Ehefrau zur Rückkehr in die Ehewohnung auffordern lässt, handelt er widersprüchlich. Zum Zeitpunkt seiner Rückkehraufforderung hat der Ehemann auch nicht gleichzeitig auf die Einlegung von Rechtsmitteln gegen das seinen ersten Scheidungsantrag abweisende Urteil verzichtet, was die Ernstlichkeit seines Ansinnens hätte nahe legen können. Erschwerend kommt hinzu, dass er bereits am 05.08.2003 seine Ehefrau beim Ausländeramt abgemeldet hatte und diesen Vorgang offensichtlich bis heute nicht rückgängig gemacht hat. Der Ehegatte, der eine richterliche Aufforderung veranlasst, muss dafür Sorge tragen, dass der andere Ehegatte ihr nachkommen kann. Schon daran scheitert sein jetziges Klagebegehren.

Im Übrigen entspricht - worauf der Senat ergänzend hinweist - die auf seinen verfrühten Antrag hin ergangene Rückkehraufforderung nicht den materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften des türkischen Rechts. Eine richterliche Aufforderung zur Rückkehr ist eine prozessuale Voraussetzung für die Scheidungsklage wegen Verlassens. Sie ist nicht abdingbar und muss auch dann erfolgen, wenn keine Aussicht auf Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht. Der am 17.12.2003 der Frau zugestellte Antrag des Ehemanns war verfrüht, denn der Ehemann hätte von der gesetzlichen Trennungszeit von 6 Monaten des Art. 164 tZGB zunächst 4 Monate zuwarten müssen. Denn der Antrag auf gerichtliche Aufforderung zur Rückkehr kann nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift erst gestellt werden, wenn mindestens 4 Monate der für die Erhebung der Scheidungsklage erforderlichen Trennungsfrist abgelaufen sind. Dass der Ehemann die weitere Frist von 2 Monaten zwischen dem rechtskräftig gewordenen Aufforderungsurteil zur Rückkehr und dem zweiten Scheidungsantrag gewahrt hat, ist demgegenüber nicht von Bedeutung und heilt den erfolgten Verstoß nicht.

Die gerichtliche Aufforderung zur Rückkehr erfordert nach dem Rechtsverständnis des gemeinsamen Heimatrechts der Parteien keine Durchführung eines streitigen Verfahrens vor dem Richter. Vielmehr erlässt der Richter die Aufforderung ohne weitere Prüfung materieller Voraussetzungen, welche er dem nachmaligen Scheidungsrichter zu überlassen hat. Ein Rechtsmittel gegen die Aufforderung ist nach dem Heimatrecht der Parteien nicht gegeben, weil sie kein Endurteil ist (vgl. zu den Einzelheiten insgesamt Hohloch, Internationales Scheidung- und Scheidungsfolgenrecht 1998, Türkei 6 B Rn 54, unter Darstellung der insoweit ergangenen Entscheidungen der türkischen Gerichte). In der Sache ist die Aufforderung zur Rückkehr dem Verfahren auf Herstellung der Ehe nach deutschem Recht ähnlich. Insoweit wird vertreten, dass es auch in Deutschland geführt werden kann (Turan-Schnieders/Finger, FamRB 2002/7, 214). Ein derartiges Urteil ist nach deutschem Prozessrecht jedoch nicht vollstreckbar (§ 888 Abs. 3 ZPO), weshalb ihm eine bloße Appellfunktion zukommt.

Soweit sich der Ehemann auf die Rechtskraft der ergangenen richterlichen Rückkehraufforderungsentscheidung beruft, verkennt er deren Reichweite.

Für die Frage der prozessualen Wirkungen der Rechtskraft der vorliegenden Rückkehraufforderung ist ausschließlich das deutsche Prozessrecht als lex fori maßgeblich. Denn deutsche Gerichte haben nach der ZPO zu verfahren, auch wenn sie auf Grund des deutschen IPR ausländisches Sachrecht anzuwenden haben oder wenn eine Partei oder beide Parteien Ausländer sind (Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., IZPR Rn 1). So kommt es zur Verwerfung zwischen der materiell-rechtlich nur eingeschränkt wirkendenden Aufforderung zur Rückkehr nach türkischem Rechtsverständnis (prozessual kein Endurteil) und der Rechtskraft eines gleichwohl ergangenen inländischen Urteils. Das deutsche Prozessrecht kennt Endurteile ohne jede gerichtliche Sachprüfung nur in sehr eingeschränktem Umfang (§ 307 ZPO für das Anerkenntnis und § 306 ZPO für den Verzicht, wo letztlich die gerichtliche Prüfung durch die eigene Prüfung der Partei im Rahmen der Dispositionsmaxime ersetzt wird). Das Amtsgericht hat dies in Anwendung des Prozessrechts im Vorverfahren verkannt. Dass im türkischen Recht die richterliche Aufforderung zur Rückkehr lediglich formlos und ohne jede Sachprüfung erfolgt, rechtfertigt nicht, unter Anwendung des deutschen Verfahrensrechts uneingeschränkt ohne eine Sachprüfung zu entscheiden. Ein derartiges Rechtsverständnis könnte schon mit Blick auf den ordre public wegen offensichtlicher Unvereinbarkeit mit wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätzen zu missbilligen sein. Die Frage, ob das Amtsgericht deshalb in den Tenor seiner Entscheidung einen Prüfungsvorbehalt der Wirksamkeit einer Rückkehraufforderung für das Scheidungsverfahren hätte aufnehmen müssen bzw. dürfen oder vielmehr hätte entgegen den türkischen Verfahrensvorstellungen nach deutschem Prozessrecht doch inhaltlich eine Sachprüfung vornehmen müssen, kann jedoch dahingestellt bleiben. Die Rechtskraft der ergangenen Entscheidung steht schon aus anderen Gründen einer Prüfung der Wirksamkeit der Rückkehraufforderung und der Feststellung ihrer Unwirksamkeit im jetzigen Scheidungsverfahren nicht entgegen. Soweit die gerichtliche Aufforderung im Urteil des Amtsgerichts Besigheim nämlich rechtskräftig geworden ist, stellt sich - was der Antragsteller übersieht - in erster Linie die Frage der Wirkungen und des Umfangs der Rechtskraft des konkreten Urteils. Nach § 322 ZPO sind Urteile nur insoweit der Rechtskraft fähig, als über den durch die Klage geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Um dies und den Gegenstand der rechtskräftigen Entscheidung zu erkennen, ist zwar von der Urteilsformel auszugehen. Soweit sie allein nicht ausreicht, sind aber auch Tatbestand, Entscheidungsgründe und das zu Grunde liegende Parteivorbringen heranzuziehen (BGH 34, 339, NJW 94, 409, NJW-RR 99, 1006). So kommt zwar auch Urteilen, die auf Verstößen gegen materielles Recht oder Verfahrensrecht beruhen, wenn sie rechtskräftig werden, gleichwohl volle Rechtskraftwirkung zu. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes ergibt sich jedoch bei einem fehlerhaften Verfahren des Gerichts, soweit es - zu Unrecht - durch einen entsprechenden Vorbehalt eindeutig zum Ausdruck bringt, dass es keine umfassende sondern allenfalls eine eingeschränkte Entscheidung treffen wollte (offen lassend BGH NJW 1989, 393). Dies muss um so mehr gelten, wenn das Gericht ausdrücklich keine Sachentscheidung getroffen hat. Das führt im vorliegenden Fall ausweislich der Begründung des vorangehenden Aufforderungsurteils (veröffentlicht in FamRZ 2004, 1054) zum Ergebnis, dass im vorliegenden Scheidungsverfahren die unterbliebene Sachprüfung zur Wirksamkeit der Rückkehrraufforderung nachzuholen ist. Denn es ist eindeutig, welche Gesichtspunkte des materiellen Rechts das Gericht ausnahmsweise bewusst - möglicherweise zu Unrecht - außer Betracht gelassen hat (Zöller/Vollkommer, a.a.O., Vor § 322 Rn 43).

Die ergangene richterliche Rückkehraufforderung erweist sich nach materiellem Recht als unwirksam.

Das Familiengericht hat fehlerhaft insoweit nicht zwischen berechtigtem und unberechtigtem Getrenntleben unterschieden. Das wirkt sich - nachdem die Rückkehraufforderung ohne Sachprüfung ergangen ist - für den Antragsteller im Rahmen der nachzuholenden Sachprüfung zu diesem Komplex in vorliegenden Scheidungsverfahren nachteilig aus.

Die Aufforderung des Ehemanns mit dem er die Ehefrau zur Rückkehr in die Ehewohnung aufforderte, erfolgte am 18.11.2003 und damit noch vor dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Scheidungsverfahrens. Gleichfalls hat der Ehemann seinen Antrag zur gerichtlichen Rückkehraufforderung verfrüht noch innerhalb der gesetzlichen Schutzfrist von 4 Monaten des Art. 164 Abs. 2, Satz 3 beim Gericht eingereicht, was er nicht vor dem 11.04.2004 hätte tun dürfen. Als Folge dieses Verstoßes gegen zwingende Fristen ist es vorliegend geboten, insbesondere nachdem die Ehefrau zuletzt erneut ausdrücklich den Willen zur Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft bekundet hat, den Scheidungsantrag des Mannes, nachdem andere Scheidungsgründe ausdrücklich nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind, abzuweisen.

Soweit keine weiteren neuen Scheidungsgründe entstehen, bleibt es sonach für ihn bei der Rechtslage, dass erst mit Ablauf einer Frist von drei Jahren seit Eintritt der Rechtskraft des seinen ersten Scheidungsantrag abweisenden Urteils am 11.12.2003, wenn die eheliche Gemeinschaft, gleich aus welchem Grunde nicht wiederhergestellt wurde, angenommen wird, dass die Ehe grundlegend zerrüttet ist und die Ehe dann auf seinen Antrag geschieden werden kann (Art. 166 Abs. 4 tZGB).

Bei dieser Sachlage ist der Ausspruch der Scheidung durch das Amtsgericht Besigheim aufzuheben und der Scheidungsantrag abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision liegen nicht vor, da es im wesentlichen um Anwendung und Auslegung ausländischen Rechts geht, welches nicht revisibel ist (§§ 545 Abs. 1, 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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