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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 26.11.2002
Aktenzeichen: 17 UF 507/01
Rechtsgebiete: ZPO, EheG, EGBGB, Haager Unterhaltsübereinkommen


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 97 I
ZPO § 328
ZPO § 511
ZPO § 708 Nr. 11
ZPO § 713
EheG § 7
EheG § 7 Abs. 1
EheG § 7 Abs. 2
EheG § 7 Abs. 3
EGBGB Art 18 Abs. 4
Haager Unterhaltsübereinkommen Art. 8
Art 18 Abs. 4 EGBGB bzw. Art. 8 Haager Unterhaltsübereinkommen enthält eine bloße Sachnormverweisung und keine Gesamtverweisung.

1. Zum Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach schwedischem Recht.


Oberlandesgericht Stuttgart 17. Zivilsenat -Familiensenat- Urteil

Aktenzeichen: 17 UF 507/01

vom 26.11.2002

in der Familiensache

wegen nachehelichem Unterhalt

hat der 17. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

der Vors. Richterin am Oberlandesgericht Dr. Häußermann, des Richters am Oberlandesgericht Weiss und des Richters am Oberlandesgericht Streicher

auf die mündliche Verhandlung vom 29.10.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts U - Familiengericht - vom 9.11.2001 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin wird abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

(ohne Darstellung des Tatbestandes gem. § 5431 ZPO a. F.)

Die gem. § 511 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Auf den Anspruch der Klägerin wegen nachehelichem Unterhalt ist schwedisches Recht anzuwenden. Dieses gibt der Klägerin nach den vorliegenden Umständen keinen Unterhaltsanspruch.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat demgemäss keinen Erfolg.

1.

Das Unterhaltsbegehren der Klägerin ist materiellrechtlich nicht nach deutschem, sondern nach schwedischem Recht zu beurteilen. Das ergibt sich aus dem Haager Unterhaltsübereinkommen vom 2.10.1973, das für Deutschland am 1.4.1987 in Kraft getreten ist.

Nach Art. 8 Haager Unterhaltsübereinkommen (entsprechend Art. 18 IV S. 1 EGBGB) ist in einem Vertragsstaat, in dem eine Ehescheidung ausgesprochen worden oder anzuerkennen ist, für die Unterhaltspflichten zwischen den geschiedenen Ehegatten das auf die Ehescheidung angewandte Recht maßgebend. Das ist hier das schwedische Recht, da die Ehe der Parteien unstreitig mit Urteil des Stockholms Tingsrätt vom 30.3.1999, rechtskräftig seit 18.10.1999, nach schwedischem Recht geschieden wurde. Die Ehescheidung ist, nachdem beide Parteien die schwedische Staatsangehörigkeit haben, gem. § 328 ZPO ohne weiteres anzuerkennen (ein förmliches Anerkennungsverfahren ist nicht erforderlich, s. Palandt, BGB, 61. Aufl., Art 18 EGBGB, Rz 12).

Ob das schwedische Recht eine Rückverweisung auf das deutsche Recht i.S.v. Art. 4 I EGBGB enthält, kann dahinstehen. Denn es entspricht einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass Verweisungen in kollisionsrechtlichen Staatsverträgen grundsätzlich nur Sachnormverweisungen enthalten (s. Palandt, BGB, 61. Aufl., Art. 4 EGBGB Rz 13; Rahm/Kunkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, VIII Rz 65).

Dies gilt nach h.M. für sämtliche Absätze von Art. 18 EGBGB bzw. Art. 8 Haager Unterhaltsübereinkommen, unabhängig vom unterschiedlichen Wortlaut in Art. 18 EGBGB bzw. im Haager Unterhaltsübereinkommen (s. Münchener Kommentar/Siehr, BGB, 3.Aufl., Art. 18 EGBGB, Rz 39; Anh. 1 Rz 165; Rahm/Kunkel, aaO., VIII Rz 309; Staudinger/von Bar/Mankowski, BGB, Art. 18 EGBGB Rz 21; Palandt, aaO., Art. 18 EGBGB, Rz 3; Johannsen/Henrich, Eherecht, 3. Aufl., Art. 18, Rz 17, jeweils mit weiteren Nachweisen). Damit übereinstimmend hat der BGH in seiner Entscheidung vom 6.11.1991 (FamRZ 92, 298) Art. 8 Haager Unterhaltsübereinkommen wegen des staatsvertraglichen Charakters als Sachnormverweisung angesehen.

Dieser Auffassung ist zu folgen, weil die Beachtung einer Rückverweisung durch die Kollisionsnormen des zur Anwendung berufenen Rechts dem Zweck des Haager Unterhaltsübereinkommens, den Zusammenhang zwischen Scheidungsstatut und Scheidungsfolgenstatut im weiteren Sinn zu wahren und eine Differenzierung zwischen der Festsetzung von Unterhalt im Scheidungsurteil selbst und einer nachträglichen Festsetzung in einem gesonderten Verfahren zu vermeiden (s. Staudinger/von Bar/Mankowski, BGB, Anhang I zu Art. 18 EGBGB, Rz 237), zuwiderlaufen würde.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist in diesem Zusammenhang nicht danach zu unterscheiden, ob auf das Recht eines Vertragsstaates oder Nichtvertragstaates verwiesen wird. Denn in Art. 3 Haager Unterhaltsübereinkommen ist ausdrücklich festgelegt, dass das vom Übereinkommen bestimmte Recht unabhängig vom Erfordernis der Gegenseitigkeit anzuwenden ist, auch wenn es das Recht eines Nichtvertragsstaats ist. Es kommt demnach nicht darauf an, ob das vom Staatsvertrag berufene Recht das eines Vertragsstaats oder eines Nichtvertragsstaats ist, d.h. für die Anwendbarkeit des Abkommens kommt es weder auf die Staatsangehörigkeit dieser Personen an noch auf ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat (s. Münchener Kommentar/Siehr, aaO., Art. 18 Anh. 1 Rz 8, 77). Da somit das Haager Unterhaltsübereinkommen allseitig und ohne Rücksicht darauf anwendbar ist, ob die von ihm erfassten Sachverhalte irgendwelche räumlichen oder persönlichen Beziehungen zu einem Vertragsstaat außer dem Forumstaat (als Staat des angerufenen Gerichts) besitzen, kommt die von der Klägerin angestrebte differenzierende Auslegung von Art. 18 IV EGBGB nicht in Betracht. Denn im Rahmen seines Anwendungsbereichs verdrängt das Haager Unterhaltsübereinkommen gem. Art. 3 II S. 1 EGBGB das inländische Kollisionsrecht in Art. 18 EGBGB und kommt wegen seines Vorrangs als unmittelbar anwendbarer Staatsvertrag an dessen Stelle zur Anwendung.

So hat auch der BGH in seiner Entscheidung vom 27.3.1991 (NJW 91, 2212) den Verweis auf das Recht der Dominikanischen Republik nach Art. 8 Haager Unterhaltsübereinkommen - ohne Prüfung eines renvoi - angenommen, obwohl beide Parteien die deutsche Staatsangehörigkeit hatten und die Dominikanische Republik kein Vertragsstaat des Abkommens ist. Der BGH weist vielmehr ausdrücklich darauf hin - unter Hinweis auf Art. 3 Haager Unterhaltsübereinkommen -, dass es unerheblich ist, dass die Dominikanische Republik das Abkommen nicht unterschrieben bzw. ratifiziert hat.

Soweit die Klägerin noch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anknüpfung an das auf die Ehescheidung angewandte Recht geltend macht, hat sich der BGH in seiner Entscheidung vom 1.4.1987 (FamRZ 1987, 682, 683) mit diesen Argumenten auseinandergesetzt und diese Bedenken nicht geteilt. Der BGH weist zutreffend darauf hin, dass der enge Zusammenhang zwischen Scheidung und Scheidungsfolgen sachlich rechtfertigt, dass beide Bereiche dem gleichen Staat unterworfen werden. Es geht bei dieser kollisionsrechtlichen Regelung auch nicht darum, die Klägerin wegen ihrer Herkunft i.S.v. Art. 3 III GG zu benachteiligen. Vielmehr wird nur die anwendbare Rechtsordnung bestimmt, unabhängig davon, ob dies der Klägerin im konkreten Fall zum Vorteil oder Nachteil gereicht.

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist somit gem. Art. 8 Haager Unterhaltsübereinkommen nach schwedischem Recht zu beurteilen.

2.

Die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach der Ehescheidung sind geregelt im schwedischen Ehegesetz von 1987 Kap. 6 § 7 (im folgenden: § 7). Danach steht der Klägerin ein Unterhaltsanspruch nicht zu.

a)

Als Ausgangspunkt bestimmt § 7 Abs. 1, dass nach der Ehescheidung jeder Ehegatte für seine Versorgung verantwortlich ist. Unterhalt nach Auflösung der Ehe soll also nur ausnahmsweise bezahlt werden (s. Bergmann/Ferid/Heinrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Schweden, Seite 29; Rechtsauskunft des M-P-Instituts vom 20.12.2000, Bl. 87/88). Das schwedische Recht geht davon aus, dass mit der Scheidung alle wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Eheleuten enden, einschließlich wechselseitiger Unterhaltsansprüche und wechselseitiger Unterhaltspflichten (Prof. Dr. M J-J, U University, auf dem Symposium für Europäisches Familienrecht der Universität Regensburg vom 10. -12.10.2002).

Einem Ehegatten kann jedoch, wo notwendig, Unterhalt vom anderen Ehegatten für eine Übergangszeit nach der Scheidung gewährt werden, in der Regel für die Dauer von einem bis zu vier Jahren (s. § 7 Abs. 2).

Im Ausnahmefall kann einem Ehegatten Unterhalt auch für einen längeren Zeitraum zugestanden werden, vielleicht sogar lebenslang. Dies setzt gem. § 7 Abs. 3 voraus, dass es dem bedürftigen Ehegatten Schwierigkeiten bereitet, sich selbst zu unterhalten, etwa wenn es nach einer langen Ehezeit zur Scheidung kommt oder wenn andere außerordentliche Gründe vorliegen. Von der Rechtsprechung sind diese Voraussetzungen eng ausgelegt worden. Ursache für die Bedürftigkeit des Ehegatten muss die Ehe als solche sein (Prof. Dr. M J-J, aaO.), insbesondere durch die Sorge für gemeinsame Kinder (so auch Rechtsauskunft des M-P-Instituts vom 20.12.2000, Bl. 88).

Bei Anlegung dieses Maßstabes käme für die Klägerin nur ein Unterhaltsbeitrag für eine Übergangszeit in Betracht. Zwar mag die Ehe der Parteien bei einer Ehedauer bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags von ca. 16/17 Jahren durchaus als langjährige Ehe i.S.v. § 7 Abs. 3 anzusehen sein. Die Klägerin war jedoch seit der Eheschließung am 5.7.1982 (und bereits davor) in der kinderlosen Ehe durchgehend bis 1994 erwerbstätig, d.h. die Ehe hat ihre Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht berührt. Soweit die Klägerin in der Klageschrift zur Stützung ihres Anspruchs vorgetragen hatte, sie habe "seit der Eingehung der Ehe mit dem Beklagten vor nunmehr 17 Jahren nicht mehr gearbeitet, so dass es ihr an beruflicher Erfahrung fehlt", musste sie diesen falschen Vortrag später korrigieren.

Auch das Urteil des "Högsta Domstolen" vom 29.12.1983 stützt insoweit nicht die Auffassung der Klägerin, sie habe aufgrund der Verhältnisse in der Ehe einen Unterhaltsanspruch für längere Zeit. Denn die Klägerin im dortigen Verfahren hatte in der 22-jährigen Ehe keine Arbeit außer Haus gehabt, abgesehen von einigen zufälligen kürzeren Anstellungen. Weil sie somit keine Berufserfahrung hatte, mussten ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz als gering beurteilt werden. Im Hinblick auf diese Verhältnisse in der Ehe sah der Höchste Schwedische Gerichtshof ein "besonderes Schutzbedürfnis" der Klägerin vorliegen. Demgegenüber war die Klägerin im vorliegenden Verfahren bis auf die letzten 4 - 5 Jahre in der Ehe stets berufstätig. Richtig ist zwar, dass die Klägerin wegen der Arbeitsaufnahme des Beklagten in Deutschland im Jahr 1990 ihre Anstellung bei der Firma V aufgab und Ende 1994 mit Rücksicht auf das berufliche Fortkommen des Beklagten ihre Anstellung bei der Fa. K. Diese Brüche in ihrer Erwerbsbiografie können aber nicht mit einer ehebedingten langjährigen Erwerbslosigkeit gleichgestellt werden. So war die Klägerin nach Aufgabe ihrer Anstellung bei der Firma K nicht gehindert, sich umgehend um einen anderen Arbeitsplatz zu bemühen und hat dies nach ihren eigenen Angaben auch getan.

Insbesondere im Hinblick auf den ehebedingten Verlust ihres Arbeitsplatzes bei der Firma K wäre aber dem Grunde nach ein Unterhaltsanspruch gem. § 7 Abs. 2 für eine Übergangszeit in Betracht gekommen bis zur Wiederherstellung ihrer Selbsterwerbsfähigkeit. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des Unterhaltsanspruchs nach § 7 setzt ein solcher Anspruch aber voraus, dass die Klägerin ihrer Erwerbsobliegenheit nachgekommen ist, d.h. sich mit der gebotenen Intensität um einen Arbeitsplatz bemüht hat und des Weiteren eine Übergangszeit nicht mit eigenen Mitteln überbrücken kann.

Diesen Voraussetzungen steht bereits entgegen, dass die Klägerin die ihr vom Beklagten vermittelte Stelle bei der Firma H nicht angenommen hat. Insoweit kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, sie sei im laufenden Trennungsjahr nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet gewesen, zumal das anzuwendende schwedische Scheidungsstatut ein Trennungsjahr nicht kennt, sondern nur unter Umständen eine "Bedenkzeit" von sechs Monaten (Ehegesetz von 1987, Kap. 5 § 1 -3). Denn nach ihrem eigenen Vortrag bemühte sie sich bereits seit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bei K 1994 "mit allen ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten" um eine neue Anstellung. Es gab daher keinen Grund, den Ablauf des Trennungsjahres abzuwarten, zumal die Klägerin diese Chance bei - nach eigener Einschätzung - sehr schlechten Aussichten am Arbeitsmarkt einfach ergreifen musste. Im Widerspruch zu ihrem früheren Vorbringen trägt die Klägerin nunmehr auch vor, sie habe sich bei der Firma H tatsächlich vorgestellt, ein ernsthaftes Interesse an ihrer Beschäftigung habe aber nicht vorgelegen. Weder diese Einschätzung der Klägerin noch der Umstand der Befristung des Arbeitsverhältnisses und die Notwendigkeit eines Umzugs nach W rechtfertigen die Absage der Klägerin. Denn der Klägerin bot sich mit dieser Anstellung die Chance, den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu schaffen. Nachdem es der Klägerin nicht einmal unter Ausnutzung der ausgezeichneten Kontakte des Beklagten und des Zeugen C über Jahre hinweg gelungen war, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, durfte sie wegen der nach ihrer Einschätzung negativen Aspekte diese Chance nicht ausschlagen. Soweit das Amtsgericht diese Frage für den Trennungsunterhalt anders beurteilt hat, bindet dies den Senat nicht, weil Trennungs - und nachehelicher Unterhalt verschiedene Streitgegenstände darstellen.

Zwar war die Anstellung bei der Fa. H bis 31.12.1999 befristet und berührt insoweit den Zeitraum für den nachehelichen Unterhalt (ab Nov. 1999) zunächst fast nicht. Es kann aber nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass das Arbeitsverhältnis nicht verlängert worden wäre. Soweit die Klägerin eine solche Möglichkeit aufgrund ihres Gesprächs mit dem Geschäftsführer der Fa. H ausschließen will, kann diese Schlussfolgerung aufgrund der pauschalen Darlegung und Einschätzung seitens der Klägerin nicht als zwingend angesehen werden. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass eine weitergehende Anstellung wesentlich von der Arbeitsleistung der Klägerin abhängig gewesen wäre. Diese Ungewissheit geht zu Lasten der Klägerin, weil sie die Notwendigkeit eines Unterhaltsbeitrags nachweisen muss.

Selbst wenn aber das Arbeitsverhältnis nicht verlängert worden wäre, hätte die Klägerin auf diese Weise ihre weiteren Chancen am Arbeitsmarkt deutlich verbessert und sich in Ruhe nach anderen Beschäftigungsmöglichkeiten umsehen können. Denn es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass die Bemühungen um einen (anderen) Arbeitsplatz erfolgversprechender sind, soweit dies aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis heraus geschieht. Hinzu kommt, dass der Klägerin bei einem evtl. Ablauf der Beschäftigung bei der Firma H ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 6 Monate zugestanden hätte.

Aber auch sonst ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht, dass sie ihrer Erwerbsobliegenheit in ausreichendem Maß nachgekommen ist. Soweit die Klägerin eine ganze Anzahl von Ablehnungsschreiben vorgelegt hat, kann der Senat ohne Kenntnis der entsprechenden Bewerbungsschreiben nicht beurteilen, ob es sich um ernsthafte Bewerbungen gehandelt hat. Auf diesen Gesichtspunkt war die Klägerin bereits im ersten Termin vor dem OLG hingewiesen worden.

Im Übrigen waren die Bewerbungen der Klägerin auf ein falsches berufliches Spektrum ausgerichtet. Soweit es sich aufgrund der Ablehnungsschreiben beurteilen lässt, hat sich die Klägerin ganz überwiegend als Ingenieurin bzw. für technische Berufe beworben. Nach ihrer eigenen - auch vom Senat geteilten - Auffassung hatte sie aber im Hinblick auf jüngere Bewerber, die eine Hochschulausbildung als Ingenieur haben und über Berufserfahrung verfügen, "so gut wie keine Chancen mehr" auf eine Anstellung in diesem Bereich. Diese Einschätzung wird bekräftigt durch die vorgelegten Ablehnungsschreiben.

Unter diesen Umständen durfte sich die Klägerin bei ihren Bemühungen um einen Arbeitsplatz nicht auf technische Berufe beschränken, sondern sie musste sich insbesondere auf dem weiten Dienstleistungssektor nach geeigneten Stellen umsehen. Im Hinblick auf ihre bisherigen verschiedenen Tätigkeiten, ihre Kenntnisse der schwedischen Sprache und Beziehungen nach Schweden, ihrer gepflegten Erscheinung und gewandtem Auftreten wären angemessene Tätigkeiten auch außerhalb ihres "speziellen persönlichen Profils" in Betracht gekommen. Da gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht vorliegen, kann unter diesen Umständen auch im Hinblick auf das Alter der Klägerin (im Zeitpunkt der Scheidung 54 Jahre) nicht davon ausgegangen werden, dass sie keine reale Arbeitsplatzchance hatte. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann eine solche Schlussfolgerung in der Regel nur aufgrund intensiver erfolgloser Bemühungen (um die richtigen Stellen) gezogen werden, nicht dagegen aus Arbeitsmarktstatistiken abgeleitet werden. Auch eine Auskunft des Arbeitsamtes ist kein geeignetes Beweismittel, weil bekanntlich viele freien Stellen nicht über das Arbeitsamt angeboten werden und im Übrigen auch das Arbeitsamt nur eine allgemeine Aussage über die Möglichkeiten am Arbeitsmarkt machen kann.

Dass nach schwedischem Recht die an die Bemühungen um einen Arbeitsplatz zu stellenden Anforderungen deutlich geringer sind als nach deutschem Recht, ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus den vorgelegten Urteilen. Vielmehr wurden in den vorgelegten Urteilen, soweit sie sich mit der Frage der Anstellungschancen befassen, sämtliche Umstände berücksichtigt, insbesondere auch Ausbildung, Berufstätigkeit in der Ehe, gesundheitliche Verhältnisse und Alter. Dass insoweit auch die "Bescheinigungen der Arbeitsvermittlungen" berücksichtigt wurden, ist keine Besonderheit des schwedischen Rechts. Im Übrigen geht es dabei nicht um die Anforderungen an die Arbeitsplatzbemühungen, sondern um die Beurteilungsgrundlage für die Entscheidung, ob bzw. welche Arbeitsplatzchancen bestehen. Diese Frage kann aber für die Klägerin nur nach den Verhältnissen in Deutschland beantwortet werden und muss vom Senat letztlich auf der Grundlage seiner langjährigen Berufserfahrung und Kenntnis der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage beurteilt werden. Diese Beurteilung kann nicht Gegenstand eines Rechtsgutachtens sein.

b)

Weil daher davon auszugehen ist, dass die Klägerin eine Anstellung bei der Firma H - mit Ungewisser Dauer - erhalten bzw. bei intensiver und sachgerechter Suche einen anderen angemessenen Arbeitsplatz gefunden hätte, benötigt sie keinen Beitrag zu ihrem Unterhalt i.S.v. § 7 Abs. 2. Denn das erzielbare Einkommen hätte ausgereicht, den angemessenen Bedarf der Klägerin zu decken.

Bei der Firma H hätte die Klägerin - bei einer 25-Stunden-Woche - 5.070 DM brutto bzw. ca. 3.000 DM netto im Monat verdient. Bei einer sonstigen, angemessenen Anstellung im Dienstleistungsbereich kann ein Nettoeinkommen von jedenfalls ca. 2.500 DM zugrunde gelegt werden. Unter Hinzurechnung eines Zinsertrags aus einem Kapital von rd. 280.000 DM (s. unten c.) hätten diese Einkünfte den Unterhalt der Klägerin gesichert.

Denn die Klägerin kann für die Bemessung ihres Bedarfs nicht die - aufgrund des hohen Einkommens des Beklagten - deutlich besseren Lebensverhältnisse in der Ehe zugrunde legen. § 7 II spricht vielmehr von einem Unterhaltsbeitrag, der im Hinblick auf des anderen Ehegatten Leistungsfähigkeit und die übrigen Umstände angemessen ist. Im Rechtsgutachten des M-P-Instituts wird hierzu ausgeführt, dass nach § 7 eine Alimentierung zwecks Aufrechterhaltung des während der Ehe genossenen Lebensstandards keinesfalls verlangt werden kann, sondern höchstens ein "angemessener", d.h. recht bescheidener Beitrag zum Unterhalt nach Billigkeitserwägungen. In Übereinstimmung damit führt Prof. Dr. M J-J (aaO.) aus, dass das schwedische Recht keine Regelung kennt, nach der der Unterhalt als ein prozentualer Anteil am Einkommen des anderen Ehegatten festgesetzt wird. In der Regel sei das Niveau des zugesprochenen nachehelichen Unterhalts niedrig und sichere nur ein Existenzminimum ("only a minmal economic existence") und zwar unter Einrechnung der eigenen Einkommensquellen des bedürftigen Ehegatten. Folge davon könne sein, dass der bedürftige Ehegatte eine merkliche Herabsetzung seines Lebensstandards hinnehmen müsse.

Ein anderes Verständnis ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus den vorgelegten Urteilen schwedischer Gerichte. Nach dem Urteil des schwedischen Oberlandesgerichts für Westschweden wurde der dortigen Klägerin ein Unterhaltsbeitrag von 4000 SEK zugesprochen, der gerade ungefähr ihre Mietkosten von 3854 SEK abdeckte, bei sonstigen Einkünften von ca. 5500 SEK. Nach dem Urteil des "Högsta Domstolen" vom 29.12.1983 wurde der Klägerin ein Unterhalt von 3500 SEK zuerkannt, nachdem sie zuvor bei Mietkosten von 1428 SEK und Unterhalt von 1500 SEK noch Sozialhilfe von monatlich 1879 SEK (nach den Feststellungen des Högsta Domstolen nur 780 SEK) erhalten hatte. Das gute Einkommen des Unterhaltspflichtigen (von ca. 140.000 SEK) wird nur mit dem Hinweis erwähnt, dass es ihm möglich ist, diesen Unterhaltsbeitrag zu zahlen. Diese Urteile stützen daher nicht die Auffassung der Klägerin, der Bedarf richte sich - wie nach deutschem Recht - nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Vielmehr ist beiden Klägerinnen in diesen Urteilen - unbeschadet des jedenfalls teilweise guten Einkommens der Unterhaltspflichtigen - ein recht bescheidener Unterhaltsbeitrag zugesprochen worden. Richtig ist daher nur der Ausgangspunkt der Klägerin, dass der nach den Umständen "angemessene Unterhaltsbeitrag" zu bestimmen ist.

Auch nach Auffassung des Senats wäre es allerdings im Hinblick auf die Dauer der Ehe, die Ausbildung der Klägerin, die ehebedingten Brüche in ihrer Berufsbiografie sowie des sehr guten Einkommens des Beklagten nicht angemessen, ihren Bedarf nur in Höhe des notwendigen oder angemessenen Selbstbehalts anzunehmen. Vielmehr kommt unter diesen Umständen in Betracht, einen spürbar über diesen Beträgen liegenden Bedarf anzuerkennen in einer Größenordnung 3.000 DM bis 3.500 DM. Eine noch weitergehende Bedarfsbestimmung ist mit dem schwedischen Unterhaltsrecht dagegen nicht vereinbar.

c)

Die Klägerin muss sich nach den obigen Ausführungen einen Zinsertrag aus ca. 280.000 DM zurechnen lassen, nachdem sie unstreitig im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung einen Kapitalzufluss von 320.000 DM hatte. Von diesem Betrag können abgesetzt werden - vom Beklagten zugestandene - angefallene Steuern von 20.000 DM sowie angemessene Umzugskosten von 20.000 DM. Soweit die Klägerin höhere Steuern behauptet, hat sie keinen Nachweis erbracht, obwohl dies durch Vorlage des Steuerbescheids ohne weiteres hätte belegt werden können. Auch Umzugskosten von 27.000 DM sind nicht belegt, so dass es nicht auf die weitere Frage ankommt, ob sie unterhaltsrechtlich in dieser Höhe anzuerkennen wären.

Die Klägerin war in unterhaltsrechtlicher Hinsicht nicht berechtigt, einen Kapitalbetrag von 280.000 DM in kurzer Zeit durch ein hohes Konsumniveau zu verbrauchen. Vielmehr hätte ein bereinigter Zinsertrag von ca. 800 DM ausgereicht, eine evtl. Lücke in der Bedarfsdeckung durch ein Arbeitseinkommen abzudecken, ohne dass der Kapitalbetrag selbst nennenswert hätte angegriffen werden müssen.

Für eine evtl. Übergangszeit bis zur vollen Wiederherstellung der Fähigkeit zur Selbstversorgung wäre im Hinblick auf den hohen Kapitalbetrag auch ein sparsamer teilweiser Kapitalverzehr zumutbar gewesen.

d)

Da die Klägerin somit den ihr zuzubilligenden Bedarf mit den ihr unterhaltsrechtlich zuzurechnenden Einkünften und Vermögen decken kann, benötigt sie keinen Unterhaltsbeitrag seitens des Beklagten i.S.v. § 7 Abs. 2. Unter diesem Gesichtspunkt kommt erst recht kein Unterhaltsanspruch nach § 7 Abs. 3 in Betracht.

e)

Der Senat war nicht verpflichtet, ein weiteres Rechtsgutachten zum schwedischen Recht einzuholen. Die Auslegung und Anwendung von § 7 Ehegesetz Kap. 6 ist auf Grundlage des vorliegenden Rechtsgutachtens des M-P-Instituts, der Darstellung der aktuellen Rechtslage durch Prof. Dr. M J-J, U University, auf dem Symposium für Europäisches Familienrecht der Universität Regensburg vom 10. - 12. 10. 2002 sowie der von Klägerseite vorgelegten schwedischen Gerichtsurteile ausreichend abgesichert. Der Senat hat im Termin vom 29.10.2002 die Parteien ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Mitglied des Senats an dem o.g. Symposium teilgenommen hat und welche Erkenntnisse sich daraus ergeben haben.

f)

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Senat in der von der Klägerin herausgestellten Frage des anzuwendenden Rechts nicht von der ganz h.M. und Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen ist.

Ende der Entscheidung

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