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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 17 UF 7/06
Rechtsgebiete: türkisches ZGB


Vorschriften:

türkisches ZGB Art. 175
türkisches ZGB Art. 178
Der Beginn der Verjährung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt nach türkischem Recht richtet sich nach der Rechtskraft des inländischen Scheidungsurteils und nicht nach der Rechtskraft des Anerkennungsverfahrens in der Türkei.
Oberlandesgericht Stuttgart

- 17. Zivilsenat -

Familiensenat

Beschluss

vom 01. August 2006

Geschäftsnummer: 17 UF 7/06

In der Familiensache

wegen nachehelichen Unterhalts

hat der 17. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am OLG Strohal, der Richterin am OLG Köblitz und des Richters am OLG Maier

beschlossen:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Balingen vom 02.12.2005 (3 F 345/03) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Streitwert des Berufungsverfahrens:

 Rückstand 13.06.2002 - 30.09.20034.953,18 €
Laufend ab 01.10.20033.834,72 €
 8.787,90 €

Streitwert der Anschlussberufung: 1.644,00 €

Gründe:

I.

Die Parteien, beide türkische Staatsangehörige, haben am .1973 miteinander die Ehe geschlossen. Im Januar 2002 trennten sie sich dauerhaft. Das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Balingen vom 12.6.2002 - 3 F 37/02 - wurde nach wirksamem Verzicht auf Rechtsmittel am gleichen Tag rechtskräftig. In der Türkei wurde das deutsche Scheidungsurteil durch Urteil vom 17.4.2003 anerkannt, diese Entscheidung wurde am 28.4.2003 rechtskräftig.

Im September 2003 forderte die Klägerin erstmals vom Beklagten nachehelichen Unterhalt.

Das Familiengericht verurteilte den Beklagten zu rückständigem Getrenntlebensunterhalt nach deutschem Recht in Höhe von 1.644,00 € und wies die Klage auf nachehelichen Unterhalt wegen Verjährung nach türkischem Recht ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Verjährung des Unterhaltsanspruchs nicht bereits mit Rechtskraft des Scheidungsurteils in Deutschland, sondern erst mit Rechtskraft des Anerkennungsverfahrens in der Türkei beginnt.

Sie verlangt mit der Berufung monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 319,56 € ab dem 13.6.2002.

Der Beklagte beantragt,

Zurückweisung der Berufung der Klägerin und wendet sich im Wege der unselbständigen Anschlussberufung gegen die Verurteilung zu Getrenntlebensunterhalt.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Familiengericht hat zu Recht die Klage auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen, auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

Der Anspruch der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt richtet sich gemäß Art. 18 Abs. 4 EGBGB nach türkischem Recht, da beide Eheleute türkische Staatsangehörige sind und die Ehe der Parteien im Scheidungsverfahren 3 F 37/02 - Amtsgericht Balingen - nach türkischem Recht geschieden wurde.

Ein eventueller Unterhaltsanspruch der Klägerin nach Art. 175 des türkischen Zivilgesetzbuches ist gem. Art. 178 des türkischen Zivilgesetzbuches verjährt, worauf sich der Beklagte auch berufen hat. Nach Art. 178 des türkischen Zivilgesetzbuches verjähren Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt ein Jahr nach Rechtskraft des Scheidungsurteils.

Das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Balingen vom 12.6.2002 wurde am gleichen Tag rechtskräftig.

Während nach der früheren Rechtslage zwischen der Verjährung des Unterhaltsstammrechts, welches wegen Fehlens einer Frist zur Erhebung der Klage im Gesetz nicht verjährte, und den Einzelforderungen als periodisch wiederkehrende Leistungen, welche in entsprechender Anwendung des Art. 126 des türkischen Obligationengesetzes nach fünf Jahren verjährten, zu unterscheiden war, verjähren nunmehr nach der seit dem 1.1.2002 gültigen Vorschrift des Art. 178 ZGB alle Ansprüche, die anlässlich der Beendigung der Ehe durch Scheidung entstehen, ein Jahr nach Rechtskraft des Scheidungsurteils, mithin also auch das Unterhaltsstammrecht (Dose in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., 2004, § 7 Rdnr. 203 a).

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist somit mit Ablauf des 12.6.2003 verjährt, weshalb die erstmalige Aufforderung zur Bezahlung von nachehelichem Unterhalt im September 2003 bereits in verjährter Zeit geschah.

Beginn der Verjährungsfrist ist der Tag, an dem das Scheidungsurteil der Parteien in Deutschland Rechtskraft erlangt und nicht der Tag, an dem das Anerkennungsverfahren des deutschen Scheidungsurteils in der Türkei rechtskräftig zum Abschluss gelangt.

Hiervon geht auch zurecht die Klägerin selbst aus, wenn sie mit ihrer Berufung zutreffenderweise nachehelichen Unterhalt ab dem 13.6.2002 verlangt, was rechtsfehlerhaft wäre, wenn Rechtskraft der Scheidung erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten würde. Nach den Grundsätzen der lex fori beurteilen sich die prozessualen Wirkungen eines gerichtlichen Verfahrens (hier: Eintritt der Rechtskraft) stets nach den Vorschriften, welche in dem Land gelten, in dem der streitgegenständliche materielle Anspruch aufgrund internationaler Zuständigkeit geltend zu machen ist, hier also für den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt die prozessualen Regeln Deutschlands, nachdem beide Parteien in Deutschland wohnen und die Klägerin auch hier ihren Anspruch geltend gemacht hat.

Auf das Anerkennungsverfahren in der Türkei kann schon deshalb nicht abgestellt werden, da dieses nach allgemeinen Grundsätzen gerade das Vorliegen eines in Deutschland ergangenen Scheidungsurteils voraussetzt, welches bereits in Rechtskraft erwachsen ist.

Die Geltendmachung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt in der Türkei hätte bei dem zugrunde liegenden zeitlichen Ablauf ebenfalls zu keinem Ergebnis geführt, da zwar das rechtskräftige deutsche Scheidungsurteil im türkischen Rechtsraum keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen entfaltet, jedoch gleichwohl als zwingendes Beweismittel (kesin delil) in das türkische Verfahren eingeführt werden und auf diese Weise Beachtung finden kann (Rumpf und Odendahl in Bergmann/Ferid, Türkei, S.23).

Die Klägerin wurde durch Beschluss des Senats vom 16.05.2006 darauf hingewiesen, dass aus den dargelegten Gründen beabsichtigt ist, ihre Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Der Inhalt der hierauf abgegebenen Stellungnahme gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung.

Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert, weist der Senat die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO mit der Kostenfolge des § 97 ZPO durch Beschluss zurück.



Ende der Entscheidung

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