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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 18.10.2001
Aktenzeichen: 17 WF 381/01
Rechtsgebiete: KindUG, UTAG, Regelbetrag-Verordnung, ZPO, BGB


Vorschriften:

KindUG § 3
KindUG § 3 Abs. 2
KindUG § 3 Abs. 1
KindUG § 1
KindUG § 4 Abs. 1
UTAG § 2
Regelbetrag-Verordnung § 1
Regelbetrag-Verordnung § 2
ZPO § 652 Abs. 1
ZPO § 652 Abs. 2
ZPO § 648 Abs. 2
ZPO § 323 ZPO
ZPO § 648 Abs. 1
ZPO § 654
ZPO § 648 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 97 Abs. 1
BGB § 1612 a
BGB § 1612 a Abs. 2 u. 3
BGB § 1612 b Abs. 5
Zur Umstellung von Alttiteln über Unterhaltsfestbeträge auf dynamische Vomhundertsätze der Regelbeträge, wenn damit wegen eines Wechsels in eine höhere Altersstufe zugleich eine Anhebung des Ausgangsunterhalts verbunden ist (Art. 5 § 3 KindUG)
Oberlandesgericht Stuttgart - 17. Zivilsenat - - Familiensenat - Beschluß

Geschäftsnummer: 17 WF 381/01

vom 18. Oktober 2001

In der Familiensache

wegen Unterhaltsabänderung im vereinfachten Verfahren

hat der 17. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am OLG des Richters am OLG und des Richters am OLG

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts Freudenstadt - Familiengericht - vom 15. August 2001 (3 FH 52/2000) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gebühr: DM 50.00

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist das Kind des Antragsgegners und begehrt von diesem die Abänderung des am 13. Februar 1996 vor dem Amtsgericht F - 2 F 324/94 - geschlossenen Prozeßvergleichs über Kindesunterhalt gemäß Art. 5 § 3 KindUG und § 2 UnterhaltstitelanpG.

Der Antragsteller beantragte, den titulierten Unterhaltsbetrag von monatlich DM 249,-- ab 1. Januar 2001 abzuändern und zwar für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2001 auf monatlich DM 424,-- sowie ab 1. Juli 2001 auf 98,5 v.H. des jeweiligen Regelbetrags der 2. Altersstufe und ab 1. Juni 2005 auf 98,5 v.H. des jeweiligen Regelbetrags der 3. Altersstufe, jeweils abzüglich des hälftigen Kindergeldes, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrags übersteigt. Der Antrag des Antragstellers wurde dem Antragsgegner am 6. Juni 2001 zugestellt. Er hat daraufhin mitgeteilt, daß er für die geforderte Summe momentan nicht aufkommen könne.

Durch Beschluß vom 15. August 2001 hat das Amtsgericht den Unterhalt wie folgt festgesetzt:

- in Höhe von monatlich DM 424,-- vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2001

- in Höhe von monatlich DM 437,-- vom 1. Juli 2001 bis 31. Dez. 2001

- in Höhe von monatlich 98,04 v.H. des jeweiligen Regelbetrages der 2. Altersstufe gemäß § 1 der Regelbetrag-Verordnung unter Anrechnung des hälftigen Kindergelds für ein erstes Kind, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 v.H. des Regelbetrages übersteigt, vom 1. Januar 2002 bis 31. Mai 2005

- in Höhe von monatlich 98,4 v.H. des jeweiligen Regelbetrags der 3. Altersstufe gemäß § 1 der Regelbetrag-Verordnung unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 v.H. des Regelbetrages übersteigt, ab 1. Juni 2005

Der Beschluß wurde dem Antragsgegner am 22. August 2001 durch Niederlegung zugestellt.

Mit einem beim Amtsgericht F am 28. August 2001 eingereichten Schriftsatz erhebt der Beklagte Widerspruch und macht geltend, daß er wegen Arbeitslosigkeit und Krankengeldbezugs nicht leistungsfähig sei.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist als sofortige Beschwerde gemäß Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG, § 652 Abs. 1 ZPO statthaft und wahrt auch die formalen Voraussetzungen, da sie form- und fristgerecht eingegangen ist.

1.

Soweit der Antragsgegner Leistungsunfähigkeit einwendet, ist das Rechtsmittel unzulässig, weil die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 652 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Denn im vereinfachten Abänderungsverfahren kann der Einwand der Leistungsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden.

Durch die Übergangsvorschriften des Kindesunterhaltsgesetzes (KindUG, BGBI I 666 ff) wird gemäß Art. 5 § 3 KindUG eine Umstellung der vor dem 1. Juli 1998 ergangenen Unterhaltstitel über Festbeträge auf dynamische Vomhundertsätze der Regelbeträge gemäß § 1612a BGB ermöglicht. Die bloße Umstellung einer Unterhaltsrente von einem Festbetrag auf einen Vomhundertsatz der Regelbeträge erfordert aber keine erneute Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, wenn sich die für die Titulierung maßgeblichen Grundlagen nicht geändert haben. Davon geht der Gesetzgeber aus. Zum einen verweist die Regelung der Umwandlung statischer in dynamische Titel in Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG ausdrücklich nicht auf die in § 648 Abs. 2 ZPO geregelte Möglichkeit des Einwands der Leistungsunfähigkeit. Zum anderen ist dem Gesetzgeber bewußt gewesen, daß sich die der Titulierung von Unterhaltsansprüchen zugrunde liegenden Verhältnisse nach Ablauf einiger Jahre regelmäßig ändern. Deshalb hat er die Möglichkeit der Umwandlung von Alttiteln gemäß Art. 8 Abs. 2 KindUG auf die Dauer von fünf Jahren seit Inkrafttreten des Kindesunterhaltsgesetzes, also bis zum 30. Juni 2003, befristet, so daß nach diesem Zeitpunkt nur noch eine Abänderung gemäß § 323 ZPO möglich ist. Sinn und Zweck der Übergangsregelung liegt also - unter Berücksichtigung des Wegfalls der Vorschriften über die Neufestsetzung von Regelunterhalt in der vor dem 1. Juli 1998 geltenden Fassung - in der Gewährung eines befristeten vereinfachten Abänderungsverfahrens für Alttitel zur Vermeidung von Abänderungsverfahren gemäß § 323 ZPO.

Der somit bereits im vereinfachten Dynamisierungsverfahren angelegte Ausschluß der Einwendung mangelnder Leistungsfähigkeit gilt auch im Beschwerdeverfahren. Gemäß § 652 Abs. 2 ZPO können mit der sofortigen Beschwerde im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger ohnehin nur in beschränktem Umfang Einwendungen geltend gemacht werden, nämlich die in § 648 Abs. 1 ZPO bezeichneten Einwendungen, die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO, zu welchen die Leistungsunfähigkeit zählt, und die Unrichtigkeit der Kostenfestsetzung. Sind jedoch Einwendungen gemäß § 648 Abs. 2 ZPO im vereinfachten Dynamiserungsverfahren ohnehin ausgeschlossen, hat dies auch für das Beschwerdeverfahren zu gelten. Andernfalls würden Sinn und Zweck des Dynamisierungsverfahrens verfehlt.

Der Unterhaltsschuldner wird dadurch nicht rechtlos gestellt. Ohne das vereinfachte Dynamisierungsverfahren müßte er die Einwendung, daß sich seit der Titulierung seine Leistungsfähigkeit verringert habe, mit einer Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO geltend machen. Bei Durchführung des vereinfachten Dynamisierungsverfahrens besteht stattdessen die Möglichkeit der Korrekturklage gemäß § 654 ZPO, welche die Rechtsstellung des Unterhaltsschuldners nicht verschlechtert.

2.

Die Beschwerde ist gemäß Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG, §§ 652 Abs. 2, 648 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für zulässig zu erachten, soweit die angegriffene Entscheidung für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2001 Festbeträge anstelle von Vomhundertsätze der Regelbeträge tituliert hat.

In der Sache ist jedoch die Beschwerde auch insoweit ohne Erfolg. Sinn und Zweck von Art. 5 § 3 Abs. 1 KindUG liegt nicht darin, die vor dem 1. Juli 1998 titulierten Unterhaltsbeträge auf die Relation zwischen dem titulierten Unterhaltsbetrag und dem am 1. Juli 1998 geltenden Regelbetrag für die zum Zeitpunkt der Anpassung maßgebliche Altersstufe festzuschreiben. Dagegen wendet sich zwar eine einschränkende Auffassung (Zöller-Philippi, 21. Aufl., Anh. § 660 ZPO Anm. 15). Diese vertritt, daß für die Dynamisierung die zum Abänderungszeitpunkt aktuelle Altersstufe maßgeblich sei, weil die Dynamisierung eine Erhöhung der titulierten Unterhaltsbeträge nicht erlaube. Diese Auffassung übersieht jedoch, daß dadurch Vomhundertsätze der Regelbeträge tituliert würden, welche den wegen des fortgeschrittenen Alters erhöhten Bedarf des minderjährigen Kindes nicht berücksichtigen und damit letztlich zu einer weiteren Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zwingen würden. Aus dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erweist sich, daß der Gesetzgeber im Rahmen der Dynamisierungsmöglichkeit nach Art. 5 § 3 KindUG auch altersbedingte Bedarfserhöhungen ohne weitere Abänderungsverfahren einer Unterhaltsabänderung im vereinfachten Verfahren zugänglich machen wollte. Im Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts Minderjähriger wird in der Zielsetzung erklärt (vgl. Bundesratsdrucksache 959/96), daß allen Kindern auf schnellem und vereinfachten Weg der Zugang zu dynamisierten, individuell bemessenen Unterhaltsrenten geschaffen werden soll. Die in Art. 5 § 3 KindUG Gesetz gewordene Übergangsregelung befand sich in Art. 4 § 3 des Entwurfs mit folgendem Wortlaut: Urteile, ... können auf Antrag für die Zeit nach der Antragstellung in einem vereinfachten Verfahren durch Beschluß dahin abgeändert werden, daß die Unterhaltsrente in Vomhundertsätzen der nach § 1612a Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (E) ... geltenden Regelbeträge der einzelnen Altersstufen festgesetzt wird. ... In § 1612a Abs. 2 BGB des Entwurfs waren die einzelnen Altersstufen ausgewiesen unter Angabe der jeweiligen aktuellen Regelbeträge. Nach der Begründung zu Art. 4 § 3 KindUG-E sollte die bisherige Unterhaltsrente für die einzelnen Altersstufen des § 1612a BGB-E als Vomhundertsatz festgesetzt werden. Dies impliziert, daß die bei Errichtung des Titels gegebene Altersstufe für den Vomhundertsatz zum Dynamisierungszeitpunkt 1. Juli 1998 maßgeblich sein sollte. Deshalb ist der beim Antragsteller eingetretene Wechsel in der Altersstufe zwischen dem Zeitpunkt der Errichtung des Alttitels und dem Dynamisierungsbegehren für die Festsetzung des Vomhundertsatzes nach der Regelbetrag-Verordnung bezüglich des nach dem Alttitel geschuldeten Unterhalts nicht zu berücksichtigen.

Aus der dem abzuändernden Prozeßvergleich zu entnehmenden Geschäftsgrundlage bezüglich des vereinbarten Unterhaltsbetrages zugunsten des Antragstellers ergibt sich, daß der Zahlbetrag von monatlich DM 249,- aus einem Tabellenbetrag von monatlich DM 349,- abzüglich DM 100,- anteiliges Kindergeld errechnet wurde. Der Tabellenbetrag von DM 349,- entspricht dem Regelunterhalt nichtehelicher Kinder nach der Verordnung 1996 (BGBl. 1995 I 1190) für die Altersstufe 1 (Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres). Damit kann der Antragsteller eine Dynamisierung auf 100 v.H. des Regelbetrags beanspruchen. Nachdem der Antragsteller am 1. Juni 1999 das 6. Lebensjahr vollendet hat, befand er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der 2. Altersstufe nach §§ 1 und 2 Regelbetrag-Verordnung. Für die 2. Altersstufe bestimmt sich der Regelbetrag zum 1. Juli 1998 gemäß Art. 2 § 1 KindUG mit einem Betrag von DM 424,- und erhöht sich ab 1. Juli 2001 auf DM 444,- (BGBl. 2001 I 842). Wenn der Antragsteller ab diesem Zeitpunkt nur 98,4 v.H. des Regelbetrags fordert, ist dies als Minus gegenüber dem titulierten Ausgangsbetrag unschädlich.

Die vom Amtsgericht vorgenommene Rundung bei der Umrechnung des Vomhundertsatzes des Regelbetrags in den titulierten Festbetrag ab 1. Juli 2001 entspricht § 1612a Abs. 2 BGB.

Mit Sinn und Zweck des vereinfachten Verfahrens ist vereinbar, für die zum Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung eindeutig überschaubaren Zeiträume, in welchen eine Veränderung der Regelbeträge auszuschließen ist, die maßgeblichen Vomhundertsätze der Regelbeträge zur Erleichterung eines etwaigen Vollstreckungsverfahrens in Festbeträge umzurechnen. Die Angabe der geschuldeten Zahlbeträge dienen insoweit der Rechtssicherheit und verhindern weitere Auseinandersetzungen der Parteien im Vollstreckungsverfahren.

Von den im angefochtenen Beschluß festgesetzten Festbeträgen ist gemäß § 2 UnterhaltstitelanpG (BGBI I 1480), § 1612 b Abs. 5 BGB der - zwischenzeitlich erhöhte - Kindergeldanteil vom DM 135,- nicht abzusetzen, weil der abgeänderte Unterhaltsbetrag 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung nicht übersteigt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 5 § 4 Abs. 1 KindUG, § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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