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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 29.10.2003
Aktenzeichen: 19 VA 6/03
Rechtsgebiete: EGGVG, UNUÜ 1956
Vorschriften:
EGGVG § 23 Abs. 1 | |
UNUÜ 1956 Art 4 Abs. 1 |
Oberlandesgericht Stuttgart - 19. Zivilsenat - Beschluss
Geschäftsnummer: 19 VA 6/03
In der Justizverwaltungssache
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
des Richters am OLG Hettinger, - als Vorsitzender - der Richterin am OLG Walter und des Richters am OLG Trost
am 29.10.2003 beschlossen:
Tenor:
1. Der Antrag der Antragstellerin auf Abänderung des Bescheids des Antragsgegners vom 14.04.2003 (Az.: E-9311.2003/1) wird zurückgewiesen.
2. Geschäftswert: 7.445,18 €
Gründe:
1.
Der Antrag ist gem. § 23 Abs. 1 EGGVG zulässig, da die Ablehnung des Antragsgegners, das Gesuch der Antragstellerin an die türkische Empfangsstelle gemäß dem UN-Übereinkommen vom 20. Juni 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (UNUÜ 1956) weiterzuleiten, einen Justizverwaltungsakt darstellt (vgl. Mecke in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- u. Handelssachen, Loseblattsammlung, Stand Januar 2003, Band III Nr. 794 Anmerkung 61; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 3 Stichwort Unterhaltssachen sowie Anhang II zu § 168 GVG Art. 4 Rn. 1; MünchKomm/Gottwald, ZPO, 2. Aufl., IZPR Nr. 3 c Art. 4 Rn. 1).
Der Antrag ist gem. § 26 EGGVG auch form- und fristgerecht gestellt worden.
2.
Der Antrag ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt, denn der Antragsgegner hat die Weiterleitung des Gesuchs zu Recht abgelehnt.
a)
Der Antragsgegner ist gem. Art. 4 Abs. 1 UNUÜ 1956 grundsätzlich verpflichtet, die Gesuche weiterzuleiten. Er ist aber nach der gleichen Vorschrift berechtigt, Gesuche um Weiterleitung abzulehnen, wenn er von deren Mutwilligkeit überzeugt ist. Dieser Möglichkeit liegen ähnliche Gedanken zugrunde wie in § 114 ZPO bei Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (vgl. Mecke in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, a.a.O., Band III, Nr. 794 Anmerkung 61).
Vorliegend ist Mutwilligkeit anzunehmen, weil die Antragstellerin einen nach § 91 BSHG übergeleiteten Unterhaltsanspruch geltend macht. Diese Mutwilligkeit folgt daraus, dass ein Erstattungsanspruch, den wie hier ein Träger der Sozialhilfe nach §§ 90, 91 BSHG geltend machen kann, nach den Erörterungen auf der Staatenkonferenz nicht als Unterhaltsanspruch anzusehen ist (vgl. Mecke in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, a.a.O., Band III, Nr. 794 Anmerkung 33 unter Bezugnahme auf das Protokoll über die 8. Sitzung - E/Conf. 21/SR. 8 S. 8/9). Damit hat der Antragsgegner keine ihm nicht zustehende Schlüssigkeitsprüfung des Gesuchs der Antragstellerin vorgenommen (vgl. Mecke in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, a.a.O., Band III, Nr. 794 Anmerkung 37; Staudinger/Kropholler, Bearbeitung 2003, Anh. III zu Art. 18 EGBGB, Rn. 239 und 253), sondern die Weiterleitung deshalb versagt, weil der Anwendungsbereich des UNUÜ 1956 bereits nicht eröffnet ist. Das Übereinkommen kam vor dem Hintergrund der Ereignisse und Nachwirkungen des 2. Weltkriegs zustande, um der stark angestiegenen Zahl der von ihren Eltern getrennten und dadurch in Not geratenen Kindern sowie der von ihren Männern getrennten und dadurch in Not geratenen Frauen zu helfen, ihre Unterhaltsansprüche, die ihnen nach allen Rechtsordnungen zustehen, gegen im Ausland lebende Unterhaltspflichtige durchzusetzen (vgl. Lansky, Neue Wege zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, FamRZ 1959, 193). Auch daraus lässt sich ableiten, dass das Abkommen nur Privatpersonen, nicht aber öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung stehen soll.
b)
Die Antragstellerin genießt auch keinen Vertrauensschutz wegen der Stellungnahme des Amtsgerichts Pforzheim vom 08.10.2001 und der Auskunft des Vizekonsulats der Bundesrepublik Deutschland in der Türkei vom 07.07.2000. Das Amtsgericht ist gem. Art. 3 Abs. 1 des (deutschen) Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Juni 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 26.02.1959 lediglich eine Stelle, bei welcher der Berechtigte sein Gesuch einreichen kann, damit er nicht gezwungen ist, sich unmittelbar an die Übermittlungsstelle zu wenden (vgl. Mecke in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, a.a.O., Band III, Nr. 794 Anmerkung 114). Das Amtsgericht ist also keine weitere Übermittlungsstelle, sondern lediglich "der verlängerte Arm" der Landesjustizverwaltung (Staudinger/Kropholler, a.a.O., Anh. III zu Art 18 EGBGB, Rn. 245). Die Aufgaben der Übermittlungsstelle nimmt gem. Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Juni 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 26.02.1959 i.V.m. der Verordnung der Landesregierung vom 27.04.1959 (Ges. Bl. S. 50) allein das Justizministerium Baden-Württemberg wahr. Daher konnten weder das Amtsgericht noch das Vizekonsulat als unzuständige Stellen Entscheidungen in der Sache treffen.
3.
Eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gem. § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG scheidet bereits deshalb aus, da der Senat keine Entscheidung eines Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs auffinden konnte, die sich mit der vorliegenden Rechtsfrage auseinandergesetzt und dabei gegenteilig entschieden hat. Auch die Antragstellerin benennt keine Entscheidungen anderer Obergerichte.
4.
Die Festlegung des Geschäftswerts beruht auf § 30 Abs. 3 EGGVG i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO, wobei der Wert auf 1/4 des titulierten Anspruchs (58.246,-- DM) = 7.445,18 € festgesetzt wird.
Ende der Entscheidung
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