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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 19.05.2009
Aktenzeichen: 2 Ss 1014/09
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 130
StGB § 130 Abs. 1
StGB § 130 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 185
StPO § 354 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 17. Dezember 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Berufungsstrafkammer des Landgerichts Rottweil zurückverwiesen.

Gründe: I.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 7. Juli 2008 wegen Beleidigung zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 Euro. Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch zu seinen Ungunsten die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Der Angeklagte erstrebte mit seiner Berufung einen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft wollte eine in Tateinheit mit der Beleidigung stehende Verurteilung wegen Volksverhetzung erzielen. Das Landgericht verwarf beide Berufungen.

Es hat zu der Tat des Angeklagten dieselben Feststellungen getroffen wie das Amtsgericht und auf dessen nachfolgende Feststellungen verwiesen:

"Der Angeklagte bestellte seiner rechtsextremen Gesinnung entsprechend an einem nicht näher feststellbaren Tag im Januar 2006 bei der zwischenzeitlich verbotenen rechtsextremen Vereinigung "S. D." Plakate, die er in der Nacht zum 9. Juni 2006 in verschiedenen Orten jeweils an öffentlichen Stellen allein oder mit anderen Gesinnungsgenossen zusammen aufhängte oder zumindest anderen Gesinnungsgenossen zum Aufhängen an bestimmten öffentlich zugänglichen Stellen überließ, die diese dann aufhängten.

Bei diesen Plakaten handelte es sich zum einen um Plakate, die vom "S. D." als Plakat "C" angeboten worden waren und die der Angeklagte jeweils unter dieser Bezeichnung beim S D bestellt hatte. Diese Plakate hatten folgenden Inhalt: Die in Rot gehaltene Überschrift lautete: "Nein C, Du bist nicht Deutschland"; dann folgte eine Portrait-Skizze eines Affen, die beschrieben war mit "Affe C, BRD-Zooinsasse"; danach kam die - wiederum in Rot gehaltene - Schrift: "Du bist ein Affe".

Zum anderen handelte es sich um Plakate mit folgendem Inhalt: Die ebenfalls in Rot gehaltene Überschrift lautete auf diesen Plakaten: "Nein G., Du bist nicht Deutschland", sodann folgte eine Portrait-Skizze, die deutlich erkennbar den Fußballbundesliga- und Nationalspieler G. A. darstellen sollte und die beschrieben war mit "G. A., BRD-Nationalspieler"; darunter stand: "Du bist BRD!".

Im Einzelnen wurden die Plakate an folgenden Orten angebracht:

- 80 Plakate an Litfasssäulen in F., nämlich B/T, L-/T, S/L, G/L, D/V und R, - 45 Plakate in D an insgesamt 4 Buswartehäuschen in der S, - ca. 10 Plakate in P an zwei Buswartehäuschen in der H, - ca. 50 Plakate in W an Buswartehäuschen der Teilgemeinden S, H, T und L.

Wie dem Angeklagten bewusst war, wurden die Plakate "C" immer jeweils paarweise mit den "A"-Plakaten angebracht, wodurch der Fußballnationalspieler G A- wie von dem Angeklagten beabsichtigt - für den Betrachter der Plakate in die Nähe eines Affen gerückt und dadurch in seiner Ehre verletzt wurde."

Diesen Sachverhalt bewertete das Landgericht, ebenso wie das Amtsgericht, als Beleidigung gemäß § 185 StGB. Die unterbliebene tateinheitliche Verurteilung wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB begründete das Landgericht damit, dass es aufgrund der konkreten Umstände des Falles bereits äußerst zweifelhaft sei, ob die Plakatkombination gegen "Teile der Bevölkerung" gerichtet sei. Entscheidend sei hierfür, ob die vom Täter vorgenommene Abgrenzung nach objektiven Gesichtspunkten nachvollziehbar sei und daher die abstrakte oder konkrete Gefahr einer Identifizierung breiter Kreise mit der ausgrenzenden Hetze begründe. Zu denken sei hier an in Deutschland berufstätige Fußballspieler ausländischer Herkunft oder an ausländische Bewohner insgesamt. Durch die Bezugnahme der Plakate auf die Werbekampagne "Du bist Deutschland", die mit dem Thema Ausländerfreundlichkeit oder -feindlichkeit aber gar nichts zu tun habe, sei dies aber mehr als fraglich. Jedenfalls fehle es an dem Erfordernis der Tathandlung, zur Friedensstörung geeignet zu sein. Die Tat des Angeklagten müsse konkret geeignet sein, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern oder das psychische Klima aufzuhetzen. Dabei komme es auf eine Gesamtwürdigung von Art, Inhalt, Form, Umfeld der Äußerung, Stimmungslage der Bevölkerung und politischer Situation an. Mithin hätten konkrete Tatsachen festgestellt werden müssen, wonach durch die Plakatierung das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert worden wäre. Nach vielfältigen Literaturstimmen wären hierzu gegebenenfalls entsprechende Daten aus den Bereichen Soziologie, Psychologie und Kriminologie zu erheben und im Wege des Sachverständigenbeweises aufzubereiten gewesen. Nachdem die Ermittlungen hierzu auch ansatzweise nichts ergeben hätten, habe die Kammer von einer weiteren Sachverhaltsaufklärung abgesehen.

Mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten eingelegten Revision - der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist - rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet, dass eine tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Volksverhetzung unterblieben ist.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat zutreffend die Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB festgestellt, da das Plakat "Nein G" gegenüber dem Fußballnationalspieler G A ehrverletzenden Charakter hat.

Das Plakat "C" ist zwar für sich genommen strafrechtlich irrelevant. Zu Recht rügt die Staatsanwaltschaft jedoch, das Landgericht habe (bereits) das Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB durch die paarweise Anbringung der beiden Plakate rechtsfehlerhaft verneint. Diese Vorschrift stellt Angriffe gegen die Menschenwürde anderer unter Strafe, durch welche Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, wenn diese Tat in einer Weise erfolgt, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale ist durch Auslegung zu ermitteln. Auf der Grundlage der von der Strafkammer getroffenen Feststellungen hält die von ihr vorgenommene Auslegung revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

2. Soweit das Landgericht in Zweifel zieht, dass die Plakatkombination sich gegen "Teile der Bevölkerung" richtete, hat es den festgestellten Sachverhalt nicht erschöpfend in seine Erwägungen einbezogen. Mit dem bloßen Hinweis, es könnten die in Deutschland berufstätigen Fußballspieler ausländischer Herkunft oder ausländische Bewohner insgesamt gemeint sein, was jedoch fraglich sei, da die Werbekampagne "Du bist Deutschland" nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun habe, setzt es sich nicht mit dem offensichtlichen Abzielen der Plakatkombination auf die farbige Bevölkerung auseinander.

Der Begriff "Teile der Bevölkerung" umfasst alle Personenmehrheiten, die sich aufgrund gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale als eine von der übrigen Bevölkerung unterscheidbare Bevölkerungsgruppe darstellen und die zahlenmäßig von einiger Erheblichkeit, d. h. individuell nicht mehr überschaubar sind (Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, § 130 RN 3, 4 m. w. N.). Eine solche Personenmehrheit stellen unstreitig farbige Menschen dar (vgl. PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1994, 490 ff.; OLG Hamburg, NJW 1975, 1088 ff; Schönke/Schröder, a. a. O.). Zwar richtet sich das Plakat "Nein G" auf den ersten Blick "nur" gegen G A. Auch die Diffamierung von Einzelpersonen einer bestimmten Personenmehrheit ist jedoch dann vom Schutzbereich des § 130 StGB (Schutz des öffentlichen, d.h. des innerstaatlichen Friedens) umfasst, wenn sie sich zugleich gegen Teile der inländischen Bevölkerung richtet, unabhängig davon, ob es sich um Deutsche oder Ausländer handelt. Entscheidend ist hierfür der objektive, durch Auslegung zu ermittelnde Erklärungswert. Vorliegend ist somit entscheidend, wie das durch die Plakatkombination zum Ausdruck gebrachte Werturteil von einem unbefangenen Durchschnittsempfänger verstanden werden muss (Schönke/Schröder, a. a. O., RN 5).

Nur bei vordergründiger Betrachtung kann die Bilddarstellung des Fußballnationalspielers G A i. V. m. dem Plakat "Ch" als "bloße" Diffamierung des Fußballspielers als Einzelperson oder anderer Fußballnationalspieler ausländischer Herkunft verstanden werden. Bei unbefangener Betrachtung drängt sich dem objektiven Durchschnittsempfänger vielmehr sofort eine andere Angriffsrichtung auf, die von den Urhebern und Verbreitern der Plakate - somit auch von dem Angeklagten - auch beabsichtigt gewesen sein dürfte, nämlich die Diffamierung aller ausländischen Mitbürger sowie aller deutschen Staatsangehörigen, deren Äußeres aufgrund der Hautfarbe nicht den Vorstellungen einer Rassenideologie entspricht, mithin einer Personenmehrheit im obigen Sinn. Durch die bildliche Darstellung des farbigen Nationalspielers in Kombination mit dem "schwarzen Affen" wäre es fern liegend, die Plakatkombination nicht als gegen alle in Deutschland lebenden farbigen Menschen gerichtete Aktion zu verstehen.

Soweit die Strafkammer aus dem - von ihr nicht festgestellten - Zweck der Werbekampagne "Du bist Deutschland" etwas anderes herleiten möchte, übersieht sie, dass die Kampagne - gerichtsbekannt - eine Initialzündung für mehr Zuversicht und Eigeninitiative in Deutschland sein wollte. Sie wurde von zahlreichen Prominenten, Medienkonzernen und Unternehmen unterstützt, auch von dem Fußballnationalspieler G A. Ihr Ziel hat zwar auf den ersten Blick nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, sondern wollte die in Deutschland lebenden Bürger zu mehr Selbstvertrauen und Motivation anstoßen. Wenn jedoch in diesem Zusammenhang einem deutschen Staatsangehörigen, und zwar ersichtlich allein aufgrund seiner Hautfarbe, das Recht abgesprochen wird, Deutschland zu vertreten und an einer Kampagne für Deutschland teilzunehmen, wird damit objektiv zum Ausdruck gebracht, dass Deutschland nur von Menschen weißer Hautfarbe vertreten werden könne.

3. Der durch Auslegung zu ermittelnde Erklärungswert der Plakatkombination beinhaltet einen Angriff auf die Menschenwürde der oben genannten Bevölkerungsgruppe durch böswilliges Verächtlichmachen. Verächtlich gemacht wird, wer durch Werturteil als der Achtung der Bürger unwert oder unwürdig dargestellt wird; böswillig ist eine solche Äußerung, wenn sie aus feindseliger Gesinnung, in der Absicht zu kränken, vorgebracht wird (BeckOK, StGB, § 130, RN 17 m. w. N.).

Kernaussage der jeweils nebeneinander angebrachten Plakate ist der Vergleich von Farbigen mit Affen, wodurch Farbige als minderwertig gegenüber Menschen weißer Hautfarbe dargestellt werden. Dies wird schon nahe gelegt allein durch den Umstand, dass die Plakate, wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, paarweise und zumindest zum Teil jeweils mehrfach aufgehängt wurden. Durch die in roter Farbe gehaltene Beschriftung: "Nein G, du bist nicht Deutschland" neben dem Plakat mit dem Text "Nein C, du bist nicht Deutschland" wird diese Ausgrenzung und Verunglimpfung als Affe besonders hervorgehoben. Auch durch die ebenfalls in roter Farbe gehaltenen Schriftzüge: "Du bist BRD" bzw. "Du bist ein Affe" wird die Gleichstellung von Menschen schwarz-afrikanischer Herkunft mit Affen deutlich assoziiert, zumal auf dem Plakat "C" der Affe zusätzlich als BRD-Zooinsasse bezeichnet wird. Dieses ausländerfeindliche und rassistische Werturteil ist für jeden unbefangenen Betrachter der deutlich erkennbare objektive Aussagegehalt der Plakatkombination und bringt damit die - angebliche - Minderwertigkeit der genannten Bevölkerungsgruppe zum Ausdruck, nämlich als Staatsbürger unwürdig zu sein. Ob sich, über die vorgenannten Umstände hinaus, aus der Art der Darstellung von G A und "C" ein weiteres Indiz für die - angebliche - Minderwertigkeit der genannten Bevölkerungsgruppe ergibt, kann der Senat nicht beurteilen, da das angefochtene Urteil nicht auf die in den Akten befindlichen Bilder Bezug nimmt.

Es liegt auf der Hand, dass diese Kernaussage der Plakatierung einen Angriff auf die Menschenwürde beinhaltet. Ein solcher setzt voraus, dass er sich gegen den unverzichtbaren und unableitbaren Persönlichkeitskern des anderen, gegen dessen Menschsein als solches richtet und ihm - aufgrund seiner Unterwertigkeit - das Lebensrecht in der Gemeinschaft abspricht (BGH, NStZ 81, 258 ff; BeckOK, a. a. O., RN 18). Nur bei oberflächlicher Betrachtung kann die Plakatkombination als reine Ausgrenzung und Zurückweisung Farbiger verstanden werden, ohne dass damit gleichzeitig deren Minderwertigkeit behauptet werde. Für den objektiven Durchschnittsempfänger wird gerade durch die Bezugnahme auf die Werbekampagne "Du bist Deutschland" augenscheinlich, dass durch diese Plakate - anknüpfend an die NS-Rassenideologie - die Überlegenheit der weißen Rasse gegenüber den angeblich minderwertigen, affenähnlichen farbigen Menschen zum Ausdruck gebracht werden soll.

4. Diese Tathandlung im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist schließlich geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Auch insoweit tragen die Feststellungen des Landgerichts die objektiven Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmales. Ausreichend ist eine abstrakt-konkrete bzw. potentielle Gefährdung, so dass eine generelle Gefährlichkeit der Tat genügt, ohne dass eine konkrete Gefährdung des öffentlichen Friedens eingetreten sein muss (Miebach/Schäfer MK, § 130, RN 7). Voraussetzung ist, dass konkrete Tatumstände bei genereller Betrachtung Anlass zu der Befürchtung geben, dass das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit durch die Plakatkombination erschüttert wird. Hierfür genügt, dass eine Vertrauenserschütterung innerhalb der Bevölkerungsgruppe zu befürchten ist, gegen die sich die böswillige Verleumdung wendet oder dass in empfänglichen Kreisen die Neigung zu Rechtsbrüchen gegen die angegriffene Gruppe geweckt oder verstärkt werden könnte (BeckOK, a. a. O, RN 19; OLG Hamburg, NJW 1975, 1087,1088). Einem Werturteil, welches - wie hier - einen Angriff auf die Menschenwürde darstellt, kommt in der Regel die Eignung zu einer Friedensstörung zu.

Das Landgericht verkennt insoweit zwar nicht, dass die Eignung zur Friedensstörung nicht losgelöst von den jeweiligen aktuellen Rahmenbedingungen, von der Befindlichkeit der Bevölkerung und der politischen Situation festgestellt werden kann, sondern es vielmehr einer Gesamtwürdigung bedarf. Allerdings hat das Landgericht auch dieses Tatbestandsmerkmal nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Über den Hinweis hinaus, es seien zur Beurteilung vielfältige Daten zu erheben und auszuwerten gewesen, lässt das angefochtene Urteil eine eingehende Begründung vermissen. Eine solche war dem Landgericht schon deshalb nicht möglich, weil es versäumt hat, durch Auslegung den Erklärungswert der Plakatkombination festzustellen. Offenbar hat das Landgericht zudem verkannt, dass es sich bei § 130 Abs. 1 StGB um ein potentielles Gefährdungsdelikt handelt, dass also - wie dargelegt - die Herbeiführung einer auch nur entfernten Gefahr für die allgemeine Rechtssicherheit oder das Friedensgefühl der Bevölkerung zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmales ausreicht, ohne dass eine tatsächliche Störung des Friedens erforderlich ist. Sofern die Möglichkeit besteht, dass in empfänglichen Kreisen die Neigung zu Rechtsbrüchen gegen die angegriffene Gruppe geweckt oder verstärkt wird, liegt bereits eine Störung des öffentlichen Friedens vor. Angesichts des hetzerischen Charakters der Plakatkombination, die in einer Vielzahl von Fällen an verschiedenen Orten angebracht worden ist, und des Umstands, dass sich ab dem 9. Juni 2006 (Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland) zahlreiche ausländische Besucher in Deutschland aufhielten, drängt sich die Gefahr auf, in empfangsbereiten Kreisen die Neigung zu Aggressionstaten jeder Art zu wecken bzw. zu stärken. Dies gilt umso mehr, als ohnehin am Rande von Fußballspielen häufig Aggressionen ausgetragen werden. Auch die andere Alternative, dass eine Vertrauenserschütterung innerhalb der betroffenen Bevölkerungsgruppe zu befürchten sein könnte, wird in dem angefochtenen Urteil nicht erörtert. Insbesondere ist hierfür nicht erforderlich, dass Angehörige der betroffenen Bevölkerungsgruppe von dem Werturteil oder der Äußerung Kenntnis nehmen. Es ist ausreichend, wenn nach den konkreten Umständen damit zu rechnen ist, dass der Angriff einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird. Dies ist bei einer breit gestreuten Plakatierung zwangsläufig die Folge. Hierdurch entsteht die potentielle Gefahr, dass Teile der betroffenen Bevölkerungsgruppe durch den unmissverständlichen Aussageinhalt der Plakatkombination in ihrem Sicherheitsgefühl beeinträchtigt werden. Aus der Sicht der Betroffenen kann der Eindruck entstehen, dass in der Bundesrepublik Deutschland derartige volksverhetzende Tendenzen aufkeimen, was zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Rechtssicherheit führen kann.

5. Die Auslegung von schriftlichen und bildlichen Äußerungen und Werturteilen auf ihren tatsächlichen Gehalt ist zwar grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters, weshalb das Revisionsgericht dessen Würdigung regelmäßig hinzunehmen hat. Die Prüfung des Revisionsgerichts muss sich daher darauf beschränken, ob die vom Tatrichter getroffene Auslegung gegen Denkgesetze, Rechts- oder Erfahrungssätze oder allgemeine Auslegungsregeln verstößt (Dahs/Dahs Die Revision im Strafprozess, 7. Aufl. RN 434, Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl.,§ 337 RN 32). Die von der Strafkammer vorgenommene, äußerst knappe Auslegung der Tatbestandsmerkmale genügt den rechtlichen Anforderungen an die tatrichterliche Aufgabe jedoch nicht, weil sie die oben angesprochenen und wesentlichen Gesichtspunkte bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale außer Acht lässt. Wenn mehrere Auslegungen denkbar sind, darf das Revisionsgericht zwar seine eigene nicht an die Stelle der tatrichterlichen setzen (Dahs/Dahs a.a.O.). Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Dem unbefangenen Beobachter kann die Plakatkombination nämlich keinen anderen als den dargelegten Erklärungswert vermitteln. In objektiver Hinsicht ist deshalb eine andere, als die vom Senat vorgenommene Auslegung ausgeschlossen.

An einer Schuldspruchberichtigung gemäß § 354 Abs. 1 StPO ist der Senat gehindert, da hierfür vollständige und tragfähige Urteilsfeststellungen vorliegen müssen. Vorliegend fehlen jedoch die - bei dieser Sachlage naheliegenden - Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Die Sache muss daher insgesamt an die Tatsacheninstanz zurückverwiesen werden, da der Senat die erforderlichen subjektiven Feststellungen als Revisionsgericht nicht zu ersetzen vermag.

Soweit in der neuen Berufungsverhandlung die Strafbarkeit des Angeklagten wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB festgestellt werden sollte, stünde dieses Delikt in Tateinheit mit Beleidigung gemäß § 185 StGB, da es sich bei der Tathandlung zwar um die Diffamierung eines Teils der Bevölkerung handelt, der Angriff auf den Fußballspieler G A sich aber nicht in dem Angriff auf die Gesamtheit verliert.

Ende der Entscheidung

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