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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 16.08.2000
Aktenzeichen: 2 Ss 325/200
Rechtsgebiete: StVO
Vorschriften:
StVO § 18 Abs. 7 |
Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Senat für Bußgeldsachen - Beschluss
Geschäftsnummer: 2 Ss 325/2000 5 OWi 25 Js 133621/99 AK 383/99 AG Rottweil 25 Js 133621/99 StA Rottweil 505.40.412485.9 Stadt Rottweil
in der Bußgeldsache gegen
S. C.,
wegen Zuwiderhandlung gegen die StVO
Der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Stuttgart hat am 16. August 2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Beschwerdeführers beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Rottweil vom 21. Februar 2000 aufgehoben.
Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher Nichtbefolgung einer durch Vorschriftzeichen gegebenen Fahrtrichtungsanordnung zu der Geldbuße von 30,00 DM verurteilt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.
Angewendete Vorschriften: §§ 41 Nr. 209, 49 Abs.3 Nr. 4 StVO i. V. mit § 24 StVG.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Wendens auf einer Kraftfahrstraße zu der Geldbuße von 250,00 DM verurteilt.
Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Betroffene befuhr am 13. September 1999 um 13.20 Uhr die Bundesstraße 14 (Umgehung R.) auf der Gemarkung R. in Richtung S. Nachdem sich der Betroffene verfahren hatte, beschloss er, auf der Fahrbahn zu wenden. Die Bundesstraße 14 ist im gesamten Umfahrungsbereich der Stadt R. als Kraftfahrstraße ausgewiesen, was dem Betroffenen bekannt war. Als er die beiden Parkplätze "B." erreicht hatte, verließ er die Fahrspur Richtung S. und fuhr rechts auf den in dieser Fahrtrichtung befindlichen Parkplatz. Sodann durchfuhr er den gesamten Parkplatz bis zu dessen Ausfahrt. An dieser Stelle befindet sich auf der Fahrbahn ein Rechtspfeil. Zudem ist unmittelbar an der Einmündung des Parkplatzes auf die Bundesstraße 14 das Zeichen Nr. 2 zu § 41 StVO (vorgeschriebene Fahrtrichtung rechts) angebracht. Darunter befindet sich ein zusätzliches Hinweisschild: "Wenden verboten" neben der Kennzeichnung der B 14 als Kraftfahrstraße. Der Betroffene fuhr nun jedoch in Kenntnis jener Beschilderung nicht in die vorgeschriebene Fahrtrichtung S. aus dem Parkplatz heraus, sondern überquerte beide Fahrspuren der B 14 in leicht schräger Richtung, um unmittelbar in die gegenüberliegende Einfahrt des Parkplatzes einzufahren, der sich in Fahrtrichtung S. gesehen auf der linken Fahrbahnseite befindet. Die Ausfahrt des Parkplatzes in Richtung S. und die Einfahrt des auf der gegenüberliegenden Seite befindlichen Parkplatzes liegen nahezu einander gegenüber, sind jedoch höchstens um 2 m bis 3 m versetzt. Auf dem gegenüberliegenden Parklatz angekommen, durchfuhr der Betroffene diesen in die entgegengesetzte Fahrtrichtung, aus der er ursprünglich gekommen war, und fuhr am Ende dieses Parkplatzes wieder auf die B 14, nunmehr in Richtung Autobahnauffahrt A 81, mithin in die Richtung, aus der er soeben gekommen war.
Das Amtsgericht hat diesen Sachverhalt als eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von §§ 18 Abs. 7, 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO i. Verb. mit § 24 StVG gewertet.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Er vertritt die Auffassung, der festgestellte Sachverhalt erfülle nicht den Begriff des Wendens auf einer Kraftfahrstraße. Er habe lediglich das Vorschriftzeichen 209 (vorgeschriebene Fahrtrichtung rechts) missachtet.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht hält das angefochtene Urteil für richtig und hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Diese hat Erfolg. Das Urteil des Amtsgerichts Rottweil war aufzuheben und der Betroffene wegen vorsätzlicher Missachtung eines Fahrtrichtungszeichens zu der Geldbuße von 30,00 DM zu verurteilen.
Das Verhalten des Betroffenen stellt kein "Wenden auf einer Kraftfahrstraße" im Sinne des § 18 Abs. 7 StVO dar. Nach dem Sprachgebrauch der StVO bedeutet "Wenden" eine Fahrtrichtungsänderung auf der Straße um 180 Grad (vgl. Walther HK § 9 StVO Rdnr. 102; KG VM 1975, 78; OLG Koblenz VRS 71, 58). Ein "Wenden" liegt nur dann nicht vor, sondern ein Abbiegen, wenn das Fahrzeug die Fahrbahn bei dem Vorgang völlig verlässt (OLG Koblenz VRS 71, 58). Der Betroffene hat allerdings die Kraftfahrstraße durch das Einbiegen auf den Parkplatz nicht völlig verlassen, weil der Parkplatz einer Kraftfahrstraße, ebenso wie bei einer Autobahn die Raststätten, Parkplätze und Tankstellen (OLG Hamm VRS 59, 458; BayobLG VRS 78, 154) oder die Standspur (OLG Oldenburg VRS 60, 312; OLG Düsseldorf VRS 68, 141), noch zu der Kraftfahrstraße gehört (BayobLG VRS 62, 143). Da der Betroffene, nachdem er den zweiten Parkplatz durchfahren hatte, auf die seiner ursprünglichen Fahrtrichtung genau entgegengesetzte Fahrbahn einscherte, liegt demnach dem ersten Anschein nach "Wenden" vor. Jedoch wäre es nicht sachgerecht, den Begriff des "Wendens" lediglich an der verwaltungsrechtlichen Einordnung der Kraftfahrstraße zu messen, d. h. am Inbegriff der Baulichkeiten, die in diesem Sinn zur Kraftfahrstraße gehören. Geboten ist vielmehr eine Auslegung, die sich am Sinn und Zweck der Vorschrift orientiert und jene Gesichtspunkte zugrunde legt, die den Verordnungsgeber bewogen haben, das Wenden auf einer Kraftfahrstraße unter erhöhte Sanktion zu stellen. Wie das Amtsgericht mit Recht festgestellt hat, dient das Verbot dem Schutz des Schnellverkehrs, für den ein Wenden nicht nur auf Autobahnen, sondern auch auf Kraftfahrstraßen besonders gefährlich ist. Jene besondere Gefahrenlage sieht das Amtsgericht darin, dass der Wendevorgang mit einem Kreuzen oder Überqueren beider Richtungsfahrbahnen verbunden ist. Gerade jenes Kreuzen beider Richtungsfahrbahnen sei ein wesentliches und besonders gefahrenträchtiges Merkmal des Wendens. Zum Beleg dieser Rechtsauffassung zieht das Amtsgericht zum einen die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in VRS 62, 143 heran. Danach wendet auf einer Kraftfahrstraße, wer auf dieser unter Einbeziehung eines rechts der Fahrbahn gelegenen Parkplatzes sein Fahrzeug in die der bisherigen Fahrtrichtung entgegengesetzte Richtung bringt. Der dortige Betroffene war von der Kraftfahrstraße nach rechts in einen Parkplatz eingebogen, hatte diesen durchfahren und war an dessen Ende wieder nach links in die Kraftfahrstraße eingefahren, um seine Fahrt auf der anderen Straßenseite in entgegengesetzter Richtung fortzusetzen. Zum anderen beruft sich das Amtsgericht auf die Entscheidung des OLG Koblenz in NZV 1992, 406, 407, wonach verbotenes Wenden auf einer Kraftfahrstraße auch dann vorliegt, wenn die Fahrtrichtungsänderung unter Einbeziehung eines auf der linken Fahrbahnseite gelegenen Parkplatzes geschieht. Auch das OLG Koblenz sieht im "vorübergehenden Querfahren" ein wesentliches Merkmal des Wendens, aus dem für den Schnellverkehr besondere Gefahren erwachsen.
Nach Auffassung des Senats stellt das Verhalten des Betroffenen bereits im Wortsinn kein "Wenden auf einer Kraftfahrstraße" dar. Er hat diese vielmehr lediglich überquert, ebenso wie ein Kraftfahrer, der von der Einfahrt der Kraftfahrstraße auf die gegenüberliegende Ausfahrt fährt und auf dieser seine Fahrt fortsetzt (BayObLG VM 1996, 60). Vom Gefährdungspotenzial her gesehen, liegt auch kein Unterschied zu solchen Fällen vor, bei denen der Betroffene auf dem gegenüberliegenden Parkplatz sein Fahrzeug anhält bzw. parkt und erst später weiterfährt.
Sowohl der Sachverhalt, der der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts zugrunde lag als auch derjenige, über den das OLG Koblenz zu befinden hatte, sind mit dem hier vorliegenden nur teilweise identisch. Jenen Fällen war eigen, dass jeweils eine Richtungsfahrbahn unmittelbar für die Herbeiführung der Richtungsänderung um 180 Grad in Anspruch genommen wurde mit der Folge entsprechender nicht in den Fluss des Schnellverkehrs passender Brems- und Beschleunigungserfordernisse. Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall: Der Beschwerdeführer musste (von den übrigen, dem jeweiligen Verkehrsfluss anpassbaren Verhaltensweisen beim Ausfahren und Verlassen eines Parklatzes abgesehen) weder auf der ursprünglichen Fahrbahn stark abbremsen, um den Wendevorgang einzuleiten noch auf der entgegengesetzten Fahrbahn aus stark herabgedrosselter Geschwindigkeit wieder beschleunigen. Damit verblieb als gefährdendes Moment nur noch das Überqueren der beiden Fahrbahnen, das nur kurze Zeit in Anspruch nahm, obwohl es wegen der geringfügigen Versetzung der Aus- bzw. Einfahrt zu den Parkplätzen leicht schräg erfolgte. Die Dauer der Fahrbahnüberquerung wurde dadurch nicht wesentlich erhöht. Die damit verbundene Gefahr ist nicht vergleichbar mit den Gefährdungsmomenten, die eine Fahrtrichtungsänderung um 180 Grad auf einer oder zwei Fahrbahnen mit sich bringt. Sie ist so weit herabgemindert, dass nach Sinn und Zweck des Verbotes des Wendens auf Kraftfahrstraßen kein "Wenden" mehr im Sinne von § 18 Abs. 7 StVO angenommen werden kann.
Der Betroffene ist entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung rechts (Zeichen 209 der StVO) bei dem Ausfahren aus dem Parkplatz (schräg) geradeaus gefahren. Er hat mithin eine durch ein Vorschriftszeichen des § 41 StVO gegebene Anordnung nicht befolgt, so dass er eine Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 41 Nr. 209, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO i. Verb. mit § 24 StVG begangen hat.
Die Bußgeldkatalogverordnung zieht für einen derartigen Verstoß eine Regelgeldbuße von 20,00 DM vor. Im Hinblick auf die vorsätzliche Begehungsweise hat der Senat die Geldbuße angemessen erhöht und auf 30,00 DM als tat- und schuldangemessen festgesetzt. Hierauf konnte er selbst erkennen (§ 79 Abs. 6 OWiG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i. Verb. mit §§ 467 Abs. 1, 465 Abs. 2 StPO. Die im Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen waren im Ganzen auf die Staatskasse zu übernehmen, da davon auszugehen ist, der Betroffene hätte, wenn bereits der Bußgeldbescheid der jetzigen Verurteilung entsprochen hätte, diesen ohne Einschaltung eines Verteidigers akzeptiert.
Ende der Entscheidung
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