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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 24.07.2001
Aktenzeichen: 2 Ss 345/2001
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 263
StGB § 22
StGB § 52
StGB § 53
Um einen Betrugsversuch und nicht um zwei tatmehrheitlich zusammentreffende Betrugsversuche handelt es sich, wenn der Täter aufgrund eines vorgefassten Stufenplans unberechtigte Ansprüche gegenüber einer Versicherung geltend macht und nach deren Weigerung zeitnahe Klage erhebt.
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss

Geschäftsnummer: 2 Ss 345/2001

in der Strafsache gegen

wegen versuchten Betrugs,

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat nach Anhörung des Generalstaatsanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Juli 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 24. April 2001

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Betrugs schuldig ist;

b) im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Göppingen hatte den Angeklagten wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen zu der Gesamtgeldstrafe von 220 Tagessätzen zu je 40 DM verurteilt. Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass die Gesamtgeldstrafe auf 180 Tagessätze zu je 35 DM ermäßigt wird.

Mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet der Angeklagte den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch. Er ist der Auffassung, dass es sich bei den unter III, Ziff. 1 und Ziff. 2 des Urteils festgestellten Handlungen, mit denen der Angeklagte einen Unfall fingierte und - ohne Erfolg - außergerichtlich und gerichtlich Zahlungsansprüche gegen die Versicherung des angeblichen Unfallgegners geltend machte, nicht um zwei selbständige, tatmehrheitlich begangene Betrugsversuche, sondern nur um eine Straftat des versuchten Betrugs handelt.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft und des Landgerichts ist das mehraktige Geschehen, mit dem der Angeklagte im - nach den Feststellungen offenbar mittäterschaftlichem - Zusammenwirken mit dem getrennt verfolgten A. T. Geld von dessen Versicherung zu erlangen versuchte, rechtlich als eine Tat zu bewerten.

Nach den Feststellungen trat der Angeklagte in Absprache mit A. T. erstmals zwischen dem 05.04. und 20.04.1998 an dessen Kraftfahrzeugversicherung heran mit der unwahren Behauptung, T. habe bei einem von ihm mit einem Lkw Renault Trafic verursachten Unfall, der in Wirklichkeit nie stattgefunden hatte, seinen Pkw Mercedes-Benz beschädigt.

Um seinen angeblichen Schadensersatzanspruch durchzusetzen und ihm Nachdruck zu verleihen, beauftragte der Angeklagte im gleichen Zeitraum einen Rechtsanwalt, der bereits mit Schreiben vom 16.04.98 unter Fristsetzung bis 27.04.98 diese Versicherung und T. selbst zur Zahlung von 8.496,44 DM aufforderte und am 05.05.98 mit Fristsetzung bis 15.05.98 den Entwurf der Klagschrift an die Versicherung übersandte und schließlich, als auch diese Frist erfolglos verstrichen war, unter dem 09.06.98 auftragsgemäß tatsächlich die bereits erwähnte, vorbereitete Klage vor dem Zivilgericht erhob.

Ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt, hängt bei mehrfachen, denselben Deliktstatbestand verwirklichenden Willensbetätigungen davon ab, ob diese bei natürlicher Betrachtungsweise - auch für einen Dritten - noch einen einheitlichen Lebensvorgang darstellen, wobei unter anderem insbesondere auch der zeitliche Zusammenhang bedeutsam ist (vgl. Tröndle/Fischer, Rdnr. 2 a vor § 52 StGB). Nach der Rechtsprechung endet die tatbestandliche Einheit dort, wo der Täter nach den - entsprechend auf die Beurteilung der Konkurrenzen angewendeten - Regeln über den Rücktritt nicht mehr strafbefreiend zurücktreten kann, d. h. der vorausgegangene Teilakt als beendeter Versuch zu werten ist. In diesem Sinne liegt ein Fehlschlag vor, "wenn der Täter nach dem Misslingen des vorgestellten Tatablaufs zu der Annahme gelangt, er könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten und anderen bereitliegenden Mitteln vollenden und deshalb ein erneutes Ansetzen notwendig ist, um zum gewünschten Ziel zu gelangen" (BGH, NStZ 96, 429 f.).

Bei Anwendung dieser Regeln erscheint die Annahme einer Zäsur zwischen den Anwaltsschreiben und der Erhebung der Klage vor dem Zivilgericht noch nicht als gerechtfertigt. Der Angeklagte hat lediglich seinen ursprünglichen Tatplan, mit Hilfe des von ihm getäuschten Anwalts Geld von der Versicherung zu erlangen, weiterverfolgt, ohne dass zwischen den einzelnen Schritten entscheidend ins Gewicht fallende, zeitliche Zäsuren erkennbar wären. Die unternommenen Schritte - Anwaltsschreiben, Klagandrohung, Klagerhebung - entsprachen ersichtlich einem einmal gefassten Tatentschluss und dem ursprünglichen Tatplan, mag auch der endgültige Auftrag zur Klagerhebung, wie das Landgericht feststellt, erst erteilt worden sein, nachdem die vorangegangenen Versuche, von der Versicherung Geld zu erlangen, gescheitert waren. Nach den getroffenen Feststellungen lag bei Absendung des zweiten Anwaltschreibens der Klagentwurf und damit ein weiteres Tatmittel bereits vor. Von einem erneuten Ansetzen zur Tat - mit ganz neuen und anderen Mitteln - kann deshalb noch nicht gesprochen werden, auch wenn der Angeklagte nunmehr, wie das Landgericht feststellt, nicht nur den Druck auf die Versicherung weiter erhöhen, sondern einen Dritten - das Gericht - täuschen und sich dessen Hilfe bei der Weiterverfolgung seines ursprünglichen Ziels bedienen wollte.

Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend abgeändert.

Die Änderung führt zum Wegfall der verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.

Von der Schuldspruchänderung ist auch die im Falle III Ziff. 1 des Urteils verhängte Einzelstrafe betroffen. Die Bewertung als eine einzige Tat statt zweier rechtlich selbständiger Taten lässt den Schuldumfang dieser Tat nicht unberührt.

Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsfolgen an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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