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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 19.03.2002
Aktenzeichen: 2 Ss 651/01
Rechtsgebiete: JGG, BtMG


Vorschriften:

JGG § 55 I
BtMG § 29 V
BtMG § 31 a
Ein Urteil, in dem lediglich Erziehungsmaßregeln und/oder Zuchtmittel festgesetzt worden sind, kann gemäß § 55 I JGG allein im Rechtsfolgenausspruch nicht mit der Begründung angefochten werden, das Gericht hätte gemäß § 29 V BtMG von Strafe hätte absehen oder gemäß § 31 a BtMG das verfahren einstellen müssen.
Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 2 Ss 651/01

vom 19. März 2002

in der Strafsache gegen

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz u. a.

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Rottweil vom 7. Mai 2001 wird als unzulässig verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

I.

Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Rottweil vom 7. Mai 2001 wegen Diebstahls, vorsätzlicher unerlaubter Herstellung von Betäubungsmitteln und vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verwarnt; zudem wurde ihm die Auflage erteilt, eine Geldbuße in Höhe von 400,00 DM in monatlichen Raten zu je 100,00 DM an die Drogenberatungsstelle R. zu zahlen sowie fünf Gespräche bei der Drogenberatungsstelle R. zu absolvieren.

Gegen dieses Urteil wendet sich allein der Angeklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Revision, wobei er das Rechtsmittel wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Der Beschwerdeführer erstrebt gemäß § 29 Abs. 5 BtMG ein vollständiges Absehen von jugendstrafrechtlichen Sanktionen.

II.

Die Revision ist unzulässig.

Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG kann eine jugendrichterliche Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet worden sind, nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet werden sollen.

1. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist hier schon deswegen erfasst, weil infolge der rechtswirksamen Rechtsmittelbeschränkung der Schuldspruch des angefochtenen Urteils rechtskräftig geworden ist und ein Absehen von jeglicher jugendrechtlicher Sanktion im Hinblick auf die Verurteilung auch wegen Diebstahls - § 29 Abs. 5 BtMG erfasst seinem Wortlaut nach nur Taten nach § 29 BtMG - nicht möglich ist. Damit aber kann der Beschwerdeführer mit der Revision im Ergebnis nur das Ziel einer Reduzierung der im angefochtenen Urteil angeordneten

Maßnahmen verfolgen, was nach § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG ersichtlich nicht statthaft ist.

2. Darüber hinaus lässt die Rechtsmittelbeschränkung des § 55 Abs. 1 JGG die Anfechtung jugendrechtlicher Entscheidungen im Falle der Rechtskraft des Schuldspruchs grundsätzlich dann nicht zu, wenn die Anwendung des § 29 Abs. 5 BtMG und damit das Absehen von Sanktionen im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes überhaupt erstrebt wird (ebenso Brunner/Dölling JGG 10. Auflage § 55 Rdnr. 10; Ostendorf JGG 5. Auflage § 55 Rdnr. 27; Diemer/Schoreit/Sonnen JGG 3. Auflage § 55 Rdnr. 6; Böhm NStZ 1984, 447; Landgericht Mainz NStZ 1984, 121; anderer Ansicht Eisenberg NStZ 1984, 122 f.).

Dieser Auslegung steht nicht etwa der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Denn nach allgemeinem Sprachgebrauch fällt unter "Umfang einer Maßnahme" nicht nur eine Reduzierung oder Erhöhung der angeordneten Erziehungsmaßregel und/oder des Zuchtmittels, sondern auch die Erörterung der Frage, ob überhaupt eine Erziehungsmaßregel oder ein Zuchtmittel angeordnet wird. Ansonsten könnte die inhaltliche Rechtsmittelbeschränkung immer unter Berufung auf § 60 StGB unterlaufen. Dies entspricht der gesetzgeberischen Intention, im Jugendstrafrecht zeitnah nach der Begehung einer Straftat eine jugendrichterliche Sanktion folgen zu lassen, um schnellstmöglich auf den Jugendlichen bzw. Heranwachsenden bei Anwendung von Jugendstrafrecht erzieherisch einwirken zu können. Diese Auslegung des Begriffs "Umfang einer Maßnahme" steht im Einklang mit der in § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG weiteren Alternative der Rechtsmittelbeschränkung bei einer Entscheidung, die die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familien- oder Vormundschaftsrichter überlässt. Auch hier ist eine Anfechtung allein bezogen auf den Rechtsfolgenausspruch ausgeschlossen, obwohl der Familien- oder Vormundschaftsrichter auch die Möglichkeit hat, bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse des Jugendlichen seit Erlass des Urteils unter erzieherischen Gesichtspunkten ganz von der Anordnung von Erziehungsmaßregeln abzusehen, ausnahmsweise auch dann, wenn schon das Verfahren und das Urteil den Jugendlichen hinreichend beeindruckt haben.

Damit kann im vorliegenden Fall das Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Rottweil im Rechtsfolgenausspruch nicht mit der Begründung angefochten werden, dass das Gericht gemäß § 29 Abs. 5 BtMG von einer Bestrafung hätte absehen oder gemäß § 31 a BtMG das Verfahren einstellen müssen.

3. Die Revision ist aber auch unbegründet.

Das Amtsgericht hat die Möglichkeit eines Absehens von Strafe nach § 29 Abs. 5 BtMG ausreichend erörtert und aus revisionsrechtlicher Sicht in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt. Hierbei lassen weder die Schuldfeststellungen noch die Strafzumessungserwägungen Rechtsfehler erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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