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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 09.09.2004
Aktenzeichen: 2 U 121/04
Rechtsgebiete: UWG
Vorschriften:
UWG n.F. § 3 | |
UWG n.F. § 5 |
Oberlandesgericht Stuttgart 2. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 2 U 121/04
Verkündet am 09. September 2004
In dem Rechtsstreit
wegen Unterlassung
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 12. August 2004 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. M, Richter am Oberlandesgericht H, Richter am Oberlandesgericht R
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 15.06.2004 - 22 O 38/04 KfH -
abgeändert:
Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, untersagt,
im geschäftlichen Verkehr für Kraftfahrzeuge zu werben:
"H S als 2.4 GLS (Front- oder Allradantrieb) mit 107 kW (146 PS), 2.7 V & GLS (Allradantrieb) mit 127 kW (173 PS) oder 2.0 CRDi GLS (Front- oder Allradantrieb) mit 83 kW (113 PS), mit Dachreling, 60:40 teilbare, umklappbare Rücksitzlehne und -bank, 4 Airbags, ab 18.990,-- EUR* (zzgl. Überführung)".
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.000,-- €.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Verfügungsbeklagte wirbt in Inseraten für das Fahrzeug "H GLS" mit dem Hinweis "Front- oder Allradantrieb" und mit der Preisangabe: "ab € 18.990,00". Nachfolgend ist eine Anzeige in der Zeitschrift "J & F ", Nr. 4, Heft April 2004, in verkleinerter Form wiedergegeben.
Der Verfügungskläger, ein nach § 13 Abs. 2 UWG antragsbefugter Verband, sieht hierin eine Irreführung, da die Werbung bei dem Verbraucher den Eindruck erwecke, der Preis gelte für das günstigste Modell mit Allradausstattung. Tatsächlich sei das Fahrzeug mit Allradantrieb erst ab 22.900,-- € erhältlich.
Die Verfügungsbeklagte hält die Annahme, ein Verbraucher gehe davon aus, das Modell mit Allradantrieb zu dem gleichen Preis wie ein Fahrzeug mit Frontantrieb erhalten zu können, für realitätsfern.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 15.06.2004 den auf Unterlassung der beanstandeten Werbung gerichteten Verfügungsantrag zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Werbeanzeige richte sich an Personen, bei denen es sich in der Regel nicht um Erstkäufer eines Kraftfahrzeugs handele und die mit der Werbung für Kraftfahrzeuge weitgehend vertraut seien. Diesen sei geläufig, dass der angegebene Preis "ab 18.990,00 €" sich auf das preisgünstigste Modell mit Frontantrieb beziehe.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Verfügungsklägers, mit der geltend gemacht wird, das Landgericht gehe von einem für die Beurteilung der Irreführung unzutreffenden Publikumsverständnis aus. Die vorliegend zu beurteilende Werbung sei jedenfalls insoweit mehrdeutig, als die Preisangabe "ab 18.990,00 €" verstanden werden könne als
- Preis für das günstigste Modell mit einem zuschaltbaren Allradantrieb,
- Preis für das Frontantriebsmodell,
- oder als Preis für das allradgetriebene Modell.
Der Verfügungskläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 15.06.2004 abzuändern
und
der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen und dem Geschäftsführer, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für Kraftfahrzeuge zu werben:
"H S als 2.4 GLS (Front- oder Allradantrieb) mit 107 kW (146 PS), 2.7 V & GLS (Allradantrieb) mit 127 kW (173 PS) oder 2.0 CRDi GLS (Front- oder Allradantrieb) mit 83 kW (113 PS), mit Dachreling, 60:40 teilbare, umklappbare Rücksitzlehne und -bank, 4 Airbags, ab 18.990,-- EUR* (*zzgl. Überführung)".
Die Verfügungsbeklagte hält das angegriffene Urteil für zutreffend und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts hält der Senat die beanstandete Werbung für irreführend i. S. v. § 3 UWG a. F. und § 5 UWG n. F.
Bei der Beurteilung einer Werbeaussage als irreführend kommt es darauf an, welche Vorstellung diese bei dem angesprochenen Verkehrskreis hervorruft, wobei auf die Sicht eines situationsadäquat durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen ist (BGH WRP 2003, 275 - "Thermalbad"; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 3 Rn. 108). Dabei ist ausreichend, dass ein nicht gänzlich unerheblicher Teil des Verkehrs die Angaben in einem Sinn versteht, der nicht den objektiven Gegebenheiten entspricht (Köhler/Piper a.a.O., § 3 Rn. 152). Bei Mehrdeutigkeit einer Werbeangabe ist diese nur dann nicht zu beanstanden, wenn hinsichtlich jedes in Betracht kommenden Einzelverständnisses kein relevanter Teil des Verkehrs einer Täuschung unterliegt.
Bei der Beurteilung, wie der Verbraucher die streitgegenständliche Werbeanzeige versteht, ist im Hinblick auf den beworbenen Fahrzeugtyp (Geländewagen) auf einen in Bezug auf die Anschaffung von Fahrzeugen nicht unerfahrenen Verbraucher abzustellen, der im Hinblick auf den Preis und die Langlebigkeit des beworbenen Gegenstandes die Anzeige regelmäßig mit größerer Aufmerksamkeit liest als die Anzeige für Waren des täglichen Bedarfs (vgl. BGH GRUR 2000, 619 ff. - Orientteppichmuster).
Entgegen der Auffassung des Landgerichts erscheint ein Verständnis der Werbeanzeige dahingehend, dass zu dem angegebenen Preis das preisgünstigste Modell auch mit Allradantrieb erworben werden kann, nicht fernliegend. Den Kaufinteressenten ist zwar bekannt, dass ein Fahrzeug mit Allradantrieb in der Regel deutlich teurer ist als ein solches mit herkömmlichem Frontantrieb. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass das beworbene Fahrzeug zum Typus Geländefahrzeug gehört, der auch außerhalb des öffentlichen Straßennetzes benutzt werden kann und typischerweise mit Allradantrieb ausgestattet ist. Ausgehend von diesem Vorverständnis und der Erwartungshaltung, ein Fahrzeug mit geländetauglicher Ausstattung zu erhalten, erscheint es nicht als fernliegend, dass auch ein verständiger und aufmerksamer Leser die Werbeanzeige in der Weise versteht, dass der angegebene Preis sich auch auf das preisgünstigste Modell mit - bei Geländefahrzeugen typischem -Allradantrieb bezieht.
Dieses Verständnis entspricht jedoch nicht den objektiven Gegebenheiten, weshalb die Werbung sowohl nach § 3 UWG a. F. als auch nach § 5 UWG n. F. als irreführend anzusehen und daher zu unterlassen ist.
Ob darüberhinaus eine Mehrdeutigkeit auch in dem Sinn gegeben ist, dass zu dem angegebenen Preis das preiswerteste Modell mit zuschaltbarem Allradantrieb erworben werden kann, kann offengelassen werden.
Demnach erweist sich die Berufung als begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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