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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 09.11.2001
Aktenzeichen: 2 U 138/01
Rechtsgebiete: AGBG, HGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1
AGBG § 1 Abs. 2
HGB § 128
BGB § 714
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2 i.V.m. § 3
Werden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Haftung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt sowie die Vertretungsbefugnis ihres Geschäftsführers nur auf diese Haftungsmasse bezogen, so ist eine solche Klausel gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam, da sie mit dem Wesen der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes und damit mit wesentlichen Grundgedanken der geltenden Rechtsordnung nicht vereinbar ist.
Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 138/01

Verkündet am: 9.11.2001

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 26.10.2001 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am Oberlandesgericht Dr. Lütje, des Richters am Oberlandesgericht Holzer des Richters am Oberlandesgericht Rzymann

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 12.6.2001 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: 34.086,60 DM

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig, der Sache nach ohne Erfolg.

Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, haften die Beklagten persönlich für die an sich nicht mehr streitige Werklohnforderung der Klägerin. Die Haftung der Beklagten ist weder durch ihr Auftreten als "GbR mit Haftungsbeschränkung" noch dadurch ausgeschlossen oder auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt, dass die Klägerin anlässlich des Vertragsschlusses eine von den Beklagten formularmäßig verwendete Erklärung folgenden Inhalts unterschrieben hat:

"Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis bezieht sich nur auf das Gesellschaftsvermögen. Zur persönlichen Verpflichtung der Gesellschafter sind die geschäftsführenden Gesellschafter nicht befugt.

Die Haftung der H + D, B und R Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Haftungsbeschränkung für die Verpflichtungen aus diesem Vertrag wird mit ausdrücklicher Zustimmung des Auftragnehmers beschränkt auf das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts...".

1.

a) Durch das bloße Auftreten mit "... GbR mit Haftungsbeschränkung" wird keine Beschränkung auf das Gesellschaftsvermögen als alleinige Haftungsmasse ausgelöst (BGH NJW 99, 3483, 3484 [A l]; Goette DStR 99, 1707; Erman/H.P. Westermann, BGB, 10. Aufl., § 714, 13; Henze BB 99, 2260; Kindl WM 00, 697, 703; Reiff ZIP 99, 1329, 1335; vgl. auch Erman/H. Hefermehl/O. Werner a.a.O. § 9AGBG, 290).

b) Zwar ist die Haftungsbeschränkung vorliegend in den Vertrag durch ein gesondertes Blatt einbezogen worden (§ 2 AGBG), blieb aber Allgemeine Geschäftsbedingung. Denn eine Individualabrede gemäß § 1 Abs. 2 AGBG ist nicht gegeben.

aa) Dafür genügt nicht, dass das Klauselwerk erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen der Parteien entspricht. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann vielmehr nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen "gesetzesfremden Kerngehalt", also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einer Klausel bereit erklären. In aller Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Allenfalls unter besonderen Umständen kann ein Vertrag auch dann als Ergebnis eines "Aushandelns" gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt (BGH NJW 00, 1110, 1111; 98, 3488, 3489). Dass dies der Fall war, steht in der Beweislast des Verwenders (BGH a.a.O. 3489).

bb) Die Beklagten sind ihrer Darlegungslast insoweit nicht gerecht geworden. Denn ihrem Vortrag kann nicht entnommen werden, dass sie die Klauseln ernsthaft zur Disposition der Klägerin gestellt hätten. Vielmehr haben die Beklagten, wie unwidersprochen geblieben ist, mit dem Hinweis auf eine allgemeine Übung und der Versicherung, der wirtschaftliche Hintergrund der Beklagten sei vollkommen in Ordnung, die Unterschrift durch den Geschäftsführer der Klägerin herbeigeführt.

2.

Der formularmäßig ausbedungene Ausschluss der persönlichen Haftung der beklagten BGB-Gesellschafter ist unwirksam, weil er mit wesentlichen Grundgedanken der geltenden Rechtsordnung nicht vereinbar ist (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG).

a) Der BGH hat in seiner in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidung vom 27.9.1999 zur Beschränkbarkeit der Haftung bei Geschäften mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zum Leitsatz erhoben:

Für die im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründeten Verpflichtungen haften die Gesellschafter kraft Gesetzes auch persönlich. Diese Haftung kann nicht durch einen Namenszusatz oder einen anderen, den Willen, nur beschränkt für diese Verpflichtungen einzustehen, verdeutlichenden Hinweis beschränkt werden, sondern nur durch eine individualvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden.

(BGHZ 142, 315 f = LM § 705 BGB Nr. 74 = ZIP 99, 1755 = DStR 99, 1704 f = BB 99, 2152 f. = NJW 99, 3483).

Schon darin scheint unzweifelhaft auf, dass die Vereinbarung der Haftungsbeschränkung nur individualvertraglich und nicht formularmäßig durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geschehen kann.

b) Diese Sicht entspricht auch der Deutung dieses Urteils in der Literatur (Goette DStR 99, 1707; Altmeppen ZIP 99, 1758, 1760; Erman/H.P. Westermann, BGB, 10. Aufl., § 714, 12 [aE]; Henze BB 99, 2260, 2262; Kindl WM 00, 697, 701/702; Wolf WM 00, 704, 705 und 706, so wohl auch Wilhelm Anm. LM § 705 BGB Nr. 74). Diese Deutung macht aber nicht bloß am reinen, allerdings knapp gefassten Wortlaut des Leitsatzes fest. Sie hat auch in der Entscheidung selbst ihre innere Rechtfertigung.

aa) Denn der Entscheidung des BGH vom 27.9.1999 kommt die Bedeutung zu, dass sie - ohne dies ausdrücklich zu bekennen - die sog. Doppelvertretungstheorie (vgl. hierzu Goette a.a.O. 1707; Altmeppen a.a.O. 1758; Erman/H.P. Westermann a.a.O. 12; Ulmer ZGR 00, 349, 340/341), wonach zumindest durch stillschweigende Erklärung des Geschäftsführers als Vertreter der Mitgesellschafter für diese eine Schuldmitübernahme begründet werde, aufgibt (BGH a.a.O. [B I 1 a]; insbesondere auch Altmeppen a.a.O. 1758; Palandt/Sprau, BGB, 60. Aufl., § 714, 4; Goette [Mitglied dieses BGH-Senats] DStR 99, 1704 und in Anm. 1707; Henze [ebenfalls Mitglied dieses BGH-Senats] a.a.O. 2261; Kindl a.a.O. 698 und 699; Ulmer a.a.O. 343; vgl. auch Wilhelm a.a.O.; Erman/H.P. Westermann a.a.O. 12) und der Akzessorietätstheorie, welche entsprechend § 128 HGB kraft Gesetzes eine persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der GbR zu Grunde legt, folgt (Altmeppen a.a.O. 1759/1760; Henze a.a.O. 2262; Goette a.a.O. 1708; Kindl a.a.O. 700; Wolf a.a.O. 706).

bb) Der BGH hat damit die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter zum Wesen der Personengesellschaft erklärt (BGH a.a.O. [B I 1 b: "Wesen und Zwecke"]; Altmeppen a.a.O. 1760; kritisch hierzu Erman/H.P. Westermann a.a.O. 12 ["nicht näher belegt und fragwürdig"]; Ulmer a.a.O. 342). Der Beschränkungsmöglichkeit stehen danach rechtssystematische Gründe entgegen (Palandt/Sprau a.a.O. 4).

cc) Danach aber kann das Wesensmerkmal, der Kern der Haftungsstruktur, nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingung ins Gegenteil verkehrt werden (so Goette a.a.O. 1707; Altmeppen a.a.O. 1760; Palandt/Sprau a.a.O. 4; Henze a.a.O. 2262; Kindl a.a.O. 702 und 703; Reiff ZIP 99, 1329, 1337; Dauner-Lieb nach Reiff a.a.O. dort FN 70; Heil MittRhNotK 98, 348, 353; bejahend für unternehmenstragende GbR: Ulmer ZIP 99, 554, 562; abl. Wolf a.a.O. 706; Ulmer a.a.O. 348; zurückhaltend: Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl. [2001], § 9, 160 a; Westermann, Handbuch der Personengesellschaften [2001], I Rz. 90).

dd) Diese Wertung findet auch ihre ergänzende Bestätigung in § 128 HGB, der im Ergebnis das Haftungsmodell auch der BGB-Gesellschaft bestimmt. Denn auch dort werden sehr hohe Anforderungen an den "Verzicht des Gläubigers auf die Haftung nach § 128" HGB gestellt (so Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl. [2000], § 128, 38; Ernsthaler, GK-HGB, § 128, 35).

ee) Der oben aufgezeigte Ansatz findet seine Entsprechung auch darin, dass Haftungsbeschränkungen bei Kardinalpflichten auch unter Kaufleuten nur in erschwertem Umfange möglich sind (vgl. Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 24, 38).

c) Auch der Ansatz, zwar mag die Haftungsmasse nicht formularmäßig beschränkbar sein, dies gelte aber nicht für die Beschränkbarkeit der Vertretungsmacht des Geschäftsführers, verfängt nicht.

Denn der Bundesgerichtshof hat in seiner schon mehrfach zitierten grundlegenden Entscheidung auch diese Beschränkungsmöglichkeit gesehen und hierzu ausgeführt: Zwar wäre es denkbar, dass die Gesellschafter im Rahmen des § 714 BGB eine Vertretungsregelung dergestalt treffen, dass der Handelnde nur insoweit berechtigt ist, die anderen Gesellschafter zu vertreten, als er mit dem Vertragspartner eine Haftungsbeschränkung auf das gesamthänderisch gebundene Vermögen der Gesellschafter vereinbart. Die Haftungsbeschränkung wird aber in diesem Falle nur dann dem Vertragspartner gegenüber wirksam, wenn es dem Handelnden gelingt, die Beschränkung in den individuell ausgehandelten Vertrag aufzunehmen (BGH a.a.O. 3485). Damit trifft sich, was ein stimmiges und bruchloses System schafft, die Bewertung der Beschränkung der Haftungsmasse mit derjenigen der Vertretungsmacht.

Danach ist - ungeachtet der Frage, ob der Versicherung der wirtschaftlichen Stärke der GbR durch die Beklagten nicht eigenständige anspruchsbegründende Bedeutung zu Gunsten der Klägerin zukommt - der Vertrag ohne Haftungsbeschränkung, da insoweit unwirksam, mit der Klägerin geschlossen worden.

3.

Da andere erstinstanzliche Einwendungen nicht mehr geltend gemacht worden sind und diese im Übrigen auch nicht verfangen, bleibt die Berufung der Beklagten ohne Erfolg.

4.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Bundesgerichtshof hat, wie auch den wiedergegebenen Stimmen ergänzend zu entnehmen ist, die vorliegenden Fragen, möglicherweise dort ohne zwingendes Gebot des Sachverhaltes, entschieden und dies erst vor kurzem und eingerückt in die Amtliche Sammlung. Damit besteht kein Anlass, den Bundesgerichtshof zur erneuten Antwort, zumal so zeitnah, aufzufordern.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713, § 546 Abs. 2 i.V.m. § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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