Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 28.06.1996
Aktenzeichen: 2 U 146/95
Rechtsgebiete: UWG, BerBiVO, SGB V, BOBW, MusterBO, GOÄ, EStG, HwO, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 13 Abs. 2 Ziff. 2
UWG § 13 Abs. 2 Ziff. 1
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 1
BerBiVO § 1 Abs. 1 Nr. 6
BerBiVO § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5
SGB V § 12 Abs. 1
SGB V § 126
SGB V § 126 Abs. 2
SGB V § 36 Abs. 2
SGB V § 127
SGB V § 36
BOBW § 26
BOBW § 1 Abs. 1 Satz 3
BOBW § 1
BOBW § 26 Abs. 1 und 4
BOBW § 24
MusterBO § 24
GOÄ § 10
EStG § 15
HwO § 1 Abs. 1
HwO § 1 Abs. 2
HwO § 1 Nr. 4
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Stuttgart Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 146/95

Verkündet am 28.06.1996

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Pucher, des Richters am OLG Bräuning und des Richters am OLG Dr. Würthwein

auf die mündliche Verhandlung vom 24.05.1996

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hechingen vom 16.05.1995 wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten der Berufung je zur Hälfte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jeder Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 7.000,-- abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Sicherheiten können auch durch unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische schriftliche Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Kläger: 100.000,-- DM

Tatbestand:

Die Klägerin Ziff. 1 ist die Augenoptikerinnung. Sie ist insbesondere für den Handwerkskammerbezirk zuständig, zu dem die Städte und gehören. Der Kläger Ziff. 2 ist Mitglied der Klägerin Ziff. 1 und betreibt als staatlich geprüfter Augenoptikermeister einen Augenoptikerbetrieb in. Die Beklagten betreiben als niedergelassene Augenärzte eine Gemeinschaftspraxis in. In dieser geben sie an ihre Patienten auf Wunsch Kontaktlinsen ab. Bis Mitte 1994 haben die Beklagten hierzu das in den gleichen Räumen betriebene Kontaktlinsenstudio ihrer Mütter S und W eingeschaltet. Diese haben sich gegenüber den Klägern am 28.07.1994 zur Unterlassung verpflichtet (Anl. K 2 u. 3). Die Beklagten haben sich ebenfalls verpflichtet, es zu unterlassen, über dieses Kontaktlinsenstudio Kontaktlinsen abzugeben, nehmen jedoch das Recht in Anspruch, selbst Kontaktlinsen abzugeben und praktizieren dies.

Die Kläger bestreiten dieses Recht und haben geltend gemacht:

Die Abgabe von Kontaktlinsen durch die Beklagten sei wettbewerbswidrig. Nach der Handwerksordnung sei die Abgabe von Kontaktlinsen Augenoptikern vorbehalten. Auch verstoße der Kontaktlinsenverkauf gegen ärztliches Berufsrecht und gegen das Trennungsprinzip des SGB V, nach dem der Arzt Arzneimittel und Hilfsmittel zu verordnen habe, zu deren unmittelbarer Abgabe an den Patienten jedoch nicht berechtigt sei. Dies falle in die ausschließliche Befugnis von Apothekern oder Hilfsmittel-Handwerkern wie Augenoptikern. Bei Abgabe der Linsen übten die Beklagten darüberhinaus unter Ausnutzung des ärztlichen Vertrauens einen psychologischen Kaufzwang auf ihre Patienten aus. Diese sähen sich zur Erhaltung des guten Verhältnisses zu den Beklagten genötigt, die Kontaktlinsen bei diesen, nicht hingegen bei einem Augenoptikerbetrieb zu beziehen. Da es sich bei der Abgabe von Kontaktlinsen durch die Beklagten um eine gewerbliche Handlung im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs handele, stehe ihnen ein entsprechender Unterlassungsanspruch gem. § 1 UWG zu. Es bestehe bei der Abgabe ein Wettbewerbs Verhältnis zwischen den Beklagten und dem Kläger Ziff. 2, der auch Kunden aus dem Raum habe, sowie den übrigen Mitgliedern der Klägerin Ziff. 1.

Die Kläger haben beantragt:

Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Rahmen ihrer augenärztlichen Tätigkeit Kontaktlinsen jeder Art gegen Entgelt an Patienten abzugeben.

Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt und geltend gemacht, den Klägern fehle zur Verfolgung der behaupteten Wettbewerbsverstöße die Klagbefugnis. Darüberhinaus sei ihr Handeln unter keinem der von Klägerseite geltend gemachten Gesichtspunkte wettbewerbswidrig.

Die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hechingen hat die Klage durch Urteil vom 16.05.1995 abgewiesen und dies im wesentlichen wie folgt begründet:

Zwar seien die Kläger zur Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche gegenüber den Beklagten berechtigt. Die Klägerin Ziff. 1 sei innungsmäßig für den Bereich Sigmaringen zuständig, wie sich aus ihrer Satzung ergeben. Es handele sich bei ihr um einen rechtsfähigen Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, dem gerichtsbekannt eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden im Sinne von § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG angehöre. Der Kläger Ziff. 2 sei als Augenoptiker klagebefugt gem. § 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG und lägen so nahe beieinander, daß bezüglich des Kontaktlinsenmarktes von demselben Markt im Sinne von § 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG auszugehen sei.

Die Klage sei jedoch unbegründet. Es fehle an Anhaltspunkten dafür, daß die Beklagten ihre Patienten unsachlich beeinflußten und hierdurch unter Ausnutzung eines psychologischen Kaufzwanges zum Erwerb von Kontaktlinsen veranlaßten. Eine solche Feststellung bedürfe der Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalles. Sittenwidriges Handeln liege erst vor, wenn der Patient als Umworbener in seiner Entscheidungsfreiheit spürbar beeinträchtigt werde. Die bloße Tatsache, daß der Patient zum Augenarzt ein besonderes Vertrauen habe und psychologisch in die Situation kommen könne, diese Position zu gefährden, wenn er die Kontaktlinsen nicht bei ihm beziehe, reiche für eine spürbare Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit im Sinne von § 1 UWG nicht aus.

Ein Unterlassungsanspruch gem. § 1 UWG im Hinblick auf Verstöße gegen ärztliches Berufsrecht bestehe ebenfalls nicht. Es existiere keine Vorschrift, wonach Ärzten verboten sei, Tätigkeiten gewerblicher Art wie die entgeltliche Abgabe von Kontaktlinsen auszuüben. Es bestehe keine "Gewaltenteilung", nach der die Anpassung der Kontaktlinsen Ärzten vorbehalten sei, die Abgabe hingegen Augenoptikern. Eine solche Trennung sei faktisch überholt seit die sog. weichen Kontaktlinsen eingeführt seien. Seit deren Einführung liege der Marktanteil der Augenoptiker bei der Kontaktlinsenveräußerung nur noch bei ca. 60 %. Bei den weichen Kontaktlinsen, die nicht nachgearbeitet werden müßten, sei es der einfachere, dem Kunden und Patienten vielfach angenehmere Weg, diese Kontaktlinsen vom Augenarzt nicht nur anpassen zu lassen, sondern sie auch gleich bei ihm zu erwerben. Dies sei nicht zu beanstanden, auch die Ärztekammer sehe hierin keinen Verstoß gegen das ärztliche Standesrecht, wenn der Augenarzt dieser technisch-medizinischen Fortentwicklung Rechnung trage und seinen Patienten die Möglichkeit eröffne, sich bei Erwerb der weichen Kontaktlinsen den Weg zum Augenoptiker zu sparen.

Auch ein Verstoß gegen das Handwerksrecht liege nicht vor. Zwar obliege es gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 der Berufsbildverordnung der Augenoptiker dem Augenoptikerhandwerk, Kontaktlinsen auszuwählen, zu bearbeiten und abzugeben. Unter Berücksichtigung der erwähnten technisch-medizinischen Fortentwicklung bestehe jedoch ein Überschneidungsbereich zwischen der Tätigkeit des Augenoptikers und der des Augenarztes. Passe der Augenarzt die Kontaktlinsen nicht nur an, sondern gebe sie auch ab, so liege eine gewerbliche Handlung vor, die im Rahmen der ärztlichen Heilberufstätigkeit in zulässiger Weise erfolge. Mangels anderweitiger Vorschriften hätten die interessierten Verkehrskreise deshalb zwei Möglichkeiten, weiche Kontaktlinsen käuflich zu erwerben, und zwar entweder beim Augenoptiker oder beim Augenarzt.

Auch ein Unterlassungsanspruch gem. § 1 UWG im Hinblick auf einen Verstoß gegen das im SGB V enthaltene Trennungsprinzip bestehe nicht. Daraus, daß der Arzt Arzneimittel oder Hilfsmittel nur verordnen, nicht aber selbst abgeben dürfe, lasse sich kein Verbot ableiten, daß Augenärzte Kontaktlinsen nicht verkaufen dürften. Der Verordnungsgeber und die Versorgungsträger, die Krankenkassen, hätten gerade vor dem Hintergrund der fortschreitenden technischen Entwicklung und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V die Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte geregelt und zugelassen.

Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil verfolgen die Kläger den Unterlassungsanspruch in unveränderter Form weiter. Sie machen geltend:

Die Abgabe von Kontaktlinsen durch die Beklagten sei mit geltendem Handwerksrecht unvereinbar. Sie könnten sich insbesondere nicht darauf berufen, die Abgabe sei dem Überschneidungsbereich zwischen ärztlicher und handwerklicher Tätigkeit zuzuordnen. Solche Fälle seien zwar, z.B. bei Herstellung von Zahnprothesen, denkbar. Es gebe jedoch in jedem Handwerk typische Tätigkeiten, für deren fachgerechte Verrichtung Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich seien, die aufgrund entsprechender Ausbildung nur der Meister des betreffenden Handwerkes besitze. Die Abgabe von Kontaktlinsen gehöre zu diesem sog. Wesentlichkeitsbereich des Augenoptikerhandwerks. Sie sei deshalb dem Augenarzt verschlossen.

Es sei bei Kontaktlinsen streng zu unterscheiden zwischen deren Anpassung einerseits und der Abgabe anderereits. Die zunächst erfolgende Anpassung schließe sich an die Feststellung der Fehlsichtigkeit und den Wunsch des Patienten an, Kontaktlinsen anstelle einer Brille zu erwerben. Zunächst erfolge dabei ein Beratungsgespräch über die verschiedenen Kontaktlinsentypen und deren Benutzung mit dem Patienten. Hieran schließe sich die Ermittlung der im konkreten Einzelfall geeigneten Kontaktlinsenart an und zu diesem Zweck werde eine umfangreiche Vermessung des Auges durchgeführt. Aufgrund der Ergebnisse werde sodann mittels Tabellen und speziellen Computerprogrammen eine Probelinse ausgewählt, die aufgesetzt werde, um Paßform, Sitzverhalten, Korrektionserfolg und Verträglichkeit zu beurteilen. Diese Linse müsse der Fehlsichtige ca. 2 Stunden tragen. Werde die ausgewählte Linse dann als die richtige erkannt, sei die Anpassung abgeschlossen. Aufgrund der ermittelten Daten erfolge sodann die Kontaktlinsenverordnung. Bei der Anpassung handele es sich um einen Überschneidungsbericht zwischen ärztlicher Tätigkeit und dem Aufgabenbereich des Augenoptikers, der daher in die Kompetenz beider falle.

An diese Tätigkeit schließe sich dann aufgrund der Verordnung die Bestellung der Kontaktlinsen bei einem bestimmten Hersteller, die sog. Abgabe, an. Nach deren Lieferung werde zunächst eine technische Kontrolle und eine Prüfung der Kontaktlinse, ggf. auch eine erforderliche Nachbearbeitung durchgeführt. Dem folge dann die Anleitung des Patienten in Handhabung und Pflege. Dieser Abgabevorgang habe nichts mit dem typisch ärztlichen Wirkungskreis zu tun. Hier seien Kenntnisse erforderlich, über die nur der Augenoptiker verfüge. Sie sei deshalb diesem vorbehalten. Demgemäß sei in § 1 Abs. 1 Nr. 6 der Berufsbildverordnung des Augenoptikerhandwerks die Auswahl, Bearbeitung und Abgabe der Kontaktlinsen als Aufgabe des Optikers ausdrücklich angesprochen und nach § 4 Nr. 2 die fachliche Kompetenz hierzu im Rahmen der Meisterprüfung nachzuweisen (Bl. 219 ff). Diese Tätigkeit, insbesondere Anfertigung, Bearbeitung/Nachbearbeitung und Pflege der Kontaktlinse stelle keine reine Verkaufstätigkeit dar, sondern eine handwerkliche Tätigkeit, die deshalb von vorneherein dem Augenarzt verschlossen sei. Sie sei auch völlig unabhängig von der vorangegangenen Anpassung. Auch nach dem herkömmlichen Berufsbild gehöre dieser Bereich nicht zu dem Aufgabengebiet der Augenärzte. Mit der Tätigkeit von Zahnärzten, die auch Zahnprothesen fertigten, sei dies nicht vergleichbar. Die Herstellung von Zahnprothesen sei ursprünglich allein dem Berufsstand der Zahnärzte zugeordnet gewesen, der Beruf des Zahntechnikers habe sich erst in den 30er Jahren entwickelt. Bei den Kontaktlinsen sei die Entwicklung jedoch gerade umgekehrt. Diese seien zunächst ausschließlich von Optikern vertrieben worden. Erst dann hätten die Augenärzte, insbesondere im Zuge der Entwicklung weicher Kontaktlinsen, versucht, auch die Abgabe an sich zu ziehen. Aufgrund ihrer Ausbildung seien Augenärzte zu den beschriebenen Tätigkeiten auch nicht befähigt, die hierzu erforderlichen optischtechnischen Kenntisse seien nicht Bestandteil der Augenarztausbildung. Die Kontaktlinsenabgabe habe auch mit der eigentlichen augenärztlichen Behandlung, die darauf gerichtet sei, eine konkrete Diagnose zu stellen und festgestellte Leiden zu lindern oder zu heilen, nichts zu tun. Bei Fehlsichtigkeit handele es sich nicht um eine Krankheit, eine Heilung sei nicht möglich. Es werde lediglich durch optische Hilfsmittel eine nachteilige Veränderung des Auges korrigiert. Auch die Anpassung könne deshalb bereits nicht als typisch ärztliches Wirken eingeordnet werden, ebensowenig die Einweisung in Handhabung und Pflege. Auch diese Tätigkeiten gehörten gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 6 der Berufsbildverordnung für das Augenoptikerhandwerk zur Optikertätigkeit. Bei dieser Sachlage könne die Abgabe deshalb auch nicht als Teilelement typisch ärztlichen Gesamtbehandlungsgeschehens eingeordnet werden. Sie sie vielmehr dem Augenoptikerhandwerk vorbehalten. Die Vorschriften des Handwerksrechts seien zwar für sich genommen wertneutrale Vorschriften. Die Beklagten verstießen jedoch bewußt gegen diese Regeln in der Absicht, wirtschaftliche Gewinne zu erzielen, um sich gegenüber standes- und rechtstreuen Kollegen einen wettbewerbswidrigen Vorteil zu verschaffen. Die Voraussetzungen von § 1 UWG seien deshalb erfüllt.

Die Abgabe von Kontaktlinsen durch die Beklagten stelle auch einen Verstoß gegen das ärztliche Berufs- und Standesrecht dar. Der ärztliche Beruf sei von dem Leitgedanken getragen, daß das vordringlichste Ziel aller ärztlichen Tätigkeit das Wohl des Patienten zu sein habe. Persönliche, insbesondere wirtschaftliche Interessen des Arztes hätten dahinter zurückzutreten. Aus diesem Grund sei es dem Arzt nach § 26 Berufsordnung Baden-Württemberg (BOBW) untersagt, bei der Verordnung von Heil-, Arznei- oder sonstigen Hilfsmitteln eine Vergütung zu verlangen oder Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken oder Geschäfte zu verweisen. Mit dieser Pflicht gerate der Arzt unweigerlich bei jeder Verordnung einer Sehhilfe in Konflikt, wenn er Kontaktlinsen selbst abgebe. Gebe er, wie die Beklagten, weiche Kontaktlinsen ab, so könne er verleitet sein, dem Patienten einerseits Kontaktlinsen anstatt einer Brille "aufzuschwatzen" und andererseits weiche Kontaktlinsen statt der von ihm nicht nachbearbeitbaren harten Kontaktlinsen zu verordnen. Beschränke sich das "Angebot" des Augenarztes von vorneherein auf weiche Linsen, so gerate die Empfehlung harter Linsen, die eine weitaus höhere Lebensdauer hätten und insbesondere von Vorteil für Fehlsichtige seien, die sie regelmäßig tragen müßten, außer Betracht. Auch habe der Augenarzt nicht die notwendige Übersicht über das Angebot von Kontaktlinsen, über die der Augenoptiker verfüge. Dieser sei deshalb der kompetentere Ansprechpartner für den Fehlsichtigen. Bei dem Verkauf durch die Beklagten handele es sich um eine rein wirtschaftliche, von Gewinnstreben getragene Tätigkeit, wie daraus deutlich werde, daß die Beklagten die Linsen nicht zum Selbstkostenpreis, sondern mit erheblichen Gewinnaufschlägen abgäben. Die Gewinnspanne beim Verkauf einer Kontaktlinse liege bei einem Verkaufspreis von 426,-- DM bei mindestens 200,-- DM pro verkauftem Paar. Dies sei mit dem ärztlichen Berufsbild nicht vereinbar. Trete der behandelnde Arzt dem Patienten gleichzeitig auch als Gewerbetreibender gegenüber, entstehe ein unerträglicher Konflikt zwischen ärztlicher Pflichtenbindung einerseits und wirtschaftlichen Interessen andererseits. Diese gewerbliche Tätigkeit sei deshalb standesrechtlich unzulässig.

Darüberhinaus stelle die Abgabe auch einen Verstoß gegen das standesrechtliche Verbot der ärztlichen Werbung dar. Die Beklagten machten nicht nur Werbung für unzulässig erbrachte Nebenleistungen, sondern gingen noch weiter und verwiesen die Patienten gleich direkt an sich. Angesichts des hohen Ranges des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient und der Verantwortung des Arztes gegenüber der Allgemeinheit genüge schon die Gefahr einer Interessenkollission zur Bejahung eines Verstoßes gegen das Standesrecht. Dieser Verstoß stelle auch einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht dar, sodaß auch unter diesem Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch gem. § 1 UWG gegeben sei.

Das Urteil des Landgerichts sei darüberhinaus rechtsfehlerhaft, soweit es die Wettbewerbswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt psychologischen Kaufzwanges verneint habe. Die Patienten seien in hohem Maße abhängig von ihrem Arzt. Dieser erbringe nicht nur dringend notwendige Heilleistungen, sondern verordne auch Heilmittel, entscheide über die Einweisung ins Krankenhaus, über Lohnfortzahlung, Krankengeld und im schlimmsten Fall auch über die Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Das Verhältnis des Patienten zum Arzt sei deshalb in hohem Maße vom Vertrauen in dessen Neutralität gekennzeichnet, zugleich aber auch von einem hohem Grad der Abhängigkeit des Patienten. Dieses Verhältnis nutzten die Beklagten aus, um ihre Patienten als Kunden für ihre gewerbliche Leistung zu gewinnen. Wettbewerbsrechtlich sei dabei unerheblich, ob die Interessen des Kunden nachteilig beeinträchtigt würden. Ausreichend sei vielmehr, daß hierdurch Mitbewerber vom Markt gedrängt würden. Den Patienten im Zuge der Behandlung in der Praxis damit zu "überrumpeln", die gerade eben verordneten Kontaktlinsen auch gleich bei ihm käuflich zu erwerben, verstoße dabei in zweierlei Hinsicht gegen die guten Sitten im Wettbewerb. Zum einen werde dem Patienten jegliche Überlegungsmöglichkeit genommen, sich aus rein sachlichen Gründen für oder gegen ein Produkt bzw. einen Wettbewerber zu entscheiden, da er es als unanständig und peinlich empfinden müßte, das Angebot des Arztes abzulehnen, zumal hierdurch das Vertrauensverhältnis zu diesem belastet werde. Der Arzt nehme in dieser Situation eine faktische Monopolstellung ein, die er wettbewerbsverzerrend zu Lasten der Augenoptiker nutze. Zum anderen sei das Verhalten auch deshalb wettbewerbswidrig, weil das von den Patienten entgegengebrachte Vertrauen mißbraucht werde. Die Patienten würden unter dem Deckmantel der Objektivität zum Kauf bestimmter Waren bewegt, wodurch ein echter Leistungswettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber unterbunden werde.

Schließlich sei das Handeln der Beklagten auch mit dem im SGB V verankerten sozialrechtlichen Trennungsprinzip unvereinbar. Nach diesem Prinzip obliege es dem Arzt, bestimmte Medikamente oder Hilfsmittel zu verordnen. Er selbst sei von der Abgabe jedoch ausgeschlossen. Hiermit sei das Liefergeschäft von Kontaktlinsen durch Augenärzte nicht vereinbar. Dies folge bereits daraus, daß es sich nicht um eine ärztliche Leistung im Sinne des Sozialversicherungsrechts handele, sondern um einen qualifizierten Verkaufsvorgang. Ärzte könnten auch nicht unter den Begriff des Leistungserbringers von Hilfsmitteln im Sinne von § 126 SGB V subsumiert werden. Der Aufbau und das System dieses Gesetzes würden von dem Grundprinzip bestimmt, daß zwischen den einzelnen Gruppen, die zur Versorgung der Versicherten vorgesehen seien, eine klare Inkompatibilitätsregelung bestehe. Dieses System werde in schwerwiegender Weise durchbrochen, wollte man annehmen, ein und dieselbe Person könne sowohl als Arzt als auch als Leistungserbringer von Hilfsmitteln tätig sein.

Die Kläger stellen den Antrag:

Das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 16.05.1995 - Az.: KfH O 144/94 - wird abgeändert und die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis DM 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, im Rahmen ihrer augenärztlichen Tätigkeit Kontaktlinsen jeder Art gegen Entgelt an Patienten abzugeben,

hilfsweise es zu unterlassen, im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit Kontaktlinsen jeder Art zu einem Preis abzugeben, der über den nachgewiesenen Selbstkosten liegt.

Die Beklagten stellen den Antrag,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Urteil des Landgerichts und machen insbesondere geltend:

Augenärzte gäben seit Jahrzehnten unangefochten Kontaktlinsen ab. Kontaktlinsen seien vor mehr als 100 Jahren von Augenärzten entwickelt worden, die Korneal-Linse sei 1946 erfunden worden. Es habe sich dabei zunächst um Linsen gehandelt, die mitunter zur besseren Verträglichkeit der Nachbearbeitung bedurft hätten. Diese Nachbearbeitung sei entweder durch Optiker in der eigenen Werkstatt vorgenommen worden oder bei Abgabe durch Augenärzte von den Kontaktlinsenherstellern durchgeführt worden. Auch hätten Augenärzte für spezielle Anpaßfälle Kontaktlinseninstitute gegründet. In den letzten Jahrzehnten habe die Zahl der Kontaktlinsenträger wegen Einführung der weichen Kontaktlinsen und hochgasdurchlässiger stabiler Linsen zugenommen, da hierdurch eine bessere Verträglichkeit erreicht worden sei. Die nun auf dem Markt befindlichen Linsen könnten aufgrund der Materialeigenschaften nur mit hohem Aufwand oder überhaupt nicht bearbeitet werden. Gegenwärtig trügen in Deutschland etwa 4 % der Bevölkerung Kontaktlinsen, 68 % davon würden von Augenoptikern, der Rest von Augenärzten angepaßt. Augenärzte paßten dabei zu 50 % harte, zu 50 % weiche Kontaktlinsen an, Augenoptiker zu 73 % weiche Linsen, zu 27 % Hartlinsen. Weiche Linsen könnten nicht nachbehandelt werden, Hartlinsen nur noch in Ausnahmefällen. Bei Anpaßschwierigkeiten von Hartlinsen schickten die Augenärzte deshalb die Linsen ausnahmslos und auch die Augenoptiker in aller Regel an den Hersteller zurück und tauschten sie gegen solche mit anderen Parametern aus. Nur noch eine verschwindend geringe Zahl von Augenoptikern bearbeite Hartlinsen selbst.

Entsprechend dieser Abgabepraxis rechneten Augenärzte seit Jahrzehnten mit Krankenkassen die Abgabe von Kontaktlinsen ab. Nach der gemeinsamen Empfehlung der Spitzenverbände der Krankenkassen erfüllten Augenärzte gem. § 126 Abs. 2 SGB V die Voraussetzungen für die Versorgung mit Kontaktlinsen. Auch der Gesetzgeber habe nicht die Absicht, eine Versorgung der Versicherten mit Kontaktlinsen nur noch durch Augenoptiker vorzusehen (Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 15.11.1993 an den Vors. des Berufsverbandes der Augenärzte, Anl. B 5). Auch die ärztlichen Standesorganisationen sähen die Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte als unbedenklich an (Stellungnahme vom 27.07.1993 der Bundesärztekammer, Anl. B 6). Die Bundesärztekammer gehe dabei zu Recht von einer Einheit zwischen Anpassung und Abgabe aus, die die Kläger zu Unrecht leugneten. Auf der Grundlage, daß die Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte unbedenklich seien, habe der Berufsverband der Augenärzte auch mit den Primärkassen Verträge zur Einführung von Festpreisen gem. § 36 Abs. 2 SGB V abgeschlossen (vgl. Anl. B 15, B 16, B 17 sowie Festpreisliste in Anl. B 18).

Soweit die Kläger einen Verstoß gegen Handwerksrecht geltend machten, liege dem eine grundlegend falsche Annahme zugrunde. Soweit sie meinten, die Abgabe von Kontaktlinsen gehöre nicht zum typisch ärztlichen Wirkungskreis sondern zum Wesentlichkeitsbereich des Augenoptikershandwerks, so sei zu berücksichtigen, daß der Begriff "Wesentlichkeitsbereich" die den Handwerkern vorbehaltene Tätigkeit von minderqualifizierten Tätigkeiten abgrenzen solle, die nicht den Kernbereich des Handwerks ausmachten und diesem nicht sein essentielles Gepräge gäben. Bei der streitgegenständlichen Abgabe handele es sich jedoch um einen reinen Kaufvorgang, also gerade nicht eine handwerkliche Tätigkeit, zumindest, wenn, wie in aller Regel, eine Bearbeitung der Linse nicht vorgenommen werde. Bei dieser Sachlage könne die Abgabe von Kontaktlinsen als reiner Verkaufsvorgang nicht in den Wesentlichkeitsbereich des Augenoptikerhandwerks einbezogen werden. Dies insbesondere auch deshalb, weil der Anpaßvorgang, wie auch die Kläger einräumten, zumindest auch in die Kompetenz der Augenärzte falle, also zum sog. Überschneidungsbereich gehöre. Angesichts der Einheit von Anpassung und Abgabe sei eine Trennung dabei nicht möglich. Soweit die Kläger die Einheit leugneten, könne dem nicht gefolgt werden. Zur Aufgabe des Arztes gehörten die Indikation und die Feststellung von Kontraindikationen, die Auswahl der ersten Meßlinse, der diesbezügliche Toleranztest sowie die Verträglichkeitskontrolle. Bei anschließender Verordnung durch den Arzt gehöre sodann weiterhin die Einweisung in die Pflege sowie Handhabung zu seinen Aufgaben, womit bereits in den Zeitraum nach der Bestellung und der Abgabe hinübergegriffen werde. Das Einsetzen der bestellten und sodann gelieferten Kontaktlinse beim Patienten und die anschließende Kontrolle sei, ebenso wie das vorhergehende Einsetzen der ersten Meßlinse, ebenfalls ein der ärztlichen Tätigkeit zuzurechnender Vorgang. In einem erheblichen Teil der Fälle sei Ergebnis dieser Kontrolle, daß die abgegebene Kontaktlinse ausgetauscht werden müsse, um ein optimales Ergebnis im Hinblick auf Sitz und Sehvermögen zu erreichen. Die Nachkontrolle sei deshalb gleichfalls ärztliche Aufgabe, zumal sich Fragen der Biokompatibilität und von pathologischen Reaktionen ergeben könnten, die ausschließlich in den augenärztlichen Bereich gehörten. Ein Großteil der Tätigkeiten sei daher der Heilkunde zuzurechnen und den Augenoptikern nicht gestattet (z.B. Kontaktlinsenversorgung bei Wunden, Erosionen oder nach Operationen und Verletzungen, bei Linsen als Medikamententräger, beim Keratokonus, bei Linsenversorgung bei Säuglingen, nach grauem Star usw.). Bei dieser Sachlage gehöre auch die Abgabe der Kontaktlinse zum typischen Tätigkeitsbild des Augenarztes.

Ein Verstoß gegen das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung komme schon deswegen nicht in Betracht, weil dem SGB V ein Verbot der Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte nicht entnommen werden könne. Im Gegenteil, Ärzte seien nach §§ 126 Abs. 2 u. 127 SGB V als Leistungserbringer von Hilfsmitteln zuzulassen. Demgemäß seien auch entsprechende Empfehlungen durch die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände gem. § 126 Abs. 2 SGB V ausgesprochen worden. Die Einzelheiten der Versorgung seien gem. § 127 SGB V mit den Verbänden der Ersatzkassen durch Verträge mit den Leistungserbringern festgelegt. Auch sei eine entsprechende Festbetragsregelung für das Land Baden Württemberg getroffen worden, die ausdrücklich die Versorgung der Versicherten mit Kontaktlinsen durch Augenärzte vorsehe.

Die Abgabe verstoße auch nicht gegen ärztliches Berufsrecht. Nach § 24 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärzte seien dem Arzt zwar verschiedene konkret bezeichnete Tätigkeiten untersagt, die ihm ein Entgelt verschafften. Die detaillierten Handlungsverbote des § 24 BO erfaßten jedoch den Fall der Abgabe von Kontaktlinsen nicht. Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BO sei der ärztliche Beruf seiner Natur nach ein freier Beruf. Gegen dieses Leitbild verstoße die Abgabe von Kontaktlinsen nicht. Die Abgabe erfolge bei Kassenpatienten zum festgelegten Festpreis abzüglich Arztabschlag, bei Privatpatienten gem. § 10 GOÄ gegen Berechnung der Selbstkosten unter Berücksichtigung von Einkaufspreis, Mehrwertsteuer und materialbedingten Nebenkosten. Von einem gefestigten Berufsbild, in das die Abgabe von Kontaktlinsen zu diesen Konditionen nicht hineinpasse, könne keine Rede sein. Im übrigen unterliege die Berufsordnung einem stetigen Wandel. Daß steuerlich die Abgabe von Kontaktlinsen als gewinnbringende gewerbliche Tätigkeit i. S. v. § 15 EStG betrachtet werde, sei nach den hier maßgeblichen Maßstäben der Handwerksordnung, der Gewerbeordnung, des Sozialrechts und des Berufsrechts unerheblich.

Auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient schließe die Abgabe von Kontaktlinsen durch den Arzt nicht aus. Die Unabhängigkeit ärztlicher Berufsausübung werde hierdurch nicht gefährdet. Angesichts der weiten Verbreitung und Üblichkeit der Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte seit Jahrzehnten sei es ausgeschlossen anzunehmen, der Patient gerate in eine Zwangslage, die seine Entscheidungsfreiheit beeinträchtige. Die Annahme eines psychologischen Kaufzwangs sei abwegig. Die Anwendung von § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Überrumpelung setze voraus, daß der Patient sich unter Schock oder Zwang befinde, sodaß er keinen hinreichenden Widerstand zu leisten vermöge. Psychologischer Kaufzwang liege nur dann vor, wenn der Kunde durch Gewährung einer Vergünstigung oder eines Geschenks so unter moralischen Druck gesetzt werde, daß er anstandshalber etwas kaufe, ohne es wirklich zu wollen. Wettbewerbswidrige Ausnutzung von Autorität sei dadurch gekennzeichnet, daß Dritte, die an sich mit der Leistung nichts zu tun haben, zum Zweck unsachlicher Beeinflussung des Kunden eingespannt würden. Keiner dieser Fälle liege vor. Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient beruhe nicht auf Druck und Zwang, sondern auf Beratung und Betreuung. Der Patient, der einen Augenarzt aufsuche, tue dies aufgrund eines eigenen freien Entschlusses, weil er dessen Sachkenntnis in Anspruch nehmen wolle. Dies gelte auch, wenn er mit dem Wunsch nach Kontaktlinsen zum Augenarzt gehe. Wenn der Augenarzt sich bei dieser Sachlage erbiete, als sachgerechtes Hilfsmittel Kontaktlinsen auszuwählen, anzupassen und abzugeben, so sei dies kein Zwang, sondern eine sachgerechte und ärztlich gebotene Maßnahme im Interesse und im Rahmen der Willensrichtung des Patienten.

Auch tatsächlich übten sie keinerlei Druck oder Zwang auf ihre Patienten aus und wiesen diese auf die Möglichkeit hin, die Kontaktlinsen auch bei einem Augenoptiker zu beziehen.

Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die vorgelegten umfangreichen Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Abgabe von Kontaktlinsen durch die Beklagte ist nicht wettbewerbswidrig. Sie stellt weder einen Verstoß gegen Handwerksrecht noch gegen ärztliches Berufsrecht dar und steht auch nicht im Widerspruch zu den Regelungen des SGB V. Auch ist mit dem Angebot der Beklagten an ihre Patienten, die Kontaktlinsen bei ihnen zu erwerben, kein wettbewerbswidriger psychologischer Kaufzwang verbunden.

I.

Die Kläger sind gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 bzw. unmittelbar aus § 1 UWG klagebefugt.

Die Klägerin Ziff. 1 ist als Augenoptikerinnung eine durch die Handwerkskammer genehmigte Körperschaft des öffentlichen Rechts (Satzung, Anl. zu Bl. 87). Sie hat ihre Geschäftsstelle zwar in, ihren Sitz aber in und ist u.a. zuständig für den Handwerkskammerbezirk, zu dem und gehören (vgl. Satzung a.a.O., und Klägervortrag Bl. 52 ff). Sie vertritt im vorliegenden Rechtsstreit die Interessen der Augenoptiker, die im Rahmen der Kontaktlinsenabgabe im Wettbewerb zu den Beklagten stehen. Der Klägerin Ziff. 1 gehören, wie die Beklagten in der Berufung nicht mehr bestreiten, im Einzugsgebiet der Praxis der Beklagten 15 Augenoptikerbetriebe an und etwa 90 % der Augenoptikerbetriebe in der Region, somit eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden auf diesem Markt.

Der Kläger Ziff. 2 ist bezüglich der Kontaktlinsenabgabe unmittelbarer Wettbewerber der Beklagten im Raum. Die Feststellung des Landgerichts, daß aufgrund der räumlichen Nähe diese Region einen einheitlichen Markt darstellt, haben die Beklagten in der Berufung nicht mehr angegriffen (vgl. dazu Klägervortrag Bl. 53 ff und Bl. 118 ff). Der Kläger Ziff. 1 ist deshalb als unmittelbar Verletzter gem. § 1 UWG klagebefugt, zumindest aber gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG.

II.

Die Abgabe von Kontaktlinsen durch die Beklagten verstößt nicht gegen Handwerksrecht und ist deshalb nicht unter diesem Gesichtspunkt wettbewerbswidrig.

1.

Gem. § 1 Abs. 1 der Handwerksordnung ist der selbständige Betrieb eines Handwerks nur den in der Handwerksrolle eingetragenen Handwerkern gestattet. Ein Gewerbebetrieb ist dabei nach § 1 Abs. 2 Handwerksordnung dann ein Handwerksbetrieb im Sinne dieser Vorschrift, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und vollständig oder in wesentlichen Teilen ein Gewerbe umfaßt, das in Anl. A zur Handwerksordnung aufgeführt ist. Dies ist gem. Nr. 89 dieser Anlage beim Gewerbe der Augenoptiker der Fall.

Welche Tätigkeiten das Berufsbild des Augenoptikerhandwerks im einzelnen bestimmen, ergibt sich aus der Verordnung über das Berufsbild für das Augenoptikerhandwerk vom 09.08.1976 (Bl. 219 ff). Danach sind gem. § 1 Nr. 4 dem Augenoptikerhandwerk u.a. die Messung der Refraktion des Auges, nach Nr. 5 die Prüfung der Sehschärfe und nach Nr. 6 "Auswahl, Bearbeitung und Abgabe von Kontaktlinsen nach ärztlicher Verordnung" zuzurechnen.

Ausschließlich dem Handwerk vorbehalten sind jedoch, wie sich aus § 1 Abs. 2 Handwerksordnung ergibt, nicht alle Tätigkeiten, die zum Gewerbe gerechnet werden, sondern nur solche, die als für dieses wesentlich zu erachten sind. Welche hierzu zählen, ist unter Heranziehung von Sinn und Zweck der besonderen Voraussetzungen an die Führung eines selbständigen Handwerksbetriebs, die die Handwerksordnung stellt, zu ermitteln. Der Zweck dieses Gesetzes geht dahin, daß die in ihm angesprochenen handwerklichen Leistungen technisch nicht einfache Verrichtungen zum Inhalt haben, für deren einwandfreie und sachgerechte Ausführung es auf besondere Fertigkeiten und Kenntnisse ankommt, die nur über eine entsprechende Ausbildung vermittelt werden können. Es sollen somit ungeeignete Leistungserbringer ausgeschaltet werden. Soweit diese Gefahr jedoch für die konkret in Frage stehenden Tätigkeit nicht gegeben ist, weil sie entsprechende Anforderungen nicht voraussetzt, fällt sie nicht in diesen "Wesentlichkeitsbereich" des Handwerks. Sie steht dann jedermann offen, die Zulassungsbeschränkungen gelten in diesem Falle nicht (vgl. Musielak/Detterbeck, Das Recht des Handwerks, 3. Aufl., § 1 Handwerksordnung, Rn. 53, 54, auch zum sog. "Minderhandwerk"; Honig, Handwerksordnung, Rn. 43 ff, 67 ff zu § 1 Handwerksordnung; Senatsentscheidung vom 08.12.1995 - 2 U 111/95).

2.

Nach diesen Kriterien ist die Abgabe von Kontaktlinsen nicht dem Augenoptiker vorbehalten.

Die Abgabe von Kontaktlinsen für sich betrachtet stellt einen reinen Kaufvorgang dar, der keinerlei besondere Vorkenntisse voraussetzt. Handwerksqualität kann die Abgabe deshalb nur im Zusammenhang mit den mit der Abgabe in Verbindung stehenden Tätigkeiten erlangen, also der vorausgehenden Auswahl der Kontaktlinse, ihrer Anpassung, Bearbeitung und ggf. der Nachkontrolle bzw., bei Auftreten von Problemen, auch der Nachbearbeitung.

Diese Tätigkeiten setzen zwar besondere Fachkenntnisse voraus. Sie sind jedoch mit Ausnahme der unmittelbaren Bearbeitung von Kontaktlinsen nicht nur Aufgabe des Optikers, sondern auch typisch ärztliche Aufgabe und fallen deshalb zumindest auch in die Kompetenz des Augenarztes.

Dies gilt zunächst für die sog. Kontaktlinsenanpassung, die mit der Bestimmung der Fehlsichtigkeit beginnt und zu der eine umfassende Augenüberprüfung mit Feststellung etwaiger Kontraindikationen gehört, desweiteren die Bestimmung einer Probelinse, die zunächst versuchsweise aufgesetzt und mit anschließender Nachkontrolle zwei Stunden zu tragen ist, sowie schließlich die Verschreibung der Kontaktlinse (vgl. dazu die Übersicht der Kläger, Bl. 186f). Daß diese Leistungen zumindest auch zum ärztlichen Leistungsbereich gehören, folgt schon daraus, daß sie gem. Ziff. 1210 - 1213 GOÄ von Gesetzes wegen ausdrücklich für den Arzt als vergütungsfähig anerkannt sind. Dafür, daß diese Leistungen vom Arzt ausgeführt werden, spricht auch das nicht unerhebliche Unverträglichkeitsrisiko, das mit dem Tragen von Kontaktlinsen verbunden ist. Dieses läßt eine umfassende Augenüberprüfung sinnvoll erscheinen, wie z.B. die Überprüfung der Lidschlußfunktionen, die Zufuhr der Tränenflüssigkeit, die Untersuchung des Augeninnendrucks, Beobachtungen an der Hornhaut und dgl. (vgl. Gutachten Tilmann, Anl. B 12, S. 43 f). Wie das von den Beklagten vorgelegte Gutachten B (Anl. BB 8) zeigt, ist das Tragen von Kontaktlinsen aus ärztlicher Sicht mit nicht unbeachtlichen gesundheitlichen Risiken verschiedenster Art verbunden, denen sinnvollerweise bereits bei der Anpassung durch umfassende Untersuchung entgegengewirkt wird. Auch ergibt sich aus der Berufsbildverordnung für das Augenoptikerhandwerk, daß der Augenoptiker nur nach ärztlicher Verordnung Kontaktlinsen abgeben darf.

Soweit das von Klägerseite eingeholte Gutachten Z der Ansicht - der sich die Kläger jedoch so offenbar selbst nicht anschließen - zu sein scheint (S. 63 ff), bereits der Bereich der Anpassung sei Domäne des Augenoptikers, kann dem deshalb nicht gefolgt werden. Ob die Augenoptiker bei dieser Sachlage überhaupt zur Durchführung der Anpassung befugt sind, kann vorliegend dahinstehen (verneinend Narr, Ärztliches Berufsrecht, 2. Aufl., Rn. 505 ff, unter Hinweis auf die Berufsbildverordnung, in der die Kontaktlinsenanpassung gerade nicht als Tätigkeit des Augenoptiker genannt werde; a.A. die Krankenkassen, die mit den Optikern Lieferverträge abgeschlossen haben, die eine Vergütung für die Anpassungstätigkeit vorsehen). Die Anpassung der Kontaktlinsen liegt somit zumindest in einem Bereich, der beiden Seiten offensteht, sodaß die Kläger aus ihrer Befugnis hierzu kein Monopol für die Abgabe, die wie gezeigt für sich genommen keine handwerksmäßige Tätigkeit darstellt, ableiten können.

Ein besonders enger Zusammenhang zwischen Anpassung und Abgabe besteht bei der Abgabe durch den Arzt dabei dadurch, daß die konkreten Linsen, die sich im Rahmen der Anpassung als geeignet erwiesen werden, dann auch abgegeben werden.

Überschneidungsbereiche zwischen handwerklicher Tätigkeit und ärztlicher Tätigkeit sind von der Rechtsprechung wiederholt anerkannt worden, insbesondere im Bereich zahnärztlicher und zahntechnischer Tätigkeit (BGH NJW 1975, 305; BVerwG, NJW 1980, 1349).

Zu diesem Überschneidungsbereich ist auch die nach der Abgabe von Kontaktlinsen erforderliche Kontrolltätigkeit zu rechnen. Kommt es beim Tragen zu Komplikationen, so ist in erster Linie der Arzt gefragt, an den sich der Patient im Zweifel wenden wird. Für diesen stellt sich sodann die Frage, ob eine aufgetretene Unverträglichkeit etwa auf Mängel der Kontaktlinse, etwa Maßungenauigkeiten oder einen Defekt, zurückzuführen ist, oder ob die Ursache im Auge des Patienten liegt, insbesondere etwa in einer evtl. allergischen Reaktion. Auch die Nachkontrolle fällt deshalb in den typischen Aufgabenbereich des Arztes. Entsprechende Überprüfungen werden im übrigen von ihm auch bereits im Zusammenhang mit der, wie gezeigt, in seinen Aufgabenbereich fallenden Erstanpassung der Probelinse abverlangt. Auch hieraus können die Kläger deshalb keine Alleinberechtigung zur Kontaktlinsenabgabe herleiten.

Als "Monopol" des Optikers verbleibt bei dieser Sachlage allein die evtl. handwerkliche Bearbeitung der Kontaktlinse. Eine solche ist jedoch unstreitig bei weichen Kontaktlinsen von vornherein nicht möglich und erfolgt heutzutage auch bei harten Kontaktlinsen nur noch ganz selten durch den Optiker (nach dem nicht bestrittenen Gutachten T, S. 54, nur in einem Prozent der Fälle), durch Augenärzte nie. Schadhafte oder nachbearbeitungsbedürftige Linsen werden vielmehr in der Praxis in aller Regel an den Hersteller zurückgesandt. Dieser mögliche Tätigkeitsbereich des Augenoptikers tritt deshalb weitgehend zurück. Aus ihm kann, abgesehen davon, daß sich die Beklagten diese Tätigkeiten nicht anmaßen, deshalb nicht abgeleitet werden, er bestimme das Berufsbild in einem Maße, daß der Schluß gezogen werden könnte, auch die für sich gesehen nicht handwerksmäßige Abgabe als solche werde hierdurch gewissermaßen in den Handwerksbereich hineingezogen. Dies wäre nur etwa dann der Fall, wenn wie bei der Brille der Optiker die Linsen selbst anfertigen würde oder sie zumindest regelmäßig von ihm nachbearbeitet werden müßten. Da es sich tatsächlich bei der Kontaktlinse jedoch um ein "Fertigprodukt" handelt, liegt der Schwerpunkt der Tätigkeiten um die Kontaktlinse ganz bei deren richtigen Auswahl und der individuellen Anpassung unter Berücksichtigung der medizinischen Gegebenheiten des Patienten, sodaß sich die Abgabe in den Bereich einfügt, der aus den genannten Gründen zumindest auch dem Augenarzt offensteht.

Bei dieser Sachlage verbleibt kein dem Augenoptiker allein vorbehaltener handwerklicher Tätigkeitsbereich, aus dem die alleinige Berechtigung zur Abgabe von Kontaktlinsen abgeleitet werden könnte. Die Vorschriften des Handwerksrechts stehen deshalb der Abgabe von Kontaktlinsen durch die Beklagten nicht entgegen.

III.

Die Abgabe von Kontaktlinsen steht auch nicht im Widerspruch zu ärztlichen Berufspflichten.

1.

Diese werden im wesentlichen durch die vom Deutschen Ärztetag verabschiedete Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte bestimmt, die weitgehend wörtlich von den Landesärztekammern, auch der in Baden Württemberg, übernommen worden ist (neueste Fassung aus dem Jahre 1993, s.h. Narr, Ärztliches Berufsrecht, 2. Aufl., Rn. 1305 ff). Nach § 1 BO dient der Arzt der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. Dabei wird klargestellt, daß der ärztliche Beruf kein Gewerbe ist. Diese Aussage bezieht sich jedoch ausschließlich auf die eigentliche ärztliche (Heil-) Tätigkeit. Der Schluß, daß dem Arzt neben dieser eigentlichen ärztlichen Tätigkeit von vorneherein jede gewerbliche Tätigkeit und damit auch die Abgabe von ärztlichen Hilfsmitteln untersagt wäre, kann hieraus nicht gezogen werden. Diese Vorschrift steht nicht per se der Möglichkeit entgegen, im Interesse des Patienten diesem auch Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit stehen und ihr dienen. Dies wird auch durch § 10 GOÄ deutlich, in dem der Kostenersatz für vom Arzt abgegebene Arzneimittel, Verbandmittel und sonstige Materialien, die der Patient zur weiteren Verwendung vom Arzt erhält, geregelt wird. Diese Vorschrift zeigt, daß die Abgabe derartiger Hilfsmittel nicht von vornherein unzulässig ist.

Die Bestimmung des ärztlichen Berufsbildes im einzelnen obliegt den Berufsorganisationen, die auch zur Überwachung der Einhaltung der Berufsordnung berufen sind. Die Bejahung eines Verstoßes gegen die Berufsordnung setzt dabei die Feststellung einer einheitlichen und gefestigten Standesauffassung voraus (BGH GRUR 1972, 709 ff - Patentmark). Hält hingegen ein nicht unerheblicher Teil der beteiligten Berufskreise, insbesondere die zur Beurteilung des standesgemäßen Verhaltens berufene Standesvertretung, das fragliche Verhalten für unbedenklich, dann kann den Berufskollegen, der ein solches Verhalten an den Tag legt, nicht der Vorwurf eines wettbewerbswidrigen Verhaltens treffen (BGH a.a.O.).

2.

Unter Berücksichtigung dessen kann in der Abgabe von Kontaktlinsen kein standeswidriges Verhalten gesehen werden.

Der Berufsverband der Augenärzte ist der Auffassung, daß die Abgabe von Kontaktlinsen mit zur Aufgabe der Augenärzte gehört und hat demgemäß mit den Krankenkassen Verträge abgeschlossen, in denen die Einzelheiten der Kontaktlinsenabgabe geregelt werden (Anl. B 15, B 16). Die kassenärztliche Vereinigung hat die Abgabe von Kontaktlinsen als Aufgabe der Augenärzte schon im Jahre 1976 gesehen (Anl. B 13). Der Berufsausschuß der Bundesärztekammer steht ebenfalls auf diesem Standpunkt und hat mit Schreiben vom 27.07.1993 (Anl. B 6) z.B. der Ärztekammer Hamburg auf Anfrage mitgeteilt, es bestünden keine berufsrechtlichen Bedenken gegen die Kontaktlinsenabgabe durch Augenärzte, da die als ärztliche Leistung definierte Anpassung einer Kontaktlinse nicht ohne die endgültig vom Patienten zu tragende Kontaktlinse erfolgen könne. Weiter vertritt die Bundesärztekammer die Auffassung, daß die Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte keinen unzulässigen handwerklichen Nebenbetrieb darstelle, da sie nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei und gegenüber der ärztlichen Tätigkeit der Anpassung eine untergeordnete, aber im Zusammenhang mit der Anpassung notwendige Tätigkeit darstelle. Das Bundesgesundheitsministerium steht in seinem Schreiben vom 15.11.1993 (Anl. B 5) ebenfalls auf dem Standpunkt, daß Kontaktlinsen auch von Augenärzten abgegeben werden dürfen, soweit die Voraussetzungen des § 126 SGB V erfüllt sind, also der jeweilige Augenarzt eine ausreichende, zweckmäßige, funktionsgerechte und wirtschaftliche Abgabe gewährleiste. Weiter teilt es in diesem Schreiben mit, daß keine gesetzlichen Änderungen geplant seien, die eine alleinige Versorgung der Versicherten mit Kontaktlinsen durch Augenoptiker vorsähen. Demgemäß haben auch die Spitzenverbände der Krankenkassen in ihren gemeinsamen Empfehlungen zur einheitlichen Anwendung der Zulassungsbedingungen für Leistungserbringer von Hilfsmitteln gem. § 126 Abs. 2 SGB V die Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte anerkannt, sofern diese über die erforderliche Weiterbildung verfügen (Anl. B 3, S. 5), und Festpreise gem. S 36 Abs. 2 SGB V für die Abgabe durch Ärzte festgelegt (Anl. B 15, B 16 i.V.m. B 18).

Auch im Rahmen der Prüfung der Standeswidrigkeit ist weiter zu berücksichtigen, daß die Abgabe von Kontaktlinsen in so engem Zusammenhang mit der augenärztlichen Behandlung steht, daß es als im Interesse des Patienten liegend betrachtet werden muß, wenn er "aus einer Hand" versorgt wird. Dies gilt insbesondere bei Komplikationen und Unverträglichkeiten. Da hier dem Patienten vielfach unklar sein wird, ob diese ihre Ursache in der konkreten Kontaktlinse oder aber bei seinen Augen haben, hat er es bei der Abgabe durch den Arzt nur mit einer Stelle zu tun, ist also bei ihm stets "an der richtigen Adresse". Er muß deshalb nicht fürchten, ggf. bei Aufsuchen des Optikers zum Arzt weitergeschickt zu werden, weil der Optiker die Linsen für in Ordnung erachtet, oder umgekehrt vom Arzt zum Optiker, weil an den Augen kein Befund getroffen werden konnte, jedoch die Kontaktlinsen nicht (mehr) einwandfrei sind.

Soweit die Kläger aus § 26 Abs. 1 und 4 BO Baden Württemberg (= § 30 der MusterBO) Bedenken gegen die Abgabe von Kontaktlinsen herleiten wollen, kann dem nicht gefolgt werden. Nach § 26 Abs. 1 BO ist es dem Arzt nicht gestattet, für die Verordnung von Arznei-Heil- und Hilfsmitteln vom Hersteller oder Händler eine Vergütung oder sonstige wirtschaftliche Vergünstigungen zu fordern oder anzunehmen. Daß dies die Beklagten getan hätten, behaupten die Kläger nicht. Auch ein Verstoß gegen das Verbot des § 26 Abs. 4 BO, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken oder Geschäfte zu verweisen oder ohne sachlich gebotenen Grund Erzeugnisse bestimmter Hersteller zu nennen, liegt nicht vor. Davon, daß sich die Beklagten, wie die Kläger meinen, unter Verstoß gegen diese Vorschrift im Rahmen des "Verkaufs" von Kontaktlinsen von persönlichen Interessen zu Lasten des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient leiten ließen und eine ihnen nicht obliegende Auswahl unter den auf dem Markt angebotenen Linsen treffen würden, kann nicht ausgegangen werden. Zwar muß sich der Arzt bei der Abgabe für ein bestimmtes Produkt entscheiden. Dies ist unmittelbare Folge der Anpassung, die im letzten Stadium mit der dann dem Patienten auch abgegebenen Kontaktlinse erfolgt. Die entsprechende Entscheidung muß der Arzt auch dann treffen, wenn er die Kontaktlinse nur anpaßt, jedoch nicht selbst abgibt und dann eine Verordnung für den Optiker verschreibt. Auch dann muß er sich für ein konkretes Produkt entscheiden, da ja die verordnete Kontaktlinse der Probelinse, die er im Rahmen der Anpassung getestet hat, entsprechen muß. Die Auswahl beruht dabei in jedem Fall auf medizinischen Gründen, erfolgt somit mit sachlicher Rechtfertigung im Sinne der angeführten Vorschrift, die lediglich der willkürlichen Bevorzugung eines bestimmten Herstellers entgegenwirken will. Soweit die Kläger zu diesem Punkt weiter geltend machen, der Arzt sei nur in der Lage, weiche Kontaktlinsen abzugeben, weshalb sein Interesse von vornherein auf Abgabe dieser Linsen gerichtet sei und er sie unter Außerachtlassung medizinischer Gründe u.U. auch abgebe, wenn harte Kontaktlinsen geeigneter wären, so ist dies schon von der Ausgangsposition her unzutreffend, da die Beklagten angegeben haben, auch harte Kontaktlinsen abzugeben. Dem haben die Kläger nicht substantiiert widersprochen. Daß Augenärzte dies tun, ist auch gerichtsbekannt.

Bei dieser Sachlage kommt ein Verstoß gegen ärztliches Standesrecht nicht in Betracht. Die Beklagten verhalten sich im Rahmen anerkannter Standesrichtlinien und tun lediglich das, was eine Vielzahl ihrer Berufskollegen, wie die Beklagten dargetan haben, seit Jahrzehnten unbeanstandet praktizieren (s.h. Gutachten Tilmann). Wie angemerkt, ist die Entwicklung des Standesrechts Sache der Berufsangehörigen, sodaß die Auffassung Dritter, also auch die der Kläger, nicht entscheidend sein kann. Ob die Kläger aus evtl. Verstößen der Beklagten gegen die Berufspflichten überhaupt Rechte für sich herleiten könnten, nachdem die Berufsordnung dem Schutz der Ärzteschaft dient, nicht jedoch außerhalb der Ärzteschaft stehende Wettbewerber schützen will, kann bei dieser Sachlage dahinstehen.

IV.

Wettbewerbswidrig ist die Abgabe von Kontaktlinsen auch nicht deshalb, weil sie im Widerspruch zu den Vorschriften des SGB V und dem von den Klägern angeführten Trennungsgebot, wonach der Arzt lediglich Hilfsmitteln verordnen dürfe, er aber von deren Abgabe ausgeschlossen sei, stehen würde.

Ein grundsätzliches Verbot der Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte kann dem SGB V nicht entnommen werden. Ärzte sind grundsätzlich mögliche Erbringer von Leistungen nach dem SGB V. Daß sie als Erbringer von Leistungen im Sinne von § 126 SGB V ausschieden, kann dieser Vorschrift nicht entnommen werden. Demgemäß haben, wie bereits ausgeführt, die Spitzenverbände der Krankenkassen gem. § 126 Abs. 2 SGB V in ihren gemeinsamen Empfehlungen zur einheitlichen Anwendung der Zulassungsbedingungen für Leistungserbringer von Hilfsmitteln die Versorgung von Patienten mit Kontaktlinsen durch Augenärzte grundsätzlich anerkannt, wenn die Ärzte über die erforderliche Weiterbildung verfügen (Anl. B 3, S. 5), was die Kläger den Beklagten nicht bestreiten. Auch haben der Bundesverband bzw. die Landesverbände der Krankenkassen Verträge mit dem Berufsverband der Augenärzte gem. § 127 SGB V abgeschlossen, in denen die Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte ausdrücklich vorgesehen ist und hierfür Festpreise gem. § 36 SGB V festgelegt (vgl. B 15 - B 18). Diese Verträge berechtigen die Augenärzte nicht nur zur Abgabe von Kontaktlinsen, sondern regeln auch ihre diesbezüglichen Pflichten (vgl. z.B. § 2 des Berufsverbands der Augenärzte mit dem AOK-Bundesverband, wonach sich der Augenarzt verpflichtet, die Versicherten entsprechend den gesetzlichen Vorschriften des SGB V zu versorgen, wobei die Versorgung ausschließlich mit funktionsgerechten und technisch einwandfreien Kontaktlinsen unter Berücksichtigung des Qualitätsstandards der Produktgruppe 25 des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V zu erfolgen hat, Anl. B 16).

Daß sich die Beklagten an diesen Vorgaben der nach dem SGB V hierfür zuständigen Stellen, die für sie begünstigenden Charakter haben, orientieren, sich auf deren Rechtmäßigkeit verlassen und so verhalten wie ein Großteil ihrer Ärztekollegen, kann von vornherein nicht als gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoßend erachtet werden, selbst wenn das Vorgehen des Berufsverbands und der Krankenkassen tatsächlich mit dem SGB V nicht zu vereinbaren wäre. Die Voraussetzungen von § 1 UWG, der für die Kläger die einzige in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist, sind deshalb nicht erfüllt (vgl. dazu auch Senatsentscheidung vom 12.01.1996 -2 U 63/95; OLG Frankfurt, NJW 1988, 2250; OLG Hamburg, NJW-RR 1993, 941).

Ob und welche Möglichkeiten den Klägern ggf. offenstehen, ihre Auffassungen rechtlich überprüfen zu lassen, und ob die von der Augenoptikerinnung gegen die AOK angestrengte Klage mit dem Ziel, es zu unterlassen, an Augenärzte Vergütungen für die Abgabe von Kontaktlinsen zu erbringen, zulässig und begründet ist, kann deshalb dahinstehen (vgl. dazu Urteil des SG Mainz vom 24.04.1995, Anl. BB 1, das diese Klage in erster Instanz als unzulässig abgewiesen hat).

V.

Schließlich ist die Abgabe von Kontaktlinsen durch die Beklagten auch nicht als wettbewerbswidrige Ausnutzung des Vertrauensverhältnisses zum Patienten unter dem Gesichtspunkt psychologischen Kaufzwanges oder psychischen Druckes als wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG zu beanstanden. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, daß die Beklagten einen Wettbewerbsvorsprung bei der Abgabe von Kontaktlinsen gegenüber Augenoptikern dadurch haben, daß sie an die vorausgehende ärztliche Behandlung und Beratung anknüpfen können und deshalb eine Reihe von Patienten geradezu selbstverständlich die von ihnen angebotenen Kontaktlinsen erwerben wird, zumal dies für sie auch bequemer ist, als noch den Augenoptiker aufsuchen zu müssen. Da die Abgabe jedoch unter anderen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist, beruht der Wettbewerbsvorsprung des Arztes letztlich darauf, daß er den Patienten ein breiteres Leistungsspektrum anzubieten vermag.

Dessen Ausnutzung ist, wie stets im Wettbewerb nicht, zu beanstanden. Der Fall liegt insoweit nicht anders als etwa bei einem Handwerker, der in der Lage ist, im Rahmen eines Bauvorhabens mehrere Gewerke auszuführen. Das schlichte Angebot zulässiger Leistungen kann nicht per se als unlauter erachtet werden, zumal bei einem eingeführten Abgabesystem mit Tradition. Daß die Beklagten durch daruberhinausgehende Verhaltensweisen ihre Patienten unter Druck setzen würden, die Kontaktlinsen bei ihnen, nicht hingegen bei Optikern zu erwerben, haben die Kläger nicht schlüssig vorgetragen (vgl. zu den denkbaren Verhaltensweisen Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR. 18. Aufl., Rn. 50 ff zu § 1 UWG).

VI.

Auch dem von den Klägern in der Berufung gestellten Hilfsantrag, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Kontaktlinsen zu einem Preis abzugeben, der über den nachgewiesenen Selbstkosten liegt, kann nicht entsprochen werden.

Die Abgabe von Kontaktlinsen hat, wie angeführt, bei Kassenpatienten nach den festgelegten Festpreisen zu erfolgen, von denen ein sog. Arztabschlag vorzunehmen ist, da die Anpassung gesondert vergütet wird (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.05.1996, Bl. 227). Bei Abgabe an Privatpatienten darf der Arzt gem. § 10 GOÄ den Einkaufspreis, materialbedingte Nebenkosten sowie die Mehrwertsteuer ansetzen.

Daß die Gefahr besteht, daß die Beklagten hiergegen künftig verstoßen, was Voraussetzung für den Unterlassungantrag ist, haben die Kläger nicht bewiesen. Selbst wenn diesen Grundsätzen bei dem Testkauf der Patientin C nicht Rechnung getragen und hier ein Gewinn von DM 200,-- erzielt worden sein sollte, kann hieraus nicht auf ein entsprechendes künftiges Verhalten der Beklagten geschlossen werden. Der fragliche Testverkauf erfolgte nicht bei den Beklagten selbst, sondern bei dem Kontaktlinseninstitut ihrer Mütter. Auch wenn man diese mit dem Klägervortrag als "Strohfrauen" der Beklagten ansieht, über die sie sich den ihnen als Ärzten auferlegten Pflichten bei der Abgabe entziehen wollten, so kann, nachdem sich die Beklagten vertragsstrafbewehrt verpflichtet haben, es künftig zu unterlassen, dieses Institut einzuschalten, nicht der Schluß gezogen werden, daß sie nun auch bei der allein noch in Frage stehenden Direktabgabe "falsch" abrechnen und damit unmittelbar gegen ihre ärztlichen Berufspflichten verstoßen. Begehungsgefahr besteht daher nicht.

Der Schriftsatz der Kläger vom 18.06.1996, mit dem sie sich auf einen am 09.11.1994 erfolgten weiteren Kauf berufen, bei dem die Beklagten einen Aufschlag von 150 % gegenüber dem Einkaufspreis erhoben haben sollen (Anl. C 4 - 7 zu diesem Schriftsatz), ist nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingegangen und kann daher keine Berücksichtigung finden. Anlaß zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung besteht nicht.

Das Landgericht hat somit die Klage zu Recht abgewiesen, sodaß die Berufung der Kläger zurückzuweisen war.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück