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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 15.06.2001
Aktenzeichen: 2 U 201/00
Rechtsgebiete: GVG, SGB IV, UWG


Vorschriften:

GVG § 17 a Abs. 3
GVG § 5
SGB IV § 30 Abs. 1
UWG § 1
1.

Über die Zulässigkeit des Rechtswegs wird regelmäßig und abschließend im 1. Rechtszug entschieden. Eine Überprüfung im Rechtsmittelverfahren ist nur ausnahmsweise möglich, wenn nämlich das erstinstanzliche Gericht gegen § 17 a Abs. 3 S. 2 GVG verstoßen hat. Ein solcher Verstoß setzt aber voraus, dass die Rüge rechtzeitig, d. h. innerhalb einer gem. § 282 Abs. 3 S. 2 ZPO gesetzten Frist zur Klagerwiderung vorgebracht wird.

2.

§ 30 Abs. 1 SGB IV stellt das Handeln der Träger der gesetzlichen Sozialversicherung unter Gesetzesvorbehalt. Sie dürfen deshalb nur gesetzlich vorgeschriebene oder zugelassene Aufgaben erfüllen (BGH WRP 95, 475, 478 -Sterbegeldversicherung). Das GKV - Gesundheitsrefom G 2100 (BGB ll 99, 2626 ff.) veranlasst zu keiner davon abweichenden Auslegung des Gesetzeszwecks. Die Vermittlung privater Krankeitskostenzusatzversicherungen ist dem Träger einer gesetzlichen Krankenverischerung deshalb untersagt.


Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 201/00

verkündet am 15.06.2001

In Sachen

hat der 2 Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 18.05.2001 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am Oberlandesgericht Dr. Lütje, des Richters am Oberlandesgericht Prof. Dr. Fezer sowie des Richters am Oberlandesgericht Oechsner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 29.09.2000 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40 000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens bis 80 000 DM

Beschwer der Beklagten aus diesem Urteil über 60.000 DM

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Kooperation der Beklagten als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung in Baden-Württemberg mit einem privaten Versicherungsunternehmen.

Die Klägerin ist ein eingetragener Verein im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Die beklagte A ist mit 50 % Marktanteil die größte Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung in Baden-Württemberg. Nach einem begrenzten Versuch einer Kooperation in zwei Modellregionen luden die Vorstände der Beklagten und der Rechtsvorgänger der S Versicherungen AG, einem privaten Versicherungsunternehmen, ihre Mitarbeiter auf 28.09.1999 zu einer Auftaktveranstaltung in das A Bildungszentrum ein, um dort "Zielsetzung und die wesentlichen Inhalte der Kooperation" zwischen der A Baden-Württemberg und der Sparkassenversicherung/Ö-Versicherungen vorzustellen (Einladungsschreiben K 2 vom 10.09.1999). "Oberstes Ziel" einer solchen Zusammenarbeit "ist die Gewinnung neuer Mitglieder der Zielgruppen Berufsstarter und Studenten und der Wechsel von Versicherten zur A sowie die Ergänzung des Versicherungsschutzes der A-Mitglieder" um "die Ö-Produkte" (jetzt Produkte der S-Versicherungen AG) und "unserer Kooperationspartner" (so die Formulierungen in Anlage K 3). Neben gemeinsamen Werbeauftritten ist danach Gegenstand der Kooperation vor allem die gegenseitige aktive Empfehlung bei der Akquisition von Neukunden wie auch im Bestand der vorhandenen Versicherungsnehmer. Unterstützt werden soll diese Zusammenarbeit durch Provisionszusagen des einen Versicherungsträgers für die erfolgreiche Vermittlung von neuen Versicherungsverhältnissen gegenüber den Mitarbeitern des jeweils anderen Kooperationspartners.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht vorgetragen, die Beklagte verstoße damit gegen das Verbot, außerhalb ihrer gesetzlich umrissenen Aufgaben tätig zu werden (§ 30 Abs. 1 SGB IV). Da es sich dabei um eine wertbezogene Norm handele, habe deren Verletzung gleichzeitig einen Verstoß gegen § 1 UWG zur Folge. Darüber hinaus stelle das Zuarbeiten für ein bestimmtes privates Versicherungsunternehmen durch die größte Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung wegen des nach wie vor bestehenden besonderen Ansehens der Beklagten einen unmittelbaren Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Autoritätsmißbrauchs dar. Eine werbende Tätigkeit für den Kooperationspartner sei schließlich auch irreführend im Sinne von § 3 UWG, weil die angegangenen Mitglieder der Beklagten nicht erwarteten, daß eine solche Empfehlung mit Provisionsinteressen verknüpft sei.

Nach vergeblicher vorprozeßualer Abmahnung hat die Klägerin die Beklagte vor dem Landgericht auf Unterlassung sowie Zahlung ihrer vorgerichtlichen Abmahnkosten (brutto 315,65 DM) in Anspruch genommen mit folgenden Anträgen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Sparkassenversicherung zu kooperieren, soweit die Kooperationsvereinbarung eine Vermittlung von S-Produkten durch A-Mitarbeiter, insbesondere gegen Zahlung einer Abschlußprovision, vorsieht.

2. Der Beklagten wird für den Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu DM 500.000 ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an ihrem Vorstandsvorsitzenden, angedroht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 315,65 zzgl. 4 % p. a. Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat demgegenüber beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Kooperation mit der S-Versicherung verstoße weder gegen die genannte Vorschrift des SGB IV noch gegen die §§ 1, 3 UWG. Die Versicherungsprodukte der S würden durch ihre Mitarbeiter nur im Rahmen von Nebentätigkeiten vermittelt; diese Vermittlungstätigkeit sei der Beklagten deshalb nicht zuzurechnen. Mittel der Beklagten würden im übrigen dafür nicht in Anspruch genommen.

Diese Vermittlungen seien auch nicht auf eine exklusive Begünstigung der S-Versicherungen AG gerichtet; vielmehr stehe es den Mitarbeitern der Beklagten frei, sich eine Nebentätigkeit auch für andere Anbieter von Finanzdienstleistungen genehmigen zu lassen. Durch die Kooperation könne auch nicht der Eindruck entstehen, die S sei ein bevorzugter Partner der Beklagten. Dafür sei auch von der Klägerin nichts vorgetragen. Schließlich sei auch nicht dargetan, daß seitens der Beklagten generell, also auch dann die Produkte der S empfohlen würden, wenn günstigere Angeboten anderer Versicherer vorlägen. Aufgrund der Liberalisierung des Gesundheitsmarktes seien die Träger der Sozialversicherungen geradezu aufgerufen, im Wettbewerb mit anderen Versicherten um neue Mitglieder zu werben. Dies schließe Kooperationen wie die vorliegende ein. Schließlich sei der gestellte Antrag zu weitgehend, da er jede Kooperation mit der S-Versicherungen AG verbiete.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Beklagte darüber hinaus vorgetragen, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei nicht gegeben. Zur Begründung hat sie auf die Neufassung des § 51 SGG sowie den dazu ergangenen Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 14.03.2000 - KZB 34/99 - Hörgeräteakustik verwiesen (Kopie: Bl. 27 ff.).

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung sowie Zahlung verurteilt.

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei entgegen den von der Beklagten geäußerten Bedenken gegeben.

Auch in der Sache sei der geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet. Dies folge schon daraus, daß die Beklagte gegen § 30 Abs. 1 SGB IV verstoße. Der Verstoß ergebe sich daraus, daß im Zuge der vereinbarten Kooperation Mitarbeiter der Beklagten Produkte der privaten S-Versicherungen vermittelten. Daß dabei keine Mittel der Beklagten verbraucht würden, sei ohne Belang. Denn die genannte SGB-Vorschrift verbiete nicht nur eine aufgabenfremde Mittelverwendung, sondern ausdrücklich auch jede aufgabenfremde Betätigung (BGH WRP 95, 475, 479 - Sterbegeldversicherung). Da die Kooperation von der Beklagten initiiert und eingegangen worden sei, sei ihr die Vermittlungstätigkeit ihrer Mitarbeiter auch zuzurechnen. Aus der Funktion des § 30 Abs. 1 SGB IV als ein die privatrechtliche Betätigung der öffentlichen Hand begrenzenden Norm folge ihre Eigenschaft als wertbezogene Norm im Sinne von § 1 UWG; ein Verstoß dagegen sei deshalb regelmäßig auch als wettbewerbswidrig anzusehen.

Darüber hinaus verstoße das beanstandete Verhalten auch deshalb gegen § 1 UWG, weil den Mitarbeitern der Beklagten besonderes Vertrauen entgegen gebracht und durch einseitige Empfehlung zu Gunsten eines bestimmten privaten Versicherungsunternehmens ungerechtfertigter Weise auch auf dieses übertragen werde. Schließlich verstoße die Beklagte gegen § 3 UWG (Irreführung über nicht vermutetes Provisionsinteresse). Nach §§ 683 Abs. 1, 677, 670 BGB begründet sei schließlich der Anspruch auf Ersatz der verlangten Aufwendungspauschale.

Mit ihrer dagegen fristgerecht eingelegten Berufung will die Beklagte nach wie vor Klagabweisung erreichen.

Dazu rügt sie zunächst wiederum die ihrer Ansicht nach fehlende Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.

In der Sache wirft sie dem Landgericht vor, wesentlichen Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt zu haben, nämlich den Umstand, daß die Beklagte nicht exklusiv mit den S-Versicherungen, sondern auch mit anderen Finanzdienstleistern (z. B. L) kooperiere.

Im übrigen sei die Vermittlung von Versicherungsprodukten der S nicht ihr zuzurechnen, weil sie von ihren Mitarbeitern lediglich im Rahmen einer (von der Beklagten genehmigten - vgl. dazu SS Beklagtenvertreter vom 14.03.2001 - Seite 2) Nebentätigkeit erbracht werde. Selbst für den Fall einer Zurechnung an die Beklagte fehle es aber an einem Verstoß gegen § 30 Abs. 1 SGB IV. Die Beklagte sei nämlich der Auffassung, sie sei durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 verpflichtet, sich aktiver als bisher am Wettbewerb zu beteiligen. Dies sei aber nur möglich, wenn die Beklagte ihren Versicherten sowie Dritten ein umfassenderes Angebot unterbreiten könne, was ihr - aufgrund der gesetzlichen Beschränkungen - nur über Kooperationen mit privaten Versicherern möglich sei. Über den (nach seinem Wortlaut unverändert gebliebenen) § 30 Abs. 1 SGB IV könne ihr diese Möglichkeit nicht genommen werden; ansonsten werde der vom Gesetzgeber mit dem genannten Reformgesetz verfolgte Zweck unterlaufen. Ohne/nur von eingeschränkter Bedeutung für den vorliegenden Sachverhalt sei deshalb die Entscheidung des BGH zur Sterbegeldversicherung. Denn diese sei vor dem Hintergrund zu sehen, daß der Gesetzgeber zuvor die Vorschriften des SGB zum Sterbegeld erheblich beschränkt habe. Im Gegensatz dazu gehe es hier aber darum, daß der Tätigkeitskreis der GKV durch eine gesetzgeberische Entscheidung erheblich erweitert worden sei. Entgegen der in der Entscheidung Sterbegeldversicherung vom BGH vertretenen Auffassung könne § 30 Abs. 1 SGB IV auch nicht als wertbezogene Norm im Sinne der Rechtsprechung des BGH zu § 1 UWG angesehen werden. Dagegen spreche der Gesetzeszweck (Interesse der Sozialversicherten an einer ordnungsgemäßen Verwendung ihrer Beiträge, nicht aber Schutz der privaten Krankenversicherungen - Wiegand BB 95, 94). Auch im übrigen liege kein Verstoß gegen § 1 UWG (Autoritätsmißbrauch) oder gar § 3 UWG vor.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt dem gegenüber,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen,

hilfsweise das angefochtene Urteil in Ziff. 1 a des Tenors mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, daß das Wort "insbesondere" wegfällt.

Zu Recht sei das Landgericht von der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ausgegangen (ebenso: OLG Frankfurt in einem Beschluß vom 02.08.2000 - 6 U 27/00 - Anlage K 6).

In der Sache verteidigt sie das Urteil des Landgerichts als richtig. Es liege nämlich - entgegen der Auffassung der Beklagten - sehr wohl ein Verstoß gegen die wertbezogene Norm des § 30 Abs. 1 SGB IV vor. Es handele sich auch um einen eigenen Verstoß der Beklagten Dies zeige auch der Umstand, daß der Kooperationspartner (S-Versicherung AG) im Schaufenster seiner Filialen exklusiv auch für die Beklagte werbe (Foto des Schaufensters der Geschäftsstelle der S-Versicherung in E/Baden-Württemberg - Anlage K 7). Außerdem legt die Klägerin einen Teilnahmeschein für ein Gewinnspiel der A Baden-Württemberg vor (Anlage K 8). Dort weist die Beklagte ausdrücklich darauf hin daß die von ihr als Folge des Gewinnspiels gesammelten Daten, soweit der Teilnehmer nicht ausdrücklich widerspricht, der L und den S-Versicherungen zur Verfügung gestellt werden. In einem weiteren Schreiben vom 12.02.2001 (Anlage K 9) heißt es unter dem Briefkopf der A Rhein-Neckar wörtlich:

"Wir, die A und die S-Versicherungen, sind seit einiger Zeit Kooperationspartner. Daraus ergeben sich für Sie als Privatkunden und S-Mitarbeiter viele Vorteile!"

Unterzeichnet ist das genannte Schreiben von einem "G K - Kunden- und Betriebsberater für die S-Versicherungen".

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die dazu vorgelegten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist als unbegründet zurückzuweisen.

I.

Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist die Klage zulässig.

Ohne Erfolg macht sie geltend, der Rechtsweg vor das Zivilgericht sei nicht eröffnet. Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nämlich gemäß § 17 a Abs. 5 GVG nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Über die Zulässigkeit des Rechtswegs wird vielmehr regelmäßig und abschließend im ersten Rechtszug befunden. Eine Überprüfung im Rechtsmittelverfahren ist insoweit nur ausnahmsweise möglich, nämlich dann, wenn das erstinstanzliche Gericht gegen die Vorschrift des § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG verstoßen hat (Zöller/Gummer, ZPO, 22. Auflage, § 17 a GVG Rn. 18 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund ist auch der als Anlage K 6 vorgelegte Beschluß des OLG Frankfurt vom 02.08.2000 zu sehen.

Hier hat das Landgericht aber gerade nicht gegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG verstoßen. Denn das erstinstanzliche Gericht hat zwar grundsätzlich nach § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges durch Beschluß vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt; das setzt aber voraus, daß die Rüge rechtzeitig erfolgt. Rechtzeitig ist sie, wenn sie gemäß § 282 Abs. 3 Satz 2 ZPO innerhalb der Frist zur Klageerwiderung vorgebracht wird (OLG Köln, NJW 1995, 3319; Zöller a. a. O. Rn. 6 sowie Rn. 6 zu § 282 ZPO). Denn die gesamte Regelung der §§ 17 bis 17 b GVG dient dem Ziel, die Frage der Rechtswegzulässigkeit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des Verfahrens in der ersten Instanz abschließend zu klären (Kissel, NJW 1991, 945, 948). Mit diesem Gesetzeszweck ist es nicht vereinbar, dem Beklagten für die Rüge der Zulässigkeit des Rechtswegs über eine gesetzte Klageerwiderungsfrist hinaus Gelegenheit zu geben, mit der Folge, daß das Gericht bei der Vorbereitung des Verhandlungstermins keine Klarheit hätte, ob es über den Rechtsweg vorab entscheiden muß oder nicht.

Innerhalb der Klageerwiderungsfrist hat die Beklagte die Zuständigkeit der Zivilgerichte aber nicht gerügt. Denn die Klagerwiderungsfrist endete mit dem Ablauf des 08.08.2000; die Zulässigkeitsrüge der Beklagten erfolgte jedoch erst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (21.09.2000); sie wurde sogar erst im einzelnen begründet im nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beklagtenvertreters an das Landgericht vom 26.09.2000.

II.

Auch in der Sache verdient das Urteil des Landgerichts Zustimmung.

1. Soweit es um den Verstoß gegen § 30 Abs. 1 SGB IV, seine wettbewerbsrechtliche Beurteilung und (auch) die Störereigenschaft der Beklagten geht, orientiert sich der Senat an der BGH-Entscheidung "Sterbegeldversicherung". Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur gelangen, wenn es gelänge, den vorliegenden Sachverhalt entscheidend von demjenigen der genannten Entscheidung abzusetzen, oder aber den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 SGB IV in dem von der Beklagten skizzierten Sinne einzuschränken. Diese Versuche der Beklagten überzeugen aber ebensowenig wie ihre Begründung zur angeblich fehlenden Störereigenschaft.

2. Nach § 30 Abs. 1 SGB IV dürfen die Träger der Sozialversicherung nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden. Das Handeln der Versicherungsträger steht damit unter Gesetzesvorbehalt. Sie besitzen keine allgemeine Zuständigkeit, sondern dürfen nur gesetzlich vorgeschriebene oder zugelassene Aufgaben erfüllen (BGH WRP 1995, 475, 478 - Sterbegeldversicherung u. H. auf Kass.Komm./Maier, Sozialversicherungsrecht, § 30 SGB IV Rn. 2, ebenso: Krause GK zum SGB, Rn. 5 ff., § 30 SGB IV).

Eine Konkretisierung der den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes obliegenden Aufgaben findet sich vor allem im 5. Buch des SGB (dort: §§ 11-68).

Die Vermittlung von Versicherungen einer privaten Krankenversicherung gehört nicht zu den Aufgaben, zu denen die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund der genannten Bestimmungen des SGB IV ermächtigt sind. Etwas anderes behauptet auch die Beklagte nicht.

a) Zu einer für die Beklagten günstigeren Bewertung kann man deshalb nur dann gelangen, wenn man den Normzweck des § 30 Abs. 1 SGB IV darauf beschränkt, das aus den Beiträgen der Mitglieder gespeiste Vermögen der gesetzlichen Krankenkassen zu bewahren (so Reker, Die Sozialgerichtsbarkeit 1996, 457, 458 -Kopie: Bl. 77 ff.). Nach der Entscheidung des BGH zur Sterbegeldversicherung findet diese Auffassung im Gesetz aber keine Stütze, da § 30 Abs. 1 SGB IV ausdrücklich zwischen den zugelassenen Aufgaben einerseits und der Mittelverwendung andererseits unterscheidet (WRP 1995, 479).

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten veranlaßt auch nicht das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 (BGBl 1999, 2626 ff.) zu einer solch einschränkenden Auslegung des Gesetzeszwecks.

Dagegen spricht schon der auch von der Beklagten nicht übersehene Umstand, daß in jenem Gesetz zwar zahlreiche Vorschriften geändert/neu gefaßt worden sind, nicht aber die hier interessierende Vorschrift des § 30 SGB IV.

Auch der lediglich pauschale Hinweis auf den als Folge des genannten Gesetzes forcierten Wettbewerb überzeugt nicht. Denn die grundlegenden Entscheidungen des Gesetzgebers für mehr Wettbewerb zwischen den Kassen sind nicht in jenem Gesetz enthalten, sondern schon im Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (BGBl I, 2266 ff.). Denn darin wurde - wenn auch erst mit Wirkung ab 01.01.1996 - den Pflichtversicherten die allgemeine Kassenwahlfreiheit zugestanden (vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere § 168 - Ersatzkasse und § 173 - Allgemeine Wahlrechte - jeweils SGB IV). Die Vorschrift des § 6 SGB V - Versicherungsfreiheit war schon am 01.01.1989 (zusammen mit dem SGB insgesamt) in Kraft getreten; lediglich Abs. 3 a (er sieht vor, daß Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, trotzdem versicherungsfrei bleiben, wenn sie in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren), ist erst durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 eingeführt worden. Der darin liegende Ausschluß einer Rückkehr zur GKV soll dem Schutz der Solidargemeinschaft der GKV dienen (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 6 SGB V, Rn. 39). Eine wettbewerbsfördernde Wirkung dieser Bestimmung läßt sich damit nicht feststellen.

Nicht überzeugend schließlich ist der Versuch der Beklagten, die Bedeutung des Urteils des BGH zur Sterbegeldversicherung deshalb auf den dort entschiedenen konkreten Sachverhalt zu beschränken, weil es den dortigen Beklagten nur darum gegangen sei, die vorher getroffene Entscheidung des Gesetzgebers für eine drastische Einschränkung des Sterbegelds zu unterlaufen. Denn dieser Gesichtspunkt trägt die erwähnte BGH-Entscheidung nicht. Sie beruht vielmehr auf den schon oben skizzierten Gesetzeszweck des § 30 Abs. 1 SGB IV (Gesetzesvorbehalt für das Handeln der Versicherungsträger). Bestätigt hat der Bundesgerichtshof diese Auslegung des Gesetzeszwecks in einem späteren Urteil (BGH WRP 1999, 176, 178 - Verwaltungsstellenleiter).

c) Zu Recht hat schon das Landgericht angenommen, die (beanstandete) Tätigkeit der Mitarbeiter der Beklagten für die Belange des Kooperationspartners sei der Beklagten zuzurechnen. Entscheidend hierfür ist, daß der Vorstand der Beklagten diese Kooperation mit der SV vereinbart hat (was im übrigen auch die Berufungsbegründung nicht in Frage stellt). Daß die Mitarbeiter der Beklagten im Rahmen genehmigter Nebentätigkeit Versicherungsprodukte der S an A-Mitglieder/Interessenten vertreiben, verwirklicht auf Seiten der Beklagten nur das, was die Kooperationspartner vereinbart haben. Als private Angelegenheit der jeweiligen - so ausdrücklich - "Mitarbeiter" (also nicht etwa freie Handelsvertreter o. ä.) läßt sich diese Vertriebstätigkeit deshalb nicht werten. Bestätigt wird diese Wertung durch die von der Klägerin als Anlage zu ihrer Berufungserwiderung vorgelegten Beispiele dafür, wie die S/die Beklagte selbst diese Kooperation mit Leben erfüllen.

d) Auch die Wertung des Landgerichts, allein der Verstoß gegen § 30 Abs. 1 SGB IV als wertbezogener Norm führe zu Unterlassungspflicht nach § 1 UWG, ist von der Entscheidung des BGH zur Sterbegeldversicherung getragen (WRP 1995, 479; ebenso: Baumbach/Hefermehl, 22. Auflage, § 1 UWG Rn. 614). Dies ist Folge des oben skizzierten Gesetzeszwecks,

e) Die Wiederholungsgefahr für den hier begangenen Verstoß wird aufgrund des vor- und innerprozeßualen Verhaltens der Beklagten vermutet.

f) Keine Bedenken stehen schließlich der Verurteilung der Beklagten zum Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten der Klägerin (§§ 683 Abs. 1, 677, 670 BGB).

3. Ob sich der Verstoß gegen § 1 UWG auch aus dem Gesichtspunkt des Autoritätsmißbrauchs ergibt, kann damit offen bleiben. Viel spricht jedenfalls dafür, daß die Mitarbeiter der Beklagten ihre Vertriebstätigkeit erkennbar in dieser Funktion ausüben (vgl. insbesondere das als Anlage K 9 zur Berufungserwiderung vorgelegte Schreiben der A Rhein-Neckar). Dann jedenfalls führt dieser Umstand zur Anwendung der §§ 1 und 3 UWG. Maßgeblich für die Anwendung der letztgenannten Vorschrift wäre jedenfalls der Gesichtspunkt, daß sich die Mitarbeiter der Beklagten - entgegen den Erwartungen der angesprochenen Interessenten - ausschließlich von wirtschaftlichen Gesichtspunkten (Provisionsinteresse!) leiten lassen. Ob es sich (tatsächlich oder nach Vorstellung der Interessenten) um eine exklusive Kooperation zwischen der Beklagten und der S-Versicherung handelt (entsprechendes hat das Landgericht - entgegen Berufungsbegründung - nicht festgestellt!) oder nicht, ist für die Entscheidung ohne Belang.

III.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 10, 711 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Den Streitwert des Unterlassungsantrag bewertet der Senat mit 75.000 DM (§ 12 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO). Die Bedeutung der Beklagten, der damit sich abzeichneten Umfang der Kooperation und die daraus resultierende Schwere des aus der Kooperation folgenden Wettbewerbsverstoßes sprechen dafür, den darauf entfallenden Teilstreitwert erheblich höher anzusetzen als die (von der Klägerin nicht begründete) Streitwertangabe in der Klageschrift.

Ende der Entscheidung

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