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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 24.01.2002
Aktenzeichen: 2 U 202/01
Rechtsgebiete: UWG, PAngV, ZPO
Vorschriften:
UWG § 7 | |
UWG § 1 | |
UWG § 3 | |
PAngV § 1 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 92 |
Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 2 U 202/01
Verkündet am: 24.1.2002
In Sachen
wegen unerlaubten Wettbewerb
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 10.1.2002 unter Mitwirkung
des Vors. Richters am Oberlandesgericht Dr. Lütje, des Richters am Oberlandesgericht Holzer, des Richters am Oberlandesgericht Rzymann
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Verfügungsklägerin und die Anschlussberufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.9.2001 - 31 KfH 0136/01 - werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 35.000,00 €
Gründe:
I.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Brillen.
Die Verfügungsklägerin beanstandet die in dem Antrag in Originalgröße wiedergegebene Werbung der Verfügungsbeklagten mit einem altersabhängigen Rabatt für Brillengestelle bei gleichzeitigem Erwerb von Korrektionsgläsern.
Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, dass diese Werbung irreführend sei, da die Koppelung des Rabatts für die beworbene Fassung an den Erwerb von Korrektionsgläsern von dem Interessenten nicht hinreichend wahrgenommen werde. Darüber hinaus werde der Eindruck einer unzulässigen Sonderveranstaltung erweckt. Wegen der Höhe des erzielbaren Rabatts liege auch ein übertriebenes Anlocken vor.
Die Verfügungsklägerin hat beantragt für Recht zu erkennen:
Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit Transparenten, im Internet, in Anzeigen und auf sonstige Weise
a) damit zu werben, dass jeder Kunde einen Altersrabatt in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes pro Lebensjahr auf alle von ihr angebotenen Brillenfassungen erhält, wenn gleichzeitig Korrektionsgläser erworben werden müssen,
b) und die so angekündigten Rabatte zu gewähren, insbesondere, wenn die Ankündigung in folgender Form geschieht:
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
den Antrag der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Werbung für zulässig, da eine Irreführung des Kunden durch den erfolgten Sternchen-Hinweis ausgeschlossen sei.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 25.9.2001 dem Antrag der Verfügungsklägerin insoweit stattgegeben, als es der Verfügungsbeklagten untersagt hat damit zu werben, dass jeder Kunde einen Altersrabatt in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes pro Lebensjahr auf alle von ihr angebotenen Brillenfassungen erhält, wenn gleichzeitig Korrektionsgläser erworben werden müssen, wenn letztere Voraussetzung (Koppelung mit dem Erwerb von Korrektionsgläsern) nicht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Werbung mit Rabatten für Brillengestelle als solche weder gegen Grundsätze des Preisangabenrechts verstoße noch ein unzulässiges Anlocken im Sinne von § 1 UWG oder eine unzulässige Sonderveranstaltung darstelle. Zur Vermeidung einer Irreführung im Sinne von § 3 UWG sei jedoch ein deutlicher Hinweis darauf erforderlich, dass der Erhalt eines Rabatts auf die Brillenfassung nur bei gleichzeitigem Erwerb von Korrektionsgläsern gewährt werde.
Gegen dieses am 27.9.2001 zugestellte Urteil hat die Verfügungsklägerin am 18.10.2001 Berufung eingelegt und diese innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.
Sie ist der Auffassung, dass eine Irreführung im Sinne von § 3 UWG auch dann vorliege, wenn der angesprochene Interessent durch eine andere Gestaltung des Koppelungshinweises erkenne, dass der Rabatt auf die Fassungen nur bei gleichzeitigem Erwerb von Korrektionsgläsern gewährt werde. Der Interessent werde durch diese Werbung über die Preiswürdigkeit des Gesamtangebots getäuscht. Im Übrigen vertieft die Verfügungsklägerin ihre Ausführungen zu einem Verstoß gegen §§ 1, 7 UWG.
Die Verfügungsklägerin beantragt für Recht zu erkennen:
1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.9.2001 - 31 KfH O 136/01 - wird abgeändert.
2. Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit Transparenten, im Internet, in Anzeigen und auf sonstige Weise
a) damit zu werben, dass jeder Kunde einen Altersrabatt in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes pro Lebensjahr auf alle von ihr angebotenen Brillenfassungen erhält, wobei der gleichzeitige Erwerb von Korrektionsgläsern zur Bedingung für diese Rabattgewährung gemacht wird,
b) und die so angekündigten Rabatte zu gewähren, insbesondere, wenn die Ankündigung in folgender Form geschieht:
(es folgt die auf Seite 3a dieses Urteils wiedergegebene Abbildung)
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Verfügungsklägerin zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung,
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25. September 2001 - 31 KfH O 136/01 - aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass der Antrag der Antragstellerin und Berufungsklägerin insgesamt zurückgewiesen wird.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte hält die angegriffene Werbung unter keinem Gesichtspunkt für wettbewerbswidrig und verweist darauf, dass ein Sternchen-Zusatz im Geschäftsverkehr allgemein üblich sei und vom Kunden auch wahrgenommen werde, sodass weder ein Verstoß gegen § 1 noch § 3 UWG vorliege.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung und die Anschlussberufung sind zulässig, haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht ist mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass die angegriffene Werbung gegen § 3 UWG verstößt, sofern nicht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass der auf Brillengestelle angekündigte Rabatt nur bei gleichzeitigem Erwerb von Korrektionsgläsern gewährt wird.
Die hiergegen von den Parteien geltend gemachten Einwendungen rechtfertigen keine andere Entscheidung.
1.
Ein Verstoß gegen § 1 PAngV kann in der Anzeige nicht gesehen werden, da diese kein konkretes Vertragsangebot zum Erwerb einer Brille oder eines Brillengestells enthält, sondern allgemein Vorteile beim Erwerb einer Brille anpreist und somit als Werbung zu qualifizieren ist, die nur bei gleichzeitiger Nennung eines Kaufpreises dem Anwendungsbereich der Preisangabenverordnung unterfällt.
2.
Ebenso wenig kann in der Werbung die Ankündigung einer nach § 7 UWG unzulässigen Sonderveranstaltung gesehen werden. Hierfür wäre erforderlich, dass das Publikum den Eindruck einer Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs gewinnt, wobei es maßgeblich auf die jeweilige Branchenübung ankommt (vgl. Köhler/Piper, § 7 UWG Rn. 7). Dabei wird man nach Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung die Ankündigung bestimmter Preisvorteile oder Vergünstigungen nicht mit der Begründung unter § 7 UWG subsumieren können, dass derartige Werbemaßnahmen bisher branchenunüblich - da gesetzlich verboten - waren. Für die Beurteilung, ob der Eindruck einer Sonderveranstaltung erweckt wird, ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte ein wichtiges Indiz, ob die besonderen Vorteile zeitlich begrenzt angeboten werden (vgl. Köhler/Piper, § 7 UWG Rn. 22). Ein derartiger Hinweis ist in der angegriffenen Werbung jedoch nicht enthalten; auch wird durch die angegriffene Werbung nicht der Eindruck vermittelt, dass dieses Angebot nur für kurze Zeit gilt, sodass von einer unzulässigen Sonderveranstaltung nach § 7 UWG nicht ausgegangen werden kann.
Soweit die Verfügungsklägerin in der Berufungsbegründung eine Werbung der Verfügungsbeklagten beanstandet, wonach der für superleichte Rundstoffgläser gewährte Altersrabatt bis 30.11.2001 gültig ist, vermag dies der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Nach dem Antrag der Verfügungsklägerin soll die Werbung mit Altersrabatten unabhängig davon verboten werden, ob diese eine zeitliche Begrenzung beinhaltet, sodass die vorgelegte Werbung der Verfügungsbeklagten einen anderen Sachverhalt und damit anderen Streitgegenstand darstellt.
3.
Die von der Verfügungsklägerin beanstandete Werbung ist jedoch wegen Verstoßes gegen § 3 UWG unzulässig.
Das Landgericht hat zu Recht den Sternchen-Zusatz und den erläuternden Text, dass der Rabatt auf Brillengestelle nur in Verbindung mit dem Kauf von Korrektionsgläsern gewährt wird, bei der Beurteilung der Frage, welcher Eindruck durch die Werbung dem Interessenten vermittelt wird, unberücksichtigt gelassen.
Nach ständiger Rechtsprechung vermag der weitere Inhalt einer Anzeige die durch die Blickfangangabe erfolgte Irreführung nur auszuräumen, wenn dieser Hinweis am Blickfang teilhat. Dazu ist erforderlich, dass der Zusatz aufgrund der Druckart, der Größe und an der Stelle, wo sich der Hinweis befindet, dem Kunden auffällt. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der vorliegende Sternchen-Zusatz und der erläuternde Text nicht geeignet, den durch die Blickfangwerbung angekündigten, von weiteren Bedingungen nicht abhängigen Rabatt für Brillenfassungen richtigzustellen.
Der Sternchen-Hinweis und der erläuternde Text treten hinter die drucktechnisch deutlich hervorgehobene Werbeaussage "Bis zu 100 % Rabatt" zurück und werden aufgrund ihrer Platzierung im Anschluss an den bereits in kleinerer Schrift gehaltenen aber gegenüber dem Sternchen immer noch deutlich größerer Text "Je älter, desto besser. Pro Lebensjahr 1 % Rabatt." von einem flüchtigen Leser nicht wahrgenommen.
Der Sternchen-Zusatz ist daher nicht geeignet, den durch die Blickfangwerbung unzutreffenden Eindruck des an keine weiteren Bedingungen geknüpften Rabatts auf Brillenfassungen zu beseitigen.
Das Landgericht hat jedoch zu Recht einen Verstoß gegen § 3 UWG verneint, wenn ein unmissverständlicher Hinweis auf die Abhängigkeit der Rabattgewährung auf Brillengestelle vom gleichzeitigen Erwerb von Korrektionsgläsern erfolgt und hat insoweit den Unterlassungsantrag eingeschränkt.
Eine Irreführung der Kunden durch Vortäuschung eines preisgünstigen Gesamtangebots könnte nur dann angenommen werden, wenn trotz eines ausdrücklichen Hinweises auf diese Koppelung der Eindruck erweckt wird, der Rabatt werde auch für die Brille insgesamt einschließlich Gläser gewährt. Ein solcher Eindruck kann jedoch nicht entstehen, wenn die Bedingung - Erwerb von Korrektionsgläsern - für die Rabattgewährung auf Brillengestelle unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird.
Die fehlende Mitteilung des prozentualen Nachlasses in Bezug auf den Gesamtpreis der zu erwerbenden Brille erschwert zwar den Preisvergleich des Kunden, ist jedoch Folge der grundsätzlichen Kalkulationsfreiheit und führt nicht dazu, in der angekündigten Gewährung eines Rabatts für ein Produkt unter der Bedingung des gleichzeitigen Erwerbs einer dieses Produkt ergänzenden Ware eine irreführende Angabe im Sinne von § 3 UWG zu sehen.
Ein Schutz des Verbrauchers vor sog. Lockvogelwerbung erfolgt vielmehr unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen § 1 UWG wegen übertriebenen Anlockens.
Ein übertriebenes und damit wettbewerbswidriges Anlocken kann nur angenommen werden, wenn dem Kunden Vorteile angeboten werden, die ihrem Wert und ihrer Art nach geeignet sind, die Entschließungsfreiheit des Kunden in einem derartigen Maß unsachlich zu beeinflussen, dass er seine Entscheidung nicht mehr im Hinblick auf die Preiswürdigkeit und die Qualität der Ware, sondern im Hinblick auf den ihm gewährten oder in Aussicht gestellten Vorteil trifft. Hierfür ist Voraussetzung, dass das Angebot eine so starke Anziehungskraft auf den Umworbenen hat, dass er sich mit den Angeboten der Mitbewerber nicht befasst, sondern gleichsam magnetisch in das Geschäftslokal oder eine Verkaufsveranstaltung des Werbenden gezogen und damit in eine Situation gebracht wird, in der sich die Aussichten des Geschäftsabschlusses erhöhen (Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 90). Ob ein Anlocken als "übertrieben" zu werten ist, hängt von einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls ab, wobei Anlass, Zweck und Wert der Zuwendung sowie die Person des Zuwendenden und des Empfängers von Bedeutung sind.
Ausgehend hiervon kann vorliegend ein übertriebenes Anlocken jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn in der Werbung deutlich zum Ausdruck gebracht wird, dass der gewährte Preisnachlass auf Brillengestelle nur bei gleichzeitigem Erwerb von Brillengläsern gewährt wird.
Wie nahezu jeder Brillenträger weiß, liegt der Preis der Brillengläser in der Regel über dem Preis der Brillengestelle, sodass der angepriesene prozentuale Nachlass bezogen auf den Gesamtpreis der Brille - wie auch die Verfügungsbeklagte nichtbestreitet - durchschnittlich bei ca. 15 % liegt und damit keinen Vorteil darstellt, der als übertriebenes Anlocken zu qualifizieren wäre.
Zwar kommen ältere Menschen nach der beanstandeten Werbung in den Genuss eines höheren Rabatts für Brillenfassungen, doch führt dies in der Regel zu keinem nennenswerten höheren prozentualen Gesamtnachlass, da mitzunehmendem Alter und abnehmender Sehstärke der Preis für die Brillengläser deutlich ansteigt und der gewährte Nachlass für Brillengestelle in Bezug auf den Gesamtpreis sich relativiert. Diese Beziehungen sind dem Verbraucher auch bekannt, sodass von einer übertriebenen Anlockung nicht gesprochen werden kann, wenn auf die Koppelung der Rabattgewährung mit dem Erwerb von Brillengläsern deutlich hingewiesen wird.
Insgesamt erweisen sich die Berufung und die Anschlussberufung als unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 ZPO.
Im Hinblick auf das von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Interesse an einer uneingeschränkten Unterlassungsverpflichtung erscheint eine Kostenaufhebung - wie sie auch von dem Landgericht angenommen wurde - sachgerecht.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.