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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 26.05.2000
Aktenzeichen: 2 U 224/99
Rechtsgebiete: AGBG, BGB
Vorschriften:
AGBG § 9 | |
AGBG § 13 | |
BGB § 195 |
AGBG §§ 9, 13; BGB § 195
Gegen die Klage eines Verbands nach § 13 II AGBG kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, die angegriffene AGB-Klausel sei auch in seinem Namen genehmigt worden.
Eine Klausel in AGB für Werkverträge über Innenausbaumaßnahmen, die die Verjährung von Ansprüchen auf Ersatz von Mängelfolgeschäden auf sechs Monate, bei Bauwerken auf fünf Jahre verkürzt, ist nach § 9 AGBG unwirksam.
Urteil vom 26. Mai 2000 - 2 U 224/99
Geschäftsnummer: 2 U 224/99 20 O 202/99 LG Stuttgart
Oberlandesgericht Stuttgart
- 2. Zivilsenat
Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 26. Mai 2000
In Sachen
wegen AGB-Kontrollklage
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2000 unter Mitwirkung des Vors. Richters am Oberlandesgericht Dr. Lütje, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Müller und des Richters am Oberlandesgericht Oechsner
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 30.9.1999 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Beklagten: 5.000,00 DM.
TATBESTAND:
Die Klägerin, ein Verband i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, nimmt den Beklagten auf Unterlassung einer Klausel in dessen Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch; die streitgegenständliche Klausel ist wörtlich wiedergegeben im nachstehend abgedruckten erstinstanzlichen Unterlassungsantrag der Klägerin.
Der Beklagte, der ein Unternehmen für Innenausbau betreibt, verwendet die angegriffene Klausel (Muster: Vertragsangebot vom 11.01.1999 - Anl. K 1).
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die unter Ziff. 4 dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Verjährungsregelung für Mangelfolgeschäden verstoße gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG. Denn bei kundenfeindlichster Auslegung erfasse die Klausel auch Schadensersatzansprüche wegen Mangelfolgeschäden aus positiver Vertragsverletzung. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterfalle die Verjährung dieser Ansprüche jedoch § 195 BGB. Die in der Klausel vorgesehene kürzere Verjährungsfrist sei in diesen Fällen mit einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren.
Nach vergeblicher Abmahnung hat die Klägerin den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen mit folgendem Antrag:
1. Dem Beklagten wird untersagt, die nachstehende oder eine inhaltsgleiche Klausel in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Werkverträgen über Innenausbaumaßnahmen zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen, ausgenommen Verträge mit einem Unternehmer i.S. von § 24 Nr. 1 AGBG, mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder mit einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen:
Ansprüche auf Ersatz von Schäden, die nicht an dem Liefergegenstand oder dem Werk selbst entstanden sind (Mangelfolgeschäden) verjähren in sechs Monaten, bei Bauwerken in fünf Jahren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat dies damit begründet, ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG liege allein schon deshalb nicht vor, weil die 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB für entferntere Mangelfolgeschäden nicht auf gesetzlicher Regelung, sondern Richterrecht beruhe.
Im Übrigen benachteilige die Klausel seine Vertragspartner nicht unangemessen. Vielmehr sei es sachgerecht, die übermäßig lange Verjährungsfrist des § 195 BGB angemessen zu verkürzen, d.h. auf die in § 638 BGB für konkurrierende oder korrespondierende vertragliche Ansprüche vorgesehenen Verjährungsfristen von sechs Monaten bzw. fünf Jahren. Bestätigt werde dieses Ergebnis dadurch, dass im Kaufrecht Ansprüche aus PVV, gerichtet auf Ersatz von Mangelfolgeschäden, nach der Rechtsprechung des BGH ebenfalls nur der kurzen Verjährungsfrist des § 477 BGB unterlägen.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.
Die beanstandete Klausel weiche nämlich von einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und sei deshalb gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
Prüfungsmaßstab seien auch die von Rechtsprechung und Rechtsliteratur im Wege von Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung erarbeiteten Rechtssätze. Dazu gehöre auch die Unterscheidung zwischen nahen und entfernten Mangelfolgeschäden. Sie dienten in erster Linie dazu, auf entfernte Mangelfolgeschäden die als unangemessen kurz empfundenen Verjährungsfristen des § 638 BGB nicht anwenden zu müssen. Die streitgegenständliche Klausel ebne diese - im Interesse der Gerechtigkeit vorgenommene - Unterscheidung wieder ein und verstoße deshalb gegen deren wesentlichen Grundgedanken. Anerkennenswerte Interessen des Beklagten für die in der angegriffenen Klausel vorgenommene Verkürzung der Verjährungsfristen für entfernte Mangelfolgeschäden seien nicht erkennbar. Umgekehrt sei gerade im Bauhandwerk die Gefahr überdurchschnittlich groß, dass es erst nach Ablauf der Verjährungsfristen des § 638 BGB zu solchen entfernten Mangelfolgeschäden komme. Die auf die beanstandete Klausel gestützte Verjährungseinrede nehme den Vertragspartnern des Beklagten in diesen relativ häufigen Fällen aber die Möglichkeit, ihre Ersatzansprüche durchzusetzen, ohne dass dies der Beklagte auf andere Weise kompensiere. Sie sei deshalb nicht sachgerecht in den vom Beklagten abzuschließenden Bauhandwerkerverträgen. Der Hinweis des Beklagten auf die Zulässigkeit einer gleichlautenden Klausel im Kaufrecht gehe deshalb fehl; der Sachverhalt sei auch nicht mit demjenigen vergleichbar, der der von dem Beklagten zitierten Entscheidung OLG München, VersR 1996; 731 f. zugrunde gelegen habe. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt mit dem Ziel, doch noch Klagabweisung zu erreichen.
Zur Begründung lässt er vortragen:
Die von der Klägerin beanstandete Klausel sei Teil der (Muster-) "Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bundesverbandes des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks". Diese Bedingungen - einschließlich der angegriffenen Ziff. 4 - habe der Bundesverband einem Vorprüfungsverfahren unterzogen, innerhalb dessen die angehörte Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V. keine Bedenken gegen diese Klausel erhoben habe. Die Bedingungen seien dann im Jahre 1993 beim Bundeskartellamt angemeldet worden.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts laufe die streitgegenständliche Klausel nicht auf einen faktischen Gewährleistungsausschluss für sog. entfernte Mangelfolgeschäden hinaus. Das Landgericht verkenne die Bedeutung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Insbesondere bedeute die Bezeichnung entfernter Mangelfolgeschaden nicht, dass der Schaden typischerweise zeitlich entfernt, d.h. später als ein unmittelbarer Mangelfolgeschaden eintrete oder entstehe. Auch sei die Gefahr, dass entfernte Mangelfolgeschäden, also Schäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers erst nach Ablauf der Verjährungsfristen des § 638 BGB entstünden, entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht überdurchschnittlich groß. Zudem sei die Situation des Bestellers in diesen Fällen nicht anders zu beurteilen als bei Vorliegen eines "versteckten" Werkmangels, für den die Verjährungsregel des § 638 BGB gelte. Für den Beklagten sprächen zudem die Vergleichbarkeit mit der Situation des Käufers im Kaufrecht, aber auch die vom OLG München in der zitierten Entscheidung VersR 1996, 731 f. entwickelten Grundsätze; diese seien, entgegen der Auffassung des Landgerichts, auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Das Interesse des Beklagten an der Vereinheitlichung der Gewährleistungsfristen auf Basis der gesetzlichen Regelung des § 638 BGB folge daraus, dass er auf diesem Wege innerhalb der vom Gesetzgeber für angemessen erachteten Frist Klarheit darüber gewinnen könne, ob er mit der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen rechnen müsse.
Der Beklagte beantragt demgemäß,
das Urteil des Einzelrichters der 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
In der Sache verteidigt sie das Urteil des Landgerichts als richtig.
Der Vortrag des Beklagten zur - angeblichen - Historie der Klausel sei unbeachtlich.
Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dazu vorgelegten Anlagen verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.
Was der Beklagte mit seinem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der beanstandeten Klausel bezweckt, bleibt im Dunkeln. Sollte dieser Vortrag darauf hinauslaufen, dass die Klagebefugnis der Klägerin deshalb verwirkt ist, weil die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände gegen die inhaltsgleiche Musterklausel keine Bedenken erhoben hat, könnte dem nicht gefolgt werden.
Denn jedenfalls bei zivilprozessualen Leistungsklagen, denen ein materielles Recht zugrunde liegt, unterliegt die Befugnis zur Klage grundsätzlich nicht der Verwirkung. Dieser Grundsatz ist auf den hier von der Klägerin verfolgten Unterlassungsanspruch nach § 13 AGBG anwendbar. Denn nach heute nahezu einhelliger Ansicht ist dieser Anspruch materiell-rechtlicher Natur i.S. des § 94 Abs. 1 BGB (BGH NJW-RR 1990, 886, 887 m.w.N.; bestätigt in BGH NJW 1995, 1488).
Die in BGH NJW-RR 1990, 886 offen gebliebene Frage, ob das vorprozessuale Verhalten eines Verbandes eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs, einen Anspruchsverzicht oder die allgemeine Einrede des Rechtsmissbrauchsbegründen kann, hat der Bundesgerichtshof in seiner späteren Entscheidung ebenfalls verneint. Denn die nach § 13 Abs. 2 AGBG klagebefugten Verbände verfolgen nicht ihre eigenen individuellen Interessen, sondern Unterlassungsansprüche, die ihnen im öffentlichen Interesse zugewiesen sind. Deshalb steht den in § 13 Abs. 2 AGBG genannten Beteiligten im Verbandsprozess und dessen Vorfeld auch keine Befugnis zur Erteilung von Unbedenklichkeitstestaten zu (BGH NJW 1995, 1489; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 13 Rn. 81). Selbst wenn die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) die hier beanstandete Klausel auch "im Namen" der Klägerin genehmigt hätte, könnte der Beklagte dies im vorliegenden Verbandsprozess nicht einwenden. Ausdrücklich genehmigt hat die AgV die hier beanstandete Klausel allerdings schon nach dem Vortrag des Beklagten nicht. Vielmehr enthält das als Anl. B 2 zur Berufungsbegründung vorgelegte Schreiben der AgV vom 9.07.1993 nur Ausführungen zur Unwirksamkeit anderer Klauseln der Musterbedingungen. Aus der unterbliebenen Beanstandung der Klausel Ziff. 4 kann deshalb nicht geschlossen werden, dass die AgV diese für zulässig gehalten hat.
II. In der Sache bleibt es bei der Entscheidung des Landgerichts: Die beanstandete Klausel ist gemäß § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. Da der Beklagte diese Klausel im vorliegenden Rechtsstreit uneingeschränkt verteidigt und ihn die Klägerin vorprozessual vergeblich abgemahnt hatte, besteht zudem Wiederholungsgefahr. Die Klägerin kann deshalb den Beklagten erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch nehmen (§ 13 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG).
Dazu im Einzelnen:
1 .
Prüfungsmaßstab ist hier allein § 9 AGBG, nicht aber § 11 Nr. 10 f.. Denn § 11 Nr. 10 f. hat allein die in den §§ 477, 638 BGB bestimmten Fristen der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen zum Gegenstand. Soweit Schadensersatzansprüche wegen Mangelfolgeschäden - Grundlage: Positive Vertragsverletzung - der 30jährigen Verjährung des § 195 BGB unterliegen, ist die Vorschrift dagegen unanwendbar (Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 10 f. Rn. 7; UImer/Brandner/Hensen, AGBG - 8. Aufl. - § 11 Nr. 10 Rn. 78; Palandt-Heinrichs, 59. Aufl., § 11 AGBG Rn. 69 - die dort zitierte Entscheidung BGH WM 85, 202 sagt dazu allerdings nichts; OLG München VersR 1996, 731, 732).
2.
Zu Recht unterscheidet das Landgericht zwischen dem sog. Mangelschaden - erhaftet dem hergestellten Werk "unmittelbar" an - und dem sog. Mangelfolgeschaden, der zwar auch kausal durch einen Mangel bedingt ist, aber erst durch Hinzutritt eines weiteren Ereignisses und an weiteren Rechtsgütern eintritt. Letzterer ist grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln der positiven Vertragsverletzung zu behandeln; der entsprechende Ersatzanspruch unterliegt deshalb nicht der Verjährungsregelung des § 638 BGB, sondern der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB (BGHZ 98, 45, 46; 115, 32, 34; NJW-RR 1996, 1203, 1205 f.; Palandt/Sprau, vor § 633 Rn. 23 - dort als h.M. bezeichnet und auch mit Nachweisen zur Gegenmeinung). Zuzustimmen ist der Berufungsbegründung darin, dass die Abgrenzung zwischen reinen Mangelschäden und Mangelfolgeschäden nicht nach zeitlichen, sondern nach "lokalen" Kriterien zu treffen ist (so ausdrücklich BGHZ 115, 35). Doch hat das Landgericht dies nicht verkannt. Entgegen der Auffassung der Berufungsbegründung (dort II 3.) folgt anderes auch nicht aus der Formulierung des angegriffenen Urteils, wonach "Entfernte Mangelfolgeschäden ... deshalb zeitlich oft erst stark verzögert als entfernte Mangelfolgeschäden erkannt/typischerweise auch erst durch eine andauernde Nutzung des Liefergegenstandes bzw. Werkes ... unerwartet bzw. erst stark verzögert erkennbar ... werden" (Entscheidungsgründe S. 7 - 1. Abschn.). Denn damit ist nichts anderes umschrieben als der Grund für diese Unterscheidung zwischen Mangel und Mangelfolgeschäden im Werkvertragsrecht. Sie beruht nämlich auf der Erfahrung, dass gerade im Werkvertragsrecht nicht selten noch nach Ablauf der kurzen Verjährung Mangelfolgen auftreten, die in ihren Wirkungen unverhältnismäßig schwer sind. Dies kann insbesondere bei Unfällen oder sonstigen ein fremdes Rechtsgut schädigenden Ereignissen der Fall sein, die zwar auf Mängeln an Bauwerken, beweglichen Sachen oder unkörperlichen Werken beruhen, die der Gesetzgeber aber bei seinen Erwägungen zu den §§ 635, 638 BGB nicht vor Augen hatte. Solche Folgen dürfen bei zweckgerechter Auslegung dieser Bestimmung nicht unter deren Anwendungsbereich gebracht werden (BGH NJW-RR 1996, 1206 - li. Sp. oben mit zahlreichen Nachweisen auf die ständige BGH-Rspr.). Das Argument, dass damit der Besteller mit seinen von der Schadensursache weiter entfernten Schäden besser fahre als mit den dichter angesiedelten, ist nicht stichhaltig. Denn es geht bei den Schäden des Bestellers an Gesundheit und Eigentum, wie sie bei dieser Differenzierung im Vordergrund stehen, um die "Substanz" der Rechtsgüter des Bestellers; im öffentlichen Recht würde man hier von "grundrechtsrelevanten" Eingriffen sprechen. Die Enttäuschung seiner vertraglichen Erwartungen mag man nur in den - schließlich vom Gesetz vorgegebenen - Fristen des § 638 BGB für relevant halten; hier geht es für den Besteller aber um mehr. Freilich werden der Anspruchsgrundlage der positiven Vertragsverletzung auch wenige substanzielle Schäden des Bestellers unterworfen, so namentlich jene aus nachteiligen Dispositionen aufgrund fehlerhafter Gutachten. Doch würde die uneingeschränkte Anwendung des § 638 BGB hier weithin praktisch zu einer Haftungsfreistellung führen (Staudinger-Peters, BGB, 13. Aufl. - 1994 - § 638 Rn. 16 - 2 -).
3. Durch die Abbedingung der dargestellten Grundsätze in AGB wird der Besteller entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Denn sie nimmt ihm den Rechtsgüterschutz, welchen die dargestellte Differenzierung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschaden bezweckt. Sie verstößt damit gegen den wesentlichen Grundgedanken dieser Unterscheidung. Dazu im Einzelnen:
a) Ausgangspunkt für die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG bilden die Vorschriften des dispositiven Rechts, die ohne die Klausel gelten würden (Palandt/Heinrichs, § 9 AGBG Rn. 7; ebenso für die dort entschiedene Frage der Angemessenheit einer Vergütungsregelung durch AGB: BGH NJW 1994, 1069, 1070). Das sind die hier soeben dargestellten Regeln über die Haftung des Auftragnehmers für sog. Mangelfolgeschäden.
b) Eine nach Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung setzt zudem voraus, dass die Abweichung vom dispositiven Recht Nachteile von einigem Gewicht begründet (OLG Hamm NJW 1981, 1049, 1050; Palandt/Heinrichs a.a.O.). Die abbedungenen Regeln des dispositiven Rechts dürfen deshalb nicht nur der Zweckmäßigkeit dienen, sondern einem sich aus der Natur der Sache ergebenden Gerechtigkeitsgebot (BGH NJW 1979, 1550, 1551; BGHZ 114, 238, 240 = NJW 1991, 1886). Der oben aufgezeigte Sinn und Zweck der Regeln über die Haftung des Auftragnehmers für sog. mittelbare Mangelfolgeschäden lässt nur die zweite Wertungsalternative zu.
c) Zur unangemessenen Benachteiligung wird eine Abweichung vom dispositiven Recht immer dann, wenn der Verwender mit der beanstandeten Klausel einseitig eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen sucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen (BGH NJW 1986, 424, 426 - dort als ständige Rechtsprechung bezeichnet; vgl. auch BGH NJW 1996, 988, 989). Dies verlangt eine Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen von Verwender und Vertragspartner im Wege einer generalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise (Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 Rn. 71 und 78); dies gilt erst recht für den Verbandsprozess (a.a.O. Rn. 79).
Auch diese Abwägung fällt hier zugunsten des Vertragspartners/Auftraggebers und damit zulasten des Verwenders der angegriffenen Klausel aus. Denn diese Klausel bevorzugt einseitig die Interessen des Verwenders an einer möglichst frühzeitigen Beendigung seiner Haftung und läuft damit dem Sinn der Regeln über die Haftung des Werkunternehmers für Mangelfolgeschäden zuwider, nämlich die insoweit als unangemessen kurz empfundenen Verjährungsfristen des § 638 BGB durch die 30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB zu ersetzen. Dies gilt hier umso mehr als die angegriffene Klausel ihrem - für den vorliegenden Verbandsprozess maßgeblichen - Wortlaut nach auch konkurrierende deliktische Ansprüche des Vertragspartners ausschließt. Entgegen der Auffassung der Berufungsbegründung besteht deshalb kein schützenswertes Interesse des Beklagten an einer Gewährleistungsfrist auf Basis der gesetzlichen Regelung des § 638 BGB. Denn dieses Interesse ist nur im Anwendungsbereich des § 638 BGB geschützt.
Die in der Berufungsverhandlung vor dem Senat angesprochene Möglichkeit für den Beklagten/Verwender, sich gegen die finanziellen Folgen einer Inanspruchnahme wegen Mangelfolgeschäden zu versichern, ist nicht nur unstreitig gegeben (vgl. ergänzend: Erman/Seiler, BGB, 9. Aufl., § 635 Rn. 19: Danach umfasst der Versicherungsschutz des Werkunternehmers aus seiner Betriebshaftpflichtversicherung auch Folgeschäden aus PVV), sondern beeinflusst die hier zu treffende Entscheidung ebenfalls und zusätzlich zulasten des Beklagten. Denn damit entfällt für ihn die Möglichkeit, sich auf die - ohne Versicherungsschutz unter Umständen existenzgefährdenden - Folgen einer über Jahrzehnte hinweg drohenden Haftung für verschuldete Mangelfolgeschäden zu berufen. Dass die Versicherbarkeit eines Risikos die Abwägungsentscheidung mit beeinflusst, hat der Bundesgerichtshof bereits in anderem Zusammenhang entschieden (BGHZ 114, 238, 246; vgl. außerdem: Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 AGBG Rn. 114 jeweils m.w.N.).
Vorteile, welche die in der angegriffenen Klausel vorgesehene Verkürzung der Verjährungsfrist kompensieren könnten, bieten diese und das zugehörige Regelwerk dem Vertragspartner des Verwenders nicht.
d) Der Senat ist sich bewusst, dass die hier vertretene Auffassung in Widerspruch steht zu ernst zu nehmenden Stimmen aus der Kommentar Literatur: Sowohl Wolf in Wolf/Horn/Lindacher als auch Palandt/Heinrichs sehen keinen Verstoß gegen § 9 AGBG, wenn die Verjährungsfristen für Mangelfolgeschäden im Werkvertrag durch eine entsprechende Klausel auf das gesetzliche Maß verkürzt werden (Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 11 Nr. 10 f. Rn. 12 und Palandt/Heinrichs, § 9 AGBG Rn. 135 jeweils ohne nähere Begründung). Dieser Auffassung kann aber aus den dargestellten Gründen nicht gefolgt werden.
Keinen unmittelbaren Widerspruch sieht der Senat dagegen zu der vom Beklagten zitierten Entscheidung des OLG München (VersR 1996, 731 f.). Zwar ist dieser Entscheidung zu entnehmen, es sei im Rahmen des § 9 AGBG unbedenklich, die Verjährungsfrist für konkurrierende oder korrespondierende vertragliche Ansprüche zu vereinheitlichen und die 6-monatige Verjährungsfrist des § 638 BGB auf Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung zu erstrecken (a.a.O., S. 732 - linke Spalte ganz unten). Trotz dieser allgemein gehaltenen Formulierung ist aber zweifelhaft, ob das OLG München tatsächlich damit einen allgemeinen Grundsatz aufstellen wollte. Der zur Stützung dieser Auffassung dort zitierte Kommentar von Ulmer/Brandner/Hensen lässt in seiner 8. Aufl. eine solche Verkürzung der Verjährungsfrist nur unter der Voraussetzung zu, dass der Schaden für den Kunden alsbald erkennbar ist, wie dies bei Geschäften des täglichen Lebens, z.B. bei Wartungs- und Maklerverträgen, der Fall ist (§ 11 Nr. 10 Rn. 82; ebenso: Erman/Hefermehl, § 11 Nr. 10 AGBG Rn. 44). Einen solchen Fall hatte das OLG München offensichtlich zu entscheiden. Dass der Schaden für den Kunden alsbald erkennbar ist, kann aber für die von der angegriffenen Klausel betroffenen Bauhandwerkerverträge nicht ohne weiteres angenommen werden (so zu Recht auch das Landgericht ab S. 7 der Entscheidungsgründe). Auch der Beklagte trägt nichts dergleichen vor.
e) Auch die schon aus erster Instanz bekannten Rechtsausführungen des Beklagten veranlassen keine davon abweichende Beurteilung:
aa) "Versteckte" Werkmängel mögen zwar häufig auch erst nach Ablauf der hierfür geltenden Verjährungsfristen des § 638 BGB erkannt werden. Betroffen ist in solchen Fällen aber nur das Interesse des Bestellers an einem mangelfreien Werk. Anders als bei den sog. Mangelfolgeschäden steht hier also nicht typischerweise der Schutz substanzieller Rechtsgüter des Bestellers/Dritter im Vordergrund.
bb) Die Parallele zum Kaufrecht lässt sich, entgegen der Auffassung des Beklagten, nicht ziehen. Ansprüche auf Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung eines Kaufvertrages unterliegen zwar ebenfalls nur der kurzen Verjährungsfrist des § 477 BGB (BGHZ 77, 215, 219; NJW 1980, 1950, 1951). Doch ist diese Diskrepanz hinzunehmen. Denn zwischen Verkäufer und Käufer besteht nicht immer jenes für den Werkvertrag typische Informationsgefälle. Der Verkäufer kennt zudem den Vertragsgegenstand weniger gut als der Werkunternehmer (Staudinger/Peters, § 638 BGB, Rn. 16).
III. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.
Bei der Bemessung des Streitwerts ist der Senat der Streitwertangabe in der Klageschrift gefolgt, welcher der Beklagte nicht widersprochen hat (vgl. im Übrigen § 12 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO). Dementsprechend hat der Senat die Beschwer festgesetzt (§ 546 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Ende der Entscheidung
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