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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 17.11.2000
Aktenzeichen: 2 U 74/00
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Leitsatz:

Irreführung durch kostenpflichtige Servicenummern

§ 3 UWG

Wer im Internet, in Zeitungsanzeigen oder Prospekten wirbt und dabei eine mit 0180-5 beginnende gebührenpflichtige Servicenummer der Deutschen Telekom angibt, ohne dabei deutlich darauf hinzuweisen, daß diese Nummer gebührenpflichtig ist und in welcher Höhe Gebühren pro Zeiteinheit entstehen, verstößt gegen § 3 UWG. Auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und vernünftige Durchschnittsleser dieser Werbung wird in aller Regel nicht wissen, daß ein Anruf unter eines solchen Nummer gebührenpflichtig ist.


OBERLANDESGERICHT STUTTGART - 2. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 74/00 7 KfHO 102/99 LG Stuttgart

In Sachen

verkündet am 17.11.2000

(Weber) Justizobersekretärin Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2000 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am Oberlandesgericht Dr. Lütje,

des Richters am Oberlandesgericht Prof. Dr. Fezer sowie

des Richters am Oberlandesgericht Oechsner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 24.03.2000 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten aus diesem Urteil: 30.000 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein eingetragener Verein i. S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, verlangt von der Beklagten, der Deutschen Tochtergesellschaft eines der weltweit führenden Anbieters von Computern und Druckern, die Unterlassung einer bestimmten Werbung.

In dieser mittels Internet, in Zeitungsanzeigen sowie in Prospekten verbreiteten Werbung gibt die Beklagte jeweils eine mit 0180-5 beginnende und gebührenpflichtige Service-Nummer der Deutschen Telekom an. Unter dieser Nummer können Verbraucher anrufen, wenn sie die von der Beklagten beworbenen Produkte bestellen oder weitere Angebote einholen wollen oder aber weitere Informationen benötigen (vgl. dementsprechenden Text auf den Internet-Seiten der Beklagten - K 2, Werbeanzeige in der FAZ vom 19.05.1999 - K 3 sowie Werbeprospekt der Beklagten - K 4). Ein Hinweis darauf, daß ein Anruf unter der angegebenen Service-Nummer gebührenpflichtig ist, fehlte dort ursprünglich ebenso wie eine Angabe über die Höhe des Entgelts je Zeiteinheit. Tatsächlich kann der Anrufer bei einer 0180-5-Nummer lediglich 30 Sekunden für eine Tarifeinheit (0,12 DM) telefonieren. Dieser Preis gilt rund um die Uhr und bundesweit für Anrufe aus dem Festnetz der Deutschen Telekom. Die Deregulierungsbehörde hat den anderen Festnetzbetreibern empfohlen, für die Nutzung einer solchen 0180-5-Service-Nummer ebenfalls nur 0,24 DM pro Minute zu berechnen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die beschriebene Art der Werbung sei irreführend. Denn die angegebene 0180-Nummer vor dem Bindestrich erwecke durch ihre Nähe zu den gebührenfreien 0130-Nummern bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise bereits die Vorstellung, man könne dort kostenlos anrufen. Jedenfalls aber rechne der Werbeadressat nicht damit, daß es sich um die teuerste aller von der Deutschen Telekom angebotenen 0180-Service-Nummern handele und das Entgelt hierfür um ein vielfaches über dem Tarif der Deutschen Telekom für Orts- und/oder Nahgespräche liege.

Mit derselben Begründung hatte die Klägerin die Beklagte schon im Wege der einstweiligen Verfügung erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Verfügungsverfahren ist durch Senatsurteil vom 19.11.1999 - 2 U 167/99 (OLGR Stuttgart 2000, 74) abgeschlossen worden.

Nachdem sich die Beklagte geweigert hatte, die von der Klägerin daraufhin geforderte Abschlußerklärung abzugeben, hat die Klägerin sie im jetzigen Hauptsacheverfahren auf Unterlassung und Erstattung ihrer vorgerichtlichen Abmahnkosten in Anspruch genommen mit folgenden Anträgen:

1. Die Beklagte wird unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verpflichtet, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der an Letztverbraucher gerichteten Werbung für das eigene Angebot unter Angabe einer gebührenpflichtigen Sondernummer mit der Vorwahl "0180-5" zu werben, wenn in der Werbung nicht sogleich deutlich darauf hingewiesen wird, daß diese Nummer gebührenpflichtig ist und in welcher Höhe Gebühren je Zeiteinheit entstehen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 315,65 DM zuzüglich 4 % Zinsen p.a. hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Antragsgemäß hat der Vorsitzende der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 26.01.2000 zur Unterlassung und Zahlung verurteilt.

Zur Begründung ihres dagegen gerichteten Einspruchs hat die Beklagte vortragen lassen, eine Aufklärungspflicht bestehe nicht. Denn die Kosten des Telefonats seien aus Sicht des Verbrauchers nebensächlich. Zu dem wisse das Publikum über die Gebührenpflicht von 0180-5-Nummern ohnehin Bescheid, zumal von dem Grundsatz auszugehen sei, daß Telefongespräche gebührenpflichtig seien.

Der Einspruch der Beklagten blieb erfolglos. Vielmehr hat das Landgericht in dem darauf ergangenen streitigen Urteil sein Versäumnisurteil vom 26.01.2000 aufrecht erhalten. Der Unterlassungsanspruch folge aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 3 UWG. Denn die Werbung der Beklagten sei deshalb irreführend, weil sie bei den angesprochenen Verbraucherkreisen entweder die Vorstellung erwecke, die Benutzung der genannten Telefonnummern sei gebührenfrei oder aber äußerst kostengünstig. Dies sei aber tatsächlich nicht der Fall. Begründet sei damit auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch (§§ 683, 670 BGB).

Mit ihrer Berufung will die Beklagte nach wie vor im Endergebnis Klagabweisung erreichen. Sie bestreitet, daß relevante Teile der angesprochenen Verkehrskreise den vom Landgericht skizzierten Fehlvorstellungen unterliegen könnten. Zudem sei rechtlich nicht mehr maßgeblich die Sicht des flüchtigen, unkritischen Verbrauchers, sondern diejenige des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (EuGH WRP 1998, 848, 850 - Gut Springenheide). Ein solcher Verbraucher könne aber nicht getäuscht werden, weil er erkenne, daß die beanstandenden Werbeaussagen keinerlei Information über die anfallenden Gebühren enthielten. Zudem habe das Landgericht den Anteil der über das Bestehen einer Gebührenpflicht als solche irregeführten Verbraucher nicht festgestellt. Schon nach alter Rechtssprechung müsse aber dieser Anteil in den Fällen, in denen wie hier die Irreführung lediglich auf einem unrichtigen Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruhe, höher liegen als bei 10 - 15 % der angesprochenen Verbraucher (BGB GRUR 1991, 852, 855 - Aquavit). Bei einer bedeutenden Anzahl der Verbraucher entstehe aber keine Fehlvorstellung hinsichtlich der Gebührenpflichtigkeit der angegebenen Service-Nummer. Ebenso wenig habe das Landgericht berücksichtigt, daß § 3 UWG lediglich ein Irreführungsverbot, nicht aber ein Informationsgebot enthalte. Ein Grund, weshalb die Beklagte über die durch Anwahl der angegebenen Telefonnummer ausgelösten Gebühren informieren müsse, sei nicht ersichtlich; erst recht bestehe keine undifferenzierte Informationsverpflichtung (ohne Rücksicht auf die angebotenen Produkte/die Werbemedien). Angesichts der Vielzahl der Anbieter auf dem deutschen Telefonmarkt sowie der unterschiedlichen Tarife für Anrufe aus dem Festnetz/einem Mobilfunknetz könne es eine Fülle von unterschiedlichen Tarifen geben; schließlich sei die Empfehlung der Deregulierungsbehörde für ein Entgelt von 0,24 DM pro Minute nicht bindend. Alle unterschiedlichen Tarife in ihrer Werbung aufzunehmen, sei für die Beklagte aber nicht zumutbar. Schließlich sei angesichts eines Verkaufspreises der angebotenen Geräte von 500 - 5.000 DM die Gebührenhöhe für den Verbraucher ohne Relevanz. Aus demselben Grund sei auch eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs hier nicht feststellbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Vorsitzenden 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 24.03.2000 sowie das vorangegangen Versäumnisurteil vom 26.01.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

In der Sache verteidigt sie das Urteil des Landgerichts als richtig. Auch der Hinweis der Beklagten auf das Verbraucherleitbild des EuGH ziehe nicht. Dies zeige § 2 Abs. 2 Ziff. 9 Fernabsatzgesetz. Die genannte Bestimmung basiere auf einer entsprechenden EU-Richtlinie und lege eine ausdrückliche Informationspflicht für Telekomunikationskosten fest, soweit diese Kosten über normale Gesprächstarife hinaus gingen. Dies zeige, daß gerade hier eine besondere Sensibilität und Schutzbedürftigkeit des Publikums unterstellt werde.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, die zitierte Bestimmung des Fernabsatzgesetzes sei hier nicht einschlägig. Denn sie sehe eine Informationspflicht nur über solche Kosten vor, "die dem Verbraucher durch die Nutzung der Fernkommunikationsmittel entstehen, sofern sie über die üblichen Grundtarife hinaus gehen, mit denen der Verbraucher rechnen muß." Ein Telefonanruf über die von der Beklagten angegebene Rufnummer verursache aber nur die Kosten, die nach dem üblichen Grundtarifen bei einem Anruf unter 0180-5-Nummer entstünden, nicht aber darüber hinausgehende Kosten. Soweit der Senat zu einer abweichenden Auslegung des Begriffs der "Grundtarife" gelangen sollte, werde beantragt, den Rechtsstreit dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Artikel 234 EGV vorzulegen.

Darüber hinaus vertritt die Beklagte (ebenfalls im Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 19.10.2000) die Auffassung, aufgrund ihres bisherigen Vortrags sei es dem Senat verwehrt, die Verkehrserwartung aufgrund eigener Sachkunde zu beurteilen. Entsprechendes folge aus der Entscheidung "Last-Minute-Reise" des BGH (WRP 2000, 92 f.). Es sei deshalb geboten, ein Meinungsforschungsgutachten darüber einzuholen, ob die umworbenen Kunden erwarten, über die Gebührenpflichtigkeit einer 0180-5-Nummer aufgeklärt zu werden.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien, wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die dazu vorgelegten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg. Vielmehr hat das Landgericht im angegriffenen Urteil sein vorangegangenes Versäumnisurteil zu Recht aufrechterhalten.

1. Was den jetzt im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch angeht, sieht der Senat keinen Grund, die Sache anders zu beurteilen als im vorangegangenen Verfügungsverfahren.

a) Für das Verbot der beanstandenden Werbung mit der 0180-5 Telefonnummer ohne den entsprechenden Hinweis auf Gebührenpflicht/Gebührenhöhe in Zeitungsanzeigen wie auch in Werbeprospekten spricht die offensichtliche Parallele zum Fall des OLG Frankfurt (NJWE WettbR 1997, 217 f.).

Hier wie dort ging es um

- eine Werbeanzeige in einem Print-Medium,

- in welcher der Werbende den Leser aufforderte, sich über eine drucktechnisch hervorgehobene 0180-5-Rufnummer über sein Angebot zu informieren (im Fall des OLG Frankfurt über zwei Fahrzeugmodelle des werbenden koreanischen Autoherstellers).

An der Bewertung dieser Werbung unter Herausstellung der gebührenpflichtigen Sondernummer 0180-5 als relevanter Irreführung im Sinne von § 3 UWG hatte offensichtlich auch der Bundesgerichtshof nichts zu beanstanden. Dies zeigt der am 11.12.1997 unter dem Aktenzeichen I ZR 132/97 ergangene Nichtannahmebeschluß (mitgeteilt von der auch dort klagenden Wettbewerbszentrale in WRP 1998, 338).

Entgegen der Auffassung der Beklagten läßt sich das genannte Urteil des OLG Frankfurt auch nicht als durch die aktuelle Rechtsprechung des EuGH (Gut Springenheide-WRP 1998, 884 f.) überholte Entscheidung werten.

Zwar faßt dort der EuGH seine bisherige Rechtsprechung zur Irreführungsgefahr dahingehend zusammen, er habe "auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abgestellt, ohne ein Sachverständigengutachten einzuholen oder eine Verbraucherbefragung in Auftrag zu geben" (Tz. 31) und legitimiert damit (jedenfalls für grenzüberschreitende Sachverhalte) eine normative Betrachtungsweise unter Zugrundelegung des Leitbildes eines vernünftigen Durchschnittsverbrauchers (Reese, WRP 1998, 1035, 1042). Das mag bedeuten, daß zu Gunsten einer Angleichung an diese Rechtsprechung die grundsätzliche Ausrichtung des Schutzes vor Irreführung im rein nationalen Bereich am (bislang maßgeblichen) Maßstab des flüchtigen und unkritischen Verbrauchers aufgegeben werden muß (vgl. in diesem Zusammenhang auch EuGH WRP 2000, 289, 292 - Tz 27 - "Lifting-Creme"). Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, bereits bei der Feststellung des Irreführungstatbestandes eine Interessenabwägung zwischen den Belangen des getäuschten Rezipienten und denjenigen der übrigen Werbeadressaten vorzunehmen (Kessler, WRP 1999, 146, 154; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage - 1999 - § 3 UWG, Rn. 27).

An der Beurteilung der Printwerbung der Beklagten als irreführend ändert sich deshalb aber nichts; die Notwendigkeit, dieses Ergebnis über eine Interessenabwägung zu Gunsten des vernünftigen Durchschnittslesers zu korrigieren, scheidet deshalb von vornherein aus. Denn auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnitts-Leser wird in aller Regel nicht wissen, daß ein Anruf bei der Beklagten unter der angegebenen 0180-5-Telefonnummer gebührenpflichtig ist. Gerade dieser informierte Leserkreis wird vielmehr, wegen der Ähnlichkeit zu den mit 0130 oder 0800 beginnenden sogenannten free-call-Nummern, aber auch im Hinblick auf die von der Beklagten blickfangmäßig herausgestellte Angabe ihrer 0180-5-Nummer sogar eher dieser Fehlvorstellung erliegen als ein flüchtiger oder gar unbedarfter Leser (vgl. die entsprechende Begründung des OLG Frankfurt, a. a. O., Seite 218 - li. Sp. oben, die offensichtlich ebenfalls auf den aufmerksamen ;,Anzeigenleser" abstellt und deshalb von ihrer Aktualität nichts verloren hat; vgl. ergänzend die in die gleiche Richtung zielende Begründung auf Seite 17 des einen vergleichbaren Fall betreffenden Urteils des OLG Karlsruhe vom 22.09.1999 - 6 U 71/99 - K 22 = OLGR Karlsruhe 2000, 76; auch dieses Urteil ist inzwischen rechtskräftig geworden - vgl. den von der Klägerin als Anlage K 23 vorgelegten Nichtannahmebeschluß des BGH).

Selbst wenn man der Beklagte eine Kenntnis des Lesers von der Gebührenpflicht als solcher einmal konzediert, wird auch ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsleser nicht wissen, daß die 0180-5 die kostspieligste unter den mit 0180 beginnenden Nummern ist. Allein diese Fehlvorstellung über die Gebührenhöhe (nicht also das Bestehen einer Gebührenpflicht überhaupt) bei den maßgeblichen Verkehrskreisen trägt die angefochtene Entscheidung. Deshalb bedarf es hier auch von vornherein keiner Auseinandersetzung mit dem Vorwurf der Berufungsbegründung, das Landgericht habe sich keine Gedanken über den Prozentsatz der Irregeführten (über das Bestehen einer Gebührenpflicht überhaupt) gemacht, zumal dieser höher liegen müsse als im Fall der Irreführung durch unrichtige Angaben (was grundsätzlich richtig ist; vgl. die zitierte Entscheidung BGH GRUR 1991, 852, 855-Aquavit).

Die Frage, ob hier überhaupt ein Fall des Verschweigens einer Tatsache vorliegt (und nicht eine positive Irreführung durch die bloße Angabe der Telefonnummer) kann dahinstehen. Denn in Fällen des Verschweigens ist der Werbende dann zur Aufklärung verpflichtet, wenn dieses Verschweigen, wie hier, geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irre zu führen (Baumbach/Hefermehl, § 3 UWG, Rn. 48; aus der neueren BGH-Rechtssprechung vgl. nur BGH WRP 1999, 839, 840 und 842, 843 Auslaufmodelle I und II).

Die Relevanz der Irreführung folgt schon daraus, daß (auch) aufgeklärte Leser der Werbung Fehlvorstellungen hinsichtlich der Gebührenhöhe unterliegen. Denn eine erwiesene Irreführung läßt meist den Rückschluß auf die wettbewerbsrechtliche Relevanz der irreführende Angabe zu, ohne daß es hierzu noch einer gesonderten Beweiserhebung bedarf (BGH GRUR 1991, 215, 1993, 920, 922 - Emilio Adani I und II - dort auch zu hier nicht einschlägigen - Ausnahmen; GRUR 19,91, 852, 855 - Aquavit; zusammenfassend: Baumbach-Hefermehl; § 3 UWG, Rn. 87). Im übrigen hat schon das OLG Frankfurt für den dort entschiedenen vergleichbaren Fall die Relevanz der Irreführung durch Angabe einer vermeintlich kostengünstigen Telefonnummer oder einer kostengünstigeren als angenommen zutreffend und ausführlich bejaht (a. a. O. Seite 218). Überzeugende Argumente gegenüber der Übertragbarkeit dieser Begründung auf den vorliegenden Sachverhalt enthält die Berufungsbegründung nicht. Die Relation zwischen der Gebührenhöhe und dem Verkaufspreis der angebotenen Geräte spricht hier ebenso wenig gegen die Relevanz wie im Fall des OLG Frankfurt (in dem es um die Werbung für noch teurere Produkte als die von der Beklagten angebotenen, nämlich um Autos ging). Damit steht gleichzeitig die Grundlage für die Aufklärungspflicht der Beklagten fest.

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch den Verhaltenskodex für Telefonmehrwertdienste der Freiwilligen Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste e. V. (wiedergegeben im Abmahnschreiben der Klägerin an die Beklagte vom 14.05.1999 - Seite 2 - vorgelegt als Anlage K 5). Darin wird vom Werbenden, der sich der sogenannten "Shared-Cost-Dienste 0180-X" bedient, ausdrücklich verlangt:

"Bei Shared-Cost-Diensten ist der Preis je Anruf / Minute entsprechend der Preisangabenverordnung (Betrag, Währung, Zeiteinheit) in der Werbung zu nennen."

Der zitierte Verhaltenskodex begründet die tatsächliche Vermutung dafür, daß Nutzer dieser Shared-Cost-Nummern auch tatsächlich entsprechend über die Gebührenhöhe informieren. Daß diese Erwartung in der Regel auch eingelöst wird, belegen die von der Klägerin vorgelegten Kopien von Werbeanzeigen (Anlagenkonvolut K 16 zum Schriftsatz des Klägervertreters an das Landgericht vom 13.09.1999). Eine solche Praxis deutet aber im allgemeinen auf eine entsprechende Verkehrserwartung hin (BGH WRP 1999, 840, 846 - Auslaufmodelle I und II).

Angesichts dessen kann der Auffassung der Beklagten nicht gefolgt werden, dem Senat sei es trotz Zugehörigkeit seiner Mitglieder zu den von ihrer Werbung angesprochenen Verkehrskreisen verwehrt, die Verkehrserwartung aus eigener Sachkunde zu beurteilen. Aus der von ihr zitierten BGH-Entscheidung "Last-Minute-Reise" (WRP 2000, 92) ergibt sich nichts anderes. Vielmehr unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von demjenigen der genannten BGH-Entscheidung dadurch, daß es dort um das Verkehrsverständnis eines Begriffes ging, welches offensichtlich von seiner wortlautgetreuen Interpretation abwich (a. a. O. Seite 93 - r. Sp. - unten).

Schutzwürdige Interessen, die gegen eine solche Hinweispflicht hier sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Weder die höheren Gebühren bei einem Anruf aus dem Mobilfunknetz begründen ein solches Interesse (vgl. demgegenüber nochmals OLG Frankfurt a. a. O., Seite 218) noch die von der Beklagten vorgetragenen Bedenken hinsichtlich Werbemitteln mit "langen Laufzeiten von mehreren Jahren". Denn allein dies kann kein Grund sein, die irreführende Werbung der Beklagten auf Dauer zuzulassen.

Auch die von der Beklagten geäußerten Bedenken hinsichtlich einer (möglichen) Gebührenvielfalt für den Fall des Anrufs aus verschiedenen Festnetzen vermag der Senat nicht zu teilen. Denn die vorliegende Entscheidung hat sich am Ist-Zustand zu orientieren. Dieser ist einmal dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei den 0180-Nummern um Service-Rufnummern handelt, die ausschließlich von der Deutschen Telekom angeboten werden. Zudem vermochte die Beklagte nicht darzutun, daß andere Festnetzbetreiber als die Deutsche Telekom bei Anwahl einer 01805-Nummer tatsächlich ein Entgelt verlangen, welches von der Empfehlung der Regulierungsbehörde abweicht. Damit wird von der Beklagten nicht mehr verlangt, als einen kurzen Hinweis auf das pro rata temporis rund um die Uhr und für alle Entfernungen in gleicher Höhe anfallende Entgelt für Anrufe aus den Festnetzen der Deutschen Telekom / anderer Festnetzbetreiber in ihre Werbung aufzunehmen. Dadurch wird sie offensichtlich weder überfordert noch besteht die von ihr gesehene Gefahr einer Überfrachtung ihrer Werbung mit Pflichthinweisen. Das Gegenteil belegt die von der Beklagten nach Erlaß der einstweiligen Verfügung geübte Praxis (Beispiel: K 26).

Da sich die Unterlassungspflicht der Beklagten hier schon aus § 3 UWG ergibt, kann offen bleiben, ob eine solche Pflicht auch aus § 2 Abs. 2 Ziff. 9 Fernabsatzgesetz hergeleitet werden kann (woran allerdings erhebliche Zweifel bestehen). Auf die Auslegung des dort gebrauchten Begriffs "Grundtarife" kommt es deshalb nicht an. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH nach Artikel 234 EGV sind hier schon aus diesem Grund nicht gegeben.

Entgegen der von der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß außerhalb des Anwendungsbereichs von § 2 Abs. 2 Ziff. 9 Fernabsatzgesetz auf die Angabe der Kosten eines Telefonanrufs verzichtet werden kann. Dem steht schon entgegen, daß die dem Fernabsatzgesetz zugrunde liegende Richtlinie 97/7 EG nur eine Mindestregelung enthält, welche den Mitgliedstaaten grundsätzlich einen weitergehenden Schutz der Verbraucher frei stellt (BGH WRP 2000, 722, 724 - Telefonwerbung VI -, u. H. a. Art. 14 FernabsatzRL). Über § 2 Abs. 2 Fernabsatzgesetz hinaus gehende Aufklärungspflichten bleiben deshalb vom genannten Gesetz unberührt (Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917, 921).

b) Dieselbe Begründung trägt auch das Verbot der Werbung der Beklagten im Internet. Überzeugende Argumente für eine vom Fall der gedruckten Werbung abweichende Beurteilung enthält der Beklagtenvortrag nicht. Es mag zwar sein, daß für das sogenannte "Runterladen" der dort u.a. beworbenen Shareware-Programme ebenfalls Telefongebühren anfallen (Klagerwiderung Seite 8 oben = Bl. 120). Damit läßt sich aber eine Irreführung über die Kostenpflicht eines Anrufs bei der dort angegebenen Hotline nicht ausschließen.

Aus den §§ 683, 670 BGB folgt der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch, gerichtet auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Abmahnkosten; der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dagegen wendet sich die Berufung nicht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Den Streitwert hat der Senat in Anlehnung an die als angemessen erscheinende Streitwertangabe in der Klageschrift auf 30.000 DM festgesetzt und sich dabei auch an der Streitwertfestsetzung für das vorangegangene Verfügungsverfahren (20.000 DM) orientiert. Gründe für eine Revisionszulassung bestehen nicht. Denn es geht hier um die Bewertung von Tatsachen anhand festgelegter Grundsätze in Rechtsprechung und Literatur. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat die Rechtssache deshalb nicht.

Ende der Entscheidung

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