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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 22.10.1999
Aktenzeichen: 2 U 86/99
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Leitsatz:

Synthetikdaunen- irreführende Warenbezeichnung

§ 3 UWG

Die Verwendung der Bezeichnung Synthetik-Daunen für ein Produkt, das zu 100 % aus Polyester besteht, ist irreführend i.S.v. § 3 UWG, weil es in seiner stofflichen Struktur der Watte ähnlich weder flaumig noch federleicht wie Daunen ist und deshalb nicht alle für den Verbraucher wesentlichen Eigenschaften des Naturprodukts besitzt. Außerdem verbindet der Verkehr mit dem Wort Daune eine reine Natürlichkeit, so daß für nicht unerhebliche Teile des Verkehrs mit dem Ausdruck Synthetik-Daunen die Vorstellung synthetisch behandelter Naturdaunen nicht fernliegend sein wird, was der Senat auf Grund eigener Sachkunde feststellen kann. Ein nach § 13 II Nr. 32 UWG klagbefugter Verband handelt nicht mißbräuchlich, wenn er wegen vergleichbarer Wettbewerbsverstöße nur gegen Nichtmitglieder gerichtlich vorgeht.


Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 86/99 2 KfH O 32/99 LG Ulm

In Sachen

Verkündet am: 22. Oktober 1999

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Skarjak) Justizangestellte

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 1.10.1999 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am Oberlandesgericht Dr. Lütje,

des Richters am Oberlandesgericht Prof. Dr. Fezer und

des Richters am Oberlandesgericht Holzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm vom 23. März 1999 geändert.

2. Über die im Anerkenntnisurteil vom 23. März 1999 ausgesprochene Teilverurteilung hinaus wird die Beklagte verurteilt, unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,-- ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung es zu unterlassen, in der Werbung für Bettwaren die Bezeichnung "Synthetik-Daune(n)" zu verwenden.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch unwiderrufliche, unbefristete, unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Bank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: 120.000,00 DM.

Tatbestand:

Der Kläger, Fachverband der Deutschen Daunen- und Federnindustrie, macht einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte wegen deren Verwendung des Begriffes "Synthetik-Daune(n)" geltend.

Der Kläger, welcher seit 1915 besteht, hat seit 1949 zur satzungsgemäßen Aufgabe auch die Förderung der gewerblichen Interessen im Sinne des § 13 UWG (K 2 = Bl. 86). Auf der Mitte Januar 1999 in Frankfurt/Main abgehaltenen Heimtextilien-Messe war die Beklagte mit einem 1 m x 0,5 m großen Werbeplakat mit folgendem Inhalt in Erscheinung getreten:

ms Synthetik-Daunen (c)

... mehr als Faserbällchen

San-Vital (R) CLEAN Kissen Kassettendecke

Großserien lose Synthetik-Daunen

Das Naturprodukt Daune stellt als kielfreies Gebilde das wertvollste und teuerste Gefieder des Wassergeflügels dar (vgl. Bl. 29, ziff. 4.2.3). Die von der Beklagten hergestellte und vertriebene Bettwarenfüllung besteht aus 3-dimensional gekreuselten Hochbauschpolyester-Hohlfasern (Bl. 35).

Der Kläger hält sich für klagebefugt, schon als Fachverband, dessen Klagerecht noch nie angezweifelt worden sei, jedenfalls im Hinblick darauf, daß ca. 30 Unternehmen der Branche mit einem Anteil von 80 % am Gesamtumsatz der Daunen- und Federnindustrie angehörten. Der Sache nach sieht er in der Verwendung der beanstandeten Bezeichnung "Synthetik-Daune(n)" eine Irreführung des angesprochenen Verkehrs, da "bei der beanstandeten Werbung... möglicherweise ein erheblicher Teil des Publikums nicht daran (glaubt), daß es sich um eine echte Daune handelt. Durch die Verwendung dieses Begriffes wird aber das Publikum in der Weise irregeführt, daß es annimmt, die Beschaffenheit dieses Produktes sei so ähnlich, daß es fast alle Eigenschaften des Naturprodukts Daune habe" (Bl. 5).

Der Kläger hat u.a. beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in der Werbung für Bettwaren die Bezeichnung "Synthetik-Daunen" zu verwenden und der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat schon die Klagebefugnis der Gegenseite in Abrede gestellt und die entsprechenden Angaben bestritten, Der Sache nach hat sie in der Verwendung des Zusatzes "Synthetik" einen ausreichenden Hinweis an das Publikum gesehen, daß es sich hier nicht um ein Naturprodukt, sondern um einen künstlich erzeugten, gleichwohl hochwertigen Stoff handle, der sich in seiner Weichheit, Feinheit, Füllkraft und seinem Wärmeschutz nicht von mit Daunen gefüllten Bettwaren unterscheide. Der Hinweis sei auch geboten, da etliche Verbraucher wegen des bei Naturdaunen durchgeführten Rupfverfahrens am lebendigen Leibe von Tieren vom solchermaßen gewonnenen Produkt bewußt Abstand nähmen.

Der zudem verfolgte Unterlassungsanspruch wegen der Verwendung des (c)Zeichens hat durch Teil-Anerkenntnisurteil seine endgültige Verbescheidung gefunden.

Das Landgericht hat bezüglich des Berufungsgegenstand gewordenen "Synthetik-Daunen)"-Vermerks die Klage abgewiesen, da der Kläger die Voraussetzungen für sein Klagerecht nicht ausreichend dargetan habe; im übrigen sei das Begehren unbegründet, da nach Klagevortrag und auch Augenschein nichts gegen die Gleichwertigkeitsberühmung der Beklagten vorgebracht sei.

Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, der unter vertiefender Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens hinsichtlich der Tatsachen seiner Klagebefugnis ergänzend Beweis antritt, der Sache nach daran festhält, daß die Beklagte mit der gerügten Bezeichnung sich unberechtigt an die Qualitätserwartungen, welche der Verkehr mit der Naturdaune verbinde, anhänge und so das Publikum irreführe.

Der Kläger beantragt,

über die im Anerkenntnisurteil vom 23. März 1999 ausgesprochene Teilverurteilung hinaus die Beklagte zu verurteilen, unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,- ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung,

es zu unterlassen, in der Werbung für Bettwaren die Bezeichnung "Synthetik-Daune(n)" zu verwenden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig und hält weiterhin daran fest, daß dem Kläger die Klagebefugnis abgehe, da er angesichts eines nur geringen Mitgliederbestandes nicht die betroffenen Marktteilnehmer repräsentierte.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme einer Probe der Kunststofffüllung, die sonst am Markt als Bettwarenfüllmasse angeboten wird, der des von der Beklagten vertriebenen Materials und einer Probe Naturdaunen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig, der Sache nach auch von Erfolg.

1.

Der Kläger ist klagebefugt.

a) Zwar hat der BGH den Begriff "desselben Marktes" im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG weit ausgelegt und ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis genügen lassen (BGH WRP 98, 181 = NJW 98, 818, 819 - Warentest für Arzneimittel; vgl. ferner WRP 99, 918, 919 - Hypotonietee) und so bei Streit um Rheumamittel die Mitgliederstellung von Herstellern und Vertreibern von pharmazeutischen Präparaten schlechthin als Klagebefugnis begründend angesehen (BGH WRP 98,177, 178 - Fachliche Empfehlung III). Diese Ausweitung der Marktgrenzen geschah, um Verbänden eine Verfahrensteilhabe zu erleichtern. Dieser Marktbegriff kann aber nicht herangezogen werden, um dem Verband den Verfahrenszutritt zu erschweren. So hat denn auch der BGH bei der Bestimmung der "erheblichen Zahl" beim Streit um Naturheilmittel nicht das Gesamtgebiet der Vertreiber und Hersteller von pharmazeutischen und kosmetischen Mitteln herangezogen, sondern die Zahl der allein im Pharmabereich tätigen Mitglieder, auf den es im Streitfall maßgeblich ankam, ausreichen lassen (BGH NJW 98, 1796 - Naturheilmittel m.w.N.).

b) Danach bilden vorliegend nicht alle Teilnehmer am Markt Bettwaren schlechthin, also die Hersteller und Vertreiber von Naturmaterialien und von künstlicher Ware, Textilreinigung und gar die gesamte Heimtextilbranche, die Referenzgröße, sondern nur die Teilnehmer an dem Markt, auf den es im Streitfall ankommt. Dies ist der Markt der Vertreiber von Bettfüllmaterialien. Daß der Kläger insofern die Teilnehmer dieses relevanten Marktes repräsentiert, ergibt sich aus seinem unbestrittenen Zahlenmaterial und wird - läßt man diesen Marktausschnitt gelten - von der Beklagten auch selbst nicht in Abrede gestellt.

2.

Die vom Kläger befürchtete Irreführung besteht.

a) Irreführung durch Nichtbeachtung gesetzlicher Vorschriften (vgl. hierzu Piper in Köhler/Piper, UWG, § 3, 153; Lindacher in GK/UWG [1992], § 3, 488) ist allerdings weder ersichtlich noch aufgezeigt.

b) Auch soweit der Kläger auf die Prüfbestimmungen Federn und Daunen RAL-RG 092 (Bl. 24 - 30) und Güte- und Bezeichnungsvorschriften Bettfedern und Daunen RAL 092 A 2 (Bl. 31/34) abstellt, drücken sich darin nur eigengesetzte Regeln der entsprechenden Wirtschaftsverbände unter Beteiligung anerkannter Prüfinstitute aus. Zwar mag solchen Maßstäben die Funktion ähnlich DIN-Regeln, die insoweit keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter sind (BGH NJW 98, 2814, 2815), als Ausdruck eines technischen Standards zukommen (vgl. auch Piper a.a.O. § 3, 159 m.N.). Die Nichteinhaltung solcher Gütezeichen kann im Einzelfall wettbewerbswidrig sein (Piper a.a.O. 159). Vorliegend werden aber nicht die dort niedergelegten technischen Standards verletzt; der Beklagte preist z. B. keine Natur-Daunen an, die den (Natur-)Daunenrichtlinien nicht gerecht würden. Den Verstoßbereich siedelt der Kläger selbst nicht bei rein prüftechnischen Fragen an, sondern in der Anlehnung an die Qualitätsvorstellungen und -standards einer Naturproduktgattung. Insoweit enthält zwar die RAL etwa in Ziff. 2.2 die Vorgabe, daß Zusätze aus Wortverbindungen mit Daune oder Flaum nicht zulässig seien (vgl. auch Ziff. 2.3.1). Hiermit verläßt die Güteregelung aber den Kern ihrer technischen Aufgabe und stellt einen Verhaltenskodex auf, der sinnvoll sein mag, der aber unmittelbar allenfalls Mitglieder zu binden vermag. Eine solche verbandsrechtliche Selbstbindung kann sich bei der Beklagten nicht entfalten, da sie seit Mai 1996 nicht mehr Mitglied des Klägers ist. Soweit die Verhaltensregel zugleich Richtschnur korrekter Warenpräsentation sein will, mag ihr eine gewisse Indizwirkung beizumessen sein bei der Beurteilung der Irreführung des Verkehrs über entsprechende Produktangaben. Die Empfehlungen geben aber insoweit nur wieder, was aus Sicht des Verbandes wünschenswert ist, verhalten sich aber letztlich nicht verläßlich zum Verständnis des Publikums. Dieses ist aber allein maßgeblich. Es festzustellen, ist im Verletzungsprozeß eigenständig dem Gericht zugewiesen.

c) Die Verwendung des reinen Begriffes "Daune" oder "Daunen" für ein Produkt aus "3-dimensional gekreuselte(n) Hochbauschpolyester-Hohlfasern", also "aus 100 % Polyester" (Bl. 35) ist irreführend. Dies stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Sie hält aber dagegen, daß vorliegend durch die Voranstellung des Zusatzes "Synthetik" dem angesprochenen Verkehr eine ausreichende Aufklärung geboten werde.

Dem kann für die zur Entscheidung stehende Sachverhaltsgestaltung jedoch nicht beigetreten werden.

aa) Es besteht ein berechtigtes Interesse der Verarbeiter von - hier - Naturprodukten, daß sich Substitutionswaren nicht irreführend an eingeführte Stoffbezeichnungen anlehnen und eine nicht selten gewachsene und berechtigte Wertschätzung auf sich überleiten; deshalb ist selbst bei qualitativ hochwertigen Substitutionsprodukten darauf zu achten, daß ein hinreichender Bezeichnungsabstand eingehalten wird (Lindacher a.a.O. § 3, 469). Andererseits ist nicht zu verkennen, daß die Hersteller von Ersatzstoffen ein höchst legitimes Interesse an Funktionsverdeutlichung haben und die sprachlichen Möglichkeiten zu bündiger Information zudem denkbar begrenzt sind. Auch das Bedürfnis an fairen Rahmenbedingungen für Markt-Newcomer spricht gegen eine vorschnelle Verbotsnormbejahung (Lindacher a.a.O. 470; vgl. auch BGH GRUR 72, 360, 361 - Kunststoffglas).

bb) Der gebotene Abstand wird in der Regel durch sog. denaturierende Zusätze hergestellt. Zur Verdeutlichung des Substitutionscharakters genügt im allgemeinen die Voranstellung des Wortes "Kunst" (Lindacher a.a.O. 472; Piper a.a.O. 152; Helm in Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 49, 147; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., § 3 UWG, 158). Dieser Zusatz wird, auch wenn das Ersatzprodukt noch nicht eingeführt ist, vom Verkehr grundsätzlich richtig verstanden- (Lindacher a.a.O. 472; Piper a.a.O. 152; Helm a.a.O. 147). Was für den Zusatz "Kunst" angeführt wurde, gilt auch und erst recht für die Beifügung "Kunststoff" (Lindacher a.a.O. 473). Nichts anderes gilt im Ansatz für den Zusatz "Synthetik" (Lindacher a.a.O. 474; Piper a.a.O. 152; Helm a.a.O. 148).

cc) Auch setzt das Publikum beim synthetischen Ergebnis nicht eine vollkommene Entsprechung im molekularen Aufbau und in der Struktur voraus. Der Verkehr nimmt den Begriff "Synthetik" verbreitet als Synonym für "kunststoffgleich" (Heim a.a.O. 148; Lindacher a.a.O. 480; vgl. zu synthetischem Motoröl HansOLG Hamburg WRP 89, 667 f). Mindestanforderung bleibt aber die Verwendbarkeit zu gleichem Zweck (BGH GRUR 72; 360, 362 [III] - Kunstglas; Lindacher a.a.O. 480; Helm a.a.O. 148), daß es dem Originalprodukt vergleichbar oder ähnlich ist (Piper a.a.O. 152), daß das Substitut alle für den Verbraucher wesentlichen Eigenschaften des Naturproduktes besitzt (BGH GRUR 77, 729, 730 - Synthetik-Wildleder).

Soweit eine solche Erwartung enttäuscht wird, ist die Bezeichnung deshalb irreführend. Wird der Abstand des Kunstproduktes zum Naturstoff heruntergespielt, liegt eine Irreführung zudem nahe (Lindacher a.a.O. 480).

dd) Die Beweislast dafür, daß eine Angabe einer Ware geeignet ist, die betroffenen Verkehrskreise irrezuführen, trägt grundsätzlich die Klägerin (herrschend BGH WRP 97, 182, 183 - Aussehen mit Brille; 63, 270, 271 - Bärenfang).

ee) Dieser Nachweis ist vorliegend gelungen.

(1) Hinsichtlich der Verkehrsauffassung ist entgegen den Wertungen der Beklagten nicht nur auf das Verständnis von Fachkreisen abzustellen.

Zwar ist die Werbung, welche den Anstoß zum vorliegenden Verfahren gab, auf einer Fachmesse geschehen. Gleichwohl besteht auch auf dieser Tatsachengrundlage die naheliegende Gefahr, daß Fachhändler die ihnen von der Beklagten an die Hand gegebene Produktbeschreibung ihrerseits ungefiltert in der Werbung gegenüber dem Endverbraucher verwenden und sonach die beanstandete Werbeaussage der Beklagten zurechenbar unverändert an den Letztverbraucher durchreichen (vgl. etwa BGH GRUR 83, 256 - Sauerteig). Schon danach ist (auch) auf die Erwartung des breiten Publikums abzustellen. Zudem hat die Beklagte selbst vorgetragen, daß sie "im wesentlichen Wiederverkäufer" auf diese Weise bewerbe (Bl. 113). Danach schließt der eigene Vortrag der Beklagten ein, daß auch das Laienpublikum mit dieser Werbebotschaft erreicht wird. Sein Verständnis ist danach Maßstab.

(2) Allerdings ist der Verkehr seit Jahrzehnten nicht nur mit dem Begriff Kunststoff, sondern gerade auch mit den Bezeichnungen synthetisch und Synthetik vertraut und versteht letztere zum Teil als antithetisch zur Natur (Lindacher a.a.O. 480). Synthetisch ist in weiten Teilen zum Synonym für künstlich, nicht natürlich oder gar unnatürlich geworden (vgl. auch Wahrig, Deutsches Wörterbuch [1984], "synthetisch, 2."; Brockhaus, Enzyklopädie, 19. Aufl., "synthetisch 2."). Dies wird deutlich etwa in Begriffspaarungen wie Kunstblumen oder Synthetikpelz.

(3) Eine vergleichbare Verkehrsgewöhnung an künstliche Ersatzstoffe hat aber bei Daunen noch nicht stattgefunden. Der Verkehr verbindet verbreitet mit diesem Wort reine Natürlichkeit, die sich schwerlich mit einem Austauschstoff verträgt. Hier glaubt das Publikum an die weitere Prägung des Produktes durch den Naturstoff und wird den Zusatz "Synthetik" nicht zwingend als Verkehrung der Stofflichkeit, sondern in nicht unmaßgeblichen Teilen als (künstlichen) Zusatz zu einer fortbestehenden Naturgewachsenheit ansehen. So wird für nicht unbeachtliche Teile des Verkehrs eine Deutung der Angabe als synthetisch behandelte Naturdaunen nicht fernliegend sein, dies um so mehr als das Produkt in der Regel verhüllt, weil schon in Bettware verfüllt, angeboten wird und so eine ergänzende Klarstellung durch Besicht oder Befühlen entfällt.

Diese Wertung vermag der Senat aufgrund eigener Sachkunde zu treffen. Ein solches Vorgehen in der Beweisstation ist dem Gericht eröffnet, wenn es zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört und es sich um Angaben über Gegenstände des allgemeinen Bedarfs handelt (BGH WRP 97, 1062, 1063 = NJW 97, 3376, 3377 - Herstellergarantie). Sie ist dem Gericht nur dann verwehrt, wenn Umstände vorliegen, welche die Annahme des von ihm in Betracht gezogenen Verkehrsverständnisses als bedenklich erscheinen lassen (BGH GRUR 97, 721, 723 - Lifting-Creme; GRUR 61, 544, 545 - Hühnergegacker).

Daß Bettware zu dieser Warenart gehört, ist nicht fraglich. Diese vorangestellte eigene Bewertung hat der Senat in der mündlichen Verhandlung auch offengelegt. Die Beklagte vermochte hiergegen Durchgreifendes nicht aufzuzeigen.

Auch der Zusatz "ms" leistet zur Aufklärung nichts. Wer das Rubrum der Beklagten kennt und nach einer Erklärung dieses Kürzels sucht, mag zum Schluß gelangen, darin spiegelten sich die Anfangsbuchstaben des Namens des Geschäftsführers wider. Schon dieser Schluß ist - im Ergebnis allerdings zutreffende - Spekulation. Ohne diese Information gibt es keinen Anhalt für eine Bedeutung dieses Buchstabenpaares. Der Zusatz ist nichtssagend und wird vom Verkehr vernachlässigt.

(4) Ungeachtet dessen hat auch der Augenschein ergeben, daß das von der Beklagten vertriebene Kunstprodukt in wesentlichen Merkmalen nicht an den Naturstoff Daune heranreicht und damit in der in der Bezeichnung liegenden Gleichwertigkeitsberühmung nicht gerecht wird. Schon rein äußerlich weichen die in Beziehung gesetzten Stoffe nachhaltig voneinander ab. So veranschaulichten die drei von der Beklagten gestellten Proben, daß die Naturdaune flaumig, in ihrer Gestalt filigran verästelt und fast im Wortsinne federleicht, weil schwebend und leicht aufwirbelbar, ist. Demgegenüber ist das Beklagtenprodukt zwar nicht so kohärent und klumpig wie die gängige künstliche Bettwarenfüllmasse. Es ähnelt in seinem stofflichen Verbund der Watte. Ihm gehen aber die aufgezeigten Eigenschaften der Daunen alle ab. Das Beklagtenprodukt steht danach der verbreiteten Kunststofffüllung weit näher und bleibt im Erscheinungsbild weit hinter den Merkmalen der Daune zurück. Jedes Senatsmitglied hat auch unabhängig vom andern beim Befühlen der äußerlich identischen, von der Beklagten vorgelegten Bettwarenmuster sofort und zutreffend das mit dem Beklagtenmaterial verfüllte Bettzeug auszumachen vermocht. Zwar mag es hinsichtlich Wärmeschutz und Gewicht der Daune entsprechen. Es fühlt sich jedoch weit dichter, massiger an, ihm gehen die Leichtigkeit und Flüchtigkeit des Naturfüllstoffes beim Greifen ab. Schon dies veranschaulicht, daß eine Eigenschaftsähnlichkeit in vom Verkehr für wesentlich erachteten Merkmalen nicht gegeben ist und danach die behauptete Nähe zum Naturprodukt unzutreffend und damit irreführend ist.

3.

Die Irreführung ist auch relevant. Denn vielen ist am Erwerb des Naturstoffes gelegen, sei es in einer - gedachten - behandelten Form, sei es in einer Kunstform, die aber in den verkehrswesentlichen Eigenschaften Ähnlichkeit aufweist. Danach ist die unzutreffend geweckte Näheerwartung geeignet, den Kaufentschluß zu beeinflussen.

Die Geeignetheit zur wesentlichen Beeinträchtigung des Marktes ist ebenfalls zu bejahen. Die Beklagte veranschaulicht selbst, daß es auf diesem Sektor ernstzunehmende unterschiedliche Haltungen der Verbraucher gibt, etwa die, daß viele Naturdaunen wegen der als tierquälerisch empfundenen Gewinnungsart ablehnen, aber gleichwohl in den Genuß von deren Eigenschaften kommen wollen. Die beanstandete Werbung ist aber gerade geeignet, angesichts dieser Umstände zu nachhaltigen Verschiebungen im Kaufverhalten zu führen und zudem Nachahmungseffekte auszulösen.

4.

Das Vorgehen des Klägers ist auch nicht mißbräuchlich. Denn ein nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugter Verband handelt nicht mißbräuchlich, wenn er wegen vergleichbarer Wettbewerbsverstöße nur gegen Nichtmitglieder gerichtlich vorgeht (Senat OLG-Report 99, 344).

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 i.V.m. § 3 ZPO.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens kann sich an der eigenen Wertvorgabe in der Klage (200.000,-- DM) ausrichten. Das Landgericht hat Gründe für eine Abweichung von dieser Parteieinschätzung, der nun auch die Beklagte folgt, nicht aufgezeigt.

Der Gegenstandswert muß im Hinblick auf den Anerkenntnisteil aber geringer als die landgerichtliche Festsetzung (Bl. 41) sein. Diesem (ermäßigten) Betrag entspricht auch die Beschwer der Beklagten.

Ende der Entscheidung

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