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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 12.01.2001
Aktenzeichen: 2 W 4/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 7 I
UWG § 7 II
Sonderveranstaltung, Branchenüblichkeit, "Wintermode" als Sonderangebot?

Die Bezeichnung eines Warenangebotes als "Wintermode" kann nicht zur Einordnung als Sonderangebot i.S.d. § 7 II UWG führen.

Für das Merkmal der Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs i.S.d. § 7 I UWG ist primär auf die Üblichkeit in der Branche abzustellen; nur wenn insoweit eine Üblichkeit nicht feststellbar ist, ist auf das beim Werbenden übliche Geschäftsgebaren zurückzugreifen.

Es besteht keine Üblichkeit in der Bekleidungsbranche, in der Zeit vor und nach Weihnachten umfassend auf das Saisonsortiment sich erstreckende pauschale Preisreduzierungen vorzunehmen; üblich ist in diesen Zeiten allein die Reduzierung für Einzelteile oder Einzelstücke.

Die pauschale prozentuale Reduzierung von "Wintermode" kann unter Geltung des § 7 UWG nicht als wirtschaftlich sinnvolle Weiterentwicklung angesehen werden.


Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Zivilsenat - Beschluß

Geschäftsnummer: 2 W 4/01 3 KfH O 477/00 LG Heilbronn

vom 12. Januar 2001

In Sachen

wegen Wettbewerbsverstoßes

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am OLG Dr. Lütje,

des Richters am OLG Dr. Müller und

des Richters am OLG Holzer

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antragsgegnerin wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern,

untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) in der an Letztverbraucher gerichteten Werbung, insbesondere in Werbeanzeigen, für ihr Ladengeschäft in Heilbronn, Ecke Allee/Kilianstraße für den Verkauf von Waren des Sortiments außerhalb zulässiger Sonderveranstaltungen mit den Hinweisen:

"Wintermode für Damen, Herrn und Kinder stark reduziert 20,30, 40, 50 %"

zu werben, wie z.B. auf Seite 11 der "Heilbronner Stimme" vom 20.12.2000

und/oder

b) eine so angekündigte Verkaufsveranstaltung durchzuführen.

2. Die Antragsgegnerin ,hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 20.000,-- DM.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat unter Inanspruchnahme von Antragsbefugnis nach § 13 II Nr. 2 UWG beim LG Heilbronn beantragt, der Antragsgegnerin, die ein Bekleidungsgeschäft mit Hauptsitz in Böblingen und Filialen in Leonberg und Heilbronn betreibt, im Weg der einstweiligen Verfügung gem. §§ 7 I, 25 UWG die Ankündigung und Durchführung einer Sonderveranstaltung zu untersagen.

Für die Voraussetzungen des § 7 I UWG hat sie sich auf eine am 20.12.2000 in der "Heilbronner Stimme" erschienene Zeitungsanzeige gestützt, in der für "Wintermode für Damen, Herrn und Kinder" geworben wird mit dem großgedruckten Hinweis "STARK REDUZIERT" und Prozentzahlen 20, 30, 40, 50, die in einem etwa ein Drittel der Anzeige füllenden Feld abgedruckt sind; außerdem enthält die Anzeige den Abdruck "Kommen Sie, Profitieren Sie!" und "Am 23.12. ist der letzte lange Samstag bis 18.00 Uhr" (s. Fotokopie der Anzeige als Anlage zur Beschwerdeschrift).

Das Landgericht hat den Verfügungsantrag mit Beschluß vom 27.12.2000 zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 7 I UWG hier nicht erfüllt seien. Abgestellt ist dabei insbesondere darauf, daß es am Merkmal einer außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfindenden Verkaufsveranstaltung fehle. Der Werbung lasse sich nicht entnehmen, daß hier etwas angekündigt werde, was sich nicht im Rahmen des regelmäßigen Geschäftsverkehrs der Antragsgegnerin abspiele; insbesondere sei auch keine zeitliche Begrenzung vorgegeben. An einer Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs fehle es im Eindruck eines vernünftigen Betrachters um so mehr deshalb, weil die Interessenten wüßten, daß Ende Januar der eigentliche WSV noch komme und es in der Bekleidungsbranche inzwischen üblich geworden sei, in der Zeit nach Weihnachten, dieses Mal wegen milder Witterung auch schon vorher, die nur noch erschwert abzusetzende Winterware reduziert anzubieten. Die angegriffene Werbung in der Weihnachtszeit gehöre daher zum inzwischen branchenüblichen Geschäftsgebaren.

Mit der unmittelbar beim OLG eingelegten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin die Unterlassungsanträge weiter. Sie wiederholt ihre bereits vorgebrachten Standpunkte zu den Voraussetzungen des § 7 I UWG, bekräftigt das Stattfinden außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs, die Abweichung von der Branchenüblichkeit, die Erstreckung auf sämtliche Sortimentsbereiche und den Eindruck besonderer Zugriffsdringlichkeit.

Der in der Beschwerde gestellte Antrag, unter Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts die Verfügungsverbote zu erlassen, entspricht dem vorliegenden Beschlußtenor.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.

Ihre Einlegung unmittelbar beim OLG als dem Beschwerdegericht entspricht § 569 I Halbsatz 2 ZPO, da es sich um einen dringlichen Fall handelt. Aus diesem Grund muß auch eine Abhilfeentscheidung des Landgerichts nicht veranlaßt werden (allg.M.; vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 569 Rz 2).

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind die Voraussetzungen des § 7 I UWG nach dem von der Anzeige der Antragsgegnerin vermittelten maßgeblichen Gesamteindruck erfüllt, so daß die Ankündigung und Durchführung der somit unzulässigen Sonderveranstaltung antragsgemäß zu untersagen ist.

Die Anzeige kündigt eine Verkaufsveranstaltung an, die im Einzelhandel stattfindet, durch die Reduzierungen von 20 bis 50 % besondere Kaufvorteile bietet, der Beschleunigung des Warenabsatzes dient und außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfindet.

Aufgrund des zuletzt genannten Merkmals, im übrigen aber auch deshalb, weil mit dem generellen Bezug auf "Wintermode" nicht einzelne nach Güte oder Preis gekennzeichnete Waren angeboten werden, handelt es sich nicht lediglich um nach § 7 II zulässige Werbung für Sonderangebote, so daß der Tatbestand des § 7 I UWG nicht schon durch Abs. II versperrt ist (vgl. zum Verhältnis der Absätze I und II Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 7 Rz. 2 und 29 je mit Nachw. aus der Rspr.).

Der Senat sieht, anders als das Landgericht, das Merkmal der Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs hier als erfüllt an. Über dessen Vorliegen muß nach dem gesamten Erscheinungsbild der Veranstaltung entschieden werden, und ausschlaggebend ist dabei der Eindruck, den die Aktion nach ihrer Werbeankündigung, hier der Anzeige vom 20.12.2000, auf das Publikum macht. Da für dessen Eindruck die Branchenüblichkeit prägend wirkt, ist auch darauf abzustellen, ob es sich um einen in der Branche üblichen und als angemessen empfundenen Geschäftsverkehr handelt, nicht so sehr darauf, ob sich die Veranstaltung im Rahmen des von dem Veranstalter selbst üblicherweise gezeigten Geschäftsgebarens hält (BGH GRUR 1984, 664, 665 - Winterpreis). Nur wenn sich eine Branchenüblichkeit in der einen oder anderen Richtung nicht feststellen läßt, sind auch die Üblichkeiten im Geschäftsbetrieb des Veranstalters zu berücksichtigen.

Dies übertragen auf den vorliegenden Fall führt dazu, daß die Veranstaltung so, wie sie angekündigt wird, die Grenze des regelmäßigen Geschäftsverkehrs überschreitet und sich als eine Unterbrechung desselben darstellt. Die Anzeige erweckt den Eindruck, daß bei der Antragsgegnerin ungewöhnliche Besonderheiten in Preisgestaltung und Sortimentsbreite ("Wintermode für Damen, Herrn und Kinder") geboten werden, die einmalig sind und nicht so schnell wiederkehren. Dazu trägt insbesondere die blickfangartige Herausstellung der Prozentangaben bei, deren Druckgröße sich mit steigendem Prozentsatz steigert und in den besonders großen Zahlen 40 und 50 % gipfelt. Mit dieser Ankündigung genereller und prozentual erheblicher Preisreduzierungen rückt die Anzeige in die Nähe von Werbung, wie sie dem Publikum aus Abschnittschlußverkaufs-Werbung geläufig ist. Bei solcher Werbung ist das Publikum im Bekleidungsbereich daran gewöhnt, daß ohne Differenzierung nach Warengattungen für alle zum jeweiligen Saisonabschnitt passenden Kleidungsstücke mit undifferenzierten, prozentualen Herabsetzungen in verschiedenen Höhen geworben wird. Der Eindruck einer Sonderaktion außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs, die sich so schnell nicht wiederholt und von der deshalb beschleunigt Gebrauch gemacht werden soll, wird auch durch den Appell "Kommen Sie! Profitieren Sie" geschaffen, der noch durch den Hinweis auf den letzten langen Samstag vor Weihnachten verstärkt wird. Insgesamt entsteht dadurch der Eindruck, daß die Antragsgegnerin vor und nach Weihnachten, mithin in einer Zeit erhöhter Kaufbereitschaft, besondere Kaufvorteile quer durch das Saisonsortiment der Winterbekleidung bietet, und dafür zum Zwecke der Beschleunigung des Warenabsatzes ihren regelmäßigen Geschäftsverkehr unterbricht.

Eine solche Sonderaktion bewegt sich nicht mehr im Rahmen der Branchenüblichkeit. Auch dem Senat ist natürlich - sowohl aus eigener Marktbeobachtung als auch aus beruflicher Befassung mit ähnlicher Werbung - bekannt, daß in der Zeit um Weihnachten und vor dem WSV und auch beeinflußt durch die Witterungslage sich in der Bekleidungsbranche Reduzierungen einbürgern, die den Saisonschlußverkauf nicht abwarten. Entgegen der Ansicht des Landgerichts geht die Branchenüblichkeit dabei aber anders als die Antragsgegnerin nicht so weit, daß die Reduzierungen sich umfassend auf das Saisonsortiment erstrecken. Die Branchenübung besteht vielmehr darin, daß zumindest mit dem Hinweis auf "Einzelteile" oder "Einzelstücke" oder mit spezifizierten Sonderangeboten geworben wird (vgl. Senat, Urteil v. 31.07.1998 - 2 U 16/98), eine Übung, von der die Veranstaltung der Antragsgegnerin wegen ihrer schlußverkaufsähnlichen Aufmachung gerade deutlich abweicht.

Den Verbotsvoraussetzungen des § 7 I UWG ist die von der Antragsgegnerin angekündigte Verkaufsveranstaltung nicht dadurch enthoben, daß sich bei ihr etwa um eine vernünftige und billigenswerte Fortentwicklung des bisher branchenüblichen Geschäftsverkehrs handeln würde (vgl. dazu GRUR 1982, 56, 57 - Sommerpreise für Pelze; GRUR 1984, 664, 665 - Winterpreise). Die in diesem Zusammenhang anzustellende Abwägung zwischen wirtschaftlich sinnvollem und mißbräuchlichem Verhalten muß hier gegen die Ankündigung der Antragsgegnerin ausfallen, da mit ihr die nach wie vor geltende Abgrenzung des Gesetzes zwischen nach § 7 III UWG zulässigen Saisonabschnittsverkäufen und nach § 7 I UWG unzulässigen, außerhalb der in Abs. III vorgesehenen Perioden stattfindenden Sonderveranstaltungen gestört wird. Auch wenn die Veranstaltung der Antragsgegnerin bereits im Dezember angekündigt und durchgeführt und bis in den Januar hinein fortgeführt wird, ist sie insbesondere aufgrund der beschriebenen Art ihrer Ankündigung in der Anzeige doch geeignet, den Eindruck einer Vorverlagerung des Schlußverkaufs zu verschaffen (vgl. einerseits BGH GRUR 1983, 449 - Sonderangebote außerhalb der Karenzzeit, andererseits GRUR 1983, 184 - Eine Fülle von Sonderangeboten).

Da sonach die Voraussetzungen des § 7 I UWG erfüllt sind, ist sowohl die Ankündigung als auch die Durchführung der so angekündigten Veranstaltung zu untersagen.

Der Verfügungsgrund folgt aus § 25 UWG. Die Antragstellerin ist antragsbefugt nach § 13 II Nr. 2 UWG. Der beanstandete Verstoß ist geeignet, den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt wesentlich zu beeinträchtigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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