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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 06.09.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 109/2000
Rechtsgebiete: ZSEG, FAG, StPO, TKG


Vorschriften:

ZSEG § 17 a Abs. 4
FAG § 12
StPO § 98 a
TKG § 90
Der Zielsuchlauf im Rahmen eines Auskunftsersuchens nach § 12 FAG ist keine Rasterfahndung mit der Folge, dass Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen dafür eine Entschädigung weder in direkter noch in analoger Anwendung von § 17a Abs. 4 ZSEG zusteht.
Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 2 Ws 109/2000 2 AR 13/99 Jug. LG Ravensburg 41 Js 15339/99 Jug. StA Ravensburg 2 Ls AK 1127/99 AG Biberach

vom 06. September 2000

in dem Ermittlungsverfahren

wegen Bandendiebstahls.

hier: Entschädigung der F. M. M. GmbH.

Tenor:

Auf die Beschwerde der M. M. GmbH wird der Beschluss des Landgerichts Ravensburg vom 04. Februar 2000 dahingehend abgeändert, dass die Entschädigung für die anlässlich des staatsanwaltschaftlichen Auskunftsersuchens nach § 12 FAG vom 25. Mai 1999 erbrachten Leistungen (Rechnung Nr. 16107612 vom 21. August 1999) auf 58, 00 DM festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gemäß § 16 Abs. 5 Satz 1 ZSEG gebührenfrei.

Gründe:

I.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die M. M. GmbH gegen den Beschluss des Landgerichts Ravensburg vom 04. Februar 2000, worin ihr für die Erledigung eines Auskunftsersuchens nach Verbindungsdaten gemäß § 12 FAG eine Entschädigung nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 ZSEG versagt wurde.

In vorliegendem, wegen des Verdachts des Einbruchsdiebstahls geführten Strafverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Ravensburg die M. M. GmbH am 25. Mai 1999 "angewiesen, durch Auflistung der entsprechenden Anschlussteilnehmer nach Rufnummer und Name darüber Auskunft zu erteilen, von welchen Anschlüssen (einschließlich Mobilfunk) aus am 24. Mai 1999 in der Zeit von 0.00 Uhr und 2.30 Uhr" bei "T., P., Rufnummer:... angerufen wurde".

Für die Erledigung des Auskunftsersuchens stellte die M. M. GmbH der Staatsanwaltschaft Ravensburg 14.571,96 DM in Rechnung. Hiervon entfielen 57,96 DM auf zwei Arbeitsstunden (Versand), zwei Gebühren Faxübertragung und sieben Kopien. Die übrigen 14.514,00 DM verlangte die M. M. GmbH unter Bezugnahme auf § 17 a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 ZSEG für die Nutzung ihrer zur Erledigung des Auskunftsersuchens eingesetzten Datenverarbeitungsanlage. Die Zeit, in der die Zentraleinheit belegt gewesen sei (CPU-Sekunden), habe 4.838 Sekunden betragen. Diese sei mit dem in § 17 a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 ZSEG genannten Höchstbetrag von 3.00 DM pro CPU-Sekunde zu entschädigen. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die von ihr zur Anruferfeststellung entfaltete Tätigkeit einer Rasterfahndung zumindest entspreche.

Die Staatsanwaltschaft Ravensburg zahlte an die M. M. GmbH 57,96 DM aus und lehnte eine darüber hinausgehende Entschädigung ab.

Mit Schreiben vom 26. November 1999 beantragte die M. M. GmbH, als Zeugenentschädigung für die Erledigung des Auskunftsersuchens den Betrag von 14.571,96 DM festzusetzen.

Nach Anhörung des Bezirksrevisors setzte das nach § 16 Abs. 1 Satz 3 ZSEG zuständige Landgericht Ravensburg durch Beschluss vom 04. Februar 2000 die Entschädigung der M. M. GmbH für die anlässlich des staatsanwaltschaftlichen Auskunftsersuchens nach § 12 FAG vom 25. Mai 1999 erbrachten Leistungen auf 57,96 DM fest. Eine Entschädigung für den Rechneraufwand lehnte es ab.

Gegen diese Entscheidung hat die M. M. GmbH Beschwerde eingelegt.

II.

Die nach § 16 Abs. 2 ZSEG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Nach § 17 a Abs. 4 Satz 1 ZSEG wird die notwendige Benutzung einer eigenen Datenverarbeitungsanlage eines Dritten für Zwecke der Rasterfahndung entschädigt, wenn die Investitionssumme für die im Einzelfall benutzte Hardware und Software zusammen mehr als 20.000 DM beträgt. Gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 ZSEG wird bei Datenverarbeitungsanlagen mit einer Investitionssumme von über 50.000 DM für die Dauer außerhalb der Entwicklung eines für den Einzelfall erforderlichen besonderen Anwendungsprogramms eine den hierbei erforderlichen Personalaufwand einschließende Rechenpauschale in Höhe von einem Zehnmillionstel der Investitionssumme je Sekunde für die Zeit erstattet, in der die Zentraleinheit belegt ist (CPU-Sekunde); der Betrag je CPU-Sekunde ist auf 3,00 DM begrenzt.

2. Der in § 17 a Abs. 4 ZSEG verwendete Begriff der Rasterfahndung bestimmt sich nach § 98 a Abs. 1 Satz 1 StPO. Beide Vorschriften wurden eingefügt durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und andere Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl. I, 1302), das am 22. September 1992 in Kraft trat. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs 12/989 S. 50) wird die Änderung des § 17 a ZSEG als eine Folge der Regelung der Rasterfahndung bezeichnet. Danach erschien es angemessen, dass die Personen, die insoweit unter Benutzung ihrer eigenen oder einer fremden Datenverarbeitungsanlage die Strafverfolgungsbehörden unterstützen, unter bestimmten Voraussetzungen entschädigt werden.

Nach § 98 a Abs. 1 Satz 1 StPO ist die Rasterfahndung ein maschinellautomatisierter Datenabgleich zwischen bestimmten, auf den Täter vermutlich zutreffenden Prüfungsmerkmalen mit Daten, die aus anderen Gründen an anderen Stellen gespeichert sind.

3. Die Datenverarbeitungsanlage der Beschwerdeführerin wurde danach nicht "für Zwecke der Rasterfahndung" benutzt. Die Daten, die die Beschwerdeführerin aus ihren zu Zwecken der Entgeltabrechnung gespeicherten Verbindungsdaten heraussuchen sollte, waren nicht zum Abgleich mit Datenbeständen anderer Speicherstellen bestimmt. Die Voraussetzungen der Entschädigungsnorm des § 17 a Abs. 4 ZSEG sind somit tatbestandsmäßig nicht erfüllt (ebenso Landgericht Hildesheim, NJW 2000, 230; LG Heilbronn, Beschluss vom 16. September 1997 - 1 Qs 304/97 - nicht veröffentlicht; LG Stuttgart, Beschluss vom 05. November 1997 - 12 ARs 9/97- nicht veröffentlicht).

III.

1. Für eine analoge Anwendung des § 17 a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 ZSEG ist kein Raum. Die analoge Anwendung einer Vorschrift auf einen Tatbestand findet statt, wenn ein vom Gesetz nicht geregelter Tatbestand einem anderen, gesetzlich geregelten, so ähnlich ist, dass infolge ihrer Ähnlichkeit in den für die gesetzliche Bewertung maßgebenden Hinsichten beide Tatbestände gleich zu bewerten sind (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, Seite 381). Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass eine planwidrige Lücke entstehe, wenn nur ein Datenabgleich im Sinne von § 98 a StPO zur Entschädigung nach § 17 a Abs. 4 ZSEG führe, die unter Umständen gleich aufwendige Nutzung der Datenverarbeitungsanlage zur Erfüllung anderer Auskunftsersuchen aber nicht, ist unzutreffend. Die Lücke ist vom Gesetzgeber gewollt.

2. Wie bereits erwähnt, wurde § 17 a Abs. 4 durch das OrgKG vom 15. Juli 1992 in das ZSEG eingefügt. Bereits damals aber benutzten um Auskunftserteilung ersuchte Dritte in einer Vielzahl von Fällen für das Heraussuchen von Daten, für deren Aufbereitung oder Zusammenstellung Datenverarbeitungsanlagen, ohne dass deren Benutzung vergütet wurde. Lediglich für die an den Rechenanlagen eingesetzten Bediensteten konnte nach § 17 a Abs. 3 ZSEG Aufwendungsersatz verlangt werden. Gleichwohl hat der Gesetzgeber davon abgesehen, jegliche Benutzung einer Datenverarbeitungsanlage zu entschädigen, sondern hat dies ausdrücklich auf die Fälle begrenzt, in denen deren Einsatz für Zwecke der Rasterfahndung notwendig ist.

3. Eine Rasterfahndung ist nur unter eng begrenzten Voraussetzungen zulässig. Sie darf nur angeordnet werden zur Verfolgung bestimmter, in § 98 a Abs. 1 Satz 1 StPO enumerativ aufgezählter Straftaten, die für die organisierte Kriminalität typisch oder nach der Art ihrer Ausführung oder ihrer Auswirkungen besonders schwerwiegend sind. Nach § 98 b Abs. 1 Satz 1 StPO bedürfen sowohl der Abgleich der Daten als auch deren Übermittlung grundsätzlich einer richterlichen Anordnung. Der Gesetzgeber hat die Entschädigungsregelung des § 17 a Abs. 4 ZSEG im Bewusstsein des Ausnahmecharakters einer Rasterfahndung geschaffen. Auch dies verbietet es, ihren Anwendungsbereich über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auf weitere Fälle zur Auskunftserteilung benutzter Datenverarbeitungsanlagen auszudehnen.

4. Wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste anbietet, ist nach § 90 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) verpflichtet, Kundendateien zu führen, in die unter anderem die Rufnummern, die Namen und die Anschriften der Inhaber von Rufnummern einzutragen sind. Auskünfte aus den Kundendateien sind den Gerichten, den Staatsanwaltschaften, der Polizei, den Zollfahndungsämtern sowie den Verfassungsschutzbehörden jederzeit unentgeltlich zu erteilen, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist (§ 90 Abs. 3 TKG). Auch wenn sich der im vorliegenden Fall zur Ermittlung eines Anrufs durchgeführte Zieldurchlauf von einer bloßen Auskunft aus der Kundendatei der Beschwerdeführerin unterscheidet, so zeigt die Vorschrift des § 90 Abs. 3 TKG doch, dass die Betreiber von Fernmeldeanlagen den Ermittlungsbehörden gegenüber in einem besonderen Pflichtenverhältnis stehen (so auch Landgericht Hildesheim, NJW 2000, 230). Auch dieses besondere Pflichtenverhältnis spricht dagegen, den Anwendungsbereich des § 17 a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 ZSEG durch Analogie auf Fälle der vorliegenden Art zu erweitern. Dieses Ergebnis entspricht der Ansicht der Literatur, die ebenfalls davon ausgeht, dass § 17 a Abs. 4 ZSEG eng auszulegen ist (Hartmann, Kostengesetze, 29. Auflage 2000, § 17 a ZSEG Rdnr. 1; Meyer/Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, 20. Aufl. 1997, § 17 a ZSEG Rzn. 6.6.3).

5. Zu Recht hat das Landgericht Ravensburg Aufwendungen nur in Höhe von 57,96 DM als entschädigungsfähig angesehen, weshalb die Gesamtentschädigung unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 12 ZSEG auf 58,00 DM festzusetzen ist.

Ende der Entscheidung

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