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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 27.08.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 165/2001
Rechtsgebiete: StPO, GVG, RiStBV


Vorschriften:

StPO § 111 k
GVG § 17 a
RiStBV Nr. 75
1. Für die Entscheidung, ob Gegenstände, die in einem rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren beschlagnahmt worden waren, an den letzten Gewahrsamsinhaber oder einen anderen herauszugeben sind, ist nicht das Gericht, sondern die Staatsanwaltschaft zuständig.

2. Verweigert die Staatsanwaltschaft nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens die Herausgabe von Gegenständen, die in dem Strafverfahren beschlagnahmt worden waren, so kann gegen diese Entscheidung nicht das Strafgericht angerufen werden; hierfür steht die Herausgabeklage auf dem Zivilrechtsweg zur Verfügung.

3. Eine Verweisung von dem Strafgericht an das Zivilgericht entsprechend § 17 a GVG findet nicht statt.


Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummern: 2 Ws 165/2001

vom 27. August 2001

in der Strafsache gegen

wegen Geldwäsche

Tenor:

Die Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 5. Juni 2001, 5 KLs 212 Js 98482/97, wird als unbegründet verworfen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin ist vom Landgericht Stuttgart am 9. April 1999 unter anderem rechtskräftig verurteilt worden, weil sie für ihren ebenfalls inzwischen rechtskräftig verurteilten Sohn M Z in ihrer Wohnung Diebesgut verwahrte, das dieser durch Hehlereihandlungen erlangt hatte. Die Gegenstände sind anlässlich einer Durchsuchung am 25. Februar 1998 sichergestellt und durch Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 21. April 1998 beschlagnahmt worden.

Bei den beschlagnahmten Gegenständen befanden sich auch Briefmarkenalben, deren Herausgabe die Beschwerdeführerin nunmehr erreichen möchte. Einen entsprechenden Antrag hat das Landgericht Stuttgart zunächst an die Staatsanwaltschaft "zuständigkeitshalber" weitergeleitet. Diese hat den Antrag unter Berufung auf Nr. 75 Abs. 5 RiStBV abgelehnt und will die Alben als Fundsache verwerten. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin wiederum beim Landgericht Stuttgart beantragt, dieses möge die Beschlagnahme aufheben und die Herausgabe der Gegenstände anordnen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Anträge als unzulässig zurückgewiesen und sich für unzuständig erklärt.

II.

Die Beschwerde ist in jedem Fall zulässig, denn die Beschwerdeführerin wurde vom Landgericht entsprechend belehrt. In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg, weil das Landgericht zu Recht die Anträge der Beschwerdeführerin mangels Zuständigkeit als unzulässig zurückgewiesen hat.

1.

Soweit diese eine gerichtliche Aufhebung der Beschlagnahme erstrebt, fehlt es bereits an einem Bedürfnis für eine Entscheidung.

Nach ganz einhelliger Auffassung endet eine Beschlagnahme nämlich ohne Weiteres mit dem rechtskräftigen Abschluss des betreffenden Strafverfahrens, sofern nicht die Einziehung o. ä. angeordnet worden ist; eine förmliche Entscheidung ist somit überflüssig (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. A., § 98 Rn. 29 m.w.N).

2.

Auch für eine gerichtliche Herausgabeanordnung ist kein Raum.

Die Herausgabe früher beschlagnahmter Gegenstände als solche nach Verfahrensabschluss ist grundsätzlich Sache der Staatsanwaltschaft (a.a.O.). Dies gilt nach ganz allgemeiner Meinung jedenfalls dann, wenn die Rückgabe an den letzten Gewahrsamsinhaber erfolgt oder dieser mit einer anderen Verfahrensweise einverstanden ist.

In anderen Fällen wird zum Teil vertreten, es sei eine gerichtliche Entscheidung notwendig. Soweit nicht auf eine nähere Begründung verzichtet wird (vgl. OLG Koblenz GA 1984, 376; Nack in Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. A., § 111 k Rn 7; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 111 k Rn 9), wird darauf abgehoben, dass die Herausgabe eines zunächst beschlagnahmten Gegenstands an einen anderen als den letzten Gewahrsamsinhaber einen Eingriff in dessen Rechtspositionen darstelle und deshalb dem Richtervorbehalt unterworfen sein müsse (Löffler NJW 1991, 1705; Julius DRiZ 1984, 192). Speziell für den Fall des § 111 k StPO wird als zusätzliche Begründung die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift angeführt - bei den Beratungen sei nämlich von einem gerichtlichen Verfahren ausgegangen worden - (so Schäfer in Löwe-Rosenberg, StPO, 24. A., § 111 k Rn 19f) und argumentiert, bei einer Herausgabe an einen Dritten oder der Verwertung nach § 983 BGB könne nichts anderes gelten als bei der Anwendung des § 111 k StPO. Zum Teil wird auch die Parallele zu Einziehung und Verfall gezogen (Löffler a.a.O.).

Nach zutreffender, soweit erkennbar überwiegender Ansicht, der auch der BGH zuzuneigen scheint (BGH NStZ 1984, 409), ist für die Herausgabe - jedenfalls nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss - jedoch auch in diesen Fällen nicht das Gericht, sondern vielmehr die Staatsanwaltschaft zuständig. Die Vertreter dieser Meinung verweisen zunächst zum einen darauf, dass es keine gesetzliche Zuständigkeitsregelung für das Gericht gibt (Hohendorf NStZ 1986, 498; LG Berlin NStZ 1994, 400; Hoffmann/Knierim NStZ 2000, 461; LG Kaiserslautern wistra 95, 291). In der StPO ist der Fall gar nicht geregelt und auf RiStBV kann nicht zurückgegriffen werden, denn diese Verwaltungsvorschrift kann keine gerichtliche Zuständigkeit begründen. In der StPO sind andererseits aber die Zuständigkeiten für das Beschlagnahmeverfahren ansonsten detailliert geregelt, siehe §§ 98, 111 e, 111g usw. Wenn die StPO für den vorliegenden Fall schweigt, kann deshalb noch nicht auf eine Regelungslücke geschlossen werden (Gropp NStZ 1989, 337). Der Verweis auf den Eingriffscharakter einer Herausgabe der Asservate an andere als den letzten Gewahrsamsinhaber übersieht, dass es einen generellen Grundsatz nicht gibt, wonach im Strafprozess belastende Maßnahmen unter Richtervorbehalt stünden, vgl. etwa §§ 110, 456, 457 a StPO. Zudem hat die Herausgabeanordnung nicht grundsätzlich Eingriffscharakter. Wird - das dürfte der Normalfall sein - an den letzten Gewahrsamsinhaber zurückgegeben oder ist er mit einer anderweitigen Regelung einverstanden, liegt kein Eingriff vor. Das ist ja der Grund für die herrschende Meinung, in diesem Fall der Staatsanwaltschaft die Verfügung zu überlassen. Eine richterliche Zuständigkeit kann aber nicht davon abhängig gemacht werden, welche Verfügung die Staatsanwaltschaft treffen möchte, also gleichsam erst nach deren Entschließung entstehen. Eine Parallele zu Einziehung und Verfall lässt sich ebenfalls nicht ohne Weiteres ziehen, denn deren Wirkung geht wesentlich weiter als die bloße Besitzverschaffung, vgl. §§ 73 d, 74 e StGB. Desweiteren wird von den Befürwortern einer staatsanwaltlichen Zuständigkeit betont, dass die Staatsanwaltschaft nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss wieder Herrin des Verfahrens ist (Hohendorf a.a.O.; OLG Karlsruhe Justiz 1977, 356). Sie hat auch die tatsächliche Gewalt über die Asservate. Auch praktische Gründe sprechen für eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft. So wirft die Gegenmeinung die nächste Schwierigkeit auf, den sachlich - und örtlich - zuständigen Richter zu bestimmen (Löffler, a.a.O., will etwa in weiterer Analogie auf § 462 a StPO zurückgreifen).

3.

Die Anträge der Beschwerdeführerin gegenüber dem Landgericht Stuttgart könnten aber, sofern gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Rechtsweg vor die Strafgerichte vorgesehen wäre, in eine entsprechende Anfechtung umgedeutet werden.

Zum Teil wird die Ansicht vertreten, eine Verweigerung der Herausgabe von Asservaten durch die Staatsanwaltschaft könne analog § 98 Abs. 2 StPO auch nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss noch zur Überprüfung durch die Strafgerichte gestellt werden (Löffler a.a.O.; Hoffmann/Knierim a.a.O.). Es wird von einer Annexkompetenz zur Beschlagnahme gesprochen (Hoffmann/Knierim a.a.O.). Die wohl überwiegende Meinung hält jedoch den Zivilrechtsweg für gegeben (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 23 EGGVG Rn 15; OLG Düsseldorf NStZ 1990, 202; OLG Stuttgart NStZ 1989, 39; Kissel in Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. A., § 23 EGGVG Rn 57 a; HansOLG Hamburg MDR 1974, 510; OLG Oldenburg StV 1996, 534). Dem schließt der Senat sich an. § 98 Abs. 2 StPO ist weder unmittelbar einschlägig noch auf eine Situation nach Abschluss des Strafverfahrens entsprechend anwendbar. Die Strafgerichtsbarkeit ist auch nicht das Forum für die Entscheidung über den Besitz an Sachen, die in amtlichem Gewahrsam waren (Düsseldorf a.a.O.). Es handelt sich um ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis, wie es auch aus anderen Gründen entstehen kann, für das die §§ 688, 983 etc. BGB gelten, also zivilrechtliche Regeln. Der ebenfalls von einigen für anwendbar gehaltene Rechtsweg nach § 23 EGGVG (z. B. LG Hildesheim NStZ 1989, 336 - allerdings ohne nähere Begründung) ist demgegenüber subsidiär.

Somit hat das Landgericht seine Zuständigkeit zutreffend verneint.

III.

Eine Verweisung an die Zivilgerichte entsprechend § 17 a GVG kommt nicht in Betracht.

Es muss eine ordnungsgemäße Herausgabeklage erhoben werden (a. A. Krack JR 1996,259). Nach dem Wortlaut des § 17 a GVG ist eine Verweisung innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht vorgesehen. Gegen eine entsprechende Anwendung (vgl. Krack a.a.O.) spricht einerseits, dass bei der Neuregelung die zur alten Fassung bekannte ganz herrschende Meinung, wonach eine Verweisung innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht zulässig sei, den Gesetzgeber nicht zu einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung veranlasst hat (HansOLG Hamburg NStZ 1995, 252), andererseits, dass die Form- und sonstigen Zulässigkeitsvorschriften für eine Zivilklage bei einer bindenden Verweisung umgangen würden (OLG Hamm, Beschluss vom 4. August 1992, 1 VAs 44/92).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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