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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 06.03.2003
Aktenzeichen: 2 Ws 33/03
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 112 | |
StPO § 304 |
2 Ws 33/2003 14 Js 16759/01 StA Ulm
Oberlandesgericht Stuttgart
- 2. Strafsenat -
Beschluss
vom 06. März 2003
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Mordes.
Tenor:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftbefehl des Landgerichts Ulm vom 26. Februar 2003 (2 Ks 14 Js 16759/01) wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wurde durch nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Ulm - Schwurgerichtskammer - vom 21. Februar 2003 wegen versuchten Mordes zu der Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Im Anschluss an die Urteilsverkündung erging gegen den bis dahin auf freiem Fuß befindlichen Beschwerdeführer Haftbefehl. Gegen diesen Haftbefehl vom 21. Februar 2003 legte der Verteidiger Rechtsanwalt F. unter dem 25. Februar 2003 Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 26. Februar 2003 half die Strafkammer dieser Beschwerde nicht ab und fasste den Haftbefehl neu. Gegen diesen neu gefassten Haftbefehl vom 26. Februar 2003 richtet sich die von Verteidiger Rechtsanwalt H. am 03.03.2003 namens des Beschwerdeführers erhobene Beschwerde.
Die Strafkammer sah nach Durchführung der Hauptverhandlung am 19. und 21. Februar 2003 dringende Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer am 26. August 2002 gegen 21.30 Uhr dem Geschädigten (...) in Tötungsabsicht heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen beim Jugendhaus "Täles-Bahnhof" in Geislingen auflauerte, um sich für eine im Juni 2000 stattgefundene Auseinandersetzung mit (...) anlässlich eines Autokaufs zu rächen. Der Beschwerdeführer soll bewaffnet mit einem hölzernen Prügel in der Art eines Baseballschlägers für (...) nicht sichtbar an diesen herangetreten sein und den Holzprügel mit voller Wucht gegen Gesicht und Stirn des (...) geschlagen haben, wobei der Schlag derart heftig gewesen sein soll, dass der Holzprügel dabei zerbrach. (...) erlitt durch diesen Schlag einen mehrfachen Bruch der Stirnhöhlenvorderwand, wobei ein über dem Auge laufender Nerv endgültig zerstört wurde. (...) gelang es, im Anschluss an den Angriff zu fliehen, weshalb der Beschwerdeführer die zunächst aufgenommene Verfolgung aufgegeben haben soll.
II.
Über die seitens des Verteidigers Rechtsanwalt F. gegen den Haftbefehl vom 21. Februar 2003 eingelegte Beschwerde vom 25. Februar 2003 braucht der Senat aufgrund prozessualer Überholung nicht zu befinden, weil dieser Haftbefehl mittlerweile durch Beschluss der Strafkammer vom 26. Februar 2003 ersetzt wurde.
Die durch den Verteidiger H. eingelegte Beschwerde vom 03.03.2003 greift den Haftbefehl der Strafkammer vom 26. Februar 2003 mit dem Vortrag an, die Strafkammer habe zu Unrecht einen bedingten Tötungsvorsatz des Beschwerdeführers angenommen. Die Strafkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls liegen vor.
1. Gegen den Beschwerdeführer besteht der dringende Verdacht, (...) am Abend des 26. August 2002 in der vorbeschriebenen Art und Weise angegriffen zu haben.
Bei einer Haftentscheidung eines erkennenden Gerichts aufgrund einer vorangegangenen Hauptverhandlung ist die Nachprüfung durch das Beschwerdegericht darauf beschränkt, ob die Entscheidung auf die in der Hauptverhandlung gewonnenen wesentlichen Tatsachen gestützt ist und auf einer vertretbaren Bewertung des Beweisergebnisses beruht (BGH Strafverteidiger 1991, 525/OLG Karlsruhe Strafverteidiger 1997, 312). Da dem Senat die volle Kenntnis vom Ergebnis der Beweisaufnahme fehlt, kann der angefochtene Beschluss insoweit nur eingeschränkt überprüft werden (OLG Frankfurt/Main, Strafverteidiger 1995, 593).
Die Strafkammer hat sich in dem angefochtenen Beschluss mit den in der Hauptverhandlung gewonnenen Beweisergebnissen auseinandergesetzt und detailliert dargelegt, warum der Beschwerdeführer dringend tatverdächtig ist. Nach den Ausführungen im Haftbefehl vom 26. Februar 2003 wurde der Beschwerdeführer nicht nur vom Tatopfer (...) sondern auch von weiteren Zeugen als Angreifer identifiziert. In diesem Zusammenhang hat die Strafkammer ferner ausgeführt, dass sie Aussagen weiterer Zeugen, die dem Beschwerdeführer ein angebliches Alibi bestätigten, für Falschaussagen hält.
Diese Ausführungen der Strafkammer genügen den Anforderungen an eine in sich schlüssige und vertretbare Darlegung des dringenden Tatverdachts. Die weitergehende - und durch den Beschwerdeschriftsatz vom 03. März 2003 aufgeworfene - Frage, welche Wertung der aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse rechtlich richtig ist, entzieht sich der Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren (BGH aaO, OLG Karlsruhe aaO).
2. Die Strafkammer hat ferner mit zutreffenden Erwägungen den Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO bejaht. Da das Maß der Fluchtgefahr maßgeblich von der Straferwartung indiziert wird und diese gleichermaßen wie der dringende Tatverdacht vorliegend allein aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu beurteilen ist, ist der Senat in seiner Prüfungskompetenz insoweit ebenfalls auf die Frage beschränkt, ob die Bewertung der Fluchtgefahr auf die in der Hauptverhandlung gewonnenen Tatsachen gestützt ist und auf einer vertretbaren Bewertung des Beweisergebnisses beruht (OLG Karlsruhe aaO).
Vorliegend hat die Strafkammer ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwar in Deutschland aufgewachsen, jedoch im Inland nicht derart verwurzelt ist, dass mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann, er werde sich der Strafvollstreckung stellen. Eine Flucht in die Türkei liegt nach der Bewertung der Strafkammer nahe, da eine ältere Schwester des Beschwerdeführers dort lebt. Über einen festen Arbeitsplatz im Inland verfügt der Beschwerdeführer nicht. Zudem hat er im Inland Schulden in einer Höhe von mehreren hunderttausend Euro, die er nicht bedienen kann.
Die Strafkammer setzt sich ferner mit der Tatsache auseinander, dass sich der bis dato auf freiem Fuß befindliche Beschwerdeführer der Hauptverhandlung gestellt hat, bejaht aber gleichwohl eine Fluchtgefahr. Sie führt dies in vertretbarer Weise auf die aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung resultierende Bewertung zurück, dass der Beschwerdeführer bis zuletzt der Überzeugung gewesen sei, sich durch Aussagen von ersichtlich beeinflussten Zeugen aus der Verantwortung stehlen zu können. Es liegt auf der Hand, dass insoweit nach Verkündung des Urteils vom 21. Februar mit einem Strafmaß von 5 Jahren Freiheitsstrafe eine veränderte Bewertungsgrundlage vorliegt.
Diese Ausführungen zur Fluchtgefahr sind in sich schlüssig und vertretbar und begegnen daher keinen Bedenken.
3. Soweit die Strafkammer im angefochtenen Beschluss neben dem Haftgrund der Fluchtgefahr auch den Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO bejaht, bedarf es einer diesbezüglichen Entscheidung des Senates nicht.
4. Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls kommt nach den insoweit ebenfalls vertretbaren Ausführungen der Strafkammer nicht in Betracht. Bei dem hochverschuldeten Beschwerdeführer bietet die Stellung einer Sicherheit - welche von Dritten zu erbringen wäre - keine hinreichende Aussicht, den Fluchtanreiz auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Im Hinblick auf die erst wenige Tage andauernde Untersuchungshaft und die absehbare Zeitspanne bis zur Entscheidung über eingelegte Rechtsmittel ist der weitere Vollzug der Untersuchungshaft auch verhältnismäßig.
Ende der Entscheidung
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