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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 08.06.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 68/2001
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 263
Zur Frage des Vermögensschadens beim Erschleichen von Grundstückskaufverträgen durch einen zahlungsunfähigen Käufer.
Geschäftsnummer: 2 Ws 68/2001 15 Zs 3062001 GStA Stuttgart

Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Strafsenat - Beschluss

vom 08. Juni 2001

in der Anzeigesache der

wegen Betrugs u. a.

Tenor:

Der Antrag der Anzeigeerstatterin auf gerichtliche Entscheidung gegen die Verfügung des Generalstaatsanwalts in Stuttgart vom 21. März 2001 wird als unzulässig

verworfen.

Gründe:

Die Antragstellerin wirft dem Beschuldigten vor, sie durch Abschluss von Grundstsückskaufverträgen betrügerisch geschädigt zu haben; der in Wirklichkeit vermögenslose Beschuldigte habe unter Vortäuschung von Zahlungsfähigkeit und Zahlungswillen von ihr drei Grundstücke zum Preis von insgesamt DM 15.931.451,00 gekauft, die Verträge notariell beurkunden und Auflassungsvormerkungen eintragen lassen.

Die Staatsanwaltschaft hat hinreichenden Tatverdacht verneint. Gegen den die Einstellungsverfügung bestätigenden Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Dieser bleibt ohne Erfolg.

Nach § 172 StPO muss das Antragsvorbringen den Sachverhalt, auf den sich der Vorwurf gründet, so geschlossen und erschöpfend wiedergeben, dass, die Richtigkeit des Vorbringens unterstem, allein anhand der Antragsschrift geprüft werden kann, ob eine strafbare Handlung vorliegt und die Erhebung der Öffentlichen Klage gerechtfertigt ist. Dem Oberlandesgericht soll dadurch eine Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf Ermittlungsakten ermöglicht werden; Anlagen mit klarer Sachdarstellung können den Sachvortrag ergänzen; sie ersetzen den schlüssigen Vortrag eines Sachverhalts allerdings dann nicht, wenn der Senat gehalten wäre, selbst anhand eines umfangreichen Konvoluts von beigefügten Fotokopien den maßgeblichen Sachverhalt herauszulesen.

Diesen Anforderungen wird der vorgetragene Sachverhalt nicht genügend gerecht; er ist in einem vom Gericht für wesentlich erachteten Punkt unvollständig, der den Vorwurf des Betrugs und die in diesem Zusammenhang bedeutsame Frage des Vermögensschadens betrifft.

Der Vorwurf der Untreue lässt sich schon aus den von der Generalstaatsanwaltschaft dargelegten Gründen nicht aufrechterhalten. Der erschlichene Kaufvertrag begründete keine Vermögensbetreuungspflicht; denn gewöhnliche schuldrechtliche Vertragsverpflichtungen schaffen in der Regel kein Treueverhältnis, bei dem die Treuepflicht wesentlicher Vertragsbestandteil ist (vgl. Tröndle/Fischer, Rdnr. 8 f. zu § 266 StGB m. w. N.).

Näherer Erörterung bedarf die Frage, ob der Beschuldigte, der allem Anschein nach den Abschluss der Grundstückskaufverträge durch Vortäuschung von Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit erschlichen hat, dadurch der Antragstellerin einen -- mit dem vom Beschuldigten erlangten bzw. angestrebten rechtswidrigen Vermögensvorteil stoffgleichen -- Vermögensschaden zugefügt hat.

Als "Verzugsschaden" geltend gemachte Zinsen scheiden als Vermögensschaden im Sinne des Betrugstatbestandes aus, weil es insoweit an der erforderlichen Stoffgleichheit zwischen Schaden und angestrebten Vermögensvorteil fehlt. Es handelt sich, wovon Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft zu Recht ausgehen, insoweit um Vermögenseinbußen, die infolge der Nichterfüllung des Vertrages entstanden sind und denen auf der Seite des Tauschenden keine entsprechende Vermögensmehrung gegenüberstand. Auch entstandene Notarkosten, für die die Antragstellerin nach dem Sachvortrag als mithaftend offenbar nachträglich in Anspruch genommen worden ist, sind aus dem gleichen Grunde im Sinne des Betrugstatbestandes nicht relevant; insoweit dürfte es im Übrigen auch schon am -- ungeschriebenen -- Tatbestandsmerkmal einer Vermögensverfügung fehlen; denn eine solche liegt auf Seiten eines Getäuschten nur vor, wenn sie sich unmittelbar vermögensvermindernd auswirkt.

Ein Vermögensschaden kann bei einem erschlichenen (Kauf-)Vertrag allerdings schon im Vertragsschluss selbst liegen, sofern dieser bereits zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung führt, weil mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse und die innere Einstellung des Täters die gegen ihn entstehende Forderung (Kaufpreiszahlung) seiner Forderung gegen den Vertragspartner nicht gleichwertig ist. Anerkannt ist in der Rechtsprechung aber, dass von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung dann nicht gesprochen werden kann, wenn -- der Getäuschte deshalb genügend abgesichert ist, weil er nicht vorleistungspflichtig ist. Dies wird bei Grundstücksgeschäften in aller Regel der Fall sein (St. Rspr.; vgl. BGH, wistra, 92, 101 f.). Nach dem Vortrag der Antragstellerin hatte, sie ihre volle vertragliche Leistung -- die Übertragung des Eigentums an den Grundstücken -- noch nicht erbracht. Ein Vermögensschaden im Sinne einer schadensgleichen Vermögensgefährdung konnte nach Auffassung des Senats allerdings auch schon dann vorliegen, wenn die Getäuschte eine Vorleistung in der Form erbracht hätte, dass sie zwar noch nicht das Eigentum an den Grundstücken an den Beschuldigten übertragen hätte, diesem jedoch -- als Vorleistung -- bereits eine dingliche Rechtsposition eingeräumt hätte, die sich gegenüber dem (Voll-)Eigentum zwar als ein Minus darstellte, der aber nach wirtschaftlichen Maßstäben bereits ein messbarer Vermögenswert zukäme. Auf die fehlende Zahlungsfähigkeit und fehlenden Zahlungswillen käme es dann ebenso wenig an wie bei der Übertragung des Vollrechts an der Sache.

Für die Annahme einer Vermögenswerten dinglichen Rechtsposition an den Grundstücken selbst im Sinne einer Anwartschaft und damit zu einem rechtswidrigen Vermögensvorteil im Sinne des § 263 StGB würde die bloße Eintragung von Auflassungsvermerkungen, wie sie nach dem Vortrag der Antragstellerin hier erfolgt sind, nach Auffassung des Senats allerdings nicht genügen (offen gelassen in BGH, Beschluss vom 24.07.1991 -- Aktenzeichen 4 StR 258/91). Die Sicherungsfunktion, die die Vormerkung bewirkt, ist zwar unter Umständen nachteilig für den Grundstückseigentümer; auf der Seite desjenigen, der einen rechtswidrigen Vermögensvorteil erstrebt, ist sie aber noch ohne messbaren Vermögenswert. Die weitere Funktion der Rangwahrung im Sinne des § 883 Abs. 3 BGB kommt andererseits nur dann zur Wirkung, wenn das Eigentumsrecht tatsächlich eingeräumt wird; dass es hierzu kommen würde, erschien mangels Zahlungswillen und Zahlungsfähigkeit des Beschuldigten aber nach Sachlage ausgeschlossen.

Eine andere Bewertung läge nach Auffassung des Senats aber dann nahe, wenn mit der -- mehraktigen -- Eigentumsübertragung an den Grundstücken bereits begonnen worden wäre, d. h. wenn zu Gunsten des Beschuldigten nicht nur, wie vorgetragen, wirksame Grundstückskaufverträge geschlossen, sondern jeweils auch Auflassungen rechtswirksam erfolgt wären. Dadurch hätte die Antragstellerin dem Beschuldigten als Vorleistung tatsächlich bereits eine gesicherte Rechtsposition im Sinne eines Anwartschaftsrechts eingeräumt. In Verbindung mit der Eintragung der Vormerkungen stellten diese Anwartschaftsrechte ein dem Volleigentum wesensähnliches Recht dar/das selbständig verkehrsfähig und -- nach den Regeln für die Übertragung des Eigentums -- übertragbar und damit auch pfändbar wäre (vgl. BGHZ 83, 395 f.; 106, 108 f.); schon für die Gegenwart wäre ihm ein wirtschaftlicher Wert beizumessen. Die Einräumung eines solchen, dem Volleigentum wesensähnlichen Rechts als Vorleistung stellte nach Auffassung des Senats deshalb bereits einen rechtswidrigen Vermögensvorteil für den Beschuldigten dar. Darauf, ob er das Vollrecht jemals würde erwerben können, käme es in diesem Falle nicht mehr an. Den Umständen nahe liegt auch, dass der Beschuldigte mittels Täuschung seiner Vertragspartnerin eine möglichst gute Rechtsposition zu erlangen trachtete; dass er dies offenbar nur als Mittel zur Täuschung dritter Personen über seine Zahlungsfähigkeit bzw. Kreditwürdigkeit anstrebte, ist ohne Belang.

Ob Auflassungen bezüglich der im Antrag näher bezeichneten Grundstücke rechtswirksam erfolgt sind oder nicht, vermag der Senat aber dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht zu entnehmen. In ihm ist (lediglich) vom notariellen Abschluss von Grundstückskaufverträgen durch den -- ausweislich der Anlagen als Vertreter ohne Vertretungsmacht für den Eigentümer und Verkäufer auftretenden -- Beschuldigten und von der Genehmigung dieser Kaufverträge sowie der Eintragung von Auflassungsvormerkungen die Rede.

Ob, was nicht schlüssig vorgetragen ist, tatsächlich auch rechtswirksame Auflassungen erfolgt sind, geht auch aus dem Konvolut beigefügter Kopien nicht ohne weiteres sofort hervor. Zwar sind in den Kaufverträgen auch gleichzeitig vom Beschuldigten "für Verkäufer und Käufer" ohne Vertretungsmacht Auflassungen erklärt worden. Soweit die Verträge Vermerke enthalten, dass der Verkäufer dem Abschluss des Kaufvertrages mit Telefax zugestimmt habe, geht daraus allein aber nicht genügend deutlich hervor, ob diese auch für die Auflassungen galten und rechtswirksam waren.

Die Staatsanwaltschaft Ravensburg wird dieser Frage in ergänzenden Ermittlungen nachgehen und danach erneut über die Erhebung der Anklage wegen Betrugs zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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