Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 19.04.2000
Aktenzeichen: 20 U 96/99
Rechtsgebiete: AktG, ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
AktG § 246
Leitsatz:

1) Ein mit einfacher Stimmenmehrheit gefasster Beschluss über die Nachschusspflicht der Gesellschafter bedarf auch bei der Kommanditgesellschaft einer hinreichenden sachlichen Legitimation. Diese wird durch eine im Gesellschaftsvertrag vorgesehene allgemeine Geltung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen nicht vermittelt.

2) Durch Gesellschaftsvertrag kann die Berufung aus Beschlussmängel von einer klageweisen Geltendmachung innerhalb einer bestimmten Ausschlussfrist ( hier: 6 Monate ) beschränkt werden. Eine solche Bestimmung gilt auch für Beschlüsse, die eine Erhöhung der Kapitalbeteiligungen der Gesellschafter vorsehen.


Geschäftsnummer: 20 U 96/99 1 KfH O 29/99 LG Tübingen

Oberlandesgericht Stuttgart - 20. Zivilsenat -

Im Namen des Volkes Urteil

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 05. April 2000 unter Mitwirkung

des Präsidenten des OLG Stilz,

des Richters am OLG Dr. Würtwein und

des Richters am OLG Dörr

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 11. November 1999 - 1 KfH O 29/99 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 24.049,59 DM.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig aber unbegründet. Das Landgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Betrages von 24.049,59 DM sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend bejaht.

1.

Zwar ist der Gesellschafterbeschluss vom 15.07.1996, wonach von den Gesellschaftern ein Verwaltungskostenbeitrag in jährlich festzusetzender Höhe erhoben wird, nichtig, denn er greift ohne hinreichende sachliche Legitimation in das Belastungsverbot ein, das als allgemeines Institut des Personengesellschaftsrechts auch für die Kommanditgesellschaft gilt (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB, § 707 BGB; Erman-H. P. Westermann, BGB, 9. Aufl., § 707 Rn. 2). § 707 BGB ist zwar dispositiv, weshalb der Gesellschaftsvertrag vorsehen kann, dass Beschlüsse über Beitragserhöhungen mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt werden können. Die Wirksamkeit einer der Mehrheit erteilten Ermächtigung zur Vertragsänderung bedarf aber einer hinreichenden sachlichen Rechtfertigung, da der Schutz des Gesellschafters vor einer unfreiwilligen Veränderung seiner gesellschaftsrechtlichen Pflichten ein zentrales Element privater Mitgliedschaftsrechte ist. Die in § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags vorgesehene allgemeine Geltung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen rechtfertigt einen Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft nicht (BGH NJW 1995, 194, 195 = ZIP 1994, 1942, 1943; mit zust. Anm. K. Schmidt, JZ 1995, 313 f.; Anm. Flume, ZIP 1995, 651 ff; ähnlich MünchKomm/Ulmer, BGB, 3. Aufl., § 709 Rn. 77; Weipert, Hdb. des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 10 KG, Rn. 58 ff.).

Um als schon im Gesellschaftsvertrag erteilte antizipierte Zustimmung zu einem Eingriff in das Belastungsverbot angesehen werden zu können, muss eine Ermächtigung zur Beitragserhöhung durch Mehrheitsbeschluss eindeutig sein und sowohl Ausmaß als auch Umfang des möglichen Eingriffs erkennen lassen. Hierfür ist die Angabe einer Obergrenze oder sonstiger Kriterien, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen, unabdingbar (BGH DB 1978, 1922; NJW 1976, 958 = WM 1976, 472 = BGHZ 66; 82, 85; WM 1976, 1053, 1055). Diesen Anforderungen genügt § 10 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages nicht. Auch aus einem Umkehrschluss aus § 10 Ziff. 3b des Gesellschaftsvertrages kann eine hinreichende Legitimation für eine Nachschusspflicht der Kommanditisten nicht abgeleitet werden. § 10 Ziff. 3b regelt u.a. die Mehrheitserfordernisse bei Kapitalerhöhungen, ist aber - wie die Klägerin selbst vorgetragen hat - zugeschnitten auf den Beitritt neuer Gesellschafter. Weder dem Wortlaut noch dem Zweck dieser Regelung ist zu entnehmen, dass hierauf auch eine Nachschusspflicht der alten Kommanditisten gestützt werden könnte.

Für einen Erhöhungsbeschluss wäre daher die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich gewesen.

Die Verpflichtung der Beklagten zur Zustimmung zu dem Erhöhungsbeschluss vom 15.07.1996 kann auch nicht aus deren gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht abgeleitet werden. Zwar kann sich aus der Treuepflicht des Gesellschafters in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Verpflichtung ergeben, einer Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen. Voraussetzung hierfür ist aber stets, dass die Änderung mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander dringend geboten und dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist (BGH NJW 1987, 952, 953; NJW 1987, 189, 190). Für eine aus der Treuepflicht abgeleitete Verpflichtung zur Teilnahme an einer Beitragserhöhung sind dabei besonders hohe Anforderungen zu stellen, da ein Gesellschafter zu neuen Vermögensopfern grundsätzlich nicht gezwungen werden kann. Der Umstand, dass das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, reicht für sich genommen nicht aus (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 5 IV. 4. b; Erman/H. P. Westermann, a.a.O., § 707 Rn. 1). Besondere Umstände, die die Verpflichtung der Beklagten begründen könnten, sich an dem Finanzierungsmehrbedarf durch Zahlung eines Verwaltungskostenbeitrags zu beteiligen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass die Klägerin einen gewissen Verwaltungsaufwand für die einzelnen Kommanditisten betreibt, eine derartige Verpflichtung nicht.

2.

Die Beklagte kann sich auf die Nichtigkeit des Erhöhungsbeschlusses aber nicht berufen, da sie die Unwirksamkeit nicht innerhalb der in § 11 Ziff. 9 des Gesellschaftsvertrages bestimmten Ausschlussfrist von 6 Monaten klagweise geltend gemacht hat.

Die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses kann zwar grundsätzlich in beliebiger Weise geltend gemacht werden, etwa auch durch einfache Berufung auf einen konkreten Beschlussmangel. Die Geltendmachung ist dabei auch nicht an die Einhaltung einer bestimmten Frist gebunden.

Durch Gesellschaftsvertrag können aber besondere Anfechtungsfristen für die Geltendmachung der Unwirksamkeit von Beschlüssen statuiert werden (BGH NJW 1999, 3113, 3114; NJW 1988, 411, 413 = ZIP 1987, 1178, 1179 = DB 1987, 1880; NJW 1977, 1292 = BGHZ 68, 212, 216), wobei die Bestimmung einer sich am Leitbild des § 246 AktG orientierenden Monatsfrist angemessen ist (BGH ZIP 1987, 1178; vgl. auch BGH NJW 1995, 1218, 1219). Eine solche Regelung enthält § 11 Ziff. 9 des Gesellschaftsvertrages, der die Berechtigung; sich auf die Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zu berufen, an deren klagweise Geltendmachung binnen einer Ausschlussfrist von sechs Monaten knüpft.

Diese Ausschlussfrist bezieht sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch auf den Erhöhungsbeschluss vom 15.07.1996. Eine Ausschlussfrist erfaßt lediglich solche Beschlüsse nicht, die besonders schwerwiegende Rechtsbeeinträchtigungen, etwa die Entziehung der Gesellschafterstellung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, beinhalten (BGHZ 68, 212, 216).

Eine derart schwerwiegende Rechtsbeeinträchtigung ist in der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Verwaltungskostenbeitrags indessen nicht zu sehen. Das Bedürfnis der Klägerin, innerhalb vertretbarer Zeit Gewissheit darüber zu erlangen, ob der Erhöhungsbeschluß Bestand hat, geht dem Interesse der Beklagten am Schutz vor zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen vor. Der Beklagten wäre es ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, innerhalb der Sechsmonatsfrist die Unwirksamkeit des Beschlusses durch Feststellungsklage geltend zu machen.

3.

Die Berufung der Beklagten ist daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück