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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 20.02.2001
Aktenzeichen: 20 W 31/2000
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 319 | |
ZPO § 92 Abs. 2 | |
ZPO § 319 Abs. 3 | |
ZPO § 319 Abs. 1 | |
ZPO § 99 Abs. 1 | |
ZPO § 97 |
1.
Gegen einen Beschluß, durch den der Antrag auf Urteilsberichtigung zurückgewiesen wurde, kommt ein Rechtsmittel auch dann nicht in Betracht, wenn der Antrag unter Verkennung des Begriffs der offenbaren Unrichtigkeit abgelehnt wurde.
2.
Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 319 ZPO liegt nicht vor, wenn bei der ausgeurteilten Kostenquote von einem unzutreffenden Streitwert ausgegangen wurde und dieser später geändert wird.
Auch eine analoge Anwendung von § 319 ZPO kommt in diesem Fall nicht in Betracht.
OLG Stuttgart - 20 W 31/00 Beschluß vom 20.02.01 -rechtskräftig-
Oberlandesgericht Stuttgart - 20. Zivilsenat - Beschluss
Geschäftsnummer: 20 W 31/2000 7 O 499/99 LG Stuttgart
vom 20.02.2001
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
des Präsidenten des OLG Stilz, des Richters am OLG Dr. Würthwein und des Richters am OLG Kaulig
am 20. Februar 2001
beschlossen:
Tenor:
I.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 16.10.2000 wird als unzulässig verworfen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.05.2000 wurde der Beklagte zur Herausgabe von Unterlagen, zur Rechnungslegung und zur Auskunftserteilung verurteilt. Die Kosten des Verfahrens hat das Landgericht dem Kläger zu 1/10, dem Beklagten zu 9/10 auferlegt.
Den Streitwert hat es mit 35.000,-- DM festgesetzt.
Auf Beschwerde des Klägers hat das Landgericht den Streitwert durch Beschluss vom 26.07.2000 auf 60.000,-- DM angehoben. Dem auf weitergehende Abänderung gerichteten Antrag hat es nicht abgeholfen.
Der Senat hat den Streitwert sodann durch Beschluss vom 25.09.2000 auf bis zu 70.000,-- DM erhöht.
Im Blick auf diese Änderung des Streitwerts hat der Kläger Berichtigung der Kostenentscheidung des Urteils vom 26.05.2000 beantragt. Diese sei angesichts der nachträglichen Streitwertänderung offenkundig unrichtig.
Nachdem das Landgericht sein Unterliegen mit 3.500,-- DM bewertet habe, sei die Kostenverteilung zumindest auf 95 % : 5 % zu korrigieren, richtigerweise der Beklagte jedoch gem. § 92 Abs. 2 ZPO wegen der Geringfügigkeit der Mehrforderung mit sämtlichen Kosten des Verfahrens zu belasten.
Das Landgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 16.10.2000 zurückgewiesen, da es an einer Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Änderung, die auf eine Durchbrechung der Rechtskraft hinauslaufe, fehle. Ein Fall der Urteilsberichtigung gem. § 319 ZPO liege nicht vor, da die Kostenentscheidung im Zeitpunkt des Urteilserlasses richtig gewesen sei. Eine entsprechende Anwendung von § 319 ZPO komme allenfalls in Betracht, wenn die ausgesprochene Kostenverteilung dem Gerechtigkeitsgedanken eklatant widerspreche, was bei der vom Kläger begehrten Änderung um nur 5 - 10 % nicht der Fall sei.
Mit seiner Beschwerde hält der Kläger dem Landgericht entgegen, es treffe nicht zu, dass die Kostenentscheidung zum Zeitpunkt des Urteilserlasses richtig gewesen sei. Das Landgericht habe vielmehr das Unterliegen des Klägers unzutreffend bewertet, auch sei die Bewertung nicht nachvollziehbar gewesen. Die Auffassung des Landgerichts widerspreche dem Gerechtigkeitsempfinden eklatant. Das Landgericht habe in Verkennung der Rechtslage den Streitwert falsch festgelegt und deshalb eine falsche Kostenquote gebildet, die ihn markant benachteilige. § 319 ZPO sei das richtige Instrument, diesen Fehler zu berichtigen, zumal er keine andere Möglichkeit zur Korrektur habe, da eine auf den Kostenausspruch reduzierte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil bedenklich gewesen wäre.
Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Landgerichts.
II.
Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts ist nicht gegeben.
Die Beschwerde des Klägers ist deshalb unzulässig und zu verwerfen.
1.
Gemäß § 319 Abs. 3 ZPO findet "gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird", kein Rechtsmittel statt.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nach allgemeiner Ansicht nur in Frage, wenn das erstinstanzliche Gericht eine Überprüfung des Urteils auf offenbare Unrichtigkeit ablehnt, also der Antrag ohne sachliche Prüfung zurückgewiesen wird. Darüber hinaus kommt - als ausserordentliche Beschwerde - eine Korrektur bei greifbarer Gesetzwidrigkeit in Betracht (MüKo, ZPO/Musielak, 2. Aufl., Rn. 20 zu § 319 m.w.N.).
Beides ist nicht der Fall.
Das Landgericht hat sich mit dem Antrag des Klägers inhaltlich auseinandergesetzt und sich der in der Literatur vertretenen Ansicht, eine nachträgliche Streitwertänderung könne nicht zur Anpassung der Kostenentscheidung führen (siehe dazu unten III.), angeschlossen, zumal angesichts der Geringfügigkeit der begehrten Korrektur jedenfalls ein eklatanter Verstoß gegen Gerechtigkeitsgrundsätze nicht vorliege.
2.
Der teilweise vertretenen Ansicht, eine Beschwerde sei auch dann statthaft, wenn der Berichtigungsantrag unter Verkennung des Begriffs der offenbaren Unrichtigkeit abgelehnt werde (so OLG Hamm, NJW-RR 1987, 187 ff; siehe dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., Rn. 27 zu § 319), kann nicht gefolgt werden.
Die Entscheidung darüber, ob ein Urteil eine offenbare Unrichtigkeit aufweist, wird nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nicht der Prüfung durch das Beschwerdegericht überantwortet, jedenfalls dann nicht, wenn wie hier die erste Instanz eine Sachentscheidung über den Berichtigungsantrag getroffen hat (MüKo/Musielak, a.a.O.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., Rn. 35 zu § 319; OLG Brandenburg, NJW-RR 1997, 1563; OLG Frankfurt, OLG-Report 1999, 281 ff). Nach Sinn und Zweck von § 319, der Fehlerkorrekturen in Fällen ermöglichen soll, in denen die Entscheidung den richterlichen Willen unzutreffend wiedergibt, kann eine offenbare Unrichtigkeit nicht bejaht werden, wenn das Erstgericht, um dessen Entscheidung es geht, eine solche verneint (BGHZ 106, 370, 374 = NJW 1989, 1281) und gar erklärt, die angegriffene Entscheidung habe seiner Überzeugung entsprochen.
III.
Ungeachtet dessen wäre die Beschwerde auch nicht begründet, da eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 319 ZPO nicht vorliegt.
Entspricht eine ausgeworfene Kostenquote aufgrund nachträglicher Änderung des Streitwerts nicht der Sachlage, so führt dies nicht zu einer offenbaren Unrichtigkeit i.S.v. § 319 ZPO, die mit einem Schreib- oder Rechenfehler vergleichbar wäre.
Insbesondere steht der Urteilsausspruch wie dargelegt nicht in Widerspruch zu dem Entscheidungswillen des Gerichts, das die Streitwertfestsetzung seinerzeit bewusst und in Überzeugung ihrer Richtigkeit vorgenommen und unter Ziff. 6 des Urteils auch begründet hat (BGH MDR 1977, 925 ff; MüKo/Musielak, a.a.O., Rn. 8 zu § 319).
Der dennoch aus Gerechtigkeitsgründen teilweise vertretenen weiten Auslegung von § 319 ZPO (OLG Düsseldorf, RR 1992, 1407; Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 18 zu § 319; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., Rn. 9 zu § 319; Überblick siehe auch bei Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 4164 ff) vermag der Senat mit dem Bundesgerichtshof nicht zu folgen (BGH MDR 1977, 925 ff).
Eine Korrektur des Streitwerts nach Urteilsverkündung macht zwar nachträglich evident, dass die Kostenentscheidung nicht richtig war. Abgesehen davon, dass hierdurch die erklärte Willensbildung des Gerichts zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, auf den es allein ankommt, nicht berührt wird und die Entscheidung seinerzeit nicht "versehentlich", sondern bewusst und aus Überzeugung gefasst wurde, fehlt es jedoch an der erforderlichen Offenkundigkeit der Unrichtigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung.
Die Kostenentscheidung ist dabei nicht nachträglich unrichtig geworden, sondern war es von Anfang an. Dies war lediglich nicht bekannt und damit nicht offenbar (OLG Köln, OLGZ 93, 446 ff; LG Frankfurt, NJW-RR 1988, 67 ff; MüKo/Musielak, a.a.O.; Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl., Rn. 3 zu § 319).
Eine Anwendung von § 319 Abs.1 ZPO auf solche Fälle steht im Widerspruch zum Gesetzeszweck und wäre contra legem. Sie würde im Ergebnis zur Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung führen, die mit § 99 Abs. 1 ZPO nicht zu vereinbaren ist (LG Frankfurt, a.a.O.).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Ende der Entscheidung
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