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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 18.04.2001
Aktenzeichen: 3 Ausl. 141/2000
Rechtsgebiete: öErgV zum EuAlÜbk, SDÜ


Vorschriften:

öErgV zum EuAlÜbk Art. IV
SDÜ Art. 62 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Ausl. 141/2000

Oberlandesgericht Stuttgart - 3. Strafsenat - Beschluss

vom 18. April 2001

in der Auslieferungssache

Die Sache wird gemäß § 42 Abs. 1 IRG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung der folgenden grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen vorgelegt:

Tenor:

1. Ist unter "Unterbrechung der Verjährung" im Sinne von Art. IV des Vertrages vom 31. Januar 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwendung (BGBl. 1975 II S. 1163; 1976 II S. 1798 -- im folgenden: ÖErgV) und im Sinne von Art. 62 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) auch eine Verjährungsverlängerung zu verstehen, die auf einem Ruhen (einer: Hemmung) der Verjährung beruht (vorliegend: § 60 Abs. 2 Nr. 4 öStGB)?

2. Steht es der Zulässigkeit der Auslieferung entgegen, dass die Anwendung von Art. TV öErgV und von Art. 62 Abs. 1 SDÜ zu einer Überschreitung der Grenzen führt, die § 79 b StGB einer Verlängerung der Verjährungsfrist zieht?

Gründe:

I.

1. Mit Schreiben vom 16. Februar 2001 an das Justizministerium Baden-Württemberg ersucht das Bundesministerium für Justiz der Republik Österreich um Auslieferung des Verfolgten zum Zweck der Vollstreckung einer restlichen Ersatzfreiheitsstrafe von 178 Tagen und 21 Stunden (sowie weiteren 10 Minuten. deren Berechnung der Senat nicht nachvollziehen kann). Diese Strafe beruht auf der rechtskräftigen Verurteilung des Verfolgten durch das Landesgericht Feldkirch vom 2. April 1991 ... wegen Diebstahls durch Einbruch, versuchten unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen und Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 250,-- öS, insgesamt 90.000,-- öS, und im Falle von deren Uneinbringlichkeit zu 180 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Die Strafe wurde gemäß § 43 Abs. 1 öStGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

2. Der Verurteilung liegen folgende Taten ... zugrunde:

...

3. Die bedingte Strafnachsicht aus obigem Urteil des Landesgerichts Feldkirch wurde durch Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 27. August 1991 ... gemäß § 494 a Abs. 1 Nr. 4 öStPO widerrufen; der Verfolgte ist durch das letztgenannte Urteil wegen teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch und wegen Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt worden, die ihrerseits für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Am 21. März 1996 wurde dem Verfolgten der Auftrag zur Zahlung der im oben 1. genannten Urteil festgesetzten Geldstrafe eigenhändig zugestellt. Sein Ersuchen auf Bewilligung einer Ratenzahlung wurde durch Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 17. Mai 1996 ... abgewiesen, weil ein gewährter Zahlungsaufschub gemäß § 409 a öStPO ein Jahr nicht überschreiten darf; der Beschluss wurde am 24. Mai 1996 an eine Postbevollmächtigte des Verfolgten zugestellt. Ein erneutes Ratenzahlungsersuchen wurde durch Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 22. September 1999 ..., dem Verfolgten eigenhändig zugestellt am 5. Oktober 1999, abgewiesen. Schon am 15. September 1999 war dem Verfolgten die Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe eigenhändig zugestellt worden. Am 20. Dezember 1999 erließ das Landesgericht Klagenfurt einen Vorführungsbefehl ... gegen den Verfolgten zum Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe, wobei von der Vorführung abzusehen sei, wenn er die noch ausstehende Geldstrafe erlege oder durch eine Öffentliche Urkunde nachweise, dass sie gezahlt worden sei. Am 7. Februar 2001 erließ das Landesgericht Klagenfurt gegen den Verfolgten Haftbefehl ... . Am 2. März 2001 hat die Generalstaatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Stuttgart beantragt, gegen den Verfolgten Auslieferunghaftbefehl zu erlassen.

II.

Der Senat hält eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes über die Vorlegungsfragen für zulässig und geboten, weil sie entscheidungserheblich sind und grundsätzliche Bedeutung haben.

1. Die Zulässigkeit der Auslieferung und somit des beantragten Auslieferungshaftbefehls (§ 15 IRG) hängt ausschließlich von der Frage ab, ob die Anwendung von Art. IV ÖErgV und Art. 62 Abs. 1 SDÜ i. V. mit § 60 Abs. 2 Nr. 4 öStGB dazu führt, dass die auch bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts nach deutschem Recht eingetretene Vollstreckungsverjährung unbeachtlich bleibt, was im einzelnen die Vorlegungsfragen aufwirft.

a) Der Auslieferungsverkehr mit der Republik Österreich richtet sich nach dem EuAlÜbk i.V. mit dem ÖErgV (auch abgedruckt in: Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 2. Aufl., Teil II O 5 -- in Ordner 3 -- S. 44 ff.) i.V. mit dem SDÜ, das im Verhältnis zur Republik Österreich seit dem 1. Dezember 1997 in Kraft ist. Hiernach sind die dem Verfolgten vorgeworfenen Taten auslieferungsfähig ... . Auch die zusätzlichen (Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., § 3 IRG. Rdn. 30) Voraussetzungen der Auslieferung zur Vollstreckung nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EuAlÜbk, Art. 1 Abs. 1 öErgV sind erfüllt. Unter "conviction and prison sentence" i. S. von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EuAlÜbk ist auch die Ersatzfreiheitsstrafe zu verstehen, jedenfalls wenn sie in Umwandlung der Geldstrafe angeordnet worden und vollstreckbar ist (vgl. Schomburg/Lagodny, a.a.O., Rdn. 32; Vogler, in: Grützner/Pötz, a.a.O., Teil I, § 3 IRG, Rdn. 26), was sich im Verhältnis zur Republik Österreich auch aus der ausdrücklichen Nennung der Ersatzfreiheitsstrafe in Art. 1 Abs. 1 ÖErgV ergibt. Vorliegend enthält spätestens der Vorführungsbefehl des Landesgerichts Klagenfurt vom 20. Dezember 1999 die Umwandlungsanordnung. Die noch ausstehende Ersatzfreiheitsstrafe ist auch länger als die in Art. 1 Abs. 1 ÖErgV vorgesehene Mindestfrist von drei Monaten und sogar länger als die Viermonatsfrist gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EuAlÜbk. Schließlich ist ein Haftgrund anzuerkennen ... .

b) In Frage steht allein, ob nach österreichischem oder deutschen Recht Vollstreckungsverjährung eingetreten ist, was gemäß Art. 10 EuAlÜbk der Auslieferung und somit dem Auslieferungshaftbefehl entgegenstünde. Nach österreichischem Recht ist die Vollstreckung nicht verjährt. Die Zehnjahresfrist des § 59 Abs. 3 zweite Alternative öStGB würde ohnehin frühestens im August 2001 ablaufen; das die bedingte Strafnachsicht widerrufende Urteil vom 27. August 1991 ist -- ebenso wie das Urteil vom 02. April 1991 -- mangels Rechtsmitteleinlegung alsbald rechtskräftig geworden; bis Rechtskraft der Widerrufsentscheidung ruhte die Verjährung (§ 60 Abs. 2 Nr. 1 öStGB). -- Jedoch verlängert sich die Frist gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 4 öStGB um die Zeit des Aufenthalts des Verfolgten in der Bundesrepublik Deutschland ... . Daher darf jedenfalls die Zeit vom 24. April 1995 bis heute nicht mitgerechnet werden, so dass Vollstreckungsverjährung frühestens im Jahre 2006 eintreten würde. Nach deutschem Recht wäre hingegen Vollstreckungsverjährung eingetreten. Die Vollstreckungsverjährungsfrist beträgt gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre, die am 1. April 1996 abgelaufen sind. Auch wenn bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts der Ruhensgrund des § 79 a Nr. 2 b) StGB angewendet wird, ergibt sich hieraus nur eine Verjährungsverlängerung um rund 5 Monate, da die bedingte Verurteilung bereits mit Urteil vom 27. August 1991 widerrufen worden ist. Schließlich kann auch bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts § 79 b StGB nicht angewendet werden, da die österreichischen Gerichte und Behörden erst knapp 10 Jahre nach der Verurteilung von der Möglichkeit eines Auslieferungsersuchens Gebrauch gemacht haben.

c) Eine Vollstreckungsverjährung nach den deutschen Bestimmungen wäre Jedoch unbeachtlich, wenn Art. IV öErgV und Art. 62 Abs. 1 SDÜ den Weg eröffnen, § 60 Abs. 2 Nr. 4 öStGB zu berücksichtigen. Denn dann würde auch die deutsche Vollstreckungsverjährung seit dem 24. April 1995 -- also vor dem Ablauf der fünfjährigen Vollstreckungsverjährungsfrist im Jahre 1996 -- bis heute ruhen. Dies aber würde zum einen voraussetzen, dass unter "Unterbrechung der Verjährung" im Sinne von Art. IV ÖErgV und Art. 62 Abs. 1 SDÜ auch eine Verjährungsverlängerung verstanden werden kann, die nach deutschem Verständnis auf einem Ruhen (einer Hemmung) der Verjährung beruht (Vorlegungsfrage zu 1). Denn § 60 Abs. 2 öStGB enthält in deutscher Gesetzesterminologie (vgl. §§ 78 b, 78 c, 79 a StGB) nur Vorschriften über das Ruhen der Verjährung, wie sich auch im Gegenschluss aus § 60 Abs. 3 öStGB ergibt, der seinem Wortlaut nach und auch in der Sache eine Unterbrechung der Verjährung anordnet mit der Rechtsfolge, dass die Verjährungsfrist mit der Unterbrechungshandlung erneut zu laufen beginnt. Diese Interpretation des § 60 Abs. 2 öStGB als bloße Hemmungsvorschrift entspricht auch der österreichischen Doktrin (vgl. nur Foregger, in: Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl., § 60 Rdn. 2 f., wonach bei Abs. 1 und 2 eine "Ablauf-" und "Fortlaufhemmung" bestehe). Zum anderen würde die Anwendung von Art. IV ÖErgV und Art. 62 Abs. 1 SDÜ i.V. mit § 60 Abs. 2 Nr. 4 öStGB zur Folge haben, dass die Grenze der potentiellen Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 79 b StGB überschritten werden könnte und vorliegend überschritten werden müsste (Vorlegungsfrage zu 2).

2. Die somit entscheidungserheblichen Vorlegungsfragen haben grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 42 Abs. 1 Alt. 1 IRG. Überdies möchte der Senat bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Vorlegungsfrage zu 1) von dem Beschluss des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofes vom 30. September 1987 (4 Ars 7/87; BGHSt 35, 67) zu beantworten (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 IRG).

a) Die Vorlegungsfragen können sich im deutsch-österreichischen Auslieferungsverkehr wegen der in den beiden Staaten geltenden unterschiedlichen Verjährungsvorschriften jederzeit wieder stellen. Darüber hinaus betreffen sie den Auslieferungsverkehr mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft, dem Königreich der Niederlande und der Italienischen Republik, da die insoweit abgeschlossenen Ergänzungsverträge zum EuAlÜbk wortgleiche Vorschriften enthalten (vgl. hierzu bereits BGHSt 35, 67 [69] mit Nachweisen). Vor allem aber betreffen sie mit Blick auf Art. 62 Abs. 1 SDÜ den Auslieferungsverkehr mit sämtlichen Schengen-Staaten, die stark differierende Verjährungsregime haben, so dass vergleichbare Fragen verstärkt auftreten werden.

b) Weiterhin versteht der Senat BGHSt 35, 67 (73) -- die Entscheidung betrifft die wortgleiche Vorschrift des Art. IV Abs. 1 des deutsch-schweizerischen Vertrages vom 13. November 1969 (BGBl. 1975 II S. 1176; 1976 II S. 1798 = Grützner/Pötz, a.a.O., Teil II S 16 -- in Ordner 3 -- S. 41 ff. -- im folgenden: schweizETgV) -- dahin, dass der auslieferungsvertragsrechtliche Begriff der Unterbrechung im deutschrechtlichen Sinne einer Handlung zu verstehen ist, die zur Folge hat, dass die Verjährungsfrist von neuem zu laufen beginnt. Auch dürfte der Bundesgerichtshof, a.a.O., dahin zu verstehen sein, dass zudem eine Art "beidseitige Unterbrechbarkeit" erforderlich sein soll, so dass, weil es nach heutigem deutschen Recht eine Unterbrechung der Vollstreckungsverjährung nicht gibt, Art. IV Abs. 1 schweizErgV und naheliegenderweise auch Art. IV öErgV insoweit leer laufen. Dieses Ergebnis ist in der Literatur kritisiert worden (Anm. von Jürgen Meyer, NStZ 1988, 279 f.) und wird auch vom Senat nicht für überzeugend gehalten. Bereits mit... Beschluss vom 29. Dezember 1987 -- 3 Ausl. 31/87 -- hatte der Senat dem Bundesgerichtshof in der Sache die Vorlegungsfrage zu 1) zur Entscheidung vorgelegt; das Verfahren erledigte sich allerdings seinerzeit durch Rücknahme des Auslieferungsersuchens.

III.

Nach Auffassung des Senats ist die Vorlegungsfrage zu 1) zu bejahen, die zu 2) zu verneinen.

1. Bereits in seinem Beschluss vom 29. Dezember 1987 -- 3 Ausl. 31/87 -- hat der Senat eingehend begründet, warum die in BGHSt 35, 67 vertretene Rechtsauffassung jedenfalls im Verhältnis zur Republik Österreich nicht zutrifft ...; dem hat sich der Generalbundesanwalt im Antrag vom 9. Mai 1988 -- B Ausl 1/88 -- ... angeschlossen. Ergänzend ist anzufügen, dass die in BGHSt 35, 67 vertretene Rechtsauffassung insbesondere für Art. 62 Abs. 1 SDÜ keine Geltung beanspruchen kann. Denn für die Auslegung des Begriffs "Unterbrechung" in Art. 62 Abs. 1 SDÜ darf nicht ohne weiteres das deutschrechtliche Verständnis zugrundegelegt werden. Vielmehr handelt es sich beim SDÜ mittlerweile um einen europäischen Besitzstand ("acquis communautaire"), für dessen Auslegung und Anwendung sämtliche Amtssprachen und Rechtsordnungen der Schengen-Staaten berücksichtigt werden müssen. In diesem Rahmen muss aber "Unterbrechung" -- engl. Interruption, frz. interruption, ital. sospensione -- weiter als im deutschrechtlichen Sinne verstanden werden. Insbesondere zeigt die italienische Fassung (sospensione, nicht interruzione -- vgl. Art. 159, 160 itStGB), dass unter Unterbrechungszeiten auch Zeiten verstanden werden können, in denen die Verjährung nicht weitergelaufen ist, die also im deutschrechtlichen Sirine nur Ruhenszeiten sind (ebenso Schomburg/Lagodny, a.a.O., Art. 62 SDÜ, Rdn. 1). Diese mit dem Wortlaut von Art. 62 Abs. 1 SDÜ vereinbare Auslegung ist nach Auffassung des Senats durch Sinn und Zweck der Vorschrift geboten. Zwar geht Art. 62 Abs. 1 SDÜ noch nicht so weit wie Art. 8 des (noch nicht in Kraft getretenen) Übereinkommens vom 27. September 1996 über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-AuslÜbk, ABl. EG vom 23. Oktober 1996 Nr. C 313 S. 11 ff., BGBl. 1998 II S. 2254), wonach nur das Verjährungsrecht des ersuchenden Staates maßgeblich ist (vgl. Grützner/Pötz, a.a.O., Teil III 25 -- in Ordner 4 -- S. 53 Fn. 69 zu Art. 62 Abs. 1 SDÜ). Jedoch zielt die Vorschrift darauf ab zu vermeiden, dass der flüchtige Verfolgte von günstigeren Verjährungsvorschriften im ersuchten Fluchtstaat profitiert, deren Anwendung ohnehin systemfremd ist, da das Auslieferungsverfahren kein eigentliches Strafverfahren ist (vgl. Grützner/Pötz, a.a.O., Teil II I 16 -- in Ordner 2 -- S. 61 Fn. 6 zu der wortgleichen Vorschrift in Art. III Abs. 1 des deutsch-italienischen Ergänzungsvertrages zum EuAIÜbk vom 24. Oktober 1979, BGBl. 1982 II S. 106; 1985 II S. 835). Dieser Gedanke muss allermindestens für Fälle der Flucht oder des Auslandsaufenthalts des Verfolgten und somit für solche verjährungshindernden oder -verlängernden Vorschriften des Rechts des ersuchenden Staates gelten, die an die Flucht ins oder an den Aufenthalt im Ausland anknüpfen; allerwenigstens solche Vorschriften sind in Art. 62 Abs. 1 SDÜ einzubeziehen, auch wenn sie im deutschrechtlichen Verständnis nur verjährungshemmende Wirkung haben.

2. In seinem Beschluss vom 29. Dezember 1987 -- 3 Ausl. 31/87 -- hat der Senat noch dazu geneigt, Unterbrechungen und sonstige Verlängerungen der Vollstreckungsverjährung nach dem Recht des ersuchenden Staates, sofern sie im deutschen Recht keine direkte Entsprechung haben, im Hinblick auf die Grenze des § 79 b StGB nur bis zum Eineinhalbfachen der deutschen Verjährungsfrist anzuerkennen ... . Hieran hält der Senat jedenfalls für Art. 62 Abs. 1 SDÜ nicht fest. Die Wendung, die Vorschriften des Rechts des ersuchenden Staats über die Unterbrechung der Verjährung seien "allein maßgeblich", spricht dafür, dass diese Vorschriften mit Vorrang vor dem übrigen Recht des ersuchten Staates angewendet werden müssen. Im übrigen statuiert § 79 b StGB nicht etwa eine "absolute" Grenze der Vollstreckungsverjährung. Vielmehr kann wegen des daneben anwendbaren § 79 a StGB das Eineinhalbfache der Vollstreckungsverjährungsfrist auch nach deutschem Recht durchaus überschritten werden, beispielsweise in Fällen langer Auslandshaft (§ 79 a Nr. 3 StGB). Ein weitergehendes Erfordernis "beidseitiger Hemmbarkeit" ist nach Auffassung des Senats jedenfalls im Rahmen des Art. 62 Abs. 1 SDÜ nach dessen eindeutigem Wortlaut ("allein maßgebend") nicht anzuerkennen.

3. Im Verhältnis zur Republik Österreich führt die vom Senat zugrundegelegte Rechtsauffassung zwar im Ergebnis dazu, dass rechtskräftige österreichische Strafurteile für die Dauer des Aufenthalts des Verurteilten in der Bundesrepublik Deutschland keiner weiteren Vollstreckungsverjährung unterliegen. Das beseitigt jedoch nicht schlechthin die Möglichkeit einer Vollstreckungsverjährung und berührt deshalb nicht rechtsstaatliche Elementargarantien oder den völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard, soweit zu ihnen überhaupt die Möglichkeit der Vollstreckungsverjährung zählen sollte (vgl. hierzu BGHSt 33, 26 [34]). Vielmehr zeigt der erwähnte Art. 8 EU-AuslÜbk, dass die rechtspolitische Entwicklung ohnehin dahin geht, das Verjährungsrecht des ersuchenden Staates für maßgeblich zu erachten.

Ende der Entscheidung

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