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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: 3 Ausl. 96/2000
Rechtsgebiete: IRG, EuAlÜbk


Vorschriften:

IRG Art. 11
IRG Art. 14 Abs. 3
EuAlÜbk § 8
EuAlÜbk § 73
1. Begehrt die Republik Türkei die Auslieferung des Verfolgten nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des nicht mit Todesstrafe bedrohten absichtlichen Mordes (Art. 448 TürkStGB), so droht dem Verfolgten wegen Art. 11, 14 Abs. 3 EuAlÜbk die Todesstrafe auch dann nicht, wenn die Tat Merkmale des mit Todesstrafe bedrohten qualifizierten Mordes (Art. 450 TürkStGB) aufweist (Fortführung von Senat, Justiz 2001, 198 = NStZ 2001, 447 [nur Leitsätze]).

2. a) Die Auslieferung eines Verfolgten, der psychisch erkrankt (hier: schizoaffektive Psychose oder gereizte Depression), deshalb real suizidgefährdet und im Regelvollzug nicht haftfähig ist, ist unzulässig, sofern begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er im ersuchenden Staat nicht entsprechend völkerrechtlichen Mindeststandards und elementaren rechtsstaatlichen Garantien behandelt werden und dass deshalb die Aktualisierung der Suizidgefahr drohen würde.

b) Der Inhalt der diesbezüglichen völkerrechtlichen Mindeststandards und der elementaren rechtsstaatlichen Garantien kann orientiert an Nr. 82 der Einheitlichen Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung von Strafgefangenen (Resolution 663C[XXIV] vom 31. Juli 1957) und Nr. 100 der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze des Ministerkomitees des Europarats (Empfehlung R[87]3 vom 12. Februar 1987) ermittelt werden.

c) Zur Vereinbarkeit der derzeitigen türkischen Praxis mit diesen Mindeststandards.


Tatbestand:

Dem Verfolgten, einem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden türkischen Staatsbürger, wird vorgeworfen, 1999 in der Republik Türkei eine Frau durch zwei Schüsse getötet zu haben. Deshalb ersucht die Republik Türkei um Auslieferung zur Strafverfolgung wegen "absichtlichen Mordes" gem. Art. 448 TürkStGB. Im Auslieferungsverfahren hat sich herausgestellt, dass der Verfolgte psychisch erkrankt, real suizidgefährdet und im Regelvollzug nicht haftfähig ist. Der Senat hat die Auslieferung für derzeit unzulässig erklärt.

Gründe:

II. (...) 2. (Es) besteht kein Auslieferungshindernis der drohenden Todesstrafe (Art. 11 EuAlÜbk, § 8 IRG). Da die Republik Türkei die Auslieferung des Verfolgten nur wegen nicht mit Todesstrafe bedrohten absichtlichen Mordes gem. Art. 448 TürkStGB begehrt, ist es gem. Art. 14 Abs. 3 i.V. mit 11 EuAlÜbk ausgeschlossen, den Verfolgten ohne Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland wegen qualifizierten Mordes gem. Art. 450 TürkStGB zum Tode zu verurteilen (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2001 unter II. 2. b] ee] [2] = Justiz 2001, 198 = NStZ 2001, 447 [nur Leitsätze]). Zwar hat das türkische Justizministerium von einer konkreten und fallbezogenen Zusicherung, dass die türkischen Behörden die Rechtslage ebenso sehen, abgesehen und statt dessen auf die Zusicherung des 3. Schwurgerichts B. verwiesen (...). Jedoch ist mittlerweile auf deutsch-türkischer Regierungsebene Einigkeit darüber erzielt worden, dass wegen Art. 14 EuAlÜbk die Einwilligung des ausliefernden Staats eingeholt werden muss, falls die neu qualifizierte Straftat zu einer Verurteilung der ausgelieferten Person mit einer höheren Strafe - insbesondere der Todesstrafe - führen würde (Nr. 1 a] i.V. mit Anhang 1 letzter Satz der Gemeinsamen Protokollnotiz zu dem Gespräch des Bundesministeriums der Justiz mit Vertretern des türkischen Justizministeriums am 07. Mai 2001 in Ankara). Weiterhin hat die türkische Nationalversammlung Art. 38 der türkischen Verfassung am 03. Oktober 2001 in der Weise geändert, dass die Todesstrafe nur mehr in Kriegszeiten, bei unmittelbar drohendem Krieg und bei terroristischen Straftaten verhängt werden darf. In Umsetzung hiervon wird derzeit eine Novellierung des Türkischen Strafgesetzbuchs vorbereitet, in der die Todesstrafe nicht mehr vorgesehen ist (s. Ministerkomitee des Europarats, Entscheidung 780/2.7. vom 16. Januar 2002 unter Nr. 4). Vor diesem Hintergrund hält es der Senat im vorliegenden Fall, der insbesondere keine Anhaltspunkte für einen terroristischen Hintergrund bietet, für praktisch ausgeschlossen, dass der Verfolgte in der Republik Türkei zum Tode verurteilt werden würde. (...)

5. Die Auslieferung ist aber wegen der psychischen Erkrankung des Verfolgten derzeit unzulässig.

a) Im Anschluss an das ausführliche und überzeugende psychiatrischen Gutachten, das der Ärztliche Direktor des Justizvollzugskrankenhauses H. (...) erstattet hat, geht der Senat davon aus, dass der Verfolgte psychisch erkrankt und deshalb derzeit real suizidgefährdet sowie im Regelvollzug nicht haftfähig ist. Nach dem Gutachten ist der Verfolgte seit vielen Jahren an einer endogenen, 1989 erstmals stationär behandelten und mittlerweile chronifizierten schizoaffektiven Psychose oder gereizten Depression erkrankt. Seit zwei Jahren besteht Suizidalität, die sich unter den Bedingungen der Haft mit einem hohen Risiko der Ausführung - erfahrungsgemäß zwischen 7 und 12 % - aktualisiert hat. Die Suizidgefahr, die im Stadium der Besserung am größten sein kann, kann mit bloßer Pharmakotherapie und im Regelvollzug mit den hieraus resultierenden sozialen Belastungs- und Anforderungsfaktoren nicht beherrscht werden. Daher ist der Verfolgte derzeit und auf absehbare Zeit haftfähig allein im Justizvollzugskrankenhaus unter den Bedingungen einer psychiatrischen Klinik. Die erforderliche Behandlung besteht in einer sechs bis acht Monate, im Einzelfall auch länger anhaltenden antidepressiven Akutbehandlung, einer anschließenden, mindestens sechs Monate anhaltenden Erhaltungstherapie und einer anschließenden prophylaktischen Langzeittherapie. Im einzelnen erforderlich sind Langzeitmedikation mit Einstellung und Blutbildkontrolle, psychotherapeutische Begleitung, ergo- und soziotherapeutische Maßnahmen und regelmäßige körperlich-internistische und neurologische Untersuchungen.

b) Der Senat sieht begründete Anhaltspunkte (BVerfG NStZ 1994, 492 [493]) dafür, dass der Verfolgte in der Republik Türkei nicht gemäß diesen Anforderungen behandelt werden würde.

aa) Allerdings hat das türkische Außenministerium (...) "Haftvollstreckung ... entsprechend dem ärztlichen Gutachten ... in dem Krankenhaus für Seelenkrankheiten M. in dem Teil für Verurteilte" in Aussicht gestellt. Jedoch bleibt unklar, ob sich dies auch auf die zunächst anstehende Untersuchungshaft bezieht. Der Wortlaut der Verbalnote ("Vollstreckung", "Verurteilte") spricht dagegen, zudem der Umstand, dass M. vom Gerichtsort B., der über ein Gefängnis des Typs E verfügt, immerhin 285 Straßenkilometer und fünfeinhalb Autostunden entfernt ist. Die Zweifel verstärken sich, wenn in der Verbalnote sodann - in deutlichem Widerspruch zu der zunächst in Aussicht gestellten Haftvollstreckung in einem Krankenhaus - angekündigt wird, im Falle einer Auslieferung würde der Verfolgte "in die geschlossene Haftanstalt M., Typ E eingeliefert".

bb) Der Vertrauensarzt der deutschen Botschaft teilt in seiner Ärztlichen Stellungnahme (...) mit, es sei theoretisch möglich, könne aber nicht garantiert werden, dass psychisch Kranke in türkischen Gefängnissen behandelt würden. Die Behandlung erfolge meist in der Weise, dass ein Facharzt aus einem nahegelegenen Krankenhaus zu Hilfe geholt oder der Häftling zur Untersuchung - nicht: Behandlung - in ein Krankenhaus gebracht werde. Der Beistand des Verfolgten will auf Rückfrage bei Strafverteidigern in A. und K. erfahren haben, dass ein türkischer Amtsarzt "völlig unabhängig vom Gutachten" eine Empfehlung zur Überstellung des Verfolgten abgegeben würde und der Erfahrung nach "praktisch immer" die Haftfähigkeit im gewöhnlichen Vollzug befürwortet werde.

Derartige Einschätzungen sind nicht aus der Luft gegriffen. Dies belegen die mit Zustimmung der türkischen Regierung veröffentlichten, teils mit deren Stellungnahme versehenen Berichte des Komitees des Europarats zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung über Besuche in der Türkei seit 1991. Hiernach war die psychiatrische Versorgung türkischer Gefangener im Jahr 1997 "manifestly insufficient" (CPT/Inf[2001]25 Nr. 36 für Bursa - wo die Stelle des Psychiaters nicht besetzt war - und Kartal - wo es keine solche Stelle gab und auch keine regelmäßigen Besuche eines Psychiaters stattfanden, aaO. Nr. 37, 38). Im September 2001 hatte sich daran nichts Wesentliches geändert (CPT/Inf[2002]8 Nr. 113 für Elazig, Sanhurfa und Van). Psychisch kranke Gefangene werden in der Regel nicht in psychiatrische Einrichtungen überstellt, sondern über längere Zeit in "discipline/observation units" untergebracht, die "totally unsuited to their state of health" sind (CPT/Inf[2001]25 Nr. 45 für Bursa und Kartal, CPT/Inf[2002]8 Nr. 114 für Elazig, Sanhurfa und Van). Bei den "discipline/observation units" handelt es sich um mit offenem Gitter abgeschlossene Arrestzeilen, in denen Gefangene 24 Stunden am Tag eingeschlossen werden. Ein solcher Einschluss betrifft auch und gerade psychisch Kranke (CPT/Inf[2002]8 Nr. 120) und Gefangene, welche Suizidversuche oder andere Autoaggressionen unternommen haben, die in der Türkei als Disziplinarvergehen gelten (aaO. Nr. 119). Alles das hat das Komitee seit Jahren mehrfach beanstandet, ohne dass sich die Praxis geändert hat (CPT/Inf[2001]25 Nr. 45; CPT/Inf[2002]8 Nr. 113). Die Republik Türkei hat die "observation units" u.a. mit der Überlegung verteidigt, es gelte, Simulanten zu erkennen (CPT/Inf[99]18 unter III. Institute of Forensic Medicine).

cc) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vom türkischen Außenministerium in Aussicht gestellte Sonderbehandlung des Verfolgten gemessen an der derzeitigen türkischen Praxis eine höchst unübliche Ausnahme wäre. Der Senat sieht Anhaltspunkte dafür, dass der Verfolgte als Untersuchungsgefangener in eine geschlossene Haftanstalt des Typs E, sei es in M., sei es am Gerichtsort B., eingeliefert, nicht aber in dem Teil für Verurteilte des psychiatrischen Krankenhauses M. untergebracht würde. Für diesen Fall sieht der Senat Anhaltspunkte dafür, dass die medizinisch gebotene Behandlung des psychisch kranken und suizidgefährdeten Verfolgten unterbleiben und sich die reale Suizidgefahr aktualisieren könnte.

c) Hieraus folgt, dass die Auslieferung derzeit unzulässig ist.

aa) Allerdings steht es der Auslieferung nicht schon entgegen, dass die Haftbedingungen im ersuchenden Staat nicht den deutschen entsprechen. Auch "sehr schwere Haftbedingungen" können erst, wenn sie über einen langen Zeitraum fortdauern, die Zulässigkeit der Auslieferung in Frage stellen (BVerfG, in: [Hrsg.] Eser/Lagodny/Wilkitzki, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2. Aufl., Nr. U 161 S. 557 [561]). Einen Grundsatz, dass Kranke nicht ausgeliefert werden dürfen, gibt es nicht (Vogler, in: Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 2. Aufl., Teil I A 2, § 73 Rdn. 24). Bloße Haft- oder Transportunfähigkeit stellt in der Regel nur ein Auslieferungsvollzugs-, nicht ein Auslieferungshindernis dar (Vogler aaO.; s. weiterhin Wilkitzki aaO. § 13 Rdn. 22 mit weit. Nachw. in Fn. 21). Jedoch müssen auch im Auslieferungsverkehr nach dem EuAlÜbk die gem. Art. 25 GG verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandards, die unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätze der Bundesrepublik Deutschland und die elementaren rechtsstaatlichen Garantien eingehalten werden, was nicht mit dem Maßstab des deutschen ordre public nach § 73 IRG gleichgesetzt werden darf (insoweit missverständlich Senat, NStZ 1987, 80 = GA 1987, 369 mit Bespr. Lagodny, NJW 1988, 2146 ff. und Vogler, in: R. Schmitt-FS, 1992, S. 387 ff.). Eine Verletzung solcher Mindeststandards und Elementargarantien ist vor allem bei im ersuchenden Staat drohender Lebensgefahr angenommen worden (zusammenfassend Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., § 73 Rdn. 100, 103, 106, je mit weit. Nachw.). So hat der Senat (aaO.) eine Auslieferung für unzulässig gehalten, wenn der Verfolgte wegen schwerer gesundheitlicher Schäden unbegrenzt haft- und transportunfähig ist, ständiger ärztlicher Behandlung und Kontrolle bedarf und die zwangsweise Durchführung der Auslieferung mit Lebensgefahr für ihn verbunden wäre (s. weiterhin den bei Wilkitzki, in: Grützner/Pötz aaO. Rdn. 22 in Fn. 21a berichteten Fall der Auslieferung nach Herzinfarkt des Verfolgten).

bb) Diese Grundsätze lassen sich auf Verfolgte übertragen, die psychisch erkrankt, deshalb real suizidgefährdet und im Regelvollzug nicht haftfähig sind. Ihre Auslieferung ist unzulässig, sofern begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie im ersuchenden Staat nicht entsprechend völkerrechtlichen Mindeststandards und elementaren rechtsstaatlichen Garantien behandelt würden und dass deshalb die Aktualisierung der Suizidgefahr drohen würde. Der Inhalt der diesbezüglichen völkerrechtlichen Mindeststandards und der elementaren rechtsstaatlichen Garantien kann orientiert an Nr. 82 der Einheitlichen Mindestgrundsätzen der Vereinten Nationen für die Behandlung von Strafgefangenen (Resolution 663C[XXIV] vom 31. Juli 1957 - im folgenden: Mindestgrundsätze) und Nr. 100 der Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen des Ministerkomitees des Europarats (Empfehlung R[87]3 vom 12. Februar 1987 - im folgenden: Strafvollzugsgrundsätze) ermittelt werden.

(1) Suizid ist in westlichen Gefängnissen die häufigste Todesursache (Walter, Strafvollzug, 2. Aufl., Rdn. 270 mit Nachw.). Daher ist Suizidprävention Elementarpflicht jeden rechtsstaatlichen Strafvollzugs (s. Bottke, Recht und Psychiatrie 11 [1993], 174 ff.). Dies gilt insbesondere bei psychisch erkrankten Gefangenen, deren sondere bei psychisch erkrankten Gefangenen, deren Handeln nicht selbstverantwortlich ist. Dabei ist zu beachten, dass psychische Erkrankungen im Gefängnis häufiger sind als in der Normalbevölkerung (Walter aaO. Rdn. 86 mit Nachw.). Auch jenseits der Suizidprävention ist die menschenwürdegemäße medizinische und psychiatrische Betreuung psychisch erkrankter Gefangener ein völkerrechtlicher Mindeststandard und eine rechtsstaatliche Elementargarantie. Umkehrt muss die menschenwürdewidrige Behandlung solcher Gefangener in manchen Staaten als wirkliche humanitäre Tragödie gelten.

(2) Der Inhalt der diesbezüglichen völkerrechtlichen Mindeststandards und der elementaren rechtsstaatlichen Garantien kann orientiert an Nr. 82 der Mindestgrundsätze bzw. an Nr. 100 der Strafvollzugsgrundsätze orientieren, die im wesentlichen gleichlautende Grundsätze für die Behandlung geisteskranker oder geistig abnormaler Gefangener enthalten. Zwar sind weder die Mindestgrundsätze noch die Strafvollzugsgrundsätze rechtlich bindende Instrumente, und nicht alle in ihnen enthaltenen Regeln können überall und jederzeit gleichermaßen bindend sein (Nr. 2 Satz 1 Mindestgrundsätze). In der Sache geben sie gleichwohl "Minimalbedingungen" (Nr. 2 Satz 2 letzter Halbsatz Mindestgrundsätze) bzw. "Mindeststandards" (Präambel lit. a Strafvollzugsgrundsätze) wieder, deren Einhaltung von den Vereinten Nationen bzw. vom Europarat erwartet wird und die einem "allgemeinen Konsens" (Nr. 1 Mindestgrundsätze) entsprechen. Insbesondere die Strafvollzugsgrundsätze tragen - zusammen mit der EMRK, dem Europaratsübereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung vom 26. November 1987 und der Praxis des erwähnten Komitees zur Verhütung von Folter - entscheidend zur Entstehung eines europäischen Mindeststandards im Strafvollzug bei (näher Schomburg/Lagodny aaO. § 73 Rdn. 99a mit weit. Nachw.). Nach Nr. 82 Abs. 2 bzw. Nr. 100 Abs. 2 der Mindest- bzw. Strafvollzugsgrundsätze müssen bzw. sollen psychisch kranke oder abnormale Gefangene in spezialisierten Einrichtungen unter medizinischer Leitung beobachtet und behandelt werden. Sie dürfen mit anderen Worten nicht im Regelvollzug belassen und erst recht nicht einem verschärften Disziplinarvollzug unterworfen werden. Nach Nr. 82 Abs. 4 bzw. Nr. 100 Abs. 3 der Mindest- bzw. Strafvollzugsgrundsätze muss der medizinische oder psychiatrische Dienst der Vollzugseinrichtungen eine psychiatrische Behandlung behandlungsbedürftiger Gefangener gewährleisten. Mit anderen Worten genügt es nicht, in unregelmäßigen Abständen für Untersuchungen durch externe Psychiater zu sorgen. Und nach Nr. 82 Abs. 2 Mindestgrundsätze müssen psychisch kranke oder abnormale Gefangene unter die besondere Überwachung eines Arztes gestellt werden. Mit anderen Worten genügt die Überwachung durch nichtärztliches Haftpersonal nicht.

cc) Ein Vergleich dieser Mindeststandards mit der oben II. 5. b) bb) geschilderten türkischen Praxis ergibt, dass diese jenen nicht gerecht wird.

Ende der Entscheidung

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