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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 23.08.2006
Aktenzeichen: 3 U 103/05
Rechtsgebiete: VOB/A, BGB


Vorschriften:

VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1b
VOB/A § 25 Nr. 5
BGB § 133
BGB § 150 Abs. 2
BGB § 242
1. Ein Sondervorschlag oder Nebenangebot eines Bieters welches den inhaltlichen und formellen Anforderungen des § 21 Nr. 1 und 2 VOB/A widerspricht, ist nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A zwingend von der Wertung ausgeschlossen.

2. Die Bestimmung des § 25 VOB/A dient vor allem dem Schutz des Auftraggebers und nicht des Bieters, der ein zu niedriges Angebot erstellt hat, so dass dieser sich grundsätzlich nicht darauf berufen kann, sein Angebot hätte zwingend ausgeschlossen werden müssen.

3. Wenn der Auftraggeber nicht nur ein zwingend auszuschließendes Gebot berücksichtigt, sondern darüber hinaus gleichzeitig einem Bieter den Zuschlag erteilt, der vor der Auftragserteilung auf einen Kalkulationfehler und Erklärungssirrtum hingewiesen hat, kann ein widersprüchliches Verhalten vorliegen, welches ihn nicht berechtigt, von dem die Auftragserfüllung verweigernden Bieter Schadensersatz zu verlangen.

4. Vorausssetzung hierfür ist allerdings, dass ein offensichtlicher Fehler vorliegt, der so gewichtig ist, dass dem sich auf einen Kalkulationsirrtum berufenden Bieter ein Festhalten an seinem Angebot nicht zugemutet werden kann und, dass er von sich aus sämtliche Unterlagen an den Auftraggeber übermittelt, aus welchen sich der Kalkulationsfehler ermitteln lässt.


Oberlandesgericht Stuttgart 3. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 3 U 103/05

Verkündet am 23. August 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 02. August 2006 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Kober Richter am Oberlandesgericht Dr. Ottmann Richter am Oberlandesgericht Herrmann

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Stuttgart vom 26.04.2005 (Az.: 15 O 491/04) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 232.304,50 €

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung im Zusammenhang mit der Vergabe von Bauleistungen (Bau der Zipfelbachtalbrücke) im Zuge des Neubaus der B 14 bei Winnenden. Das entsprechende Bauwerk wurde im Dezember 2001 vom Straßenbauamt Schorndorf im Namen und für Rechnung der Klägerin zur Vergabe nach der VOB/A öffentlich ausgeschrieben. Mit Schreiben des Straßenbauamts Schorndorf vom 14.05.2002 (Anlage K 4/Bl. 16 d. A.) erteilte die Klägerin der Beklagten auf einen Sondervorschlag 01 vom 27.02.2002 (Anlage K 2a/Bl. 52 d. A.) den Zuschlag für die ausgeschriebenen Arbeiten. Die Erfüllung des Auftrages hat die Beklagte mit Schreiben vom 23.05.2002 (Anlage K 6/Bl. 18 d. A.) abgelehnt, weil nach ihrer Auffassung kein Vertrag zustande gekommen sei und hat darüber hinaus ihr Angebot mit Schreiben vom 05.04.2002 (Anl. B 2/Bl. 42 d.A.) wegen Irrtums angefochten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, zwischen den Parteien sei kein wirksamer Vertrag zustande gekommen, da zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung am 14.05.2002 kein Angebot der Beklagten mehr vorlag, welches die Klägerin hätte annehmen können. Die Beklagte sei an ihr Angebot vom 27.02.2002 nicht gebunden gewesen, da dieses nicht annahmefähig und zwingend von der Wertung auszuschließen gewesen sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie rügt in erster Linie eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Landgerichts.

Das Landgericht verkenne, dass ein Ausschluss des Sondervorschlages der Beklagten wegen fehlender Preisangaben nicht zwingend gewesen sei. Ein solcher habe vielmehr im Ermessen der Vergabestelle gestanden, was sich aus den Bewerbungsbedingungen sowie der herrschenden Meinung zur Soll-Vorschrift des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A ergebe. In Ziff. 4.5 der Bewerbungsbedingungen werde der Vergabestelle ein Ermessen bei dem Ausschluss von Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen, die den in Ziff. 4.1 bis 4.4 genannten Anforderungen nicht entsprächen, eingeräumt. Diese Regelung in den Bewerbungsbedingungen gehe der gesetzlichen Regelung des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A vor.

Ein Ausschluss des Sondervorschlages der Beklagten sei weder aus Gründen des Wettbewerbs noch wegen fehlender Auskömmlichkeit des Angebots geboten gewesen, wie sich bereits bei einer überschlägigen Vergleichsberechnung zwischen dem Sondervorschlag und dem Hauptangebot der Beklagten ergebe.

Vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2003 (BGHZ 154, 32) sei auch unabhängig von der Regelung in Ziff. 4.5 der Bewerbungsbedingungen ein Ausschluss wegen Unvollständigkeit des Angebots nach der damals herrschenden Meinung nicht geboten gewesen. Die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne erst nach einer Übergangszeit angewendet werden. Des weiteren würden in den Kommentierungen und Entscheidungen Nebenangebote ohnedies nicht behandelt. Bei Nebenangeboten trage der Bieter nicht nur das Risiko der Ausführbarkeit seines Vorschlages, sondern auch das Massenrisiko und damit das Risiko der Auskömmlichkeit der angebotenen Pauschale. Die einem Nebenangebot zugrunde liegenden Kalkulationen des Bieters für die Wertung der Angebote im Hinblick auf deren Wirtschaftlichkeit seien ohne Interesse. Die von der Beklagten bewusst unterlassene Nachreichung von Preisangaben sei daher sowohl für die Bestimmung der Bieterreihenfolge und der Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes als auch für sonstige Belange der Klägerin irrelevant gewesen.

Zu Unrecht habe das Landgericht eine fehlende Annahmefähigkeit des Angebotes der Beklagten angenommen. Die Argumentation des Bayerischen Obersten Landesgerichts, auf dessen Entscheidung (VergabeR 2002, 252) das Landgericht seine Auffassung stütze, sei rechtlich nicht haltbar. Ausreichend sei, dass ein Vertragsangebot nach seinem Inhalt derart bestimmt sein muss, dass die Annahme durch einfaches "Ja" erfolgen könne. Dem entspreche der Sondervorschlag der Beklagten. Auch im Rahmen eines Vergabeverfahrens gelte die Regelung des Allgemeinen Teils des BGB. Eine Rechtskategorie der vergaberechtlichen Annahmefähigkeit gebe es demgegenüber nicht. Selbst eine Verletzung von Vergabevorschriften, die lediglich subjektiv-öffentliche Rechte begründeten, bleibe zivilrechtlich grundsätzlich folgenlos und stehe einer Erteilung des Zuschlages und damit einem zivilrechtlichen Vertragsabschluss nicht entgegen.

Die Klägerin bestreitet schließlich, dass der Beklagten bei der Erstellung des Nebenangebots zu den Pos. 04.01.0001 und 0004 Übertragungsfehler unterlaufen seien. Auch der behauptete Kalkulationsfehler sei nicht nachvollziehbar. Ein derartiger Kalkulationsirrtum sei im Übrigen auch unbeachtlich.

Die Klägerin beantragt,

1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.04.2005 wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 142.304,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2002 zu zahlen. 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die über den in Ziff. 2 genannten Betrag hinausgehenden Mehrkosten für das Bauvorhaben Neubau B 14 bei Winnenden, BW 4, Zipfelbachtalbrücke zu ersetzen, die daraus entstanden sind und entstehen werden, dass der Auftrag an die Baugesellschaft X und nach deren Insolvenz von der Y weitergeführt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Sie vertritt die Auffassung, der Sondervorschlag der Beklagten sei bereits wegen fehlender Preisangaben ausgeschlossen gewesen. Die Meinung der Klägerin, wonach eine Annahme des Angebots in ihrem Ermessen gestanden habe, sei unzutreffend. Nach ganz herrschender Meinung sei ein Angebot, welchem die geforderten Erklärungen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A fehlen, zwingend nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOV/A von der Wertung auszuschließen. Dies sei auch bereits im Jahr 2002 nach herrschender Meinung der Fall gewesen. Dass in den Kommentaren und Entscheidungen Nebenangebote nicht gesondert behandelt würden, lasse einzig den Schluss zu, dass diese nicht anders zu behandeln seien, als Hauptangebote.

Schließlich habe das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt, dass das Angebot der Beklagten überhaupt nicht annahmefähig gewesen sei.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.

Der Senat hat durch Beweisbeschluss vom 21.12.2005 (Bl. 182/184 d.A.) die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Frage, wie der Sondervorschlag der Beklagten aus Sicht eines bauerfahrenen Auftraggebers in technischer Hinsicht zu verstehen gewesen sei, angeordnet. Der Sachverständige Prof. Dr. X hat am 15.05.2006 (Bl. 221/263 d.A.) ein schriftliches Gutachten erstattet und dieses am 30.06.2006 (Bl. 288/303 d.A.) auf Nachfragen und Einwendungen der Klägerin hin ergänzt.

II.

Die in zulässiger Weise eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach nicht gegeben ist. Ein solcher ist zwar nicht bereits schon deshalb zu verneinen, weil die Klägerin den Sondervorschlag der Beklagten zwingend von der Wertung hätte ausschließen müssen. Nach dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens steht aber zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass eine wirksame Annahme des Sondervorschlags der Beklagten im Sinne der §§ 145 ff. BGB durch die Klägerin nicht erfolgt ist.

1.

a) Der Sondervorschlag der Beklagten vom 27.02.2002 (Anlage K 2a/Bl. 52 d. A.) widersprach den inhaltlichen und formellen Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A und war nach § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A von der Wertung im Vergabeverfahren ausgeschlossen. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A sollen Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten. Diese Bestimmung liegt im Sinne eines echten Wettbewerbs, in dem sie speziell der leichteren Vergleichbarkeit der Angebote durch den Auftraggeber dienen soll. Sie besagt im Kern, dass das Vertragsangebot klar, vollständig und in jeder Hinsicht zweifelsfrei sein soll (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 15. Aufl., § 21 VOB/A Rn. 7; Heiermann/Riedel/Rusam, VOB, 10. Aufl., § 21 VOB/A Rn. 6). In Rechtsprechung und Literatur wird übereinstimmend vertreten, der Formulierung des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A sei zu entnehmen, dass die Angebote die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten müssen (vgl. Ingenstau/Korbion, § 21 VOB/A Rn. 8; Heiermann/Riedel/Rusam, § 21 VOB/A Rn. 7, § 25 VOB/A Rn. 125; BGHZ 154, 32; VergabR 2005, 617; BayObLG VergabeR 2002, 75). Fraglich ist lediglich, ob das Fehlen derartiger Angaben zwingend zum Ausschluss des Angebots nach § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A führt. Die Kommentarliteratur vertritt insoweit eine differenzierende Meinung, wonach ein Ausschluss des Angebots nicht zwingend ist, sondern eine Prüfung voraussetze, ob das Angebot sich deswegen nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Wertung eigne. Habe das Fehlen geforderter Angaben oder Erklärungen keinen Einfluss auf den Wettbewerb und die Eindeutigkeit des Angebotsinhaltes, so bestehe kein Anlass, das Angebot von vorneherein auszuschließen (vgl. Heiermann/Riedel/Rusam, § 21 VOB/A Rn. 7; § 25 VOB/A Rn. 125; Ingenstau/Korbion, § 21 VOB/A Rn. 8). Dem gegenüber hat der BGH (BGHZ 154, 32; VergabeR 2005, 617; bereits auch schon NJW 1998, 3634; ebenso BayObLG, VergabeR 2002, 252; OLG Hamburg, IBR 2004, 502; OLG Düsseldorf, IBR 2001, 75) entschieden, dass nach dem Wortlaut des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A der öffentliche Auftraggeber bei Vorliegen der dort aufgestellten Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe hat, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen. Der Ausschlusstatbestand des § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A ist daher auch nicht etwa erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Verfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordert, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belasten, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen (vgl. BGHZ 154, 32; VergabeR 2005, 617; BauR 2005, 1620).

b) Diese Grundsätze können auch auf sog. Nebenangebote oder Änderungsvorschläge übertragen werden, da insoweit nichts anderes gelten kann. Diese sind nach § 25 Nr. 5 VOB/A zulässig, soweit sie nicht vom Auftraggeber ausgeschlossen wurden, was vorliegend nicht der Fall ist. Auch Nebenangebote oder Änderungsvorschläge müssen so gestaltet sein, dass der Auftraggeber ohne besondere Schwierigkeiten in der Lage ist, die erforderliche Wertung vorzunehmen, vor allem durch Vergleich mit den entsprechenden Hauptpositionen. Zu beachten ist weiter, ob die betreffenden Änderungsvorschläge oder Nebenangebote wegen des Preises von der im Hauptangebot vorgesehenen oder verlangten Vergütungsart abweichen, ob z. B. insoweit statt eines Einheitspreises eine Pauschale oder ob statt des bisher vorgesehenen Leistungsvertrages auf eine Stundenlohnvergütung ausgewichen werden soll. Zu beachten ist auch, ob und in wie weit die Mengenangaben im Bereich von Einheitspreisverträgen im Verhältnis der bisherigen für das Hauptangebot maßgebenden Leistungsbeschreibung zu den Änderungsvorschlägen und/oder Nebenangeboten übereinstimmen oder ob sie von einander abweichen und dann vor allem aus welchen Gründen (vgl. Ingenstau/Korbion, § 25 VOB/A Rn. 89; Heiermann/Riedel/Rusam, § 25 VOB/A Rn. 88 ff.).

c) Die Bewerbungsbedingungen der Klägerin verlangen in Ziff. 4.4 bei Abgabe von Nebenangeboten, soweit diese Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen ("ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern"), diese nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Während die Beklagte in ihrem Hauptangebot bzgl. der Positionen 4.01.0001 bis 4.01.0004 jeweils m²-Preise auswies und durch Multiplikation der entsprechenden Mengen mit dem m²-Preis zum Positionspreis gelangte, enthält das Nebenangebot bzgl. der entsprechenden Positionsnummern jeweils die Mengenangabe "1 m²" sowie einen Pauschalpreis, so dass sich jeweils der entsprechende Pauschalpreis als Gesamtpositionsbetrag ergibt (z. B. Pos. 4.01.0001: 1 m² x 20.646,00 = 20.646,00 €). Da sich die Beklagte auf Nachfrage weigerte, ihre Mengenansätze und Einheitspreise gegenüber der Klägerin offen zu legen, hat die Klägerin von sich aus diese Positionen dahingehend abgeändert, dass statt der Bezeichnung "1 m²" eingesetzt wurde "1 Pauschale". Die vom Leistungsverzeichnis geforderte Aufschlüsselung nach Mengenansätzen und Einzelpreisen durch den Bieter war damit nicht mehr gegeben. Wie die Klägerin durch ihre Interpretation des Sondervorschlags zu diesen Punkten selbst einräumen muss, handelt es sich hier nicht nur um die Korrektur eines unwesentliches Schreibversehens (etwa die Verwendung von "m²" statt "m³"), sondern um die Ergänzung einer für die Preisbildung wesentlichen Angabe der Beklagten. Bereits die Diskrepanz zwischen den Endpreisen der einzelnen Positionen im Hauptangebot und in dem Sondervorschlag zeigt, dass die vorgenommenen Änderungen durch die Straßenbauverwaltung, die in allen Positionen einfach die Mengenangabe "1" einsetzte, schon alleine aufgrund der daraus resultierenden Differenzen bei den Endpreisen zu einer völlig anderen Größenordnung der einzelnen Positionen führte. Damit ein Angebot gewertet werden kann, ist jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird (vgl. BGH BauR 2005, 1620). Das unvollständige und widersprüchliche Gebot der Beklagten hätte daher zwingend ausgeschlossen werden müssen, spätestens nachdem sich diese weigerte, die erforderlichen Erklärungen und Klarstellungen abzugeben. Für andere Bieter war die Transparenz des Verfahrens damit nicht mehr gegeben, da ohne Kenntnis der Kalkulationsgrundlagen der Beklagten nach außen nicht mehr ohne weiteres nachvollziehbar war, inwieweit die von der Klägerin angebrachten Korrekturen tatsächlich noch dem Angebot der Beklagten entsprachen. Die konkrete Gefahr eines Wettbewerbsnachteils für andere Teilnehmer aufgrund fehlender Vergleichbarkeit der Angebote war damit eröffnet (vgl. BGH, NJW 1998, 3634).

d) Nachdem die Klägerin als öffentliche Hand das Vergabeverfahren zwingend nach der VOB/A durchzuführen hatte (vgl. Ingenstau/Korbion, Einl., Rn. 101), steht ihr bzgl. der Frage, ob ein Angebot zwingend von der Wertung auszuschließen ist, auch kein Ermessen zu, selbst wenn die Regelung in Ziff. 4.5 der Bewerbungsbedingungen so verstanden werden könnte. Die Auslegung dieser Regelung im Kontext mit den gesamten Vergabebedingungen, insbesondere durch die pauschale Einbeziehung der VOB/A ergibt, dass dadurch nur solche Entscheidungen gemeint sein können, für welche die VOB/A keine zwingenden Regelungen enthält.

e) Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht bereits deshalb abzulehnen, weil die Zuschlagserteilung an die Beklagte trotz Vorliegens eines zwingend auszuschließenden Gebots und in Kenntnis eines Kalkulationsirrtums der Beklagten erfolgte und damit gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen hätte.

Die Bestimmung des § 25 VOB/A dient vor allem dem Schutz des Auftraggebers und nicht des Bieters, der ein zu niedriges Angebot erstellt hat (vgl. OLG Naumburg, OLGR 2005, 224; OLG Köln, NJW 1985, 1475), so dass dieser sich grundsätzlich nicht darauf berufen kann, sein Angebot hätte zwingend ausgeschlossen werden müssen (vgl. BGH, NJW 1980, 180; OLG Köln, a.a.O.). Der in § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A angeordnete Ausschluss soll darüber hinaus im Sinne eines echten Wettbewerbs vor allem auch den Interessen der unterlegenen Bieter im Hinblick auf eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des erteilten Zuschlags dienen (vgl. BGH, NJW 1998, 3634). Wenn der Auftraggeber nicht nur ein zwingend auszuschließendes Gebot berücksichtigt, sondern darüber hinaus gleichzeitig einem Bieter den Zuschlag erteilt, der vor der Auftragserteilung auf einen Kalkulationsfehler und Erklärungsirrtum hingewiesen hat, kann allerdings ein widersprüchliches Verhalten vorliegen, welches ihn nicht berechtigt, von dem die Auftragserfüllung verweigernden Bieter Schadensersatz zu verlangen. Der Bieter ist mit erfolgter Eröffnung der Angebote grundsätzlich an sein Angebot bis zum Ablauf der Bindefrist gebunden. Im allgemeinen kann diese Wirkung nur noch im Wege der Anfechtung beseitigt werden. Da sich der Ausschreibende darauf verlassen darf, dass der Bieter nach einer von ihm für zutreffend erachteten Berechnungsweise den Preis ordnungsgemäß kalkuliert hat, trägt der Bieter das alleinige Risiko der Kalkulation (vgl. BGH, NJW 1998, 3192; OLG Nürnberg, NJW-RR 1998, 595; OLG Köln, NJW 1985, 1475; Ingenstau/Korbion, § 19 VOB/A Rnr.27; Heiermann/Riedel/Rusam, § 19 VOB/A Rnr. 14). Eine andere Beurteilung ist aber dann geboten, wenn das Angebot durch einen dem Auftraggeber rechtzeitig bekannt gewordenen Rechenfehler unrichtig ist. In diesem Fall darf der Auftraggeber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dem Bieter den Zuschlag nicht erteilen und diesen dadurch zur Durchführung des Auftrags zu einem auf einer Fehlkalkulation beruhenden Niedrigpreis zwingen (vgl. OLG Köln, OLG Naumburg, OLG Nürnberg; jew. a.a.O.). Dasselbe gilt dann, wenn der Auftraggeber das Angebot zunächst aus formalen Gründen beanstandet und der Bieter daraufhin einen Fehler in seiner Kalkulation entdeckt und an seinem bisherigen Angebot nicht mehr festhalten will. Wie sich aus der Gesprächsnotiz des Oberbaurats X vom 27.03.2002 (Anl. K 3/Bl. 15 d.A.) ergibt, hat die Beklagte auf die Aufforderung der Straßenbauverwaltung Schorndorf hin, die Mengenangaben in ihrem Sondervorschlag zu überprüfen, erklärt, es liege eine fehlerhafte Mengenberechnung vor, weshalb der Sondervorschlag von der Wertung ausgeschlossen werden solle. Gleichzeitig hat sich die Beklagte geweigert, die fehlenden Mengen- und Preisangaben mitzuteilen. Im Hinblick auf die Rechtssicherheit und um Missbräuchen vorzubeugen, genügt allerdings das objektive Vorliegen eines Kalkulationsfehlers nicht. Der Auftraggeber muss den Fehler vielmehr erkannt haben und der Fehler muss so gewichtig sein, dass dem Bieter ein Festhalten an seinem Angebot nicht zugemutet werden kann. Dazu hätte es der Beklagten oblegen, hierzu auch ohne Aufforderung von sich aus sämtliche Unterlagen an die Klägerin zu übermitteln, aus welchen sich die von ihr angegebenen Kalkulationsfehler ermitteln lassen (OLG Nürnberg, a.a.O.). Dies ist vorliegend nicht geschehen, so dass sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen kann, die Klägerin habe durch die Auftragserteilung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen.

2.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ist aber deshalb zu verneinen, weil keine rechtswirksame Annahme des Sondervorschlags im Sinne der § 145 ff. BGB feststellbar ist. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Der Empfänger darf der Erklärung nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beimessen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 133 Rn. 9). Nach den Ausführungen unter 1.) musste die Klägerin auf Grund ihrer Ausschreibungsunterlagen und des Inhalts des abgegebenen Hauptangebotes der Beklagten erkennen, dass die Angaben im Sondervorschlag der Beklagten zu den streitigen Positionen offensichtlich unvollständig oder fehlerhaft waren. Deshalb bestand auf Seiten der Klägerin ja auch Nachfragebedarf, was sich aus der Aktennotiz des Oberbaurates X vom 27.03.2002 (Anlage K 3/Bl. 13 d. A.) ergibt. Nachdem die Beklagte zu diesem Zeitpunkt offenbar gemerkt hatte, dass ihrem Angebot ein Kalkulationsfehler zu Grunde lag und sie deshalb bestrebt war, aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden, hat sie gegenüber der Straßenbauverwaltung die Erteilung weiterer Informationen, insbesondere die Aufgliederung der pauschalierten Teilleistungen nach Mengen und Preisen verweigert. Das eingeholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass der Sondervorschlag der Beklagten nicht ausschließlich in der von der Klägerin behaupteten Weise verstanden werden konnte.

Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten, welches der Senat für nachvollziehbar und überzeugend erachtet, zu dem Ergebnis, dass die Darstellung der Beklagten, insbesondere zu der Position 04.01.001 des Sondervorschlages sei die Angabe von Multiplikatoren vergessen worden, plausibel sei. Insbesondere durch Vergleich der entsprechenden Schalungsflächen im Hauptangebot und im Sondervorschlag sei logisch nachvollziehbar, dass sich die aus dem Sondervorschlag ergebenden Schalungsmengen zu niedrig angesetzt seien. Bezüglich der Schalung Widerlager habe das Hauptangebot eine Gesamtfläche der Widerlager von 1.380m² zu einem Gesamtpreis von 90.362,40 € umfasst, während der Sondervorschlag lediglich einen Preis von 20.646,00 € aufwies. Nachdem es sich um insgesamt vier Widerlagerbauteile handle, sei der von der Beklagten behauptete Multiplikator von n=4 logisch nachvollziehbar, da sich daraus unter Heranziehung des angegebenen Preises von 20.646,00 € eine ähnliche Größenordnung wie im Hauptangebot ergäbe. Dass der Sondervorschlag auf der Verwendung von vier Widerlagerbauteilen beruhte, ergebe sich aus den Bauwerksplänen. Bezüglich der Schalung Überbau (Pos.04.01.004) sei im Hauptangebot eine Gesamtfläche für den Überbau von 11.350m² mit einem Preis von 214.515,00 € angegeben. Der Sondervorschlag beziehe sich auf zwei Überbauteile. Unter Berücksichtigung der Behauptung der Beklagten, hier sei ein Multiplikator von n=2 vergessen worden, ergäbe sich ein Preis von 732.155,88 €. Berücksichtige man hier den Vergrößerungsfaktor der Schalungen zwischen Sondervorschlag und Hauptangebot, so würde sich logisch ein Sondervorschlagspositionspreis von 257.418,00 € ergeben. Die Behauptung der Beklagten erscheine insoweit also nicht als logisch nachvollziehbar.

Die Positionsangaben seien daher - entgegen der Behauptung der Klägerin - nicht zwingend als Pauschalierungspreise anzusehen. Inhaltlich handle es sich bei allen vier streitgegenständlichen Positionen um fehlerhafte Angaben, welche sich selbst mit der inzwischen von der Beklagten erklärten Richtigstellung nicht schlüssig nachvollziehen lassen. Ob es sich dabei um Schreibfehler, Übertragungsfehler oder aber die Einsetzung (überhöhter) Einheitspreise handle, sei nicht sicher feststellbar. Jedenfalls sei nach Auffassung des Sachverständigen die Auslegung der Klägerin, die Positionen als Pauschalierungspreise anzusehen, nicht zwingend. Der Sachverständige hat weiter erklärt, er selbst hätte als bauerfahrener Experte in Anbetracht der unkalkulierbaren Risiken dieses Nebenangebot nicht beauftragt, da bei den denkbaren Interpretationen und den entsprechenden Korrekturen der denkbaren Fehler ein offensichtliches Missverhältnis von Leistung und Preis bestehe.

Der Erteilung des Zuschlages unter Abänderung der gewählten Mengenbezeichnungen der Beklagten lag damit eine Interpretation durch die Klägerin zugrunde, die nicht identisch mit dem Erklärungswert des Angebots der Beklagten nach objektivem Empfängerhorizont war. Die Klägerin hat das mehrdeutige Nebenangebot vielmehr in dem ihr günstigsten Sinn ausgelegt. Die Zuschlagserteilung stellt daher eine Ablehnung des Angebots der Beklagten und gleichzeitig einen neuen Antrag der Klägerin im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB dar, welcher von der Beklagten nicht akzeptiert wurde. Ein Vertragsabschluss kam daher nicht zustande. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung ist nicht gegeben.

3.

Auf die Frage, ob die Beklagte ihren Sondervorschlag vom 22.02.2002 durch Erklärung vom 05.04.2002 (Anlage B 2/Bl. 42 d. A.) rechtzeitig und wirksam angefochten hat, kommt es im Ergebnis nicht mehr an.

4.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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