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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 13.11.2002
Aktenzeichen: 3 U 19/02
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 131 Abs. 1
InsO § 133 Abs. 1
1. Führt die Leistung des Schuldners zu einer inkongruenten Deckung, liegt darin regelmäßig ein Indiz für den Vorsatz des Schuldners, seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen - § 131 Abs. 1 Satz 1 InsO.

2. Eine Leistung, die der Schuldner auf eine fällige Forderung zur Vermeidung einer drohenden Zwangsvollstreckung gewährt hat, stellt eine inkongruente Deckung dar (BGH Urteil vom 11. 04. 2002 - IX ZR 211/01, WM 02, 1193 = ZIP 02, 1159). Doch gilt dies nur dann, wenn die Leistung in den von § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfassten 3 - Monatszeitraum vor Verfahrenseröffnung fällt. Hat der Schuldner früher geleistet, führt dies ebenso wenig zu einer inkongruenten Deckung wie eine Sicherung oder Befriedigung, die der Gläubiger vor der genannten Frist im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt.


Oberlandesgericht Stuttgart - 3. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 3 U 19/02

verkündet am: 13.11.2002

In Sachen

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 23.10.2002 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Richter, des Richters am OLG Oechsner sowie des Richters am OLG Schabel

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das vom Vorsitzenden der 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart als Einzelrichter erlassene Urteil vom 21.12.2002 teilweise abgeändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Masse 3.579,04 € (7.000,-- DM) zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz seit dem 05.07.2001 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 95 % und das beklagte Land 5 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das beklagte Land kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil für den Kläger vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils durch ihn zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil (Ziff. 2.) für das beklagte Land vollstreckbaren Betrages, wenn jenes nicht zuvor Sicherheit leistet in Höhe von 110% des jeweils von ihm zu vollstreckenden Betrags.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 78.193,88 € bis zur teilweisen Berufungsrücknahme im Termin vom 23.10.2002; danach: 61.622,85 €:

Tatbestand:

Auf Antrag der AOK vom 18.12.2000 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 1.3.2001 über das Vermögen der Firma F Transport + Logistik GmbH (im folgenden: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Dieser verlangt mit der Klage die Rückzahlung solcher Zahlungen, welche die Schuldnerin in nach Meinung des Klägers anfechtbarer Weise an das Finanzamt Ludwigsburg erbracht hat.

Letzteres hatte zunächst am 22.12.1999 eine Pfändungsverfügung gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin, Hans-Georg F, wegen von diesem persönlich geschuldeter rückständiger Steuern erlassen. Gegenstand der Pfändung bildete dessen Anspruch auf Gehalt gegen die Schuldnerin (vgl. Pfändungsverfügung - Anl. K 5 sowie Aufforderung zur Drittschuldnererklärung - Anl. K 6). Als Drittschuldnerin zahlte die Schuldnerin am 20.05.2000 10.000,00 DM sowie am 17.07. und 15.09.2000 jeweils weitere 3.000,00 DM.

Am 18.4.2000 kam es wegen rückständiger Steuern, welche die Schuldnerin selbst schuldete, zu einer (wohl mündlich abgeschlossenen) Zahlungsvereinbarung zwischen den Parteien. Darin verpflichtete sich die Schuldnerin, auf die rückständigen Steuern 50.000,00 DM sofort sowie Raten in Höhe von jeweils 12.500,00 DM in den Monaten Mai, Juni und Juli und den Restbetrag im August 2000 zu zahlen. In Erfüllung dieser Vereinbarung zahlte die Schuldnerin an das Finanzamt am 25.4.2000 50.000,00 DM und am 20.5.2000 12.500,00 DM.

Nachdem weitere Zahlungen ausblieben, erließ das Finanzamt am 1.8.2000 eine Pfändungsverfügung auch gegen die Schuldnerin. Darauf meldete sich für diese Rechtsanwalt M und bat mit Schreiben vom 8.8.2000 (Anl. K 11) um Vollstreckungsaufschub u.a. mit Hinweis auf von der Schuldnerin erbrachte Vorauszahlungen auf Umsatz- und Lohnsteuer in Höhe von insgesamt 44.023,81 DM.

Diesen Vollstreckungsaufschub gewährte das Finanzamt am 9.8.2000 (Anl. K 12) knüpfte ihn aber an die Bedingung, dass ab 15.9.2000 monatlich 7.000,00 DM zur Tilgung der Steuerschulden (im Schreiben als "Altschulden" bezeichnet) der Schuldnerin und 3.000,00 DM zur Tilgung der persönlichen Steuerschulden ihres Geschäftsführers gezahlt würden. In Erfüllung dieser Vereinbarung zahlte die Schuldnerin an das Finanzamt am 15.9.2000 10.000,00 DM (7.000,00 DM auf eigene und die schon angesprochenen 3.000,00 DM auf Steuerschulden ihres Geschäftsführers) und am 7.11.2000 weitere 7.000,00 DM wiederum auf eigene Steuerschulden.

Weitere, vom Kläger ausdrücklich als kongruent bezeichnete Zahlungen auf eigene Steuerschulden leistete die Schuldnerin am 17.5.2000 in Höhe von 11.956,91 DM, DM sowie - insoweit allerdings streitig - in Höhe von 4.453,21 DM am 14.8.2000. Die Summe dieser Zahlungen in Höhe von 152.933,93 DM ergab den vor dem Landgericht in der Hauptsache eingeklagten Betrag von DM 152.933,93 DM (Übersicht im SS des Klägers an das LG vom 08.11. 2001, S. 5 = Bl. 46).

Vor dem Landgericht hat der Kläger die Auffassung vertreten, sämtliche Zahlungen seien als nach § 133 InsO anfechtbare Rechtshandlungen anzusehen. Denn dem Finanzamt sei die bei der Schuldnerin vorliegende Zahlungsunfähigkeit und damit die mit den Zahlungen verbundene Gläubigerbenachteiligungsabsicht bekannt gewesen. Auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei das Finanzamt bereits im Zusammenhang mit der Zahlungsvereinbarung vom April 2000 hingewiesen worden.

Vor dem Landgericht hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Masse 152.933,93 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.7.2001 und aus weiteren 37.724,09 DM seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land hat demgegenüber beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dazu hat es bestreiten lassen, dass das Finanzamt im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Zahlungen Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und einer daraus resultierenden Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehabt habe oder dass dem Finanzamt Umstände bekannt gewesen oder mitgeteilt worden seien, die auf eine solche Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten schließen lassen.

Gegen deren Zahlungsunfähigkeit (im relevanten Zeitraum) sprächen die von ihr erbrachten (streitgegenständlichen) Zahlungen in erheblichem Umfang. Darüber hinaus habe die Schuldnerin auch noch weitere, nicht streitgegenständliche Zahlungen auf laufende Steuern erbracht, nämlich am 9.6.2000 in Höhe von 17.773,66 DM, am 14.7.2000 in Höhe von 8.168,39 DM und am 16.10.2000 in Höhe von 12.337,53 DM.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Denn die Voraussetzungen für einen Anfechtungsanspruch nach § 143 i.V.m. § 133 InsO lägen nicht vor. Offen bleiben könne, ob die Schuldnerin in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt habe. Denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Finanzamt Kenntnis von einer solchen Benachteiligungsabsicht oder von Umständen gehabt habe, die auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und damit auf eine solche Gläubigerbenachteiligungsabsicht schließen ließen (die letztgenannte Argumentation zielt auf § 133 Abs. 1 S. 2 InsO). Der Kläger habe dazu nicht substantiiert vorgetragen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt; mit ihr verfolgt er - nach teilweiser Rücknahme seines Rechtsmittels am Ende der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag noch in Höhe von 61.622.85 € (120.523,81 DM) weiter. Dieser Betrag umfasst nur noch solche Zahlungen, welche die Schuldnerin auf eigene Steuerschulden erbracht hat, nämlich einmal die beiden Zahlungen auf der Grundlage der Vereinbarung vom 18.04.2000 in Höhe von 50.000,00 DM (25.04.2000) und 12.500,00 DM (20.05.2000), die weitere Zahlung vom 07.08.2000 in Höhe von 44.023,81 DM auf laufende Lohn-/Umsatzsteuern sowie schließlich die beiden Zahlungen vom 15.09. und 07.11.2000 von jeweils 7.000,00 DM aufgrund des vom Finanzamt gewährten Vollstreckungsaufschubs. Nicht mehr im Streit, da von der Berufungsrücknahme umfasst sind damit die von der Schuldnerin als Drittschuldnerin für ihren Geschäftsführer geleisteten Zahlungen und auch nicht mehr die vom Kläger selbst als kongruent gewerteten beiden Zahlungen auf deren eigene Steuerschulden vom 17.05.2000 in Höhe von 11.956,91 DM sowie vom 14.08.2000 über 4453,21 DM (vgl. Sitzungsprotokoll vom 23.10.2002, S. 2 = Bl. 211).

In seiner Berufungsbegründung rügt der Kläger das Urteil des Landgerichts als Überraschungsentscheidung, weil das Landgericht ihn nicht auf die fehlende Substantiierung seines erstinstanzlichen Vertrags hingewiesen habe. Zudem habe das Landgericht das Beweisangebot des Klägers zur behaupteten Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Finanzamts anlässlich der Vereinbarung vom 20.4.2000 vollkommen unbeachtet gelassen (Beweisangebot: Schriftsatz vom 8.11.2001 - Bl. 3 - Mitte).

In der Sache wiederholt/vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen zu den Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO.

Sämtliche der jetzt noch im Streit stehenden Zahlungen der Schuldnerin wertet er als inkongruente Deckungshandlungen, woraus sich ein Beweisanzeichen für deren Benachteiligungsabsicht ergebe, von welcher das Finanzamt Kenntnis gehabt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.12.2001 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Masse 61.622,85 € (120.523,81DM) nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.7.2001 aus 58.905,86 € (115.209,84 DM) sowie aus weiteren 2.716,99 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt demgegenüber,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Dazu verteidigt es das Urteil des Landgerichts als richtig. Im Übrigen wird vorgetragen, die Berufungsbegründung genüge nicht den Voraussetzungen des § 519 Abs., 3 Nr. 2 ZPO, weil sie sich nicht im Einzelnen mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils auseinandersetze. Die Berufung sei deshalb schon unzulässig.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dazu vorgelegten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist zulässig. Die geäußerten Zulässigkeitsbedenken teilt der Senat nicht. Die Berufungsbegründung des Klägers genügt vielmehr noch den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (a. F.).

Der Zweck des dort formulierten Begründungszwangs liegt darin, eine Zusammenfassung und Beschränkung des Prozessstoffes zu erreichen (BGH NJW 1999, 3126). Zu diesem Zweck wird von einer Berufungsbegründung verlangt, dass sie auf den zur Entscheidung stehenden Streitfall zugeschnitten ist und erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig sein soll (BGH NJW 1990, 2628; Zöller/Gummer, 23. Aufl., § 520 Rn. 35; ebenso: Vorauflage: § 519 Rn. 35).

Als unzureichende Berufungsbegründung angesehen wurde deshalb zwar die bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Sachvortrags (BGH NJW 2000, 1576).

Darauf beschränkt sich die hier vorliegende Berufungsbegründung aber nicht. Vielmehr setzt sie sich sehr wohl mit dem angefochtenen Urteil auseinander (vgl. nur Berufungsbegründung S. 1 "Stichworte: "Überraschungsentscheidung"/ übergangenes Beweisangebot, aber auch S. 6 Berufungsbegründung - "Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit").

B.

Begründetheit:

1.

"Überraschungsentscheidung":

Ob der fehlende Hinweis auf fehlende Substantiierung der Klage den Vorwurf einer Überraschungsentscheidung tragen kann, ist zweifelhaft. Denn es gibt offensichtlich Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine Verpflichtung zum Hinweis auf fehlende Schlüssigkeit oder ungenügende Substantiierung der Klage völlig leugnet (BGH NJW 1984, 310 - zitiert nach Zöller/Greger, 22. Aufl., § 139 Rn. 13 - dort wird diese Auffassung allerdings abgelehnt). Selbst wenn man aber hier von einer Überraschungsentscheidung wegen fehlenden Hinweises ausgeht, kann dies zwar Grund sein für eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und eine Zurückverweisung nach § 539 ZPO a.F. (Zöller/Gummer, 22. Aufl., § 539 Rn. 11 und Rn. 12). Viel näher liegt aber eine Sachentscheidung durch das Berufungsgericht selbst, die ohnehin der Regelfall sein soll (vgl. nochmals Zöller/Gummer, 22. Aufl., § 539 Rn. 1 a). Von einem solchen Regelfall ist auch hier auszugehen.

C.

Zum Anfechtungsanspruch des Klägers:

Gemäß § 143 Abs. 1 InsO muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Die Frage, ob anfechtbare Rechtshandlungen vorliegen, beurteilt sich nach §§ 129 ff InsO.

Als denkbarer, hier aber wegen Fehlens der subjektiven Voraussetzungen zu verneinender, Anfechtungsgrund kommt hier allein § 133 InsO in Betracht (einzige Ausnahme: Zahlung vom 07.11.2000). Denn ihren zur Eröffnung des Verfahrens führenden Insolvenzantrag hat die AOK erst am 18.12.2000 gestellt (Anl. K 2 = Bl. 11 - Grund hierfür bildeten danach rückständige Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.9.2000 bis 30.11.2000). Das bedeutet: Sämtliche der hier zu beurteilenden Rechtshandlungen/Rechtsgeschäfte (und zwar sowohl der späteren Insolvenzschuldnerin wie auch des beklagten Landes) liegen außerhalb der in den §§ 130 bis 132 InsO genannten Fristen. Einzige Ausnahme bildet die Zahlung der Schuldnerin vom 7.11.2000 über 7.000,00 DM. Allein diese Zahlung unterliegt der Anfechtung (nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Allein darauf beruht der Teilerfolg der Berufung.

I. Anfechtung nach § 133 InsO:

§ 133 Abs. 1 InsO unterwirft der Anfechtung sämtliche Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO dann vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

1.

Objektive Voraussetzungen des § 133 InsO

a) Rechtshandlung:

Darunter versteht man jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst. § 133 Abs. 1 InsO beschränkt die Anfechtbarkeit allerdings auf Rechtshandlungen des Schuldners. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zählen dazu grundsätzlich nicht (BGH NJW 1992, 624, 626). Nicht der Anfechtung unterliegen deshalb hier die vom Finanzamt vorgenommenen Pfändungsmaßnahmen. Dies gilt insbesondere für die vom Finanzamt am 1.8.2000 erlassene Pfändungsverfügung gegen die Schuldnerin. Der Ausnahmefall, dass nämlich diese Vollstreckungsmaßnahme im Einverständnis mit der Schuldnerin vorgenommen worden ist, ist nicht dargetan.

Rechtshandlungen der Schuldnerin sind dagegen die von ihr vorgenommenen Zahlungen an das Finanzamt.

b) Objektive Benachteiligung:

Weiterhin erfordert § 133 Abs. 1 eine objektive Benachteiligung, die anders als in Abs. 2 auch mittelbar begründet sein kann (KK-InsO/Dauernheim, § 133 Rn. 8; Kübler/Prütting, § 133 Rn. 5). Eine solche mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist immer dann gegeben, wenn die Befriedigungsmöglichkeiten aus der Insolvenzmasse verkürzt werden (Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, § 133 Rn. 11 f). Eine solche ist hier gegeben. Denn die von der Schuldnerin gezahlten Beträge stehen nicht mehr der Insolvenzmasse zu und haben diese somit verkürzt.

Weitere objektive Tatbestandsvoraussetzungen enthält § 133 InsO nicht. Insbesondere kommt es im Rahmen des objektiven Tatbestandes nicht darauf an, ob dem Gläubiger durch die Rechtshandlung des Schuldners eine inkongruente Deckung erwachsen ist. Vielmehr kann auch die Erbringung einer geschuldeten Leistung, d.h. einer kongruenten Deckung, nach § 133 InsO anfechtbar sein (Kübler/Prütting, § 133 Rn. 5). Die - angesichts der Weite des objektiven Tatbestands - notwendige Einschränkung muss deshalb über den subjektiven Tatbestand erfolgen (Kübler/Prütting a.a.O.).

2.

Subjektive Voraussetzung des §133 InsO -Benachteiligungsvorsatz:

Die Vorschrift stellt auf den Vorsatz und nicht mehr auf eine Absicht des Schuldners ab. Damit ist expressis verbis klargestellt, dass es für die Anfechtbarkeit ausreichend ist, wenn die Gläubigerbenachteiligung ein Ziel neben anderen gewesen ist. Somit genügt es, wenn der Schuldner bei der in Frage stehenden Handlung den Willen hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen (Kübler/Prütting, § 133 Rn. 7 m.w.N.). Ein solcher Wille ist ausreichende, aber auch notwendige Voraussetzung für die Anfechtung einer Rechtshandlung des (späteren) Insolvenzschuldners. Dass die Schuldnerin den Willen hatte, mit den Zahlungen an das Finanzamt ihre übrigen Gläubiger zu benachteiligen, kann hier aber nicht festgestellt werden.

Im Rahmen der Prüfung des Benachteiligungsvorsatzes ist zu unterscheiden zwischen kongruenten und inkongruenten Deckungshandlungen. Während eine inkongruente Deckung regelmäßig als Beweisanzeichen für Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gewertet wird, sind an den Nachweis seines Benachteiligungsvorsatzes im Falle kongruenter Deckung hohe Anforderungen zu stellen. Denn im Falle einer kongruenten Deckung erschöpft sich der Wille des Schuldners meist darin, seinen Verbindlichkeiten gerecht zu werden. Eine Pflicht zu nur noch anteilsmäßiger Befriedigung aller Gläubiger trifft ihn dagegen nicht. Die Anfechtbarkeit hängt deshalb regelmäßig von der Feststellung ab, dass es dem Schuldner im Einzelfall weniger auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten als auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten ankam (Kirchhof in MK/InsO, § 133 Rn. 33; Kreft in HK - InsO, § 133 Rn 14; ebenso: BGH ZIP 1991, 807, 809; 1993, 521, 522 sowie 1998, 793, 798 - dort jeweils zur Anfechtung nach § 31 Nr. 1 KO). Die Abgrenzung zwischen kongruenter oder eben inkongruenter Deckung erweist sich deshalb auch hier als vorentscheidend.

aa) Als Fälle inkongruenter Deckung wertet der Kläger sämtliche Zahlungen der Schuldnerin (soweit nach der von ihm erklärten teilweisen Berufungsrücknahme noch im Streit). Dazu zählt er einmal die Zahlungen aufgrund der Vereinbarung mit der Beklagten vom 18.4.2000 in Höhe von insgesamt 62.500,00 DM (50.000,00 DM am 25.4.2000/weitere 12.500,00 DM am 20.5.2000), ferner die Vorauszahlungen auf laufende Umsatz- und Lohnsteuern in Höhe von insgesamt 44.023,81 DM (angesprochen im Schreiben Rechtsanwalt M vom 8.8.2000 - Antrag auf Vollstreckungsaufschub = Anl. K 11; zur Zusammensetzung dieser Summe vgl. SS des Klägervertreters vom 29.08.2002, S. 3 u. = Bl. 152) und schließlich die Zahlung eines Teilbetrags von 7.000,00 DM am 15.09.2000 nach gewährtem Vollstreckungsaufschub.

Dieser Wertung kann nicht gefolgt werden. Alle diese Zahlungen sind vielmehr kongruent.

bb) Kongruent ist eine Deckung, die dem (potenziellen) Insolvenzgläubiger gebührt, weil er auf sie so, wie sie erbracht wurde, einen Anspruch hatte (Kreft in HK InsO § 130 Rn 10). Hält man sich vor Augen, dass die von der Schuldnerin auf die Vereinbarung vom 18. 04. 2000 insgesamt gezahlten 62.500,00 DM auf rückständige, d. h. längst fällige Steuerforderungen in zumindest gleicher Höhe erfolgten, ist die Kongruenz der dadurch eingetretenen Deckung offensichtlich. Dasselbe gilt für die nach gewährtem Vollstreckungsaufschub erfolgte Zahlung vom 15.09.2000 in Höhe des noch streitigen Teilbetrags von 7.000,00 DM.

Die von der Schuldnerin darüber hinaus geleisteten Vorauszahlungen auf laufende Umsatz- sowie Lohnsteuern in Höhe von insgesamt 44.023,81 DM haben ebenfalls zu einer kongruenten Deckung geführt. Soweit der Kläger meint, dies sei deshalb nicht der Fall, weil diese Zahlung schon am 07.08.2000 erfolgt sei und damit vor dem von ihm angegebenen Fälligkeitstermin - 15.08.2000 (so jedenfalls sein Vortrag im nicht nachgelassenen SS vom 28.10.2002, S. 3) -, kann dem schon im Ausgangspunkt nicht gefolgt werden. Tatsächlich ist nämlich davon auszugehen, dass die genannten Vorauszahlungen schon am 10.08.2000 fällig waren (so auch SS Beklagten Vertreter vom 13.12.2001 S. 3 - Mitte = Bl. 80). Denn Vorauszahlungen auf Umsatz-/Lohnsteuern sind schon am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldezeitraums zu erbringen (§ 18 Abs. 1 S. 2 UStG /§ 41 a Abs. 1 Nr. 2 EStG). Geht man hier vom Regelfall aus, wonach Voranmeldungszeitraum für die Schuldnerin der Kalendermonat war (§ 18 Abs. 2 S. 2 UStG/ § 41 a Abs. 2S. 1 EStG), war sogar nur die für den Juni 2000 angemeldeten Lohnsteuer in Höhe von 10.973,31 DM erst am 10.08.2000 zur Zahlung fällig. Aus der vom Kläger selbst im SS vom 29.08.2002 (S. 3 = Bl. 152) vorgetragenen Zusammensetzung des Gesamtbetrags von 44.023,81 DM ergibt sich jedoch, dass davon ein großer Teil auf vorangemeldete Umsatz-/Lohnsteuer für die Monate April und Mai 2000 entfiel. Somit spricht sogar viel dafür, dass diese für die Monate April und Mai angemeldete Umsatz- und Lohnsteuer schon entsprechend früher zur Zahlung fällig war. Folglich kann aber lediglich davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin die Lohnsteuervorauszahlung für Juni 2000 drei Tage vor Fälligkeit erbracht hat. Die Kongruenz der Gesamtzahlung wird durch diese geringfügige Abweichung nicht in Frage gestellt. Denn ganz geringfügige, nach der Verkehrsauffassung unerhebliche Abweichungen genügen dazu nicht (Kreft in HK InsO, § 130, Rn. 10).

Soweit der Kläger die Inkongruenz all dieser Zahlungen damit begründet, diese seien von der Schuldnerin zur Abwendung von drohenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Zahlungen auf die Vereinbarung vom 18.04.2000) oder gar unter Eindruck der Kontenpfändung vom 01.08.2000 (Zahlungen vom 07.08.2000 über 44.023,81 DM sowie vom 15.09,2000 über 7.000,00 DM) überzeugt dies nicht (Ausnahme: Die später behandelte weitere Zahlung von 7.000,00 DM vom 07.11.2000).

Richtig ist zwar, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen ist, soweit diese während der "kritischen" Zeit erfolgt (BGHZ 136, 309, 311 f. = ZIP 1997, 1929). Das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip wird durch das System der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln eingeschränkt, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mithilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung der eigenen fälligen Forderungen zu verschaffen, hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurück (BGHZ 136, 309, 312 f.).

Diese schon im bisherigen Recht angelegte Ordnung ist durch § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO zwar zeitlich deutlich nach vorne verlagert worden. Die Vorschrift verdrängt nämlich in den ersten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag den Prioritätsgrundsatz zu Gunsten der Gleichbehandlung der Gläubiger. Rechtshandlungen, die während des von dieser Vorschrift erfassten Zeitraums auf hoheitlichem Zwang beruhen, können daher nicht mit der Erwägung als kongruent angesehen werden, dem Anfechtungsgegner habe ein fälliger Anspruch zugestanden, für den die Rechtsordnung das Instrumentarium der Einzelzwangsvollstreckung zur Verfügung stelle (BGH ZIP 2002, 1159, 1160 f. = WM 2002,1193 m. N. zur Gegenmeinung). Dem stellt die soeben zitierte BGH-Entscheidung zwar solche Leistungen des Schuldners gleich, die dieser erbringt, um eine unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung zu vermeiden. Eine solche Gleichsetzung kann aber nur für solche Zahlungen erfolgen, die in den 1-Monats-Zeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 1 oder aber in den 3-Monats-Zeitraum der Nr. 2/Nr. 3 dieser Vorschrift fallen. Denn eine vor der genannten Frist vom Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung wäre noch kongruent (BGHZ 136, 309, 312); dem Gläubiger würde es deshalb nicht einmal schaden, wenn die zur Befriedigung führende Verwertungshandlung in die kritische Zeit fiele (MK/Kirchhof unter Hinweis auf BGH NZI 2000, 310). Dasselbe muss dann aber auch für solche Zahlungen gelten, die der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbringt, wenn sie vor Beginn der Monatsfrist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 und, wie hier, sogar vor Beginn der 3-Monats-Frist des § 131 Nr. 2/Nr. 3 InsO vorgenommen werden. Auch die schon mehrfach zitierte Entscheidung BGH ZIP 2002, 1159, 1161 bezieht sich nur auf solche Zahlungen des Schuldners, die in den von § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfassten 3-Monats-Zeitraum vor dem Eröffnungsantrag fielen (ZIP 2002, 1161 - rechte Spalte, 2. Abschn. von oben; vgl. auch OLG Karlsruhe, ZIP 2002, 1591, 1592: Anfechtungsrecht nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO bejaht für zwei Zahlungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung, von denen die erste im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die zweite sogar erst nach diesem Antrag erfolgte). Die Meinung, Zahlungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung führten schlechthin zu einer inkongruenten Deckung, wird, soweit ersichtlich, weder in einer veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines Oberlandesgerichts noch in der Kommentierung zur Insolvenzordnung vertreten. Die im Schriftsatz des Klägers 28.10.2002 zitierte Entscheidung BGH ZIP 1997, 513 begründet das dort angenommene Beweisanzeichen für eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin (nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO) ganz anders, nämlich damit, die Kaufpreisgläubigerin habe durch die Abtretung einer Mietzinsforderung eine inkongruente Deckung erlangt (a. a. O. S. 515 - li. Sp. unten). Sie kann deshalb die Rechtsauffassung des Klägers ebenso wenig stützen wie die von ihm ferner zitierte Entscheidung BGH ZIP 2001, 2097 ff.. Dort war zwar die Zahlung der späteren Gesamtvollstreckungsschuldnerin auf eine mehr als 4 Monate vor Antrag erfolgte Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamts als inkongruente Deckung gewertet und eine Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO für denkbar gehalten worden. Doch lag dies offensichtlich daran, dass einer solchen Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO alle Rechtshandlungen des Schuldners zugänglich waren, die er nach der Zahlungseinstellung vorgenommen hatte. Eine solche Anfechtung unterlag lediglich der Ausschlussfrist nach § 10 Abs. 2 GesO ("innerhalb von zwei Jahren seit Eröffnung der Gesamtvollstreckung"). Dagegen war sie nicht beschränkt auf solche Rechtshandlungen, welche innerhalb einer bestimmten Frist vor dem Antrag auf Verfahrenseröffnung vorgenommen worden waren (BGH ZIP 2000, 504 - dort zur Nichtgeltung der zeitlichen Schranke des § 33 KO). Lediglich das nicht veröffentlichte Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 15. 07. 2002 - 5 U 219/01 - hat in der Tat eine inkongruente Deckung aufgrund von Zahlungen des Insolvenzschuldners angenommen, die länger als drei Monate vor Antragsstellung erfolgt waren (Urteil ab S. 12 u.). Eine nähere Begründung dafür findet sich dort aber nicht. Vielmehr kann nur noch einmal betont werden, dass das dort anstelle einer Begründung zitierte Urteil des BGH vom 11. 04. 2002 - IX ZR 211/01 = WM 2002, 1193 ff. = ZIP 2002 1159 nur solche Zahlungen der Schuldnerin als inkongruent und damit nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar gewertet hat, die - so wörtlich "in den von § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfassten 3- Monatszeitraum vor dem Eröffnungsantrag" fielen (WM 2002, 1194, re. Sp. unter 3.). Auch diesem Urteil kann somit nicht entnommen werden, vor Fristbeginn erfolgte Zahlungen führten allein deshalb zu einer inkongruenten Deckung, weil sie zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet worden seien und könnten somit nach § 133 InsO an gefochten werden. Das im Urteil des 5. Zivilsenats vom 15. 07. 2002 ferner zitierte Urteil des OLG Jena (ZIP 2000, 1734f.) bezog sich sogar nur auf eine solche Zahlung des späteren Insolvenzschuldners, die in die Monatsfrist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO gefallen war.

cc) Danach haben alle oben angesprochenen Zahlungen der Schuldnerin zu einer kongruenten Deckung geführt. Das bedeutet, dass der Kläger sich hier nicht auf das Beweisanzeichen einer inkongruenten Deckung berufen kann, sondern den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin auf anderem Wege darlegen muss. Dies ist ihm aber nicht gelungen. Dass der Geschäftsführer der (späteren) Insolvenzschuldnerin bei Vornahme der Zahlungen nicht davon überzeugt sein konnte, in absehbarer Zeit alle Gläubiger befriedigen zu können, genügt nicht zur Darlegung eines solchen Benachteiligungsvorsatzes. Denn bei kongruenter Deckung reicht das Bewusstsein, infolge der Erfüllung einer bestimmten Verpflichtung nicht alle Gläubiger befriedigen zu können, dazu regelmäßig nicht aus. Erforderlich ist dazu vielmehr ein darüber hinausgehendes unlauteres Handeln (BGH ZIP 1991, 807, 809; Kreft in HK InsO Rn. 10 und 14 - dort mit Beispielen aus der Rechtsprechung für ein solch unlauteres Zusammenwirken zwischen Schuldner und Gläubiger). Dazu hat der Kläger aber nichts vorgetragen. Die behauptete - einseitige - Drohung des Finanzbeamten Kirsch vom April 2000, bei Nichtzahlung den Laden dicht zu machen, ergibt kein unlauteres Verhalten der Schuldnerin und taugt erst recht nicht als Grundlage für die Annahme eines unlauteren Zusammenwirkens zwischen ihr und dem Finanzamt. Soweit der Kläger meint, allein diese Drohung mache die ihr folgende Zahlung inkongruent, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar nimmt der vom Kläger auf S. 12 seines Schriftsatzes vom 29.8.2002 (B. 161) zitierte Aufsatz von A eine inkongruente Tilgungsleistung auch dann an, wenn die Finanzbehörde durch Drohung mit unverhältnismäßigen Vollstreckungsmaßnahmen oder aber mit Maßnahmen, die dem Vollstreckungsverfahren selbst fremd sind (etwa der Anregung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens), den Vollstreckungsschuldner dazu bewogen hat, unter Hintanstellung anderer Verbindlichkeiten ausschließlich den Steuergläubiger zu befriedigen (NJW 1985, 3003). Selbst wenn man dies - entgegen der hier vertretenen Ansicht - für richtig hält und zudem eine Drohung annimmt, die dem Vollstreckungsverfahren selbst fremd ist, kann eine daraufhin erfolgte Zahlung nur dann als inkongruent angesehen werden, wenn sie innerhalb der Fristen des § 131 Abs. 1 InsO erfolgt ist. Dass dies hier nicht der Fall ist, wurde bereits dargelegt. Auf die auch in der Berufungsinstanz beantragte Zeugenvernehmung K kann somit verzichtet werden.

Einer Auseinandersetzung mit dem Klägervortrag zu den weiteren subjektiven Voraussetzungen des Anfechtungsrechts auf Gläubigerseite (§ 133 Abs. 1 S. 1, 2. HS/S. 2) bedarf ebenfalls nicht.

II. Anfechtung nach § 131 InsO:

Etwas anderes gilt lediglich hinsichtlich der Zahlung vom 7.11,2000. Insoweit greift der Anfechtungsgrund des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Denn der maßgebliche Zeitpunkt der Zahlung (zur Vermeidung der drohenden Zwangsvollstreckung aus der Pfändungsverfügung vom 1.8.2000) liegt innerhalb des genannten 3-Monats-Zeitraums. Dass die Schuldnerin zum genannten Zeitpunkt zahlungsunfähig war, ergibt sich aus dem von der AOK erfolgreich gestellten Insolvenzantrag vom 18.12.2000 (Anl. K 2 = Bl. 11 d.A.). Danach betrugen die Beitragsrückstände für die Zeit vom 1.9.2000 bis 30.11.2000 51.257,86 DM; eine Unpfändbarkeitsbescheinigung hatte die AOK ebenfalls beigefügt. Daraus ergibt sich, dass die Schuldnerin nicht mehr in der Lage war, ihre fälligen Zahlungspflichten (im Wesentlichen) zu erfüllen und damit zahlungsunfähig war (vgl. zur Definition: § 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Der Gesichtspunkt, dass die gegen die Schuldnerin ergangene Pfändungsverfügung vom 1.8.2000 außerhalb dieses Zeitraums lag und das damit begründete Pfändungspfandrecht damit noch als kongruente Deckung anzusehen war, ändert daran nichts. Denn maßgeblich für die Beurteilung einer freiwilligen Zahlung des Schuldners zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ist der Zeitpunkt dieser Zahlung (MK/Kirchhof, InsO § 131 Rn. 27 a.E.). Die weitere Voraussetzung einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung ist offensichtlich erfüllt. Denn eine Zahlung auf eine Steuerschuld erfolgt bekanntlich ohne Gegenleistung.

Das Anfechtungsrecht nach § 131 InsO ist - im Unterschied zum Anfechtungsrecht, nach § 133 InsO - nicht an subjektive Voraussetzungen auf Seiten; des Gläubigers gebunden.

Das beklagte Land hat damit der Masse die von der Schuldnerin am 07.11.2000 gezahlten 7.000,00 DM zurückzuzahlen (§143 Abs. 1 S. 1 InsO) und, nachdem der Kläger insoweit (unbestritten) in seiner Klagebegründung die Verzugsvoraussetzungen vorgetragen hat, seit dem Zeitpunkt des Verzugseintritts in gesetzlicher Höhe zu verzinsen (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1 und, soweit der Kläger am Ende der Berufungsverhandlung seine Berufung teilweise zurückgenommen hat, aus § 515 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 ZPO (a. F.). Da die teilweise Berufungsrücknahme erst nach Erörterung in der Berufungsverhandlung geschehen ist, hat die dadurch eingetretene Ermäßigung des Streitwerts im Berufungsverfahren keine nennenswerten Kostenvorteile mehr für den Kläger erbracht. Es wurde deshalb darauf verzichtet, für das Berufungsverfahren eine abweichende Kostenquote zu ermitteln.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Revision war im Hinblick auf die zentrale Frage dieses Rechtsstreits nach der Einordnung solcher Zahlungen, welche der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung leistet, zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.).

Ende der Entscheidung

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