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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 27.10.2004
Aktenzeichen: 3 U 198/03
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB
Vorschriften:
EGBGB Art 229 § 5 | |
BGB § 434 | |
BGB § 437 Nr. 2 |
Entscheidung wurde am 07.12.2004 korrigiert: die Rechtsgebiete wurden um BGB ergänzt
Oberlandesgericht Stuttgart 3. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 3 U 198/03
Verkündet am 27. Oktober 2004
In dem Rechtsstreit
wegen Wandelung
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2004 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Richter Richter am Oberlandesgericht Oechsner Richter am Landgericht Dr. Erchinger
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 09. Oktober 2003 - 2 O 239/03 - wird
zurückgewiesen.
2. Die weitergehende Klage wird als unzulässig abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 13.422,98 €
Gründe:
I.
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Das Landgericht hat zu Recht die Klage des Klägers auf Rückgabe des Pferdes Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises sowie von Tierarztkosten abgewiesen (1.). Die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Klagerweiterung ist unzulässig (2.). Die Voraussetzungen für die Einholung eines weiteres Gutachtens liegen nicht vor (3).
Nachdem der zwischen den Parteien zu Stande gekommene Pferdekaufvertrag am 15.06.2002 abgeschlossen wurde, finden nach Art 229 § 5 EGBGB die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der seit 01.01.2002 geltenden Fassung Anwendung (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes vom 26.11.2001).
1.
Der Kläger kann sein Klagbegehren weder auf § 6 Nr. 7 des Pferdekaufvertrages vom 15.06.2002 (a) noch auf die allgemeinen Gewährleistungsvorschriften gemäß §§ 434, 437 Nr. 2 BGB (b) stützen. Nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme kann eine "grobe Widersetzlichkeit" weder im Sinne des § 6 Nr. 7 des Pferdekaufvertrages noch als ein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB festgestellt werden kann (c).
a) Die vom Senat vorgenommene Auslegung des § 6 Nr. 7 nach dem mutmaßlichen Willen der Parteien und der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) trägt die Feststellung, dass die Parteien eine Tauschvereinbarung des Inhalts schließen wollten, das gekaufte Pferd durch ein gleichwertiges zu ersetzen für den Fall, dass der vertraglich vorausgesetzte Zweck, die Nutzung durch die Tochter des Klägers, aufgrund der bei Vertragsschluss bekannten Widersetzlichkeit des Pferdes nicht erreicht werden würde. Dabei ist auf die objektive Eignung für die Tochter des Klägers, nicht auf deren subjektives Empfinden abzustellen. Der Kläger selbst hat unbestritten behauptet, die Eignung könne objektiv festgestellt werden. Daran muss sich der Kläger festhalten lassen.
Widersetzlichkeit i.S.d. § 6 Nr. 7 des Pferdekaufvertrags liegt vor, wenn sie dauerhaft und objektiv nicht behebbar ist. Hierfür spricht der Wortlaut und der Zweck der Umtauchklausel. Beide Parteien sind bei Vertragsschluß offensichtlich davon ausgegangen, dass die Verhaltensweise des Pferdes nur von vorübergehender Natur sei. Dass die Widersetzlichkeit objektiv nicht behebbar sein muss, folgt einerseits aus der objektiven Eignung des Pferdes für die Tochter des Klägers andernseits aus der neheliegenden Überlegung, dass andernfalls die Frage der Behebbarkeit in das Belieben des Klägers gestellt werden würde, der Beklagten entgegen dem gesetzlichen Leitbild ( vgl. etwa §§ 315, 316 BGB ) eine Möglichkeit der Nachprüfung vollständig abgeschnitten wäre.
Ein Kauf auf Probe oder ein aufschiebend bedingter Kauf scheidet aus, nachdem es weder im freien Belieben des Käufers stehen sollte, das Pferd zurückzugeben noch ist davon auszugehen, dass die Parteien einen schwebend unwirksamen Kaufvertrag bis zum Ablauf der Rücknahmefrist hinnehmen wollten.
Die Parteien wollten auch kein neues vertragliches Rücktrittsrecht schaffen, nachdem die Widersetzlichkeit des Pferdes als Mangel im Sinne des § 434 BGB angesehen wird und § 437 Nr. 2 BGB als Rechtsfolge den Rücktritt ermöglicht.
Dass die Parteien von vornherein der Beklagten die Wahl überlassen wollten, mit welchem Pferd sie den Kaufvertrag erfülle, kann nicht festgestellt werden. Eine Ersetzungsbefugnis des Schuldners/Verkäufers scheidet damit aus.
Die Parteien haben mit der fraglichen Klausel auch eine Ersetzungsbefugnis des Käufers, des Klägers, nicht vereinbart. Bereits nach dem Wortlaut hat der Kläger nicht das Recht, statt der an sich geschuldeten Leistung eine andere zu fordern. Vielmehr erklärt sich der Verkäufer ( die Beklagte ) unter den genannten Bedingungen bereit, das gekaufte Pferd zurückzunehmen und ein gleichwertiges Pferd bereitzustellen. Auch eine Ersetzungsbefugnis des Klägers, bei der die Beklagte die Auswahl der Ersatzware vornimmt, kann nach dem mutmaßlichen Parteiwillen nicht festgestellt werden. Der Kläger als Käufer wäre an einen bestimmten Vertragsinhalt gebunden, der für ihn von vornherein noch nicht eindeutig ist. Ein derartiger Parteiwille entspräche nicht dem allgemeinen Käuferverhalten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der vorliegende Kaufgegenstand individuell unterschiedlich bewertet wird und in aller Regel nach völlig subjektiven Umständen ausgesucht wird, wie z.B. Gefallen, Sympathie oder Zutrauen.
b) Die Gewährleistungsrechte der §§ 437, 434 BGB sind durch § 6 Nr. 7 des Pferdekaufvertrags grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Denn bei dem Pferdekaufvertrag handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 BGB. Der Kläger ist nach § 13 BGB Verbraucher, nachdem er das Pferd zu privaten Zwecken erworben hat, die Beklagte Unternehmerin i.S.d § 14 BGB, da sie gewerblich mit Pferden handelt. Nach § 475 Absatz 1 BGB ist der Beklagten daher eine Berufung auf eine vorausgegangene abweichende Vereinbarung genommen.
Nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn die Sache von einer Beschaffenheitsvereinbarung abweicht oder wenn eine solche nicht vereinbart wurde, wenn sie sich nicht zu der im Vertrag vorausgesetzten Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB) oder sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art nicht üblich ist oder die der Käufer nach der Art der Sache nicht erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).
Eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung zum Verhalten des Pferdes ist dem Pferdekaufvertrag nicht zu entnehmen.
Nachdem die Beschaffenheitsvereinbarung des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB die frühere Eigenschaftszusicherung ersetzt (Palandt/Putzo, 63. Aufl., § 434 Rn. 2), und die Parteien übereinstimmend von einer Behebbarkeit der Widersetzlichkeit des Pferdes bei Vertragsschluss ausgingen, liegt ein Sachmangel vor, wenn das Pferd die Widersetzlichkeit objektiv dauerhaft und unbehebbar aufweisen würde.
c) Die Frage, ob der Kläger die Gewährleistungsrechte, hier den Rüchtritt, erst geltendmachen kann, nachdem die Beklagte den Tauschvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt hat, kann dahingestellt bleiben. Die für beide Rechte gemeinsame Voraussetzung, die dauerhafte und objektiv nicht behebbare Widersetzlichkeit des Pferdes liegt nicht vor.
Der Sachverständige hat zur Überzeugung des Senats eine dauerhafte Widersetzlichkeit des Pferdes " " weder in seinem schriftlichen Gutachten vom 2.8.2004 ( Blatt 141ff ) noch bei seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 20.10.2004 feststellen können. Nachdem der Kläger nach Übergabe des Pferdes die Beweislast für die Voraussetzungen eines Umtausches nach § 6 Nr. 7 des zwischen den Parteien geschlossenen Pferdekaufvertrages sowie für einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB trägt ( vgl. grundsätzlich § 363 BGB), ist er nach den Ausführungen des Sachverständigen beweisfällig geblieben.
Der Sachverständige hat Folgendes festgestellt:
Die Frage, ob die Widersetzlichkeit dauerhaft behoben werden könne, kann nicht konkret beantwortet werden. Sie ist bei einem professionellen Reiter, der es sich zutraut, mit dem Pferd richtig umzugehen und sich durchsetzt, zu beheben. Im Anfangsstadium ist die Chance der Behebung größer. Auch die Tochter der Klägerin hätte mit professioneller Hilfe die Widersetzlichkeit beheben können. Sie kann jedenfalls für einige bzw. längere Zeit behoben werden. Eine Korrektur bei einem Rückfall ist möglich. Eine behobene Widersetzlichkeit kann dadurch gewährleistet werden, dass ein Profireiter das Pferd ab und zu reitet.
Dass die Widersetzlichkeit während des sechsmonatigen Reitunterrichts der Tochter des Klägers bei einer professionellen Reitlehrerin nicht behoben werden konnte, obwohl dies innerhalb weniger Tage möglich ist, besagt nichts. Zum Zeitpunkt der Besichtigung durch den Sachverständigen war das Pferd über einen längeren Zeitraum nicht geritten worden. Im übrigen kommt es darauf an, wie oft die Reitlehrerin selbst das Pferd geritten hat. Eine halbe Lösungsmöglichkeit besteht darin, die Reitschülerin von unten anzuleiten, die andere halbe Lösungsmöglichkeit darin, das Pferd selbst durch die Reitlehrerin und im Vergleich zur Reitschülerin anders zu reiten.
Schließlich ließ die bei der Besichtigung durch den Sachverständigen festgestellte Widersetzlichkeit nicht im Ansatz eine "lebensgefährliche" erkennen - wie in der Klagschrift geschildert. Lediglich kleinere Widersetzlichkeiten, wie etwa Blockaden konnten festgestellt werden.
Nach diesen überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, ist zumindest eine dauerhafte, nicht zu beseitigende Widersetzlichkeit nicht bewiesen.
Der Kläger ist daher weder berechtigt, das Pferd " " nach § 6 Nr. 7 des Pferdekaufvertrages umzutauschen noch vom Vertrag gemäß §§ 434, 437 Nr. 2 BGB zurückzutreten.
Die weitere Frage, ob die geltend gemachten Tierarztkosten für den Zeitraum 24.6.2002 und 14.4.2003 im Rahmen des § 347 Abs. 2 BGB begründet wären, kann daher dahingestellt bleiben.
Desweiteren braucht abschließend die Frage nicht entschieden zu werden, ob die von der Beklagten angebotenen Pferde " " und " " gleichwertig i.S.d. § 6 Nr. 7 des Pferdekaufvertrags gewesen waren, wovon nach den schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen auszugehen sein dürfte. Die Ausführungen in dem vom Kläger mit Schriftsatz vom 14.10.2004 vorgelegte Gutachten dürften nicht geeignet sein, an der Richtigkeit der Feststellungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen zu zweifeln, nachdem der Gutachter Dr. das streitgegenständliche Pferd selbst weder besichtigt noch "unter Sattel" begutachtet hat.
2.
Die mit Schriftsatz vom 14.10.2004 geltend gemachte Klagerweiterung unterliegt der Prüfung nach § 533 ZPO. Danach ist eine Klageänderung nur zulässig, wenn
- der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
- diese auf Tatsachen gestützt werden könnte, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat.
Nachdem der Kläger nunmehr Tierarztkosten aus Behandlungen zwischen dem 27.10.2003 und 28.6.2004, des Weiteren erstmals Beschlag- und Unterstellkosten geltend macht, handelt es sich um eine Klagänderung im Sinne der §§ 263, 264 ZPO. Denn der Streitgegenstand ist unterschiedlich. Dieser bestimmt sich zunächst nach dem Klageantrag ( BGH NJW 1961, 72 ). Zusätzlich ist zur Abgrenzung der Klagegrund zu berücksichtigen ( BGH NJW 1986, 1046 ). Darunter ist der tatsächliche Lebensvorgang zu verstehen, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet werden soll ( BGH NJW-RR 1991, 1279 ). Nach diesen Grundsätzen ist der Lebenssachverhalt der mit der Klagerweiterung geltend gemachten weiteren Positionen jeweils ein anderer.
Die Beklagte, die Gegnerin, hat ausweislich ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20.10.2004 in die Klageänderung nicht eingewilligt (§§ 525, 267 ZPO). Die Frage, ob Sachdienlichkeit angenommen werden kann, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ist die Klagerweiterung auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nicht nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat. Denn aufgrund des vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2004 bestrittenen neuen Sachvortrags des Klägers liegen keine Tatsachen vor, die zulässige Noven nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO darstellten. Der Klagerweiterung liegen nicht dieselben Tatsachen zugrunde, die der Kläger zur Begründung seines ursprünglichen Klagbegehrens vorgetragen hat.
3.
Der Antrag des Klägers, ein Obergutachten einzuholen, ist zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Dies kommt nur in Betracht, wenn
- das erste Gutachten mangelhaft (unvollständig, widersprüchlich, nicht überzeugend) ist,
- das erste Gutachten von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht,
- der Sachverständige erkennbar oder erklärtermaßen nicht die notwendige Sachkunde hat,
- die sog. Anschlusstatsachen sich durch neuen Sachvortrag ändern oder
- ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel oder Erfahrung verfügt.
Der Kläger hat zu diesen Voraussetzungen keinen Vortrag gehalten.
Die Frage, ob das schriftliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, worauf die Angriffe des Klägers im Kern abzielen, kann dahingestellt bleiben, nachdem sie sich ersichtlich gegen die Feststellung des Sachverständigen richten, die Pferde " " und " l" seien höherwertig ( Blatt 166 ). Diese Frage braucht nach den dargestellten Gründen nicht abschließend entschieden zu werden.
III.
Die Berufung war aus den dargestellten Gründen zurückzuweisen und die mit der Berufung geltendgemachte erweiterte Klage als unzulässig abzuweisen ( Musielak, ZPO, 3.Auflage, § 533 Rn. 24; BGH NJW 1961, 362 ).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs.1, 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen würden (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf den tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen.
Ende der Entscheidung
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