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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 29.03.2006
Aktenzeichen: 3 U 272/05
Rechtsgebiete: Montrealer Übereinkommen
Vorschriften:
Montrealer Übereinkommen Art. 17 | |
Montrealer Übereinkommen Art. 18 | |
Montrealer Übereinkommen Art. 31 |
2. Einhaltung der Frist des Art. 31 Abs. 2 Montrealer Übereinkommen bei der Schadensanzeige
3. Anwendbarkeit der Regeln zur Drittschadensliquidation bei Beschädigung eines in Obhut genommenen und aufgegebenen, aber im Eigentum eines Dritten stehenden Gutes.
Oberlandesgericht Stuttgart 3. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 3 U 272/05
Verkündet am 29. März 2006
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2006 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Kober Richter am Oberlandesgericht Dr. Ottmann Richterin am Landgericht Wagner
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 25.11.2005 im Verfahren 42 C 1464/05 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert der Berufung: 1.290,60 EUR
Gründe:
I.
Der Kläger macht Ansprüche wegen der Beschädigung von auf einem internationalen Flug als Gepäck aufgegebenen Musikinstrumenten und -koffern geltend.
Der Kläger buchte am 14.07.2004 bei der Beklagten, einer Fluggesellschaft mit Sitz in Frankreich, u.a. einen Flug am 16.08.2004 von Montreal, Kanada, nach Stuttgart mit Ankunft in Stuttgart am 17.08.2004.
Der Kläger, der mit einer Musikkapelle reiste, ist Eigentümer zweier Blechblasinstrumente, eines Baritonhorns und einer Trombone (Zugposaune). Beide Instrumente verpackte er vor dem Flug in speziell für diese Objekte vorgesehenen Hartschalenkoffern, stopfte an den Instrumenten vorhandene Hohlräume mit Wäsche aus und umwickelte die Koffer jeweils mit einem starken Gewebeband. Weil pro Reisendem nur zwei Gepäckstücke zugelassen waren, gab die Mitreisende Frau gemäß einer Absprache mit dem Kläger die Trombone als ihr Reisegepäck auf, den Baritonhorn gab der Kläger als Fluggepäck auf.
In Stuttgart wandte sich der Kläger, nachdem er die Instrumente wiedererhalten und Schäden festgestellt hatte, an die Beklagte an deren Reklamationsschalter. Dort wurde ihm ein für Verlustmeldungen bestimmtes Formular ausgehändigt, eine schriftliche Aufnahme der Reklamation erfolgte nicht. Der Kläger ließ den Schaden an seinen Instrumenten und -koffern durch einen Musikalienhändler schätzen, dieser gab am 23.08.2004 einen Kostenvoranschlag ab. Sodann fertigte der Kläger für beide Instrumente unter Hinweis auf den Transport auch durch Frau mit Bezugnahme auch auf deren Beförderungsvertrag unter dem 23.08.2004 eine schriftliche Schadensanzeige. Er fügte dieser u.a. die Kostenvoranschläge des Musikalienhändlers bei und sandte diese Meldung am 24.08.2004 an die Beklagte ab.
Frau hat ihre Ansprüche aus ihrem Beförderungsvertrag an den Kläger abgetreten.
Die Parteien stritten erstinstanzlich u.a. über die Fragen, ob die Schäden im Obhutszeitraum der Beklagten eintraten, ob die Schadensmeldung ausreichend im Sinne des Art. 31 Montrealer Übereinkommen (MÜ) erfolgte, ob eine mangelhafte Verpackung durch den Kläger Auswirkungen auf den Anspruch hat und ob eine Überschreitung der Haftungshöchstgrenze von 1.000 Sonderziehungsrechten vorliegt.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf das amtsgerichtliche Urteil verwiesen.
Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte nach Beweisaufnahme antragsgemäß zur Zahlung von insgesamt EUR 1.381,37 zuzüglich Zinsen, zusammengesetzt aus 1.290,60 EUR Schaden an den Instrumenten inklusive Koffern und 90,77 EUR vorgerichtlichen Anwaltskosten. Das Amtsgericht hatte sich durch die Einvernahme von Zeugen die Überzeugung verschafft, dass die Instrumente und Koffer während des Gewahrsamszeitraums der Beklagten beschädigt wurden, eine schriftliche Schadensmeldung direkt am Flughafen aufgrund von Störungen aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten unterblieben war und dem Kläger die Papiere zur Schadensmeldung ohne Mitteilung eines Zeitlimits übergeben wurden. Nach Inaugenscheinnahme der Instrumentenkoffer war für das Amtsgericht erwiesen, dass die Instrumente ordnungsgemäß verpackt gewesen waren.
Gegen das amtsgerichtliche Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Die Beklagte rügt,
das Amtsgericht habe fälschlich den Anspruchsverlust nach Art. 31 Abs.4 MÜ abgelehnt. Es fehle an einer unverzüglichen Schadensmeldung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Der Kläger habe, wenn er bereits im Zeitpunkt der Entgegennahme der Gepäckstücke Schäden feststellte, die 7-Tages-Frist des Art. 31 Abs.2 MÜ für die schriftliche Schadensanzeige nicht ausschöpfen dürfen.
Indem der Kläger das zweite Musikinstrument einer Mitreisenden übergeben habe, habe er gegen Treu und Glauben verstoßen, weil er so bewirkt habe, dass die Beklagte über die vertraglich vorgesehene Haftungshöchstgrenze von 1.000 Sonderziehungsrechten hinaus erstattungspflichtig sei.
Über Art. 18 Abs.2 Ziff.b MÜ sei ein Haftungsausschluss gegeben, weil die Instrumente für den Flugverkehr ungeeignet verpackt gewesen seien.
Letztlich sei ein Abzug neu für alt berechtigt wegen der - nicht näher dargelegten - Abnutzung der Koffer.
In tatsächlicher Hinsicht trägt die Beklagte nunmehr erstmals vor, der Kläger habe am Flughafen keinen Schaden, sondern den Verlust von Gepäck gerügt.
Die Beklagte stellt klar, dass sie ihren Hauptsitz in Frankreich hat und keine rechtlich selbstständige Niederlassung in Deutschland besitzt.
Die Beklagte beantragt:
Das Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 25.11.2005 zu Az. 42 C 1464/05 wird abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 25.11.2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.
Das Amtsgericht habe fehlerfrei festgestellt, dass der Schaden im Obhutszeitraum der Beklagten eingetreten ist und die Instrumente nicht mangelhaft verpackt waren. Die Beklagte trage auch nicht konkret vor, wie der Kläger die Instrumente denn hätte verpacken sollen und dass es bei anderer Verpackung nicht zum Schadenseintritt gekommen wäre. Der Vortrag der Beklagten, dass der Kläger zunächst einen Verlust der Instrumente gemeldet habe, sei falsch und außerdem verspätet.
Zu den weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift des Senats vom 22.03.2006 (Bl. 129/130 d.A.) Bezug genommen.
II.
1. Die Berufung ist zulässig. Das Oberlandesgericht ist nach § 119 Abs.1 Nr.1b GVG zuständig, weil die Beklagte im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit in erster Instanz ihren Sitz in Frankreich und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb des Geltungsbereichs des GVG hatte (dazu BGH, NJW 2003, 1672 ff).
2. Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht die Haftung der Beklagten im geltend gemachten Umfang bejaht.
Die Beklagte haftet gegenüber dem Kläger wegen des beschädigten Baritonhorns inklusive Koffer aus dem mit diesem abgeschlossenen Beförderungsvertrag nach dem Montrealer Übereinkommen (im folgenden: MÜ). Die Haftung ist weder nach Art. 18 MÜ wegen mangelhafter Verpackung noch nach Art. 31 MÜ wegen unzureichender bzw. verspäteter Schadensmeldung ausgeschlossen. Ein Mitverschulden ist dem Kläger nicht vorzuwerfen. Der Schadensersatzanspruch besteht in der geltend gemachten Höhe, ein Verstoß gegen Haftungshöchstgrenzen liegt nicht vor. Wegen des Schadens an der Trombone inklusive Koffer haftet die Beklagte gegenüber dem Kläger aus abgetretenem Recht der Frau .
a) Zwischen den Parteien des Rechtsstreits wurde ein Luftbeförderungsvertrag als Sonderform des Werkvertrages geschlossen, auf den das Montrealer Übereinkommen anzuwenden ist. Es wurde eine Einigung über die Beförderung u.a. von Reisegepäck durch ein Luftfahrzeug gegen Entgelt von einem Vertragsstaat in einen anderen Vertragsstaat getroffen (Art.1 MÜ). In Kanada wurde das Übereinkommen bereits 2003 ratifiziert. In Deutschland trat es am 28.06.2004 (Reuschle, Kommentar zum Montrealer Übereinkommen, 1.A., 2005, Einleitung Rz. 44) und damit der Regelung des § 6 MontÜG genügend vor dem streitgegenständlichen Vertrag und Transport in Kraft (Boettge, Das Luftfrachtrecht nach dem Montrealer Übereinkommen, VersR 2005, 908/909).
Die Aktivlegitimation richtet sich nach deutschem Recht. Aus Art. 29 MÜ wird deutlich, dass diese Frage im Übereinkommen ausgeklammert ist. Das MontÜG als das Ausführungsgesetz enthält in seinem § 1 eine Regelung zur Frage der Aktivlegitimation bei Körperschäden. Bei Sachschäden ist anspruchsberechtigt nach allgemeinen Vertragsregeln der Partner des Beförderungsvertrages.
Im Rahmen des mit dem Kläger geschlossenen Vertrages transportierte die Beklagte das Baritonhorn inklusive Koffer.
b) Die Beklagte haftet nach Art. 17 Abs.2 MÜ auf Schadensersatz. Nach dieser Vorschrift hat der Luftfrachtführer verschuldensunabhängig den Schaden zu ersetzen, der u.a. durch Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, jedoch nur, wenn das Ereignis, durch das die Beschädigung eintrat, an Bord des Luftfahrzeuges oder während eines Zeitraumes eingetreten ist, in dem sich das aufgegebene Gepäck in der Obhut des Luftfrachtführers befand.
Mit zutreffenden Erwägungen hat sich das Amtsgericht die Überzeugung verschafft, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Instrument und der zugehörige Koffer gerade in dem Zeitraum, als die Objekte der Beklagten zum Transport übergeben waren, beschädigt wurden.
Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist der Senat grundsätzlich an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Senats an die erstinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Amtsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. BGH NJW 2004, 1876). Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich dann vor, wenn die Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist vor allem der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, a.a.O.). Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich aber auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt, als das Gericht der Vorinstanz (vgl. BGH NJW 2005, 1583).
Durchgreifende Gesichtspunkte, die die erstinstanzliche Beweiswürdigung als fehlerhaft erscheinen ließen, wurden von der Beklagten nicht vorgebracht. Ihre Behauptung in zweiter Instanz, der Kläger habe zunächst keinen Schaden, sondern einen Verlust gerügt, ist einerseits durch die Angaben der in erster Instanz vernommenen Zeugen widerlegt, andererseits jedenfalls verspätet im Sinne des § 530 ZPO. Eine Ergänzung oder Wiederholung der Beweisaufnahme durch den Senat ist nicht veranlasst.
Das Instrument und sein Koffer sind als Reisegepäck einzustufen. Beide sind mit der Beförderung des Klägers selbst eng verknüpft und ihr Transport ist nur sinnvoll in Zusammenschau mit dem Transport ihres Berechtigten. Das Instrument sollte nämlich auf der Reise genutzt werden.
c) Die Haftung ist nicht nach Art. 18 Abs.2 Buchst. b) MÜ oder Art. 17 Abs.2 MÜ ausgeschlossen.
aa) Die Beklagte fordert einen Haftungsausschluss nach Art. 18 Abs.2 MÜ. Danach haftet der Luftfrachtführer bei der Beschädigung von Gütern (in Abgrenzung zum Reisegepäck im Sinne des Art. 17) nicht, wenn und soweit er nachweist, dass die Zerstörung oder Beschädigung verursacht wurde u.a. durch die Eigenart der Güter oder die mangelhafte Verpackung der Güter durch eine vom Luftfrachtführer einschließlich Hilfspersonen unterschiedliche Person.
Es kann offen bleiben, ob Art. 18 Abs.2 MÜ vorliegend überhaupt anwendbar ist. Art. 18 regelt nämlich den Schadensersatz bei Beschädigung von Gütern, während in Art. 17 Abs.2 MÜ eine ausdrückliche Regelung geschaffen wurde zum Schadensersatz bei Reisegepäck. Die Regelung zum Haftungsausschluss wegen mangelhafter Verpackung ist mit dieser Formulierung nur in Art.18 Abs.2, nicht aber in Art. 17 Abs.2 MÜ enthalten. Weil Art. 17 und Art. 18 gerade nach dem beschädigten Objekt ausdrücklich differenzieren, erscheint es dem Willen des Normgebers zuwiderlaufend, die Haftungsausschlüsse für Güter auf das Reisegepäck zu übertragen (dagegen für die analoge Anwendung auf sperriges Reisegepäck wie z.B. ein Surfbrett Reuschle, aaO., § 17, Rz. 55).
Art. 17 Abs.2 S.2 MÜ enthält einen Haftungsausschluss, soweit der Schaden auf eine Eigenart des Reisegepäcks oder einen ihm innewohnenden Mangel zurückzuführen ist. Selbst die Beklagte trägt im Rechtsstreit nicht mehr vor, dass das Musikinstrument ein in besonderer Weise schadensempfindliches Objekt sei, ähnlich z.B. zerbrechlichen Glasgegenständen (dazu Reuschle, aaO., Art. 17, Rz. 54).
bb) Jedenfalls statuieren Art. 18 Abs.2 MÜ und Art. 17 Abs.2 S.2 MÜ Ausschlusstatbestände bei eigentlich bestehender Haftung. Die Beklagte, die sich auf mangelhafte Verpackung beruft, ist insoweit beweispflichtig. Diesen Beweis hat sie nicht geführt.
Das Amtsgericht hat sich nach Inaugenscheinnahme der beschädigten Objekte die Überzeugung verschafft, dass diese ordnungsgemäß verpackt waren. Auch insoweit bestehen keine durchgreifenden Gesichtspunkte, die dies als fehlerhaft erscheinen lassen. Insbesondere war das Amtsgericht nicht gehalten, dem Beweisantritt der Beklagten, mittels Sachverständigengutachten die Mangelhaftigkeit nachzuweisen, nachzugehen. Das Gericht und die Parteien hatten sich im Rahmen eines Augenscheins einen unmittelbaren Eindruck verschafft. Der Koffer war ein üblicher Instrumentenkoffer und aus festem Material gefertigt. Die Beklagte hat nicht konkret dargelegt, welche andere Verpackung als mangelfrei einzustufen gewesen wäre .
d) Der Kläger hat die Rechte aus seinem Beförderungsvertrag nicht über Art. 31 MÜ, der dem Art. 26 WA 1955 entspricht, verloren.
Nach Art. 31 Abs.1 MÜ begründet die vorbehaltlose Annahme aufgegebenen Reisegepäcks durch den Reisenden die widerlegbare Vermutung, dass das Gut unbeschädigt abgeliefert worden ist. Nach Art. 31 Abs.2 MÜ muss der Empfänger unverzüglich nach Entdeckung eines Schadens, bei aufgegebenem Reisegepäck jedenfalls binnen 7 Tagen (nach Art. 52 MÜ Kalendertagen), bei Gütern binnen 14 Tagen nach Annahme dem Luftfrachtführer Anzeige erstatten. Nach Art. 31 Abs.3 MÜ muss jede Beanstandung schriftlich erklärt und innerhalb der vorgesehenen Frist übergeben oder abgesandt werden, ansonsten ist nach Art. 31 Abs.4 MÜ die Klage gegen den Luftfrachtführer ausgeschlossen, es sei denn, dass dieser arglistig gehandelt hat.
aa) Vorliegend hat das Amtsgericht sich über die Beweisaufnahme die Überzeugung verschafft, dass der Kläger die Schäden unmittelbar nach der Ankunft mündlich am Schalter der Beklagten rügte. Soweit die Beklagte nunmehr behauptet, er habe keine Schäden, sondern zunächst einen Verlust gerügt, spricht dafür zwar das letztlich zur Schadensmeldung verwandte Formular, es gab aber keinen entsprechenden Vortrag der Beklagten in erster Instanz. Der nunmehrige Vortrag ist, wie dargelegt, verspätet. Die Sachverhaltsfeststellung des Gerichts ist nicht zu beanstanden. Außerdem hat der Kläger am 23.08.2004 eine schriftliche Schadensanzeige mit Erläuterung des Schadensumfangs unterzeichnet und diese am 24.08.2004 an die Beklagte abgesandt. Ebenfalls rechtsfehlerfrei und damit bindend hat das Amtsgericht die tatsächliche Feststellung getroffen, dass dem Kläger bei seiner mündlichen Schadensmeldung Unterlagen zum Ausfüllen mitgegeben wurden ohne Benennung einer Einreichungsfrist. Bei diesem Sachverhalt besteht die Haftung über Art. 31 MÜ.
bb) Eine schriftliche Schadensanzeige i.S.d. Art. 31 Abs.2 MÜ war trotz der mündlichen Meldung am Flughafen notwendig. Zwar wird vertreten, dass die Anzeige unterbleiben könne, wenn der Luftfrachtführer schon Kenntnis habe. Dann entfalle der Sinn der Anzeige, den Frachtführer in die Lage zu versetzen, Schadensfeststellungen einzuleiten, so z.B. bei einem nach der mündlichen Information gefertigten Schadensprotokoll des Frachtführers (BGH VersR 1985, 686). Vorliegend wurde aber, wie der Kläger wusste, am Flughafen gerade nichts schriftlich festgehalten, er wurde vielmehr ausdrücklich darauf verwiesen, dass er noch eine Schadensanzeige schriftlich abzugeben habe.
cc) Durch die schriftliche Schadensanzeige, die 7 Tage nach dem Schaden aufgegeben wurde, ist dem Erfordernis des Art. 31 Abs.2 unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles genügt.
Zwar formuliert die Vorschrift, dass der Schaden unverzüglich anzumelden sei und gibt durch die weitere Formulierung von jedenfalls 7 Tagen zu erkennen, dass man bei Erkennen des Schadens ohne schuldhaftes Zögern sofort (Koller, Art. 26 WA 1955, Rz. 10) reagieren muss und nicht stets die 7-Tages-Frist ausschöpfen kann. So gilt letztere z.B. auch, wenn man den Schaden bis zu ihrem Ablauf noch gar nicht festgestellt hatte. Außerdem weist der Zweck der Regelung, dem Beförderer schnell Kenntnis zu geben, ob Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden und ihm so z.B. auch erfolgversprechende Ermittlungen zum Schadenseintritt und damit ggf. zur Regressmöglichkeit gegen Dritte zu eröffnen, auf die Forderung nach einer möglichst zeitnahen Meldung hin.
Aufgrund der Umstände des Einzelfalls war dem Kläger jedoch das Ausschöpfen der Frist zuzubilligen: Durch die Schadensanzeige soll, damit sie ihrem Zweck der Information und Schadensabgrenzung gerecht werden kann, die Art der Beschädigung und deren ungefährer Umfang mitgeteilt werden (OLG Celle, TranspR 2003, 314 ff). Hierzu war vorliegend, insbesondere wegen der Frage, ob bzw. in welchem Umfang auch der Instrumentenkoffer schadhaft ist, die Stellungnahme des Musikalienhändlers zum Schadensumfang zumindest hilfreich, wenn nicht sogar notwendig. Dieser gab den Kostenvoranschlag erst am 23.08.03 ab. Für die Beklagte entstand außerdem aus dem Zeitablauf kein weiterer Nachteil: Sie war sofort mündlich über den Schaden informiert worden und es hätte ihr freigestanden, aufgrund der am Flughafen erhaltenen Mitteilungen bereits Ermittlungen einzuleiten und hierfür ggf. Nachfrage beim Kläger zu halten. Letztlich trägt die Beklagte selbst vor, dass eine Ermittlung des Verantwortlichen bereits nach 2 Tagen stark erschwert ist. Diese zwei Tage wären dem Kläger aber, verweist man ihn am Flughafen auf die Notwendigkeit zur schriftlichen Erklärung, jedenfalls zuzubilligen. Es liegt kein Fall vor, wo sich am beschädigten Gut durch den Zeitablauf Veränderungen ergeben, die spätere Feststellungen erschweren (Beispiel bei Reuschle Art. 31, Rz. 27: Meldung verendeter Küken nach 3 bis 4 Tagen, obwohl Todesursache veterinärmedizinisch nur 4 Std. feststellbar ist).
dd) Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass jedenfalls, würde man von einer Verfristung nach Art.31 Abs.2, Abs.3 MÜ ausgehen, der Anspruchsverlust nach Art.31 Art. 4 MÜ dennoch nicht zum Tragen käme, weil eine Arglist der Beklagten im Sinne der Vorschrift zu bejahen wäre oder jedenfalls § 242 BGB entgegenstehen würde.
Obwohl er eingeschränkter formuliert ist, regelt Art. 31 Abs.4 das materiellrechtliche Erlöschen des Anspruchs (BGH, TranspR 1986,22 zum WA 1955). Würde man die Arglist bereits bejahen, soweit der Luftfrachtführer den Kläger fahrlässig gehindert hat, die Anzeige fristgemäß zu erstatten (Reuschle, Art. 31, Rz. 41), könnte die Arglist daraus abzuleiten sein, dass der Kläger zwar über die Notwendigkeit der Schadensanzeige, nicht aber über insoweit geltende Fristen aufgeklärt wurde. Allerdings ist zu sehen, dass den Kläger selbst auch die Obliegenheit trifft, sich bei einem Reisegepäckschaden über seine Verpflichtungen zu erkundigen (Koller, Transportrecht, 5.A., 2004, zu Art. 26 WA 1955, Rz.16). Jedenfalls stünde § 242 BGB der Berufung auf den Anspruchsausschluss entgegen. Indem dem Kläger aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten resultierend eine sofortige schriftliche Schadensmeldung verweigert wurde und ihm unter Aushändigung eines Schadensmeldeformulars keine Frist mitgeteilt wurde, binnen derer dieses zurückzureichen ist, ist es treuwidrig, ihm bei einer Meldung bereits nach 7 Tagen den Anspruchsausschluss entgegenzuhalten.
e) Ein Mitverschulden des Klägers im Sinne des Art. 20 MÜ, der insoweit § 254 BGB vorgeht, hat die Beklagte nicht bewiesen.
Liegt die mangelhafte Verpackung bereits objektiv, wie dargelegt, nicht vor, so wäre jedenfalls auch nicht nachgewiesen, dass der Kläger eine Mangelhaftigkeit dieser Verpackung erkennen musste und deshalb insoweit sorgfaltspflichtwidrig handelte.
f) Die Beklagte schuldet dem Kläger aus dem mit diesem bestehenden Beförderungsvertrag die Erstattung der Reparaturkosten des Musikinstruments und der Anschaffung eines Ersatzkoffers in Höhe von insgesamt 419,80 EUR.
Das Instrument musste repariert werden. Die Regelung des § 2 MontÜG, die auf § 429 Abs.2 HGB wegen des zu leistenden Schadensersatzes verweist, gilt ausdrücklich nur für Art. 18 MÜ. Sie soll somit gerade nicht für das Reisegepäck nach Art. 17 MÜ zur Anwendung kommen.
Der Instrumentenkoffer war nur weniger als 4 Monate vor dem Schadenseintritt gekauft worden. Er muss durch einen neuen Koffer ersetzt werden. Die Beklagte hat mit der Berufung ihre vom Amtsgericht insoweit bejahte Pflicht zur Zahlung eines Ersatzkoffers dem Grunde nach nicht angegriffen. Sie macht lediglich geltend, dass ein Abzug neu für alt zu beachten sei und verweist hierzu ohne weiteren konkreten Vortrag auf die Abnutzung. Dieses Vorbringen ist, nachdem die Beklagte den Koffer in erster Instanz in Augenschein genommen hatte, ersichtlich und vom Amtsgericht im Urteil angesprochen nicht ausreichend substantiiert. Die Beklagte hätte konkret darlegen müssen, dass der Koffer bereits erheblich abgenutzt war und sich ein Neukoffer für den Kläger wirtschaftlich günstig auswirken würde, weil der Koffer eine kürzere Lebenszeit hat als das in ihm transportierte Musikinstrument.
g) Die Haftungshöchstgrenze des Art. 22 Abs.2 MÜ steht der Ersatzpflicht nicht entgegen.
Nach Art. 22 Abs.2 MÜ ist die Haftung pro Reisenden auf den Betrag begrenzt, der 1.000 Sonderziehungsrechten entspricht. Nach Art. 23 Abs.1 MÜ gilt das vom Internationalen Währungsfonds für den Zeitpunkt der Entscheidung festgelegte Sonderziehungsrecht. Unter Zugrundelegen eines Kurses von 1,2003 EUR je Sonderziehungsrecht ergibt sich die Haftungshöchstgrenze von ca. 1.200 EUR pro Reisendem.
h) Frau stand aus ihrem mit der Beklagten geschlossenen Beförderungsvertrag, in dessen Rahmen sie die Trombone des Klägers transportierte, ein Ersatzanspruch in Höhe von 850,80 EUR zu. Dieser Anspruch wurde an den Kläger abgetreten.
aa) Frau kam ihrer Meldepflicht im Sinne des Art. 31 MÜ in gleicher Weise nach wie der Kläger. Auch der diesbezügliche Schaden wurde nämlich am Flughafen mündlich und sodann mit dem Kläger als Vertreter zeitlich ausreichend schriftlich gemeldet.
Es ist nicht stets notwendig, dass der Berechtigte die Anzeige selbst abgibt, dies kann auch durch einen Beauftragten für ihn geschehen oder durch Weiterleitung eines von einem Dritten für den Empfänger gefertigten Schadensprotokolls. Dadurch wird nämlich in gleicher Weise der Zweck des Anzeigeerfordernisses erfüllt, den Frachtführer in die Lage zu versetzen, weitere Schadensfeststellungen zu treffen (BGH, TranspR 1986, 22 ff zu Art. 26 LuftRAbk).
Zu fordern ist jedoch, dass aus der Schadensanzeige ersichtlich ist, für welchen Beförderungsvertrag sie abgegeben wird. Gerade wenn man mit dem BGH richtigerweise argumentiert, dass der Frachtführer auch auf Basis der Meldung durch eine dritte Person weiter forschen könne, ist zu beachten, dass es für den Frachtführer einen Unterschied machen kann, zu welchem Beförderungsvertrag ihm der Schaden gemeldet wird. Wenn nämlich ein Reisender einen höheren Schaden meldet, können weitere Ermittlungen ggf. unterbleiben, sofern sich der Beförderer entscheidet, in diesem Fall jedenfalls mit dem Höchstsatz zu regulieren. Weiß der Beförderer aber, dass die Rüge für zwei Objekte sich auf zwei Beförderungsverträge bezieht, sieht er sich einem betragsmäßig doppelt so hohen Haftungsrisiko ausgesetzt. Es ist deshalb denkbar, dass er sich in diesem Fall zu weiteren Erkundigungen entschließt, z.B. um die Person für einen Regreß zu ermitteln. Aus dem Schreiben des Klägers vom 23.08.2004 ist ersichtlich, dass er für die Beklagte erkennbar die Rechte auf zwei konkretisierte Beförderungsverträge stützte.
bb) Zum Nichtdurchgreifen des Einwands mangelhafter Verpackung kann auf die Ausführungen hinsichtlich des anderen Instruments verwiesen werden.
cc) Die Tatsache, dass Frau selbst im Beförderungszeitraum kein Schaden entstand, weil sie nicht Eigentümerin des beschädigten Musikinstrumentes ist, ändert an ihrer Berechtigung zur Ersatzforderung nichts. Es gelten die Grundsätze der Drittschadensliquidation, für die gerade typisch ist, dass der Schaden eigentlich beim Partner des Transportvertrages, hier Frau eintreten müsste, aber aufgrund eines Rechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger, nämlich dem Auftrag, die Beförderung im Rahmen des eigenen Beförderungsvertrages zu übernehmen, auf den Kläger verlagert wird. Das Rechtsinstitut ist dahingehend anerkannt, dass derjenige, der eine vertragliche Pflicht zur Obhut und Fürsorge über eine ihm zur Verfügung gestellte Sache übernommen hat, seinem Vertragspartner gegenüber aus einer Verletzung der Obhutspflicht selbst zum Schadensersatz verpflichtet sein soll, auch wenn die in Obhut genommene Sache einem Dritten gehört (BGH NJW-RR 2001, 1616 ff). Ein solcher Fall liegt vor.
dd) Der Ersatzanspruch besteht auch für Frau in Höhe der Reparaturkosten am Instrument und hinsichtlich des Instrumentenkoffers. Zwar war letzterer im Schadenszeitpunkt bereits knapp ein Jahr alt, der Vortrag der Beklagten ist aber insoweit genauso wenig ausreichend wie hinsichtlich des anderen Koffers.
ee) Der Einwand der Beklagten, für sie würde im Ergebnis aus dem fremdnützigen Instrumententransport eine ungerechtfertigte Haftungsverdoppelung resultieren, ist nicht stichhaltig: Frau kann ebenfalls nur bis zum Höchstbetrag einen Schaden geltend machen. Für die Beklagte stellt es sich als reiner Zufall, der sie nicht entlasten soll, dar, dass Frau kein in ihrem Eigentum stehendes Objekt transportieren ließ.
i) Die weiteren Schadenspositionen (20 EUR Pauschale und 90,77 EUR außergerichtliche Anwaltsgebühren, Verzugszinsen) sind mit der Berufung nicht angegriffen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit liegen §§ 708 Nr.10, 713 ZPO zugrunde.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs.2 ZPO sind nicht gegeben, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
Bei der Streitwertfestsetzung waren die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht zu berücksichtigen. Sie sind als Nebenforderung im Sinne des § 43 GKG einzustufen, weil sie in ihrer Berechtigung von der Hauptforderung abhängen. Allein der Umstand, dass der Kläger sie im Klagantrag dem geforderten Hauptsachebetrag zuaddierte, ändert an der Einstufung als nicht streitwerterhöhende Nebenforderung nichts (BGH, III ZR 325/03, Beschluss vom 25.11.2004).
Ende der Entscheidung
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