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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 19.12.2005
Aktenzeichen: 3 U 28/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1
Zur Frage der Befangenheit eines Sachverständigen bei Beteiligung nur einer Partei an Maßnahmen, welche der Befunderhebung vorausgehen.
Oberlandesgericht Stuttgart 3. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 3 U 28/05

19. Dezember 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Kober Richter am Oberlandesgericht Dr. Ottmann Richter am Landgericht Ihle

beschlossen:

Tenor:

1. Die neuerliche Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. wegen Besorgnis der Befangenheit durch den Beklagten wird für unbegründet erklärt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 08.12.2005, eingegangen per Fax am selben Tage, den Sachverständigen Prof. Dr. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung der Ablehnung macht er geltend, er habe Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen, weil dieser den Einstellungstermin des zu begutachtenden Pferdes (in den Stall des Sachverständigen) vom 04.12.2005 nur mit der Klägerseite und nicht mit ihr, der Beklagtenseite, abgestimmt bzw. vereinbart habe.

Der Vorsitzende hat aufgrund Anordnung vom 09.12.2005 eine Stellungnahme des Sachverständigen angefordert, die am 12.12.2005 per Fax eingegangen ist und auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Die Stellungnahme wurde den Prozessvertretern der Parteien und des Streithelfers des Beklagten entsprechend Verfügung vom 12.12.2005 zur Stellungnahme zugeleitet. Der Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 12.12.2005 und vom 16.12.2005 weiter Stellung genommen, der Streithelfer des Beklagten mit Schriftsatz vom 13.13.2005, auf die ergänzend Bezug genommen wird. Insbesondere rügt der Beklagte - anknüpfend an die Stellungnahme des Sachverständigen - noch, dass der Sachverständige am 05.12.2005 das Pferd in Anwesenheit und daher unter der Möglichkeit der Einflussnahme der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin untersucht, von ihm Röntgenaufnahmen gemacht, ohne den Beklagten hiervon zu benachrichtigen, und mit der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin gesprochen zu haben.

II.

1.

Die Entscheidung zu Ziffer 1 beruht auf § 406 Abs.1 Satz 1 ZPO. Die zulässige Ablehnung ist für unbegründet zu erklären. Es sind keine Gründe gegeben, die (auch) bei einem Richter zur Ablehnung berechtigten. Die Befangenheit des Sachverständigen i.S.d. § 42 Abs.2 ZPO ist nicht zu besorgen.

a.

Wegen der Darstellung der Voraussetzungen für die Ablehnung im Allgemeinen wird auf den Beschluss des Senats vom 09.09.2005 verwiesen. Zur Frage, unter welchen Umständen die Ablehnung begründet ist, wenn der Sachverständige bei der Besichtigung der zu begutachtenden Sache oder Örtlichkeit eine Partei weniger als die andere oder gar beide nicht beteiligt, gibt es in der Rechtsprechung unterschiedliche Ansätze. Die Bandbreite reicht von der Annahme der Befangenheit bei Verlust des Honoraranspruchs (vom Beklagten angeführte Entscheidung OLG Oldenburg BauR 2004, 1817; ebenso OLG München NJW-RR 1998, 1123) bis hin zu der Ansicht, jedenfalls bei Vorliegen sachlicher Gründe könne der Sachverständige seine Feststellungen auch ohne Anwesenheit der Parteien treffen (OLG Bremen OLGR Bremen 1998, 422).

b.

Hiervon ausgehend ist die Besorgnis des Beklagten, der Sachverständige Prof. Dr. sei befangen, unbegründet. Der Beklagte unterliegt einer nach den Gegebenheiten des vorliegenden Falles verständlichen besonderen Sensibilität hinsichtlich des Verhaltens des Sachverständigen, die vor allem im seitherigen - für ihn ungünstigen - und von ihm angegriffenen Befund wurzelt. Dabei überhöht er die Anforderungen, welche unter objektiven Gesichtspunkten an einen gerichtlich eingesetzten Sachverständiger zu stellen sind, und zwar sowohl bezogen auf die gerügten Einzelmaßnahmen oder -Veranlassungen als auch auf deren Gesamtheit.

aa.

Die Vereinbarung des Einstellungstermins allein mit der Klägerin ist nicht zu beanstanden. Die Übergabe des Pferdes an den Sachverständigen stellt lediglich den zeitlichen Beginn der Verwahrung durch diesen dar. Ein Interesse an der Einbeziehung des Beklagten in diese Vorgänge ist nicht dargetan, zumal der Beklagte nicht geltend gemacht hat, dass er die Teilnahme an der Übergabe beabsichtigt habe und er die entsprechende Vorgehensweise des Sachverständigen im Rahmen der entsprechenden Vorgänge vor zwei Jahren nicht beanstandet, er insbesondere ein auf die Änderung des Prozedere gerichtetes Begehren nicht zum Ausdruck gebracht hat. Demnach durfte der Sachverständige wie damals geschehen verfahren.

bb.

Die Durchführung der Untersuchung am 05.12.2005 und die Information der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin durch diesen bzw. umgekehrt sind jedenfalls in dem vom Sachverständigen angegebenen Umfang ebenfalls nicht zu beanstanden.

(1)

Der Senat bezweifelt, ob die zu der Frage der Anwesenheit der Parteien bei durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen durchgeführten Ortsbesichtigungen ergangenen Entscheidungen auf den vorliegenden Fall überhaupt zu übertragen sind. Denn die Begutachtung erfolgt im vorliegenden Fall unter völlig anderen Voraussetzungen. Vorliegend handelt es sich nicht um Untersuchungen am "toten Objekt" wie an einem Bauwerk oder von Zuständen in einer Lagerhalle. Vielmehr geht es um die Begutachtung eines Tieres, was besondere Maßnahmen und Bemühungen erfordert. Zu nennen sind hier beispielsweise die Eingewöhnung in eine neue Umgebung und eine Beobachtung über einen gewissen Zeitraum hinweg. Dabei liegt es auf der Hand, dass gerade zu Anfang dieser Phase eine Befassung mit dem Tier erfolgt, insbesondere zur Beurteilung des Allgemeinzustandes des Tieres und zur Klärung der Bedingungen für nähere Untersuchungen, ohne dass dadurch auch nur der Anschein entstehen könnte, der Befund werde hierdurch geprägt. Diesbezüglich den Parteien unter Befangenheitsgesichtspunkten ein unabdingbares Recht einzuräumen, bei der Übergabe des Tieres anwesend zu sein, hieße im Ergebnis, ihnen ein Recht zur ständigen Präsenz während des gesamten Zeitraumes zuzubilligen, in welchem sich das Pferd beim Sachverständigen befindet. Die Eingewöhnungsphase und die anstehenden Untersuchungen bedingten auch eine Kommunikation zwischen dem Tierhalter, hier der Klägerin, vertreten durch die Ehefrau des Geschäftsführers, und dem Sachverständigen, dem - nach Auffassung des Senats gerade unter dem Gesichtspunkt der Gefahren der beabsichtigten Untersuchungen - gestattet war, bei dieser Gelegenheit die weitere Vorgehensweise zu erläutern, ohne dass hierdurch bei objektiver Betrachtung der Anschein sachwidriger Beeinflussung des Sachverständigen einerseits oder der Bevorzugung einer Partei andererseits entstehen konnte.

(2)

Dies kann indes dahin gestellt bleiben, ohne dass sich an der Beurteilung etwas änderte. Der Senat sieht sich auch nicht veranlasst, allgemein dazu Stellung zu beziehen, unter welchen Voraussetzungen ein Sachverständiger den Parteien bzw. Streithelfern Mitteilung über beabsichtigte Maßnahmen am zu untersuchenden Objekt zu machen und diesen die Gelegenheit zur Teilnahme einzuräumen hat. Zu würdigen ist gleichwohl einerseits, dass die Tätigkeit des Sachverständigen neben der Befunderhebung auch Elemente der Augenscheinseinnahme beinhalten kann, für die der genannte Grundsatz durchaus Relevanz zukommen könnte. Andererseits braucht der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit sich jedenfalls nicht auf sämtliche Maßnahmen des Sachverständigen zu erstrecken. Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen weist in seiner o.a. Entscheidung zu Recht darauf hin, dass sämtliche Erhebungen des Sachverständigen an dem zu untersuchenden Objekt der Beweisnotwendigkeit unterliegen. D.h.: Knüpft der Sachverständige an Tatsachen an, welche der Wahrnehmung am zu untersuchenden Objekt unterliegen, so müssen sie im Falle des Streits der Parteien über diese Tatsachen Bestreitens im Strengbeweiswege verifiziert werden. Der Befund selbst unterliegt ohnehin uneingeschränkt der Kritik der Parteien im Rahmen des Rechts zur Stellungnahme nach § 411 ZPO. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel der am 05.12.2005 gefertigten Röntgenbilder. Berücksichtigt der Sachverständige sie beim Befund, so müssen sie unstreitig vom zu untersuchenden Pferd stammen oder die Zuordnung muss im Rahmen einer Beweisaufnahme geklärt werden, was durch die Anwesenheit der Parteien bei der Anfertigung der Bilder natürlich überflüssig wäre. Beanstandet eine Partei die Folgerungen aus den Bildern, so berührt dies den Befund als solchen und das Gericht hat die Einwendungen zu würdigen, beispielsweise dann, wenn ein Beteiligter die Anzahl der Bilder, deren Qualität oder Aussagekraft als zu gering oder den Blickwinkel als für die Befundierung unzuträglich rügt. Keinesfalls wäre es den Beteiligten etwa gestattet, vor Ort in eine Diskussion über die Bedeutung des Inhalts eines Bildes eintreten oder Maßnahmen durchsetzen zu wollen, welche der Sachverständige im Rahmen seines Auftrages nach - zunächst durchzuführender - eigener, verantwortlicher Würdigung nicht für notwendig erachtete. Nach alledem führt die unterbliebene Benachrichtigung der Parteien zur Sicherung der Parteiöffentlichkeit zur begründeten Besorgnis der Befangenheit jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht wesentliche Untersuchungen im Vorfeld der Befunderhebung ausspart.

(3)

Vor diesem Hintergrund können im vorliegenden Fall die Rechte der Beklagten bzw. dessen Streithelfer unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als in einem Umfange geschmälert betrachtet werden, welcher den Anschein der Parteilichkeit des Sachverständigen zu erwecken geeignet sein könnte. Nach den Darlegungen des Sachverständigen, an deren Richtigkeit nach den seitherigen Erkenntnissen zu der fraglichen Sachproblematik bereits deswegen kein Zweifel besteht, weil sie die Einwendungen vor allem des Beklagten gegen den seitherigen Befund aufnehmen, standen die maßgeblichen Untersuchungen am 05.12.2005 noch aus. Der Sachverständige hat die vorgesehenen Termine für die einzelnen für den Befund maßgeblichen Veranlassungen den Parteien sowie dem Streithelfer des Beklagten mitgeteilt. Dies erfolgte nach den Gegebenheiten auch rechtzeitig, zumal von Seiten der Parteivertreter bzw. des Prozessvertreters des Streithelfers des Beklagten ein Terminsverlegungsgesuch nicht angebracht haben.

2.

Die Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, beruht auf § 574 Abs.1 Nr.2 ZPO. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

3.

Der Sachverständige wird gebeten, mit den weiteren Maßnahmen baldmöglichst zu beginnen und die Prozessvertreter der Parteien und des Streithelfers des Beklagten hiervon so rechtzeitig in Kenntnis zu setzen, dass eine Teilnahme möglich ist.

Ende der Entscheidung

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