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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 21.10.2009
Aktenzeichen: 3 U 86/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 253 Abs. 2
BGB § 249 Abs. 2
1.) Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,00 € für im Unfallzeitpunkt 50-jährigen Motorradfahrer mit Hüftpfannenfraktur links, Kniescheibenfraktur links, mäßiggradigen Bewegungseinschränkungen als Dauerfolgen, drohenden künftigen Operationen (künstliches Hüftgelenk, künstliches Kniegelenk) wegen fortschreitender Arthrose ( 100 % Haftung, keine Minderung der Erwerbsfähigkeit).

2.) Keine Verpflichtung zur (dauerhaften) Erstattung der Kosten für ein Fitness-Studio, wenn eine Verbesserung des Zustandes bezüglich posttraumatischer Arthrose nicht erwartet werden kann.


Oberlandesgericht Stuttgart 3. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 3 U 86/09

Verkündet am 21. Oktober 2009

Im Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2009 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Foth, Richter am Oberlandesgericht Dr. Brennenstuhl und Richter am Oberlandesgericht Herrmann

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 22. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 17.04.2009 - 22 O 38/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens:

Antrag Ziff. 1: 20.000,00 €

Antrag Ziff. 2: 486,20 €

Antrag Ziff. 3: (48 x 44,20 € =) 2.121,60 €

Summe 22.607,80 €.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten nach einem Verkehrsunfall noch um Schmerzensgeld sowie um die Verpflichtung der Beklagten, für die Kosten der Mitgliedschaft des Klägers in einem Fitness-Studio für die Vergangenheit und für die Zukunft aufzukommen.

Der Kläger (geb. ...) wurde als Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall am 23.05.2002 in R... d...G.../Italien verletzt. Dass die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners für die Unfallfolgen vollumfänglich einzustehen hat, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,00 € wurde von der Beklagten bereits vorgerichtlich geleistet.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf das Urteil der Einzelrichterin des Landgerichts Stuttgart vom 17.04.2009 - 22 O 38/09 - verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Durch dieses Urteil wurde nach Vernehmung des Zeugen Dr. S... sowie nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des medizinischen Sachverständigen Dr. U... festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 23.05.2002 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind (Antrag Ziff. 5). Die übrigen Anträge des Klägers (Ziff. 1: Ersatz der Kosten für den Besuch eines Fitness-Studios in Höhe von 486,20 € nebst Zinsen; Ziff. 2: Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, monatliche Gymnastikkosten in Höhe von 44,20 € ab dem 01.03.2008 zu bezahlen; Ziff. 3: Zahlung von 4.146,34 € nebst Zinsen; Ziff. 4: Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 20.000,00 €) wurden vom Landgericht abgewiesen. Künftige, nicht vorhersehbare Schäden seien nicht auszuschließen. Selbst unter Zugrundelegung des Vortrags des Klägers in der Einspruchsschrift sowie im Schriftsatz vom 01.04.2009 zum Heilungsverlauf und zu den noch bestehenden Beschwerden sowie zu den absehbaren Folgen des Unfalles sei das bereits geleistete Schmerzensgeld als ausreichend zu erachten. Der Kläger habe nicht nachzuweisen vermocht, dass der Besuch eines Fitness - Studios zur Heilung bzw. Linderung der Schmerzen oder zur Verzögerung einer Verschlechterung der Unfallfolgen geeignet sei. Es müsse von einem funktionellen Endzustand ausgegangen werden, der sich nicht mehr verbessern lasse.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers richtet sich gegen dieses Urteil, wobei lediglich die vorerwähnten Anträge Ziff. 1, 2 und Ziff. 4 vom Kläger weiter verfolgt werden. Der Kläger wiederholt seinen erstinstanzlichen Sachvortrag und ergänzt bzw. vertieft diesen dahin, dass für die erlittenen immateriellen Nachteile ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 50.000,00 € angemessen sei. Sowohl in R... als auch in R... sei eine Erstversorgung unter Narkose erfolgt. Bei dem 1-tägigen Transport in die B... Unfallklinik T... am 25.05.2002 sei das linke Hüftgelenk zumindest teilweise aus der Gelenkpfanne gesprungen, sodass die Anlegung eines Streckverbandes erforderlich gewesen sei. Hierbei habe in örtlicher Betäubung in der B... Unfallklinik T... der Oberschenkelknochen zweimal angebohrt werden müssen, weil das Röntgengerät nicht ordnungsgemäß funktioniert habe. Diese Umstände seien vom Landgericht nicht berücksichtigt worden. Als Dauerschäden bestünden nicht nur Bewegungseinschränkungen, sondern insbesondere auch belastungsabhängige Schmerzen des verletzten Knies und der verletzten Hüfte. Daher sei er auf eine regelmäßige Medikamenteneinnahme angewiesen, die mit Nebenwirkungen verbunden sei. Mit einer Folgeoperation zum Zweck des Einsatzes eines künstlichen Hüftgelenks sei zu rechnen, wobei nicht ausgeschlossen werden könne, dass in der weiteren Folge ein Austausch des künstlichen Hüftgelenks erforderlich wird. Wegen der festgestellten Arthrose im Kniegelenk drohe zudem die operative Versorgung mit einem künstlichen Kniegelenk. Die Ausübung von Sportarten wie Joggen oder Skifahren sei ihm nicht mehr möglich. Aufgrund der bestehenden Verletzungen sei regelmäßige Gymnastik notwendig. Daran ändere sich auch nichts deshalb, weil eine solche Gymnastik auch für einen Gesunden vorteilhaft sei. Der Besuch des Fitness-Studios vermeide Schmerzen und künftige Funktionsbeeinträchtigungen. Gleiches gelte für das im Fitness-Studio durchgeführte Krafttraining.

Der Kläger beantragt:

1. Das am 17.04.2009 verkündete und am 20.04.2009 zugestellte Urteil des Landgerichts Stuttgart - 22 O 38/09 - wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von 20.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2008 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 486,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.04.2007 zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Gymnastik-Kosten in Höhe von monatlich 44,20 € ab dem 01.03.2008 zu bezahlen.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und hebt hervor, das Landgericht habe den Vortrag des Klägers zu den erlittenen immateriellen Nachteilen als wahr unterstellt. Daher hätten sämtliche vom Kläger im zweiten Rechtszug angeführten Umstände bereits Eingang in die Schmerzensgeldzumessung gefunden. Ein über den bereits geleisteten Betrag in Höhe von 30.000,00 € hinausgehendes Schmerzensgeld stehe dem Kläger jedenfalls nicht zu. Der Antrag auf Zahlung von 486,28 € nebst Zinsen sei unschlüssig. Der Kläger habe nicht angegeben, auf welchen Zeitraum sich dieser Antrag bezieht. Außerdem sei das Fitness-Studio nicht benannt worden. Die Kosten für den Besuch eines Fitness-Studios seien nicht erstattungsfähig. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass das Aufsuchen eines Fitness-Studios aus unfallbedingten Gründen erforderlich sei. Dies ergebe sich aus den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen. Mögliche zunehmende Einschränkungen der Beweglichkeit des Hüftgelenks seien dadurch nicht zu vermeiden, ebenso wenig eine mögliche Abnahme der Muskelmasse am linken Oberschenkel. Ein Anspruch des Klägers, bis ans Ende seiner Tage auf Kosten der Beklagten ein Fitness-Studio besuchen zu können, bestehe nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen verwiesen.

Der Kläger hat auf die Verfügung vom 18.09.2009 ergänzend das Privatgutachten vom 19.07.2009 vorgelegt, das durch Prof. Dr. W..../B.... Unfallklinik T... erstellt worden ist (vgl. Bl. 169/173 d.A.).

II.

Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts ist in der Sache nicht zu beanstanden.

1.

Ein Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 20.000,00 € nebst Zinsen steht dem Kläger nicht zu (§§ 823 Abs. 1, 253 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG a.F.).

a)

Es ist deutsches Haftungsrecht anzuwenden. Der Anspruch des Klägers unterliegt dem Deliktsstatut. Deliktsstatut ist nach dem deutschen internationalen Privatrecht grundsätzlich das Recht des Tatortes als diejenige Rechtsordnung, die den engsten räumlichen Bezug zur Sache aufweist (Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Das Tatortrecht kommt aber dann nicht zur Anwendung, wenn Schädiger und Geschädigter zur Zeit des Haftungsereignisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat hatten (Art. 40 Abs. 2 S. 1 EGBGB). Dann ist diese Rechtsordnung das sachnähere Recht (BGH VersR 2009, 558). So liegt der Fall hier. Da die beklagte Versicherung im Inland ansässig ist, besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass ihr Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Unfalles seinen gewöhnlichen Aufenthalt wie der Kläger im Inland hatte.

Das Deliktsstatut hat grundsätzlich einen umfassenden Geltungsbereich. Es beherrscht Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer unerlaubten Handlung (BGH VersR 1960, 990, 991; Junker in Münchener Kommentar, 4. Aufl. 2006, RN 199 zu Art. 40 EGBGB). Eine Einschränkung des Deliktsstatuts ergibt sich lediglich aus der Beachtung örtlicher Verkehrsregeln und Sicherheitsvorschriften, die stets dem Recht des Unfallortes zu entnehmen sind (BGH NJW-RR 1996, 732 m.w. Nachw.).

b)

Auch nach Ansicht des Senats rechtfertigen die immateriellen Nachteile, die der Kläger aufgrund des Unfallereignisses vom 23.05.2002 erlitten hat, kein Schmerzensgeld, das über den unstreitig bereits geleisteten Betrag in Höhe von 30.000,00 € hinausgeht.

aa)

Unstreitig hat der Kläger durch den Unfall eine Hüftpfannenfraktur links sowie eine Kniescheibenfraktur links nebst Schürfungen und Prellungen erlitten. In R... erfolgte eine operative Erstversorgung mittels geschlossener Reposition der Hüftgelenksluxation links in Narkose und das verletzte Kniegelenk wurde durch eine Gipsschiene ruhiggestellt. Der stationäre Aufenthalt in der B... Unfallklinik T... dauerte vom 25.05. bis zum 18.06.2002 an. Dort wurde am 29.05.2002 die Acetabulumfraktur mittels einer dorsalen Platten- und Zugschrauben-Osteosynthese stabilisiert und zugleich eine Zuggurtungs-Osteosynthese der linken Patella vorgenommen. Das Osteosynthesematerial wurde bislang noch nicht wieder entnommen. Eine ambulante Behandlung dort sowie in der Praxis von Dr. S..., F..., der zusätzliche krankengymnastische Therapien verordnet hat, schlossen sich an. Bis zum 18.08.2002 war der Kläger arbeitsunfähig. Als Dauerfolgen verbleiben dem Kläger eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes sowie eine leichtgradige Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes, eine Muskelminderung im linken Ober- und Unterschenkel, eine Schwellneigung und eine Weichteilverformung des linken Kniegelenkes, eine (reizlose) Narbenbildung am linken Hüft- und Kniegelenk sowie eine progrediente posttraumatische Arthrose im linken Hüftgelenk und eine leichtgradige posttraumatische Arthrose retropatellar links.

Aufgrund der zunehmenden Arthrose im linken Hüftgelenk wird es möglicherweise erforderlich werden, beim Kläger ein künstliches Hüftgelenk zu implantieren. Dieser Umstand ist vom Landgericht bereits berücksichtigt worden (vgl. Urteil S. 7). Eine derartige Operation ist mit Risiken verbunden und die Haltbarkeit einer Hüftprothese möglicherweise begrenzt, was ggf. zu einem Austausch der Prothese führen kann.

Eine ähnliche Situation besteht in Bezug auf das linke Kniegelenk. Auch dort wurde vom Sachverständigen Dr. U... eine unfallbedingte posttraumatische Arthrose diagnostiziert. Wie gerichtsbekannt ist, kann dies eventuell die Einsetzung eines künstlichen Kniegelenkes (und u.U. weitere Eingriffe zum Tausch der Prothese) notwendig machen. Da bislang allerdings die Arthrose lediglich leichtgradig ausgebildet ist, ist eine solche Entwicklung hier weniger wahrscheinlich bzw. erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erwarten als beim linken Hüftgelenk.

Außerdem steht beim Kläger noch die operative Entfernung des Osteosynthesematerials an, was nur unter Vollnarkose möglich ist.

Nach dem weiteren Vortrag des Klägers ist auf den Unfall darüber hinaus zurückzuführen, dass beim Transport nach T... das linke Hüftgelenk teilweise aus der Gelenkpfanne gesprungen ist und ein Streckverband angelegt werden musste, was nur durch zweimaliges Anbohren des Oberschenkelknochens möglich war (Bl. 97/98 d.A.). Dieser Vortrag ist von der Beklagten nicht bestritten worden. Auch diese Komplikationen sind daher für die Bemessung des Schmerzensgeldes beachtlich. Gleiches gilt für die bestehenden Beeinträchtigungen bei der Sportausübung sowie für die geklagten Schmerzen, die seit dem Unfall andauern und der Grund für die Einnahme von Schmerzmedikamenten sind.

Als nicht unfallbedingt anzusehen ist die vom behandelnden Orthopäden Dr. S... festgestellte Beinverkürzung links, die nach der vom Sachverständigen Dr. U... durchgeführten Untersuchung noch ca. 1,0 cm beträgt. Im Urteil des Erstgerichts ist die fragliche Beinverkürzung nicht als Unfallfolge erwähnt. Der Kläger begründet sein Verlangen auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in seiner Berufsbegründung - im Gegensatz zum Verfahren erster Instanz (vgl. Bl. 99 d.A.) - auch nicht mit dem Argument, dass der streitgegenständliche Unfall eine Beinlängenverkürzung verursacht habe. Ein solcher Ursachenzusammenhang lässt sich nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme auch nicht belegen. Denn der Sachverständige Dr. U... ist in seinem Gutachten vom 25.09.2008 zum Ergebnis gelangt, dass es sich bei der Beinverkürzung um eine vom Unfallereignis vom 23.05.2002 unabhängige Veränderung handelt (Bl. 67 d.A.). Hieran kann deshalb nicht ernstlich gezweifelt werden, weil der Behandler Dr. S... am 07.02.2003 einen funktionell relevanten Beckenschiefstand mit Verkürzung von 1,5 cm links sowie eine leichte rechts-konvexe Skoliose festgestellt hat (vgl. dazu Arztbrief vom 29.06.2004, nach Bl. 51 d.A., sowie Eintragungen in den Krankenunterlagen vom 07.02.2003, ebenfalls nach Bl. 51 d.A.). Dass ein solcher Beckenschiefstand durch den Unfall eingetreten ist, ist unwahrscheinlich und nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. U... jedenfalls nicht belegt.

bb)

Unter Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgeblichen Umstände einschließlich der möglichen Spätfolgen, die bereits jetzt erkennbar oder vorhersehbar sind (vgl. BGH NJW-RR 2006, 712; BGH NJW 1995, 1614), hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,00 € für angemessen, aber auch ausreichend.

Die Schmerzensgeldvorstellungen des Klägers in Höhe von 50.000,00 € sind ganz erheblich übersetzt. Dies zeigen folgende Entscheidungen aus der Rechtsprechung:

- Das OLG Köln hat durch Urteil vom 11.07.2001 (VersR 2002, 1039) nach einem Verkehrsunfall mit einer Vielzahl von Frakturen insbesondere im Bereich des rechten Unterarms sowie des Beckens und der Unter- und Oberschenkel beider Beine, einem 6-monatigen Krankenhausaufenthalt nebst 30 Blutübertragungen mit der Folge einer erheblich geminderten Funktionsfähigkeit des rechten Armes und beider Beine sowie einer Beinverkürzung links von 2 cm und einer verbleibenden MdE von 70 % sowie der Gefahr von arthrotischen Veränderungen bei einem 18-jährigen Geschädigten ein Schmerzensgeld von 50.000,00 € zugesprochen.

- Durch das OLG Nürnberg wurde mit Urteil vom 14.01.2002 (DAR 2002, 359) nach einem Verkehrsunfall, bei dem eine junge Frau schwere Weichteilverletzungen im Oberschenkel mit notwendigem plastisch-chirurgischem Folgeeingriff und bleibenden großflächigen, entstellenden Narben, eine Bandruptur des linken Sprunggelenks, einen Abriss der spina iliaca mit andauernden Sitzbeschwerden sowie eine posttraumatische Belastungsreaktion mit der Folge einer MdE von 30 % erlitten hat, ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 € zuerkannt.

- Bei einem Verkehrsunfall mit Schädel-Hirn-Trauma mit Einblutungen, multiplen Contusionsherden, Rippenserienfrakturen und einer Lungenkontusion beidseits, der zu einer Erwerbsunfähigkeit des Geschädigten auf unabsehbare Zeit geführt hat, hielt das OLG Nürnberg (Urteil vom 25.10.2002 - 6 U 2114/02, zitiert nach Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge 2006, 24. Aufl., Nr. 2690) ebenfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 € für angemessen.

- Ein Schmerzensgeld in gleicher Höhe erhielt ein Geschädigter nach einer beiderseitigen Beckenringfraktur und einem Hüftgelenksbruch, der wegen einer Lungenentzündung nicht behandelt werden konnte, Durchblutungsstörungen mit der Notwendigkeit einer operativen Eröffnung der großen Beckenschlagader und einem Bypass an der rechten Oberschenkelschlagader, was zu einer Beinverkürzung links von 4 cm, einer schmerzhaften Hüftgelenksversteifung und zu einer MdE von 80 % geführt hat (Urteil des Landgerichts Köln vom 22.09.1988 - 15 O 665/87, zitiert nach Hacks/Ring/Böhm, a.a.O., Nr. 2666).

Die Gesundheitsverletzungen, die der Kläger davongetragen hat, wiegen glücklicherweise weit weniger schwer, insbesondere ist keine Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetreten.

Vielmehr befindet sich das Landgericht hinsichtlich der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung, wie ein Vergleich mit anderen Entscheidungen belegt:

- Das OLG Köln (ZfS 1992, 156) hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 60.000,00 DM für gerechtfertigt erachtet nach einem Verkehrsunfall durch einen erheblich alkoholisierten Fahrer, der bei einer 31-jährigen Frau zu zahlreichen Frakturen, zum Verlust der Milz und der Gallenblase und zu einer MdE von 100 % auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und zur Zunahme multipler posttraumatischer Arthrosen geführt hat.

- Nach Frakturen der Lendenwirbelsäule, der Brustwirbelsäule, des Kahnbeins an der rechten Hand und an der linken Fußwurzel, einem Bauchtrauma mit Zwerchfell- und dreifacher Dünndarmruptur etc. erhielt eine 42-jährige Geschädigte, bei der insbesondere eine deutliche Einschränkung der HWS-Beweglichkeit und eine Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes mit Verlust der groben Kraft und eine MdE von 50 % eingetreten ist, ein Schmerzensgeld in Höhe von 60.000,00 DM (OLG Saarbrücken, Urteil vom 04.02.1999 - 3 U 533/97, Hacks/Ring/Böhm, a.a.O., Nr. 2505).

- Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 31.10.2002 (19 U 257/01, zitiert nach Hacks/ Ring/Böhm, a.a.O., Nr. 2509) bei einem jungen Mann nach einer unfallbedingten Oberschenkelfraktur, einer dislozierten Innenknöchelfraktur sowie einer Fraktur des Hüftbeins mit der Folge eines Beckenschiefstandes, einer Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes und einer vermehrten Aufklappbarkeit des Außenbandapparates am linken Kniegelenk sowie einer MdE von 15 % und der Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes künstlicher Gelenke (Hüft- und Kniegelenk) ein Schmerzensgeld in der gleichen Höhe ausgeworfen.

- 30.450,00 € hielt das KG (Urteil vom 15.03.2004, VRS 106, 419) bei einer Schienbeinkopftrümmerfraktur rechts mit frühzeitiger Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose mit entsprechend schmerzhafter Belastung des rechten Beines und der Notwendigkeit prothetischer Versorgung sowie einer MdE von 40 % für adäquat.

Selbst unter Einbeziehung der Verletzung des Kniegelenks und der damit in Zusammenhang stehenden eingetretenen und vorhersehbaren Folgen, die im landgerichtlichen Urteil nicht explizit aufgeführt werden, kommt danach ein Schmerzensgeld, welches über 30.000,00 € hinausgeht, nicht in Betracht. Allen genannten Entscheidungen lag ein Dauerschaden in Form einer erheblichen Minderung der Erwerbstätigkeit zugrunde, der bislang beim Kläger nicht vorliegt und mit dem beim Kläger auch nicht ernstlich zu rechnen ist.

2.

Der Antrag des Klägers auf Zahlung von 486,20 € nebst Zinsen ist zulässig, aber unbegründet.

a)

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfüllt. Der Kläger hat im Termin vom 02.04.2009 klargestellt, dass sich dieser Antrag auf die bereits bezahlten Kosten für das Fitness-Studio im Zeitraum 01.04.2007 bis 28.02.2008 bezieht (Bl. 115 d.A.). Der Name des Studios ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich.

b)

Die vom Kläger geltend gemachten Kosten für das Fitness-Studio im fraglichen Zeitraum muss die Beklagte nicht ersetzen. Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist bei der Verletzung einer Person für Heilbehandlungskosten nur dann Ersatz zu leisten, wenn es sich um erforderliche Herstellungskosten gehandelt hat (BGHZ 97, 14). Die Erforderlichkeit ist im vorliegenden Fall zu verneinen. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass eine medizinische Notwendigkeit für den Besuch eines Fitness-Studios besteht.

aa)

Der gerichtliche Sachverständige Dr. U... ist mit nachvollziehbarer Begründung und daher für den Senat überzeugend zu der Einschätzung gelangt, dass inzwischen von einem funktionellen Endzustand im Hinblick auf das verletzte Hüft- und das Kniegelenk auszugehen ist. Dieser hat näher ausgeführt, dass eine krankengymnastische Übungsbehandlung zur Verbesserung der Beweglichkeit und der Muskelkraft maximal für 2 Jahre sinnvoll war und dass nach 6 bis 7 Jahren eine Verbesserung dieses Zustandes nicht mehr eintreten kann (S. 12 des Gutachtens vom 25.09.2008, Bl. 68 d.A.). Zur Wiederherstellung der Gesundheit können daher auch Besuche im Fitness-Studio, die nicht anders wie krankengymnastische Übungsbehandlungen zu beurteilen sind, jetzt nicht mehr beitragen.

bb)

Zur Vermeidung zusätzlicher Gesundheitsnachteile sind solche Besuche ebenfalls nicht notwendig. Zwar ist richtig, dass die posttraumatische Arthrose vor allem im linken Hüftgelenk wahrscheinlich mit der Zeit zunehmen wird, sodass möglicherweise die Beweglichkeit im Bereich des linken Hüftgelenks abnehmen und die Muskelmasse am linken Oberschenkel geringer werden wird. Diese Entwicklung lässt sich aber durch eine noch so intensive krankengymnastische Übungsbehandlung auf Dauer nicht verhindern (ebenfalls S. 12 des Gutachtens, Bl. 68 d.A.). Das Gleiche gilt für das Training in einem Fitness-Studio.

cc)

Eine andere Betrachtung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil das Training dazu geeignet ist, einen positiven Effekt auf die Muskulatur am linken Bein zu erzielen, wie der Kläger meint. Denn insoweit unterscheidet sich die Situation beim Kläger nicht von derjenigen eines Gesunden. Dass die Ausübung von Sport und ein körperliches Training sinnvoll und begrüßenswert ist, kann noch nicht zu einer Erforderlichkeit im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB führen. Denn der Kläger ist nicht generell an einer sportlichen Tätigkeit gehindert. Wie er selbst mitgeteilt hat, fährt er regelmäßig Rad (S. 7 des Gutachtens, Bl. 63 d.A.). Im Jahr 2003 war der Kläger sogar schon wieder in der Lage, an einem Fahrradmarathon teilzunehmen (vgl. dazu die Eintragungen in den Behandlungsunterlagen von Dr. S... vom 25.08.2003, Bl. 51 d.A.). Er ist demzufolge nicht darauf angewiesen, zur sportlichen Betätigung ein Gymnastik-Studio aufzusuchen.

3.

Der auf Feststellung der Verpflichtung zur Erstattung der Kosten für das Fitness-Studio ab dem 01.03.2008 gerichtete Feststellungsantrag wurde vom Landgericht zu Recht abgewiesen.

a)

Das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) ist gegeben. Nach dem Vortrag des Klägers besteht eine medizinischen Notwendigkeit für einen Besuch des Fitness-Studios ab diesem Zeitpunkt ohne zeitliche Begrenzung für die Zukunft. Aus diesem Grunde befindet sich der Schaden in der Fortentwicklung, sodass eine Leistungsklage nicht als vorrangig anzusehen ist.

b)

Der Feststellungsantrag erweist sich jedoch als unbegründet. Wegen der Begründung kann auf die obigen Ausführungen (unter II. 2.) Bezug genommen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert des Antrages Ziff. 3 wurde auf 2.121,60 € festgesetzt. Ihm liegt ein Schadensersatzanspruch nach § 843 Abs. 1 BGB (Vermehrung der Bedürfnisse) zugrunde. Daher ist § 9 ZPO für die Gebührenwertfestsetzung unanwendbar (Zöller/Herget, 27. Aufl. 2009, § 9 ZPO Rn. 7). Vielmehr ist nach h.M. bei einer Feststellungsklage wie der vorliegenden der Streitwert auf den 4-fachen Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen festzusetzen, falls nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist (§ 42 Abs. 1 GKG abzügl. 20 %; vgl. BGHZ 1, 43; OLG Köln JurBüro 1992, 624; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rn. 2115). Da es sich um eine zeitlich unbegrenzte Feststellungsklage handelt, ist diese Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Von einer Korrektur der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung wird abgesehen, da sich diese kostenmäßig nicht auswirken würde (Streitwertgrenze: 30.000,00 €).

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Fragen von einer über den vorliegenden Einzelfall hinausgehenden Bedeutung sind nicht ersichtlich. Die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichtes nicht.

Ende der Entscheidung

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