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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 3 W 65/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 240
1. Das Prozeßkostenhilfeverfahren wird durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen die Antragssteller nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen.

2. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Antragssteller verlieren diese in der Regel die Klagebefugnis, weshalb für eine beabsichtigte Widerklage zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Klägerin die erforderliche Erfolgsaussicht gemäß § 114 ZPO fehlt.


Oberlandesgericht Stuttgart 3. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 3 W 65/03

25. März 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Richter Richter am Oberlandesgericht Herrmann Richterin am Landgericht Barth

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten/Widerkläger/Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 25. September 2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 25.9.2003, mit dem ihrem Prozesskostenhilfegesuch für eine Widerklage nur zum Teil stattgegeben wurde, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Gründe der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe tragen, insbesondere nachdem die Beklagten versucht haben, mit ihrer sofortigen Beschwerde die geltend zu machenden Schadensersatzansprüche zu substanziieren. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nun jedenfalls aus anderen Gründen zu versagen.

2.

Eine über den bereits rechtshängigen Teil hinausgehende Widerklage hat wegen der zwischenzeitlich erfolgten Eröffnung der Insolvenzverfahren gegen die Beklagten keine Aussicht auf Erfolg.

a) Dabei kann dahin stehen, ob eine weitergehende Widerklage als Widerklagerweiterung überhaupt erhoben werden könnte, weil der Rechtsstreit über die Klage gegen die Beklagten und deren Widerklage, als ersten rechtshängig gemachten Teil, mit der Eröffnung der Insolvenzverfahren gegen die Beklagten am 20.01.2004 gemäß § 240 ZPO unterbrochen wurde.

b) Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob eine Widerklagerweiterung oder eine neue Klage derzeit schon deshalb keine Aussicht auf Erfolg hätte (so wohl OLG Köln ZIP 2003, 1056, 1058 = NJW-RR 2003, 264), weil die dem Beklagtenvertreter erteilte Prozessvollmacht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 117 InsO erloschen ist (MüKo-Ott, InsO, § 117 Rn. 8; Braun-Kroth, InsO, § 117 Rn. 4; BGH NJW-RR 1989, 183) und die Beklagten mangels Klagebefugnis auch für Forderungen, die zur Insolvenzmasse gehören, keine erneute Prozessvollmacht erteilen können. Die Postulationsfähigkeit der Beklagten wäre für einen Rechtsstreit gegen die Klägerin, der vor dem Landgericht zu führen wäre, mit Insolvenzeröffnung entfallen (Thomas/Putzo, 25. Aufl., Vor § 78 ZPO Rn. 4). Es kann offen bleiben, ob dies durch die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Prozesskostenhilfebeschluss behoben werden könnte.

Tatsächlich kann für einen Aktivprozess jedoch aus Gründen der fehlenden Prozessführungsbefugnis Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden.

c) Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fehlt den Beklagten die Klagebefugnis/Prozessführungsbefugnis (Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., Vor § 50 ZPO Rn. 21; Thomas/Putzo, 25. Aufl., § 51 Rn. 19 ff.). Wegen § 80 Abs. 1 InsO wird der Insolvenzverwalter Partei kraft Amtes (h.M., BGH NJW 1997, 1445). Die Beklagten sind nicht mehr befugt, über ihre Vermögensgegenstände, zu denen auch Forderungen gehören, zu verfügen und diese klageweise geltend zu machen. Die Frage, ob Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin geltend zu machen sind, wird daher vom Insolvenzverwalter zu entscheiden sein, der entsprechende Schritte auch unternehmen kann.

Da eine entsprechende Klage/Widerklagerweiterung die erforderliche Prozessvoraussetzung der Prozessführungsbefugnis der Beklagten nicht aufweisen könnte, wäre sie als unzulässig abzuweisen (Zöller/Vollkommer aaO). Im Sinne des § 114 ZPO fehlt daher die Erfolgsaussicht (Fischer, MDR 2004, 252, 254; so wohl auch OLG Köln ZIP 2003, 1056, 1058 in der Hilfsbegründung).

d) Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob tatsächlich die Fortführung des Prozesskostenhilfeverfahrens als mutwillig i.S. d. § 114 ZPO anzusehen ist (so wohl auch OLG Köln ZIP 2003, 1056, 1058; OLG Koblenz ZIP 1987, 1596; Fischer aaO).

3.

An einer Entscheidung über die Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren sieht sich der Senat durch § 240 ZPO nicht gehindert. Eine Unterbrechung des Prozesskostenhilfeverfahrens hinsichtlich des zurückgewiesenen Teils des Prozesskostenhilfeantrags der Beklagten ist nicht eingetreten.

a) Herrschender Meinung entspricht es, dass § 240 ZPO weder direkt noch in entsprechender Anwendung zur Unterbrechung von Prozesskostenhilfeverfahren führt (OLG Düsseldorf MDR 2003, 1018; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 796; OLG Köln (15. ZS) NJW-RR 1999, 276; OLG Dresden ZIP 1997, 730; OLG Koblenz v. 20.11.1987 (Az.: 5 W 583/87) zit. nach Juris; Thomas/Putzo, 25. Aufl., Vor § 239 Rn. 1; Zöller/Greger, 23. Aufl., Vor § 239 Rn. 8; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers, 62. Aufl., Übers. § 239 Rn. 5; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 240 Rn. 6; Stein/Jonas 21. Aufl., 1994, Vor § 239 ZPO Rn. 2 (zur KO), Fischer MDR 2004, 252 ff.).

Als Grund wird angeführt, dass § 240 ZPO Rechtshängigkeit voraussetze, was bei einem Verfahren über Prozesskostenhilfe gerade nicht der Fall ist. Außerdem liege beim Prozesskostenhilfeverfahren kein kontradiktorisches Verfahren vor, da nicht die Parteien sich gegenüber stünden, sondern der Antragssteller der Staatskasse (OLG Karlsruhe aaO, OLG Düsseldorf aaO). Darüber hinaus gebiete das Beschleunigungsgebot des Prozesskostenhilfeverfahrens eine baldige Entscheidung, um die Kostenvorschusspflicht zu klären (OLG Düsseldorf aaO). Demgegenüber sei eine Unterbrechung auch nicht geboten (Fischer aaO).

b) Die Gegenmeinung (OLG Köln ZIP 2003, 1056; LAG Hamm v. 3. Februar 1999 (Az.: 4 Sa 1050/98) zitiert nach Juris, OLG Düsseldorf v. 4. Dezember 1998 (Az.: 16 U 139/98) zitiert nach Juris) scheint aus primär prozessökonomischen Gründen eine Unterbrechung zu befürworten. Es wird damit argumentiert, dass im Konkurs des Antragsgegners diesem kein rechtliches Gehör gewährt werden könnte (OLG Köln aaO) oder damit, dass die streitgegenständliche Forderung u.U. im Insolvenzverfahren anderweitig geltend zu machen sei oder realisiert werde (LAG Hamm aaO).

c) Bei den verschiedenen Entscheidungen ist festzustellen, dass es sich meist um Prozesskostenhilfeverfahren bei Insolvenz des Antragsgegners handelt. In solchen Fällen hält das OLG Düsseldorf (MDR 2003,1018) es für die antragstellende Partei nicht zumutbar, die Kostentragung offen zu lassen. Dem OLG ist darin zuzustimmen, dass die Problematik des rechtlichen Gehörs für den mittlerweile insolventen Gegner sich mit § 118 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. ZPO lösen läßt. Letztendlich kann dieser Fall jedoch offen bleiben.

d) Kein Bedürfnis für eine Unterbrechung in Analogie zu § 240 ZPO besteht jedenfalls in den Fällen, in denen das Insolvenzverfahren gegen den Antragssteller eröffnet wurde und ein Aktivprozess geführt werden soll.

Zwar scheint es prozeßökonomisch unsinnig, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil in einem bereits rechtshängigen Verfahren vollkommen offen ist, ob das unterbrochene Hauptsacheverfahren wieder aufgenommen wird und durch wen. Man würde eine Bewilligung auf Vorrat vornehmen. Ebenso unsinnig erscheint die einem Gerichtsverfahren vorgelagerte Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für einen Aktivprozess.

Derartige Ergebnisse werden aber tatsächlich dadurch vermieden, dass die Prozesskostenhilfe in aller Regel zu verweigern sein wird (Fischer aaO). Denn der Gemeinschuldner verliert mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Sachbefugnis über sein Vermögen. Es fehlt ihm an der Prozeßführungsbefugnis. Das führt in Aktivprozessen ohne weiteres zur fehlenden Erfolgsaussicht, weil eine Klage unzulässig wäre.

e) Die abweichende Entscheidung des OLG Köln (ZIP 2003, 1056) betrifft in gewisser Hinsicht einen Sonderfall. Zwar ähnelt der Fall dem vorliegenden insoweit, als dort jedenfalls nicht der Antragsgegner insolvent wurde, jedoch liegt ein Unterschied darin, dass der Prozesskostenhilfeantrag beider Parteien erst nach Unterbrechung des Hauptsacheverfahrens gestellt wurde. Dort liegt es auf der Hand, dass die Prozesskostenhilfebewilligung nicht in erster Linie der Rechtsverfolgung- oder verteidigung dienen sollte. Im vorliegenden Fall erfolgte die Insolvenzeröffnung erst zu einem Zeitpunkt, als das Prozesskostenhilfeverfahren der Antragssteller bereits in Gang war und eine Widerklage vorbereiten sollte.

Unabhängig davon zeigt die Hilfsbegründung des OLG Köln zur Erfolgsaussicht der Berufungen darüber hinaus, dass ein wirkliches Bedürfnis für die Unterbrechung des PKH-Verfahrens nicht bestand.

Es handelt sich aber beim Verfahren über den abgelehnten Teil des Prozesskostenhilfeantrags - wie sich gerade im Beschwerdeverfahren zeigt - um einen selbständigen Verfahrensteil. Allerdings zeigt sich gerade hier, dass eine Prozesskostenhilfe bewilligende Entscheidung keinen praktischen oder prozessualen Sinn machte. Dennoch bedarf es für eine sachgerechte Entscheidung - wie ausgeführt - keiner Unterbrechungswirkung oder einer Analogie zu § 240 ZPO. Denn das Dilemma wird mittels der Prüfung der Erfolgsaussicht gelöst (vgl. hierzu Fischer MDR 2004, 252 ff.).

4.

Die Beschwerdeführer tragen die Gerichtskosten gemäß § 49 GKG, Nr. 1956 des Kostenverzeichnisses in Anlage zum Gerichtskostengesetz. Gemäß § 127 Abs. 4 ZPO werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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