Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 05.07.2001
Aktenzeichen: 3 Ws 134/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 73 Abs. 1 Satz 2
StPO § 111 b
StPO § 111 i
Wird wegen § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht auf Verfall oder Verfall von Wertersatz erkannt, erlaubt § 111 i StPO die Aufrechterhaltung einer auf § 111 b StPO gestützten Sicherungsmaßnahme -- einer Beschlagnahme oder eines vollzogenen dinglichen Arrests -- nur bis zu einer Dauer von drei Monaten über den Zeitpunkt der dahingehenden tatrichterlichen Entscheidung hinaus.
Geschäftsnummer: 3 Ws 134/01 19 KLs 163 Js 60604/00 LG Stuttgart 163 Js 60604/00 StA Stuttgart

Oberlandesgericht Stuttgart - 3. Strafsenat - Beschluss

vom 5. Juli 2001

in der Strafsache gegen

wegen gewerbsmäßiger Hehlerei

Tenor:

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 6. April 2001 wird als unbegründet

verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten hieraus erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Dem Angeklagten, der in W. einen Autohandel betrieb, wird vorgeworfen, er habe in der Zeit von Oktober 1998 bis April 2000 im Auftrag einer international tätigen Gruppierung in einer Vielzahl von Fällen im Ausland entwendete oder unterschlagene Kraftfahrzeuge zum Schein angekauft, für diese deutsche Papiere beschafft und sie sodann unter Vortäuschung eines Verkaufsgeschäfts an Personen weitergegeben, die für den Absatz in Frankreich oder Nordafrika sorgten. Je verschobenes Fahrzeug habe er neben dem Ersatz seiner Auslagen eine "Provision" von mindestens 500 DM erhalten.

Im Zuge der Ermittlungen durchsuchten am 07. August 2000 Beamte der Polizeidirektion B. die Wohn- und die Geschäftsräume des Angeklagten und beschlagnahmten gemäß §§ 111 b, 111 c Abs. 1 StPO einen in dessen Hosentasche aufgefundenen Bargeldbetrag von 28.490,90 DM. Das Amtsgericht B. bestätigte die Beschlagnahme am 17. August 2000.

Mit -- nicht rechtskräftigem -- Urteil vom 06. April 2001 verhängte das Landgericht Stuttgart gegen den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in 35 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten. Von einer Verfallsanordnung sah die Kammer aufgrund der fortbestehenden Rückerstattungsansprüche der Fahrzeugeigentümer ab (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB); die Voraussetzungen des erweiterten Verfalls (§ 73 d StGB) konnte sie nicht feststellen. Die vom Amtsgericht B. bestätigte Beschlagnahme hielt die Kammer durch Beschluss vom selben Tag "für weitere drei Monate" aufrecht. Hiergegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Beschwerde der Staatsanwaltschaft, nach deren Ansicht § 111 i StPO der Kammer geboten hätte, die Beschlagnahme bis zum Ablauf von drei Monaten "ab Rechtskraft des Urteils" aufrechtzuerhalten.

II.

Die zulässige (vgl. LR-Schäfer, 24. Aufl., § 111 i StPO Rdn. 7; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 45. Aufl., § 111 i StPO Rdn. 6) Beschwerde der Staatsanwaltschaft bleibt in der Sache ohne Erfolg. Wird wegen § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht auf Verfall oder Verfall von Wertersatz erkannt, erlaubt § 111 i StPO die Aufrechterhaltung einer auf § 111 b StPO gestützten Sicherungsmaßnahme -- einer Beschlagnahme oder eines vollzogenen dinglichen Arrests -- nur bis zu einer Dauer von drei Monaten über den Zeitpunkt der dahingehenden tatrichterlichen Entscheidung hinaus (so im Ergebnis auch LR-Schäfer a.a.O. Rdn. 3, 4).

1. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, die genannten Maßnahmen könnten (in jedem Falle) bis zu 3 Monate über die Rechtskraft dieser Entscheidung hinaus aufrechterhalten werden, findet schon im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze. § 111 i StPO geht ersichtlich davon aus, dass über den weiteren Bestand der Beschlagnahme (oder des vollzogenen dinglichen Arrests, vgl. KK-Nack, 4. Aufl., § 111 i StPO Rdn. 2) in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem von der Verfallsanordnung absehenden Urteil (oder einer ihm gleichzustellenden tatrichterlichen Entscheidung) zu befinden ist. Vom grundsätzlichen Gebot, eine der vorläufigen Sicherung dienende Maßnahme unverzüglich aufzuheben, wenn nach tatrichterlicher Überzeugung der ihr entsprechende Rechtsfolgenausspruch nicht in Betracht kommt (vgl. Pfeiffer, 2. Aufl., § 111 i StPO Rdn. 2; KMR-Müller, § 111 i StPO Rdn. 1, 3; dass § 111 b Abs. 5 StPO die Sicherung gerade auch dann gestattet, wenn solches von vornherein feststeht, ändert nichts), lässt die Bestimmung eine Ausnahme dann zu, wenn die "sofortige" Aufhebung gegenüber dem Verletzten unbillig wäre. Gestattet sie -- anstelle der an sich gebotenen sofortigen Aufhebung -- ein Aufrechterhalten der Maßnahme für (höchstens) drei Monate, kann dies nur als Verknüpfung der Frist mit dem Urteil, nicht aber mit seiner keine Erwähnung findenden Rechtskraft verstanden werden.

2. Das Ergebnis findet seine Bestätigung darin, dass § 111 i StPO den Fortbestand der Sicherungsmaßnahme nur für "höchstens" drei Monate zulässt, somit verlangt, im Wege der Abwägung der wirtschaftlichen Interessen des durch das relative Veräußerungsverbot beschwerten Angeklagten einerseits und der weiteren Schutzwürdigkeit des Verletzten andererseits eine im konkreten Einzelfall billige und angemessene Frist zu ermitteln (vgl. LR-Schäfer a.a.O. Rdn. 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. Rdn. 3). Dieser Norminhalt bliebe weitgehend ohne Sinn, wenn die weitere Dauer der Verstrickung letztlich doch nur vom Ungewissen, auf Zufälligkeiten beruhenden Rechtskraftdatum abhängig wäre.

3. Der Auffassung der Staatsanwaltschaft entgegen belegt der von ihr zitierte Beschluss des OLG Düsseldorf (NJW 1995, 2239; m. Anm. v. Danwitz, NStZ 1999, 262) auch nicht, dass die Strafverfolgungsorgane es ohnehin schon stets in der Hand hätten, Sicherungsmaßnahmen nach §§ 111 b ff StPO bis zur Rechtskraft des Urteils fortwirken zu lassen. Vielmehr stellt diese Entscheidung lediglich klar, dass eine der vorläufigen Sicherung dienende Maßnahme -- sofern sie nicht aufgehoben wird -- im Falle sogenannter beschränkter Rechtskraft (die Anordnung der Rechtsfolge, deren Vollstreckung gesichert werden sollte, kommt wie hier bereits aufgrund § 331 StPO nicht mehr in Betracht) ihre Wirksamkeit bis zur insgesamt eintretenden Rechtskraft behält. Dies ändert aber nichts an der erwähnten Selbstverständlichkeit, dass dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den gesicherten Rechtsfolgenausspruch nicht (mehr) gegeben sind, die Sicherungsmaßnahme unverzüglich aufzuheben ist, sofern das Gesetz ihren Fortbestand nicht ausnahmsweise -- § 111 i StPO -- zulässt. So können, sieht der Tatrichter von einer Verfallsanordnung ab und hebt die Beschlagnahme oder den dinglichen Arrest gleichwohl nicht auf, auch die Verfahrensbeteiligten auf eine solche Aufhebung hinwirken (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O. re. Spalte a. E.).

4. Die -- vorliegend auch unter Zugrundelegung der Auffassung der Staatsanwaltschaft nach Sachlage allenfalls vorübergehend zu schließende -- "Abschöpfungslücke", die sich daraus ergibt, dass § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz bereits bei rechtlicher Existenz eines Anspruchs und ohne Rücksicht auf dessen Geltendmachung ausschließt (vgl. nur BGH NStZ 2001, 257; Tröndle-Fischer, 50. Aufl., § 73 StGB Rdn. 11 m.w.N. [beim erweiterten Verfall dürfte die Vorschrift unanwendbar sein]), sind de lege lata hinzunehmen (vgl. hierzu auch Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus Straftaten, BT-Drs 13, 9742).

Ende der Entscheidung

Zurück