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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 30.10.2007
Aktenzeichen: 4-3 StE 1/07
Rechtsgebiete: StPO, GVG


Vorschriften:

StPO § 225 a
GVG § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.d.F. von Art. 3 Nr. 2 des 2 Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.2006
GVG § 122
1. Bei der Entscheidung über die Übernahme einer vom Landgericht dem Oberlandesgericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens und außerhalb der Hauptverhandlung vorgelegten Staatsschutzsache entscheidet der Strafsenat in der Besetzung von fünf Richtern einschließlich des Vorsitzenden.

2.Der Übernahme der Sache steht nicht entgegen, dass der Generalbundesanwalt die Verfolgung nicht übernehmen konnte, weil dessen Zuständigkeit infolge der Ergänzung von § 120 Abs. 2 Satz 1 GVG erst nach dem Eröffnungsbeschluss begründet worden ist.

3. Legt das Landgericht dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts die Sache nach ausgesetzter Hauptverhandlung gemäß § 225 a Abs. 1 Satz 1 StPO zur Übernahme vor, weil nach dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses infolge einer Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes die Straftaten, die Gegenstand des Verfahrens sind, nunmehr in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts fallen, kann dieses seine Zuständigkeit auf Grund des normativen Zuständigkeitsmerkmals "besondere Bedeutung des Falles" in § 120 Abs. 2 Satz 1 GVG annehmen. Dem steht weder die Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Landgericht noch der Grundsatz der "perpetuatio fori" entgegen.


Gründe:

I.

1.

Am 11. November 2004 erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs gegen X. Haftbefehl wegen Verstoßes gegen das KWKG. Danach besteht darüber hinaus (wohl hinreichender) Tatverdacht wegen Beihilfe zum versuchten Landesverrat. X. wurde in der Schweiz festgenommen. Mit Beschluss vom 23. Juni 2005 bewilligte das Schweizer Bundesgericht seine Auslieferung wegen Verstoßes gegen das KWKG; wegen der dem Beschuldigten zur Last gelegten Beihilfe zum versuchten Landesverrat machte es jedoch einen Spezialitätsvorbehalt. Am 30. Juni 2005 wurde X. nach Deutschland ausgeliefert.

Noch an diesem Tag gab der Generalbundesanwalt die Ermittlungen wegen seiner, aufgrund der eingeschränkten Auslieferung nicht mehr bestehenden Zuständigkeit an die Staatsanwaltschaft M. ab. Diese erweiterte am 11. Juli 2005 das Ermittlungsverfahren auf den Verstoß gegen das AWG. Am 02. August 2005 übersandte der Generalbundesanwalt die Akten an die Staatsanwaltschaft M. und wies (unter Hinweis auf Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rdnr. 173) klarstellend darauf hin, dass das Verfahren nur bezüglich des Verstoßes gegen das KWKG und AWG abgegeben werde.

Die Staatsanwaltschaft M. erhob gegen X. wegen Straftaten nach dem AWG und KWKG Anklage zum Landgericht - Wirtschaftsstrafkammer - M. Sie legt ihm zur Last, an der Herstellung und Lieferung einer Gasultrazentrifuge für das libysche Atomwaffenprogramm gemeinsam mit anderen Personen beteiligt gewesen zu sein. Am 22. Februar 2006 eröffnete das Landgericht das Hauptverfahren und ließ die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zu. Die Hauptverhandlung fand vom 17. März bis 26. Juli 2006 an insgesamt 14 Sitzungstagen statt. Mit Beschluss vom 26. Juli 2006 setzte es die Hauptverhandlung gem. § 228 Abs. 1 StPO aus, weil bisher nicht geklärt sei, ob die Schweiz die Nachtragsauslieferung auch wegen eines Verstoßes gegen das AWG bewilligen werde und damit auch nicht feststehe, ob die Wirtschaftsstrafkammer sachlich zuständig sei. Zudem hätten die Strafverfolgungsbehörden während der Hauptverhandlung 13 Mal Akten nachgereicht, die bereits bei Anklageerhebung hätten vorgelegt werden müssen. Von der Kammer angeforderte Aktenvollständigkeitserklärungen der beteiligten Ermittlungsbehörden seien teilweise unrichtig gewesen. Die Verwertung von in Liechtenstein wegen des Verstoßes gegen das AWG sichergestellter Unterlagen sei mangels gewährter Rechtshilfe derzeit nicht möglich und auch noch weitere anhängige Rechtshilfeersuchen seien unerledigt. Damit sei insgesamt die Grenze eines fairen Verfahrens erreicht und das Beschleunigungsgebot in Haftsachen nicht mehr einzuhalten. Der Haftbefehl gegen den Angeklagten wurde am selben Tag - bei fortbestehendem dringendem Tatverdacht - gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Am 03. November 2006 bewilligte die Schweiz die Nachtragsauslieferung des Angeklagten auch wegen des Verstoßes gegen das AWG.

2.

Durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3416 - in Kraft getreten am 31. Dezember 2006 -) wurde § 120 Abs. 2 Satz 1 GVG - insoweit ohne Überleitungsvorschrift - um eine neue Nr. 4 erweitert, wonach bei Straftaten nach dem AWG sowie nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 2 und 20 Abs. 1 KWKG die Oberlandesgerichte am Sitz der Landesregierung für das Gebiet des Landes für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug zuständig sind, wenn die Tat geeignet ist, die äußere Sicherheit oder die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, oder bestimmt und geeignet ist, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt.

Die Staatsanwaltschaft M. regte am 24. Januar 2007 an, das Verfahren im Hinblick auf die Neuregelung in § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG an das Oberlandesgericht Stuttgart abzugeben.

Mit Beschluss vom 21. März 2007 legte das Landgericht die Sache dem Oberlandesgericht Stuttgart gem. § 225 a Abs. 1 StPO zur Übernahme vor. Dieses sei nunmehr zuständig, da die materiellen Voraussetzungen von § 120 Abs. 2 Nr. 4 a) u. b) GVG erfüllt seien. Auf das Evokationsrecht des Generalbundesanwalt komme es nicht an, da das Ursprungsverfahren dort noch anhängig sei. Eine Verfolgung wegen Beihilfe zum versuchten Landesverrat sei wegen des Spezialitätsvorbehalts der Schweiz derzeit nicht möglich. Die Abgabe des Verfahrens wegen des Verstoßes gegen das AWG und das KWKG an die Staatsanwaltschaft M. sei nicht erfolgt, weil die besondere Bedeutung der Sache nicht mehr gegeben sei, sondern weil die sachliche Zuständigkeit des Generalbundesanwalts wegen des Spezialitätsvorbehalts der Schweiz bezüglich des Vorwurfs der Beihilfe zum versuchten Landesverrat entfallen sei.

II.

Der Senat entscheidet in entsprechender Anwendung von § 122 Abs. 2 S. 1 GVG in der Besetzung mit fünf Richtern einschließlich des Vorsitzenden.

§ 122 Abs. 2 S. 1 GVG sieht für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Besetzung mit fünf Richtern vor. Hierbei handelt es sich nach h. M. (vgl. etwa KK-Hannich, StPO, 5. Aufl., § 122 GVG Rdnr. 3; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 122 GVG Rdnr. 4) ebenso wie bei § 122 Abs. 2 Satz 3 GVG um einen Ausnahmefall, der einer entsprechenden Anwendung auf andere Beschlüsse nicht zugänglich ist. Indes stellt die Entscheidung nach § 225 a Abs. 1 Satz 2 StPO materiell eine Ergänzung des Eröffnungsbeschlusses dar, mit der das nunmehr zuständige Gericht bestimmt wird (KK-Tolksdorf, StPO, 5. Aufl., § 225 a Rdnr. 15). Auch müssen im Fall der Übernahme die Entscheidungen gemäß § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 4 StPO getroffen werden (§ 225 a Abs. 3 Satz 2 StPO). Deshalb kommt dem Übernahmebeschluss eine ähnliche Wirkung wie dem Eröffnungsbeschluss zu. Daher ist es angezeigt, § 122 Abs. 2 S. 1 GVG entsprechend anzuwenden.

III.

1.

Die Vorlage des Verfahrens an das Oberlandesgericht Stuttgart - Staatsschutzsenat - ist in entsprechender Anwendung von § 225 a Abs. 1 S. 1 StPO zulässig.

Das Oberlandesgericht übt aufgrund der ihm in § 120 Abs. 1 und 2 GVG zugewiesenen Zuständigkeit im Wege der Organleihe Bundesgerichtsbarkeit aus (Art. 96 Abs. 5 GG i.V.m. § 120 Abs. 6 GVG). Es ist deshalb bezogen auf die Landgerichte ein Gericht anderer, nicht aber höherer Ordnung (BGHSt 46, 238; LR-Erb a.a.O., 26. Aufl., § 6 Rdnr. 4; Welp NStZ 2002, 1, 4). Da aber die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte den Zuständigkeiten der Land- und Amtsgerichte vorgeht (OLG Düsseldorf NJW 1995, 353; Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl. § 120 Rdnr. 6; KK-Hannich a.a.O. § 120 GVG Rdnr. 2), ist eine entsprechende Anwendung des § 225 a StPO geboten, wenn das vorlegende Gericht eines Landes die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für gegeben erachtet.

2.

Eine Übernahme der Sache käme nicht in Betracht, wenn das Landgericht M. dem Angeklagten den gesetzlichen Richter entzogen hätte. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Aussetzung der Hauptverhandlung am 26. Juli 2006 erfolgte, um das Verfahren in Kenntnis dessen, dass eine Ergänzung des § 120 Abs. 2 GVG bevorsteht, an das Oberlandesgericht Stuttgart zu bringen. Vielmehr ist der Aussetzungsbeschluss rechtlich vertretbar und nicht willkürlich. Die Strafkammer hat in ihrer Entscheidung dargelegt, dass die Ermittlungen bisher offensichtlich nicht abgeschlossen waren, Verfahrensakten nicht vorlagen, sondern nachgeliefert wurden und wichtige Rechtshilfeersuchen nicht erledigt oder beantwortet waren. Wenn es auch möglich gewesen wäre, den Haftbefehl wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot lediglich außer Vollzug zu setzen oder aufzuheben und die Hauptverhandlung zu unterbrechen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. August 2006, S. 17), so ist die Entscheidung der Wirtschaftsstrafkammer dennoch hinzunehmen und damit keinesfalls willkürlich, zumal aus damaliger Sicht die Entscheidung der Schweiz zur Nachtragsauslieferung ausstand, die nach Beurteilung der Kammer für die Zuständigkeit von Bedeutung war.

IV.

Die Voraussetzungen für die Übernahme der beim Landgericht M. anhängigen Sache durch das Oberlandesgericht Stuttgart liegen vor.

1.

Nach dem Inkrafttreten des § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GVG i.d.F. von Art. 3 Nr. 2 des 2. Justizmodernisierungsgesetzes am 31. Dezember 2006 sind die Oberlandesgerichte am Sitz der Landesregierung für Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz und nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 2 und 20 Abs. 1 KWKG für den Bereich eines Bundeslandes unter bestimmten (oben unter I 4. wiedergegebenen) Voraussetzungen zuständig. Neuregelungen, die das bisherige Recht im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit ändern, gelten, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, auch für die Verfahren, die unter der Geltung des alten Rechtes anhängig geworden sind (Kissel/Mayer a.a.O. § 16 Rdnr. 49 m.w.N.). Dies verstößt dann nicht gegen den verfassungsmäßig garantierten gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG), wenn das neue Recht - sei es auch für bereits verwirklichte Tatbestände - generell gilt, also außer anhängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftiger gleichartiger Fälle erfasst (BVerfGE 24, 33, 54f; Sachs, GG, 4. Aufl., Art. 101 Rdnr. 12; Kissel/Mayer a.a.O.). § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GVG entspricht diesen Vorgaben. Da das 2. Justizmodernisierungsgesetz insoweit keine Überleitungsvorschrift enthält, gilt § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GVG auch für das laufende Verfahren vor dem Landgericht M. .

2.

a)

Da das Hauptverfahren bereits eröffnet ist, hat das Gericht, dem die Sache gem. § 225 a Abs. 1 S. 1 StPO vorgelegt wurde, nur noch zu prüfen, ob es für die im Eröffnungsbeschluss bezeichnete Tat zuständig ist. Den hinreichenden Tatverdacht darf es, weil das Hauptverfahren bereits eröffnet ist, nicht verneinen (BGHSt 44, 121; KK-Tolksdorf a.a.O. § 225 a Rdnr. 10; Meyer-Goßner a.a.O. § 225 a Rdnr. 15).

Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens hat das Landgericht den hinreichenden Tatverdacht auch bezüglich der Tatbestände nach dem KWKG und AWG geprüft, die nach § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GVG die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts begründen.

Unbeschadet dessen liegt nach der vom Senat aufgrund der Aktenlage vorgenommenen Bewertung der Ermittlungsergebnisse des Generalbundesanwalts und der Staatsanwaltschaft M. auch materiell ein zur Eröffnung des Hauptverfahrens notwendiger hinreichender Tatverdacht vor....

b)

Die besondere Bedeutung der Sache i. S. von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG ist ebenfalls gegeben. Deren Beurteilung unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff (BGHSt 46, 238; LR-Siolek, a.a.O., § 24 GVG Rdnr. 24) der Nachprüfung durch die Gerichte (BVerfGE 9, 223, 229). Sie ist dann gegeben, wenn unter Beachtung des Ausmaßes der Verletzung individueller Rechtsgüter des durch die Tat konkret Geschädigten ein staatsgefährdendes Delikt von so erheblichem Gewicht vorliegt, dass die dem § 120 Abs. 2 S. 1 GVG zugrunde liegenden Schutzgüter des Gesamtstaates in einer derart spezifischen Weise betroffen sind, dass ein Einschreiten des Generalbundesanwalts und eine Aburteilung durch ein Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist (BGH a.a.O.; KK-Hannich a.a.O. § 120 GVG Rdnr. 3).

Die dem Angeklagten als deutschem Staatsangehörigen zur Last gelegte Tat birgt die konkrete Gefahr einer Beeinträchtigung des internationalen Vertrauens in die Bemühungen der deutschen Politik um die Nichtverbreitung von Atomwaffen und ist damit geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden (§ 120 Abs. 2 Nr. 4 a GVG). Die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland als Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrages hängt in diesem Bereich auch davon ab, wie energisch und konsequent sie der Verbreitung von Technologien und Ausrüstung zur Herstellung von Atomwaffen von ihrem Staatsgebiet und durch deutsche Staatsbürger im Ausland entgegen tritt. Die Nichtverbreitung von Atomwaffen war und ist erklärte Politik aller Bundesregierungen. Hierbei wäre ein Verlust an Glaubwürdigkeit und politischem Durchsetzungsvermögen dann zu besorgen, wenn Deutschland vorgeworfen werden könnte, sich nicht an seine eigenen Vorgaben zu halten, nicht alle gesetzlichen Maßnahmen zur Nichtverbreitung von Atomwaffen auszuschöpfen (vgl. LG Stuttgart Urteil v. 20.07.1998 -11 KLs 181 Js 85721/93) und Beschuldigte, die im Verdacht stehen, entgegen dem geltenden Recht an der Verbreitung von Kernwaffen mitgewirkt zu haben, nicht nachdrücklich zu verfolgen. Die geplante libysche Gas-Ultra-Zentrifuge vom Typ L2 und der Besitz von Atomwaffen hätte Libyen gegenüber der Weltgemeinschaft ein erhebliches Drohpotential ermöglicht. Zudem kommt - worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist - der Gefahr der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen in einer Krisenregion (hierzu zählte Libyen zumindest bis Ende 2003) besondere Bedeutung zu. Hierdurch kann das friedliche Zusammenleben der Völker erheblich beeinträchtigt werden (§ 120 Abs. 2 Nr. 4 b GVG). Diese Gefahr ist auch nicht deshalb nachträglich entfallen, weil Libyen am 10.03.2004 das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag über internationale Kontrollen der IAO unterzeichnet und sein Atom- und Chemiewaffenprogramm aufgegeben hat. Die Glaubwürdigkeit deutscher Politik erfordert die Verfolgung solcher Straftaten auch dann, wenn - jedenfalls derzeit - eine atomare Bedrohung durch das betreffende Land nicht mehr gegeben ist.

Angesichts der durch die geplante Anlage zur Urananreicherung bewirkten Gefahr für den Weltfrieden und der gewichtigen nationalen und internationalen Auswirkungen der dem Angeklagten angelasteten Tat für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland ist die besondere Bedeutung der Sache i. S. von § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GVG ersichtlich gegeben.

3.

Einer Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Stuttgart steht nicht entgegen, dass der Generalbundesanwalt die Verfolgung gemäß § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GVG nicht übernommen hat.

a)

Das Übernahmerecht des Generalbundesanwalts ist sachlich durch das Erfordernis der besonderen Bedeutung des Falles und zeitlich durch die Eröffnung des Hauptverfahrens begrenzt. Dies ergibt sich zum einen aus der entsprechenden Regelung in § 74 a Abs. 2 GVG, zum anderen aus dem Tatbestandsmerkmal "Verfolgung übernimmt" in § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 a. E. GVG, was nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht mehr möglich ist (vgl. BGHSt 46, 238; 47, 16, 21; BGH GA 1980, 220; GA 1981, 231 m. Anm. Rieß; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 222 m.w.N ; SK-Frister, StPO, § 120 Rdnr. 11,12; Kissel/Mayer a.a.O. § 120 Rdnr. 7-7b; LR-Siolek a.a.O. § 74 a GVG Rdnr. 13; KK-Hannich a.a.O. § 120 GVG Rdnr. 4, 4a; Meyer-Goßner a.a.O. § 120 GVG Rdnr. 3, § 24 GVG Rdnr. 10). Der Generalbundesanwalt hat daher in seinen Stellungnahmen vom 09. Mai und 23. August 2007 zu Recht darauf hingewiesen, dass die Übernahme von "Ermittlungen" nach Eröffnung des Hauptverfahrens bereits begrifflich nicht möglich sei, die materiellen Voraussetzungen jedoch vorlägen und das Verfahren von ihm bei Übernahme durch den Strafsenat geführt werden würde.

Gleichwohl steht dieser Umstand einer Zuständigkeit des Oberlandesgerichts gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG nicht entgegen. Im vorliegenden Verfahren besteht die Besonderheit, dass eine Übernahme der Verfolgung durch den Generalbundesanwalt - bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses - nicht möglich war, weil § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG erst danach in Kraft getreten ist. Deshalb ist diese Voraussetzung nicht erfüllbar und damit verzichtbar (ebenso BGH bei Dallinger MDR 1954, 152 für den Fall, dass die "besondere Bedeutung des Falles" nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG erstmals bei der Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 3 StPO geprüft werden kann).

Jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation hat die Übernahme der Verfolgung durch den Generalbundesanwalt keine konstitutive Wirkung. Die gerichtliche Zuständigkeit kann nicht von der Entscheidung der Staatsanwaltschaft abhängig gemacht werden (vgl. Eisenberg NStZ 1996, 263, Kissel/Mayer GVG 4. Aufl., § 120 Rdnr. 7b; Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, 2002, S. 669 sowie Gutachten vom 10. Juli 2007 S. 3 - 8). So ist anerkannt, dass die in §§ 24 Abs. 1 Nr. 3, 120 Abs. 2 GVG normierte bewegliche Zuständigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann im Hinblick auf die Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs.1 S. 2 GG) verfassungskonform ist, wenn das Zuständigkeitsmerkmal der "besonderen Bedeutung" nicht als Ermächtigung zu einer - nur eingeschränkt überprüfbaren - staatsanwaltschaftlichen Ermessensentscheidung, sondern als unbestimmter Rechtsbegriff auszulegen ist, dessen Anwendung der gerichtlichen Kontrolle durch das jeweils angerufene Gericht unterliegt (BVerfGE 9, 223; 22, 254, 260; Kissel/Mayer a.a.O. § 24 Rdnr. 10 m.w.N).

Auch ist in dem Fall, in dem das Oberlandesgericht abweichend vom Generalbundesanwalt eine "besondere Bedeutung" i. S. von § 120 Abs. 2 GVG verneint, die Sache gemäß § 120 Abs. 2 S. 2 GVG an das zuständige Gericht des Landes (Amts- oder Landgericht) zu verweisen. Im umgekehrten Fall, in dem das Amts- oder Landgericht im Gegensatz zum Generalbundesanwalt der Auffassung ist, es bestehe eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 120 Abs. 2 S. 1 GVG, könnte dieses die Sache nicht übernehmen, wenn die Evokation des Generalbundesanwalts konstitutiv wirkte (so u. a. Dencker StV 1987, 117, SK-Frister a.a.O § 120 GVG Rdnr. 12; Kühl NJW 1987, 747). Ein solches Ergebnis ist im Hinblick auf die verfassungsmäßige Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gerichte des Bundes und der Länder (vgl. Art. 30 GG) nicht akzeptabel.

b)

Demgegenüber trägt die Begründung im Vorlagebeschluss vom 21. März 2007 eine Übernahme gem. § 225 a Abs. 1 S. 2 StPO nicht. Hiernach komme es auf die Evokation des Generalbundesanwalts nicht an, weil das Ursprungsverfahren (noch) bei diesem anhängig ist.

Hinsichtlich des Vorwurfs der Beihilfe zum versuchten Landesverrat besteht wegen des Schweizer Spezialitätsvorbehalts jedenfalls derzeit ein Verfahrenshindernis. Wegen Verstoßes gegen das KWKG hat der Generalbundesanwalt das Verfahren am 30. Juni 2005 an die Staatsanwaltschaft M. abgegeben; diese hat die Ermittlungen auf den Vorwurf des (tateinheitlich) begangenen Verstoßes gegen das AWG erweitert. Zwar trifft es zu, dass im Fall einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das AWG und KWKG die Strafklage bezüglich des Vorwurfes nach §§ 27, 94 StGB nicht verbraucht wäre (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. Einleitung Rdnr. 173). Dies bedeutet aber nicht, dass das beim Landgericht M. angeklagte Verfahren noch beim Generalbundesanwalt anhängig ist. Trotz verfahrensrechtlicher Tateinheit (§ 264 StPO) ist die Sache durch die Abgabe an die Staatsanwaltschaft M. hinsichtlich der rechtlichen Vorwürfe aufgeteilt worden. Bezüglich der Vorwürfe des Verstoßes gegen das AWG und das KWKG kann der Generalbundesanwalt deshalb sein Evokationsrecht nicht mehr ausüben.

4.

Der Eröffnungsbeschluss des Landgerichts M. steht einer Übernahme der Sache im vorliegenden Verfahren nicht entgegen.

a)

Bei der "besonderen Bedeutung des Falles" in § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GVG handelt es sich um ein normatives Zuständigkeitsmerkmal. Es findet sich auch in §§ 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3, 74 a Abs. 2, 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG. Ob es erfüllt ist, ist im Wege einer wertenden Entscheidung festzustellen. Die Prüfung dieser "beweglichen Zuständigkeit" wird grundsätzlich bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses zeitlich begrenzt. Danach soll eine Verweisung an ein anderes Gericht in der Regel nicht mehr möglich sein, auch wenn sich herausstellt, dass die Beurteilung im Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses nicht zutraf. Aufgrund der mit dem Eröffnungsbeschluss eingetretenen perpetuatio fori entfalle eine Prüfung sowohl des Tatgerichts als auch des Revisionsgerichts hinsichtlich der beweglichen Zuständigkeit (vgl. BT-Drucksache 8/976 S. 22, 59; 10/6635 S. 15; BGHSt 46, 238; 47, 16, 21). Der Grund hierfür wird darin gesehen, dass anderenfalls eine für eine geordnete Verfahrensentwicklung notwendige Kontinuität der einmal begründeten Zuständigkeit laufend in Frage gestellt werden könnte (Kissel/Mayer a.a.O. § 24 Rdnr. 20) und ein Hin- und Herschieben des Verfahrens allein wegen des Merkmals der besonderen Bedeutung ausgeschlossen werden soll. Zuständigkeitsfragen sollen die Sachentscheidung nicht unvertretbar hemmen und beeinträchtigen (Rieß GA 1976, 1, 11/12). Letztlich sind demnach die Grundsätze der Verfahrensbeschleunigung und Prozesswirtschaftlichkeit maßgebend.

Indes erfährt der Grundsatz der perpetuatio fori nach der bisherigen Rechtsprechung eine Durchbrechung in folgenden Fällen:

(1)

Bei willkürlicher Annahme der Zuständigkeit tritt wegen des daraus resultierenden Verstoßes gegen das jedenfalls grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs.1 S. 2 GG; Sachs a.a.O. Art. 101 Rdnr. 1 ) eine Zuständigkeitsperpetuierung nicht ein (BGHSt 42, 205). Dies wäre dann der Fall, wenn die Eröffnungsentscheidung bei verständiger Würdigung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu rechtfertigen und offensichtlich unhaltbar ist oder sich der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (BGHSt 38, 212, 40, 120; 46, 238).

(2)

Eine Perpetuierung der Zuständigkeit des Staatsschutzsenats des Oberlandesgerichts (§ 120 Abs. 2 GVG) ist ausgeschlossen, wenn die Eröffnungsentscheidung zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig war (BGHSt 46, 238). Die Prüfung der Zuständigkeit dient in diesem Fall nicht dem Schutz individueller Rechte des Angeklagten, namentlich seines grundrechtlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), sondern der Wahrung der objektiven Kompetenzordnung des Grundgesetzes (Art. 30 GG). Die verfassungsrechtlich gebotene Beachtung der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern schließt es aus, dass ein Oberlandesgericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens an die fehlerhafte Bejahung seiner Zuständigkeit im Eröffnungsbeschluss gebunden ist. Auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens ist die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen, wenn das Gericht nachträglich zu der Erkenntnis gelangt, dass es bei Zulassung der Anklage seine sachliche Zuständigkeit zu Unrecht bejaht hat. Ist hingegen der Eröffnungsbeschluss im Zeitpunkt seines Erlasses inhaltlich richtig und ergeben sich nachträglich neue Erkenntnisse über eines die Zuständigkeit des Bundes begründenden gesetzlichen Merkmals des § 120 Abs. 1 oder 2 GVG, gilt der Grundsatz der perpetuatio fori, mit der Folge, dass eine Verweisung an das "an sich" zuständige Gericht unterbleibt. Mit dem rechtmäßigen Eröffnungsbeschluss hat das Gericht die Zuständigkeit der Bundesjustiz für das weitere Verfahren bindend festgestellt. Die Fortsetzung des Verfahrens beinhaltet daher keinen Eingriff in die Justizhoheit der Länder. Es kann somit dem Rechtsgedanken des § 269 StPO wieder Rechnung getragen werden, dass es aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und Prozesswirtschaftlichkeit bei der Zuständigkeit des Gerichts bleiben soll, das das Hauptverfahren vor sich eröffnet hat (BGH a.a.O.).

Danach ist der Eröffnungsbeschluss des Landgerichts M. vom 22. Februar 2006 rechtmäßig.

Er ist offensichtlich nicht willkürlich und entsprach der im Zeitpunkt seines Erlasses geltenden Rechtslage. Auch ein Verstoß gegen den auslieferungsrechtlichen Spezialitätsvorbehalt wegen Straftaten nach dem AWG liegt nicht vor. Er würde zwar ein Verfahrenshindernis begründen (vgl. BGHSt 29, 94, 96; Schomburg/Lagodny, Internat. Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. § 72 IRG Rdnr. 28ff). Nach dem im Verhältnis zur Schweiz geltenden Art. 14 Abs. 3 EuAlÜbK schließt der Spezialitätsvorbehalt jedoch eine Verurteilung unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt nicht aus, sofern ihm derselbe Sachverhalt (§ 264 StPO) zugrunde liegt und der zusätzlich herangezogene Straftatbestand ebenfalls auslieferungsfähig ist (BGH NStZ 1985, 318; 1986, 557f). So liegt der Fall hier. Das Landgericht M. wäre auch ohne nachträgliche Auslieferungsbewilligung nicht gehindert gewesen, den Angeklagten wegen des tateinheitlichen Verstoßes nach dem AWG zu verurteilen. Dieses Ergebnis wird durch die nachträgliche Auslieferungsbewilligung der Schweiz bestätigt.

b)

Gleichwohl ist die Übernahme der Sache durch das Oberlandesgericht angesichts der vorliegenden besonderen prozessualen Situation geboten. Die Gründe, die für die perputuatio fori maßgebend sind, gelten hier nicht:

(1)

Dass die Prüfung der normativen Zuständigkeitsmerkmale mit dem Eröffnungsbeschluss endet (vgl. oben und Gutachten Sowada vom 10. Juli 2007 Seite 8), findet - wie dargelegt - seine Rechtfertigung in der Notwendigkeit, die gerichtliche Zuständigkeit nicht immer wieder in Frage zu stellen und Verfahren nicht hin- und herzuschieben. Die Feststellung, dass diese Prüfung mit dem Eröffnungsbeschluss endet, setzt aber voraus, dass sie bis zu diesem überhaupt stattgefunden hat. Sie konnte jedoch nicht erfolgen, da das 2. Justizmodernisierungsgesetz erst nach dem Eröffnungsbeschluss in Kraft getreten ist. Als Verfahrensvorschrift gilt § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GVG mangels einer Überleitungsvorschrift ab diesem Tag auch für laufende Verfahren. Deshalb kann und muss die "besondere Bedeutung" jetzt erstmals geprüft werden.

Die Rechtsprechung des BGH steht einer solchen Auslegung nicht entgegen, denn die genannten Entscheidungen (insbesondere BGHSt 46, 238; 47, 16) betreffen Fallgestaltungen, in denen die "besondere Bedeutung des Falles" bis zum Eröffnungsbeschluss geprüft worden war. Auch die §§ 24 Abs. 1 Nr. 3, 74 a Abs. 2, 120 Abs. 2 Satz 2 GVG gehen hiervon aus.

(2)

Prozesswirtschaftliche Gründe sprechen nicht gegen eine Übernahme der Sache durch das Oberlandesgericht. Die Hauptverhandlung ist ausgesetzt, auch das Landgericht M. müsste mit ihr von Neuem beginnen. Ein zeitlicher Gewinn ist mit einer Rückgabe der Sache an das Landgericht nicht verbunden.

(3)

Für die Berücksichtigung des normativen Zuständigkeitsmerkmals der "besonderen Bedeutung des Falles" im Rahmen der Entscheidung nach § 225 a Abs. 1 Satz 2 StPO spricht auch, dass es sich hierbei der Sache nach um eine Ergänzung des Eröffnungsbeschlusses handelt (vgl. oben II und KK-Tolksdorf a.a.O. § 225 a Rdnr. 15), die eine erstmalige Prüfung der beweglichen Zuständigkeit gebietet.

(4)

Seinem materiellen Inhalt nach fällt die Sache - nunmehr - in den Bereich der Bundesgerichtsbarkeit. Die Abgrenzung der Justizzuständigkeit von Bund und Ländern ist mit Verfassungsrang ausgestattet (Art. 30 GG). Die § 120 Abs. 1 und 2 GVG stellen deshalb nicht nur einfachgesetzliche Zuständigkeitsnormen dar, sondern regeln die grundgesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Bundes- und Landesjustiz, der daher verfassungsrechtlich ein hoher Rang zukommt. Aus der Verpflichtung zur Wahrung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern (Artikel 30 GG) folgt, dass die perpetuatio fori einer Übernahme der Sache durch das Oberlandesgericht nicht entgegensteht, wenn die Gründe, die für eine Beibehaltung einer einmal bestimmten Zuständigkeit sprechen, nicht mehr tragend sind. Darüber hinaus handelt es sich vorliegend um ein Verfahren, bei dem der Generalbundesanwalt zweifelsohne von seinem Evokationsrecht Gebrauch gemacht hätte, wenn § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG vor dem Eröffnungsbeschluss des Landgerichts M. in Kraft getreten wäre. Eine verfassungskonforme Auslegung des (neuen) Verfahrensrechts (in Form des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG) gebietet in der vorliegenden prozessualen Situation daher gerade dies.

(5)

Im Übrigen muss bereits nach geltendem Recht das normative Zuständigkeitsmerkmal der "besonderen Bedeutung des Falles" nach dem Eröffnungsbeschluss geprüft werden, wenn es bis zum Eröffnungsbeschluss nicht geprüft werden konnte, es aber für die Bestimmung des zuständigen Gerichts von Bedeutung ist. So liegt es in dem Fall, in dem die Schwurgerichtskammer wegen versuchten Totschlages in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt, das Revisionsgericht aber den Schuldspruch wegen versuchten Totschlages, welcher die Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer begründete (§ 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 GVG), und den Strafausspruch aufhebt. Zur Neufestsetzung der Rechtsfolgen hinsichtlich des verbleibenden Vergehens nach § 223 StGB kann es die Sache gemäß § 354 Abs. 3 StPO entweder an die allgemeine Strafkammer des Landgerichts - die Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer ist entfallen - oder an das Amtsgericht verweisen und dabei beurteilen, ob eine besondere Bedeutung im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG vorliegt. Von der Staatsanwaltschaft konnte dieses Merkmal bei Anklageerhebung nicht geprüft werden, weil die Schwurgerichtskammer für die Sache zuständig war (vgl. LR-Hanack a.a.O. § 354 Rdnr. 66; Meyer-Goßner, a.a.O. § 354 Rdnr. 42 unter Hinweis auf BGH bei Dallinger MDR 1954, 152).

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Wären die Tatbestände des AWG und des KWKG nicht in § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GVG in Form einer "beweglichen" Zuständigkeit, sondern in § 120 Abs. 1 GVG als eine neue Nummer eingestellt worden, unterläge es keinem Zweifel, dass damit die Zuständigkeit des Landgerichts M. entfallen und die des Oberlandesgerichts Stuttgart begründet worden wäre (so auch Gutachten Sowada vom 10. Juli 2007 Seite 15). In diesem Fall hätte der Eröffnungsbeschluss keine die Zuständigkeit des Landgerichts festschreibende Wirkung. Nichts anderes kann aber in der vorliegenden Situation gelten, wenn der Gesetzgeber eine "bewegliche" Zuständigkeit einführt.

Der von Rechtsprechung und Lehre entwickelte Grundsatz der perpetuatio fori kann hier daher nur in der Form gelten, dass für die Festschreibung der Zuständigkeit nicht der Eröffnungsbeschluss maßgebend ist, sondern der Tag, an dem der heutige Beschluss ergeht. Mit der Prüfung der "besonderen Bedeutung des Falles" hat es nach Maßgabe der in BGHSt 46, 238 aufgestellten Grundsätze mit dem heutigen Beschluss sein Bewenden. Danach eingetretene Umstände, welche für die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts von Bedeutung sein können, werden nicht berücksichtigt. Der Senat folgt deshalb nicht der Ansicht Sowadas (Gutachten vom 10. Juli 2007 Seite 17), die nachträgliche Gesetzesänderung sei unerheblich.

Ende der Entscheidung

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