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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 07.06.2000
Aktenzeichen: 4 U 10/2000
Rechtsgebiete: KO


Vorschriften:

KO § 63
Leitsatz:

Eine im Rahmen des Stiftungsgeschäfts eingegangene vermögensrechtliche Verpflichtung stellt eine Freigebigkeit i.S.d. § 63 Ziff. 4 KO dar und kann im Konkurs des Stifters nicht geltend gemacht werden.


Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 4 U 10/2000 26 O 281/99 LG Stuttgart

Verkündet am: 07. Juni 2000

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Weber JOS'in

In Sachen

wegen Feststellung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2000 unter Mitwirkung von Vors. Richter am OLG Körner Richter am OLG Dr. Schmidt und Richter am LG Hauff

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 26. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 13.12.1999 - 26 O 281/99 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 13.500,- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Klägerin: bis 120.000,- DM.

Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Forderung zur Konkurstabelle im Konkursverfahren über das Vermögen der Firma S GmbH (Gemeinschuldnerin).

Die Klägerin ist eine durch Stiftungsakt der Regierung des Landes Baden-Württemberg vom 23.11.1987 (Bl. 17) gegründete rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in U, deren Aufgabe es ist, Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Anwendung wissensbasierter Systeme zu betreiben und für die Umsetzung der Arbeitsergebnisse in der Praxis zu sorgen. Grundlage für die Errichtung der Klägerin war das Stiftungsgeschäft vom 27.10.1987 (Bl. 8/9) und der zwischen den Stiftern geschlossene Partnerschaftsvertrag vom 27.10.1987 (Bl 9/16). Die Stifter haben sich in diesem Partnerschaftsvertrag u.a. verpflichtet, den Fehlbetrag, der sich aus den jeweiligen Jahresrechnungen der Klägerin ergibt, gemeinsam zu tragen (§ 8 des Partnerschaftsvertrags, Bl. 14/15, i.V.m. der Änderungsvereinbarung vom 05.03.1996, Bl. 24/25).

Durch Vereinbarung vom 23.01.1992 (Bl. 27/28) ist die Firma S H GmbH dem Stifterkreis beigetreten. Diese Mitgliedschaft wurde mit Wirkung vom 01.01.1994 auf die Gemeinschuldnerin übertragen (Bl. 24/26). Die Gemeinschuldnerin hat sich in den Geschäftsjahren 1994 und 1995 an der Fehlbetragsfinanzierung beteiligt und auf die bei der Klägerin in diesen Jahren aufgetretenen Fehlbeträge die vereinbarten Zahlungen geleistet.

Durch Beschluss des Amtsgerichts S vom 28.02.1997 - 3 N 1378/96 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 17.04.1997 (Bl. 31) meldete die Klägerin ihre Ansprüche auf Fehlbetragsfinanzierung für die Jahre 1996 bis 1998 in Höhe von je 400.000,-- DM, insgesamt 1,2 Millionen DM, im Konkursverfahren unter Beifügung der Rechnungen vom 17.02.1997 (Bl. 222/231) an. Der Beklagte hat die angemeldeten Forderungen im Prüfungstermin bestritten und die Mitgliedschaft der Gemeinschuldnerin im Stifterkreis mit Schreiben vom 25.06.1997 (Bl. 33) und 10.10.1997 gekündigt.

Mit der Klage begehrt die Klägerin Feststellung der im Konkursverfahren angemeldeten Forderungen zur Konkurstabelle.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Der auf die Gemeinschuldnerin entfallende Anteil am von der Klägerin erwirtschafteten Fehlbetrag für die Jahre 1996 bis 1998 betrage je 400.000,- DM. Als Mitstifterin sei die Gemeinschuldnerin zur Zahlung dieser Beträge verpflichtet.

Die Klägerin hat deshalb beantragt,

im Konkursverfahren über das Vermögen der Firma S I GmbH die Forderung der Klägerin in Höhe von 1.200.000,- DM zur Konkurstabelle festzustellen.

Der Beklagte hat demgegenüber Klagabweisung beantragt.

Er hat u.a. vorgetragen:

Die Klage sei bereits unzulässig, da die Forderungsanmeldung nicht den Erfordernissen des § 139 KO entsprochen habe. Die Klage sei jedoch auch unbegründet, da die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei. Zumindest resultiere die angemeldete Forderung aus einer Freigebigkeit der Gemeinschuldnerin und könne deshalb wegen § 63 Ziff. 4 KO im Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden.

Die Klägerin hat die Klage nach Schluß der mündlichen Verhandlung in Höhe von 1.323,- DM zurückgenommen. Der Beklagte hat dieser Teilklagerücknahme nicht zugestimmt.

Durch Urteil vom 13.12.1999, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil es sich bei der angemeldeten Forderung um eine unentgeltliche Zuwendung der Gemeinschuldnerin gehandelt habe, die gem. § 63 Ziff. 4 KO im Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden könne.

Hiergegen richtet sich die am 14.01.2000 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15.03.2000 durch einen per Telefax am 15.03.2000 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Klägerin.

Die Klägerin trägt vor:

Bei der angemeldeten Forderung handele es sich um keine unentgeltliche Zuwendung. Denn die Pflicht der Stifter zur Fehlbetragsfinanzierung stelle keine Freigebigkeit i.S.d. § 63 Ziff. 4 KO dar, weil diese Zuwendung zwecks Erfüllung einer rechtlichen Pflicht mit dem Beitritt zum Stifterkreis versprochen worden sei.

Eine unentgeltliche Zuwendung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil der Beitritt zum Kreis der Stifterunternehmen Ausdruck wirtschaftlichen Kalküls sei, da die Stifterunternehmen mit den Investitionen an der Beteiligung von Wirtschaftsinstituten im vorwettbewerblichen Bereich direkt oder indirekt Einfluss auf die weitere Entwicklung des von ihnen selbst bearbeiteten Marktsegments nehmen könnten.

Es liege auch keine Spendenzusage vor, da dem Stifteruntemehmen aufgrund seiner Mitgliedschaft im Kreise der Stifter rechtlich eine andere Qualität zukomme als außenstehenden Unternehmen, die eine Zuwendung zugesagt hätten.

Die Beteiligungsmöglichkeiten an Projekten der Klägerin und die direkte Einflussnahme aus der Rolle als Stifter auf die Entwicklung der Forschungsfelder der Klägerin seien wirtschaftlich erheblich, da es sich um zentrale Bereiche zukünftiger Forschungs- und Wirtschaftsentwicklung von emminent wirtschaftlicher Bedeutung handele. Aus diesen Möglichkeiten habe die Gemeinschuldnerin auch unter werblichen Gesichtspunkten erhebliche eigene Vorteile gezogen.

Auch die weiter vom Beklagten vorgebrachten Einwendungen seien nicht stichhaltig.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.12.1999 - 26 O 281/99 - aufzuheben,

2. im Konkursverfahren über das Vermögen der Firma S I GmbH die Forderung der Klägerin in Höhe von 1.198.677,- DM zur Konkurstabelle festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Feststellungsklage aus den bereits in erster Instanz vorgetragenen Einwendungen unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der angemeldeten Forderung über 1.198.677,-- DM zur Konkurstabelle.

1.

Zwar ist die Feststellungsklage nach § 146 Abs. 1 KO statthaft. Der Konkursantrag der Gemeinschuldnerin wurde vor dem 01.01.1999 gestellt, weshalb nach Artikel 103 EGInsO die Vorschriften der Konkursordnung anwendbar sind.

Die Feststellungsklage ist auch im übrigen zulässig. Insbesondere ist das in § 146 Abs. 1, 4 KO geforderte Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Dieses liegt dann vor, wenn Gegenstand der Feststellungsklage eine den Erfordernissen des § 139 KO entsprechende, wirksam angemeldete und bestrittene Forderung ist (OLG Stuttgart, NJW 1962, 1018; Kilger/Schmidt, KO, 17. Aufl., § 146 Anm. 2 e). Wirksam angemeldet ist eine Forderung, wenn der Tatbestand angegeben ist, aus dem die Forderung entspringt (RGZ 98, 13; LG Mönchengladbach, KTS 70, 62; Kilger/Schmidt, aaO, § 139, Anm. 1 a). Da die Eintragung in die Konkurstabelle bezüglich der festgestellten Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt, sind an die Angabe des Grundes i.S.d. § 139 KO dieselben Anforderungen zu stellen, wie bei der Bezeichnung des Anspruchs im Mahnantrag nach § 690 Ziff. 3 ZPO. Die Forderung muss daher so angegeben werden, dass sie von anderen Ansprüchen unterschieden und abgegrenzt werden kann und dass der Konkursverwalter und die übrigen Konkursgläubiger die Möglichkeit haben, die Forderung zu prüfen und ihr ggf. im Prüfungstermin zu widersprechen (OLG Stuttgart, NJW 1962, 1018; Kilger/Schmidt, aaO, § 139, Anm. 1 a; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., Rn. 3; ebenso zur vergleichbaren Problematik beim § 690 Ziffer 3 ZPO: BGH, NJW 1993, 862; BGH, NJW 1994, 323; BGH, NJW 1996, 2152).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Forderungsanmeldung der Klägerin. Die Klägerin hat der Forderungsanmeldung die Rechnungen vom 17.02.1997 über die Jahresfehlbeträge 1996 und 1997 beigefügt. Aus diesen Rechnungen war sowohl für den Beklagten als auch für die übrigen Gläubiger der Forderungsgrund hinreichend bestimmt. Die Forderungsanmeldung ist deshalb wirksam.

2.

In der Sache ist die Feststellungsklage jedoch unbegründet, da es sich bei der Verpflichtung der Gemeinschuldnerin zur Fehlbetragsfinanzierung um eine unentgeltliche Zuwendung und damit um eine Freigebigkeit handelt, die nach § 63 Ziff. 4 KO im Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden kann.

a)

Nach heute vorherrschender und zutreffender Rechtsansicht ist zwar bei Stiftungen bürgerlichen Rechts der vermögensrechtliche Teil des Stiftungsgeschäfts, der die sachliche Ausstattung der Stiftung mit Mitteln des Stifters betrifft, keine Schenkung, sondern ein Rechtsgeschäft sui generis. Ist jedoch die Vermögensausstattung nicht ausnahmsweise Äquivalent für eine Gegenleistung, ist Schenkungsrecht jedenfalls insoweit analog anzuwenden, als auf die Schenkung bezogene Sondervorschriften wie z.B. §§ 32, 63 Ziff. 4 KO Drittinteressen schützen (Staudinger/Rawert, BGB, 13. Bearb., § 80 Rn. 11; Münchner Kommentar/Reuter, 3. Aufl., § 80, Rn. 7; Soergel/Neuhoff, BGB, 12. Aufl., § 80, Rn. 9; Jäger, KO, 8. Aufl., § 63 Anm. 6, Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Band 1, 2. Teil, Seite 141).

b)

Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats auch für die hier vorlegende Stiftung öffentlichen Rechts. Denn am Stiftungsgeschäft sind überwiegend privatrechtliche Unternehmen beteiligt. Der zwischen ihnen geschlossene Partnerschaftsvertrag ist ein privates Rechtsgeschäft. Deshalb ist kein Grund ersichtlich, die vorgenannten Grundsätze nicht auch auf die hier vorliegende Stiftung öffentlichen Rechts anzuwenden.

c)

Daraus folgt, dass es sich bei der im Partnerschaftsvertrag geregelten Verpflichtung der Stifter zur Fehlbetragsfinanzierung um eine unentgeltliche Zuwendung bzw. um eine Freigebigkeit i.S.d. § 63 Ziff. 4 KO handelt. Sie ist Teil der Erstausstattung der Stiftung und erfolgte ohne jede Gegenleistung der Klägerin. Weder im Partnerschaftsvertrag noch im Stiftungsgeschäft wurde die Klägerin zu irgendeiner Gegenleistung verpflichtet. Allein der Umstand, dass sich die Stifteruntemehmen möglicherweise aufgrund der Forschungsergebnisse der Stiftung wirtschaftliche Vorteile versprechen, ist unerheblich, da sie hierauf jedenfalls keinen Rechtsanspruch haben. Dies gilt auch für die faktische Möglichkeit der Stifterunternehmen, durch Auftragsvergaben und Entsendung von Mitarbeitern personell und sachlich am Forschungsfortschritt teilzuhaben. Abgesehen davon wäre eine klagbare Gegenleistungspflicht der Klägerin mit dem Stiftungszweck unvereinbar. Denn nach dem Stiftungszweck sollen nicht einzelne Unternehmen von der Forschungs- und Entwicklungsarbeit des Klägers profitieren.

Der Umstand, dass die Fehlbetragsfinanzierung aufgrund einer Rechtspflicht erfolgt, steht der Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung nicht entgegen. Denn wie im Schenkungsrecht allgemein stellt der schuldrechtliche Vertrag lediglich den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Zuwendung dar, nimmt ihr aber nicht die Eigenschaft der Unentgeltlichkeit.

Die Klägerin ist deshalb mit der angemeldeten Forderung nach § 63 Ziff. 4 KO im Konkursverfahren ausgeschlossen. Dieses Ergebnis ist nach Auffassung des Senats auch allein sachgerecht. Zweck des Konkursverfahrens ist nämlich die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger, die bereits Leistungen an die Gemeinschuldnerin erbracht haben. Eine Schmälerung der Konkursmasse durch Förderung von Interessen der Gemeinschuldnerin, von denen die Konkursgläubiger nicht mehr profitieren, würde diesem Zweck zuwiderlaufen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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