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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 08.02.2006
Aktenzeichen: 4 U 221/05
Rechtsgebiete: SWR-Staatsvertrag, LMedienG Bad.-Württ.


Vorschriften:

SWR-Staatsvertrag § 10
LMedienG Bad.-Württ. § 9
1. Bei Rundfunksendungen, die täglich ausgestrahlt werden und eine hohe Aktualität haben, erfolgt ein Gegendarstellungsverlangen unverzüglich bzw. "ohne schuldhaftes Zögern" im Sinne der presserechtlichen Regelungen, wenn es vom Betroffenen innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme der Erstmitteilung dem Anspruchsverpflichteten zugeleitet wird.

2. Die mit der notwendigen inhaltlichen Änderung und der Zuleitung einer Zweitfassung der Gegendarstellung verbundene Zeitverzögerung ist jedenfalls dann nicht mehr unverschuldet, wenn die Erstfassung inhaltlich an groben, ohne weiteres erkennbaren Mängeln leidet. Da bei offensichtlich unwahren oder eindeutig irreführenden Gegendarstellungen ein berechtigtes Interesse an einer Veröffentlichung von vornherein nicht besteht, liegt in diesen Fällen ein beachtlicher Mangel vor.


Oberlandesgericht Stuttgart 4. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 4 U 221/05

Verkündet am 08. Februar 2006

In dem Rechtsstreit

wegen einstweiliger Verfügung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2005 unter Mitwirkung von

Vors. Richterin am Oberlandesgericht Dr. Sulzberger-Schmitt Richter am Oberlandesgericht Schüler Richter am Landgericht Rieger

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27.10.2005 (17 O 525/05) wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Streitwert: 10.000,- EUR

Gründe:

I.

Die Verfügungsklägerin verlangt vom beklagten Rundfunksender die Ausstrahlung einer Gegendarstellung in der "L. B-W".

Die Verfügungsbeklagte sendete dort am 26.07.2005 einen Beitrag, der sich mit dem Ausscheiden des ehemaligen Leiters des zweiten Reaktorblocks des Kernkraftwerks N. beschäftigte. Das Kraftwerk wird von der E. K. GmbH (E), einem Tochterunternehmen der Verfügungsklägerin, betriebenen. Vorstandsvorsitzender der Verfügungsklägerin ist Prof. Dr. C. In dem Beitrag hieß es u. a.: "... gefeuert hat ihn E-Chef U. C., ... "weil er sich für die Aufarbeitung der Störfälle stark gemacht hat." Die Verfügungsklägerin verlangte mit am 05.08.2005 der Verfügungsbeklagten zugestelltem Schreiben zunächst eine Gegendarstellung mit u. a. der Entgegnung, dass Prof. Dr. C. weder an der Entscheidungsfindung noch am Ausspruch der Kündigung beteiligt gewesen sei, der Grund für die Kündigung sei allein inakzeptables dienstliches Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen gewesen. Aus einem Protokoll der atomaufsichtsrechtlichen Befragung eines Geschäftsführers der E. vom 04.11.2004 geht allerdings hervor, dass der Vorstandsvorsitzende der Verfügungsklägerin von der Entscheidung der Geschäftsführung, sich von dem Anlagenleiter zu trennen, sofort in Kenntnis gesetzt wurde und mit der Trennung einverstanden war. Die Kündigung wurde erst nach diesem Einverständnis ausgesprochen. Nach Ablehnung der Gegendarstellung stellte die Verfügungsklägerin beim Landgericht Stuttgart einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der mit Urteil vom 01.09.2005 wegen offenkundiger Unrichtigkeit der Gegendarstellung, jedenfalls aber offensichtlicher Irreführung zurückgewiesen wurde (17 O 455/05). Daraufhin verlangte die Verfügungsklägerin mit am 06.09.2005 der Verfügungsbeklagten zugegangenem Schreiben eine modifizierte Gegendarstellung mit dem streitgegenständlichen Inhalt. Die Verfügungsbeklagte lehnte eine Ausstrahlung erneut ab.

Die deshalb beantragte einstweilige Verfügung hat das Landgericht durch Urteil vom 27.10.2005 mit der Begründung zurückgewiesen, hinsichtlich des erneuten Gegendarstellungsverlangens sei das Gebot der Unverzüglichkeit nicht gewahrt. Die Auffassung, wonach bei fehlerhaften Gegendarstellungen die Unverzüglichkeit gewahrt bleibe, wenn neue, überarbeitete Fassungen jeweils unverzüglich nach Zurückweisung der vorherigen Fassung zugeleitet werden, gelte jedenfalls nicht, wenn die ursprüngliche Fassung in ihrem wesentlichen Aussagegehalt falsch war und inhaltlich der Kernbereich der Aussage abgeändert wurde.

Mit der Berufung macht die Verfügungsklägerin geltend, die Zurückweisung der Zweitfassung könne nicht darauf gestützt werden, dass eine Veränderung des Erwiderungsinhalts vorliege und die Erstfassung über die Unrichtigkeit der Formulierung hinaus falsch gewesen sei. Der Vorstandsvorsitzende der Verfügungsklägerin sei über den gefassten Beschluss der E.-Geschäftsführung nur informiert worden und einverstanden gewesen. Dies sage nichts anderes, als dass er den Beschluss zur Kenntnis genommen, verinnerlicht und sich im Übrigen jeder Einflussnahme enthalten habe. Die Auffassung des Landgerichts, dass eine Beteiligung an der Entscheidungsfindung auch dann vorliege, wenn man von einer Entscheidung im Nachhinein unterrichtet werde und sich einverstanden erkläre, sei nicht zwingend. Die Zweitfassung befasse sich mit demselben Sachverhaltskomplex, es handele es sich um keine neue Gegendarstellung. In der Zweitfassung werde nichts grundlegend anderes mitgeteilt.

Die Verfügungsklägerin beantragt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Verfügungsurteil des Landgerichts Stuttgart vom 27.10.05 zur Geschäftsnummer 17 O 525/05 abgeändert und der Beklagten auferlegt, innerhalb der nächsten redaktionell noch nicht abgeschlossenen "L. B-W"

I. die folgende Gegendarstellung zu verlesen:

Gegendarstellung der E. B-W AG zu einem Bericht in der "L" vom 26. Juli 2005

In der "L" wurde über das Ausscheiden des ehemaligen Leiters des zweiten Reaktorblocks im Kernkraftwerk N. II, Herrn Dr. E. G., wie folgt berichtet: "...gefeuert hat ihn E.-Chef U. C. Aber nicht etwa, weil G. seinen Job schlecht gemacht hätte, sondern weil er sich für die Aufarbeitung der Störfälle stark gemacht hat."

Hierzu stellen wir fest:

a) Herr Dr. G. war nicht bei der E. E. B-W AG, sondern bei der E. K. GmbH, der Betreibergesellschaft des Kernkraftwerks, angestellt. Deren Geschäftsführung fasste ohne Mitwirkung von Herrn Prof. Dr. C. den Beschluss, sich von Herrn Dr. G. zu trennen. Anschließend wurde Herr Prof. Dr. C. über den Beschluss in Kenntnis gesetzt und erklärte sich hiermit einverstanden.

b) Der Grund für die Kündigung von Herrn Dr. G. war dessen inakzeptables dienstliches Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten und Kollegen.

Für die B-W AG:

Dr. B. B.

Mitglied des Vorstands

II. hilfsweise, die folgende Gegendarstellung zu verlesen:

Gegendarstellung der E. B-W AG zu einem Bericht in der "L" vom 26. Juli 2005

In der "L" wurde über das Ausscheiden des ehemaligen Leiters des zweiten Reaktorblocks im Kernkraftwerk N. II, Herrn Dr. E. G., wie folgt berichtet: "...gefeuert hat ihn E-Chef U. C."

Hierzu stellen wir fest:

Herr Dr. G. war nicht bei der E. E. B-W AG, sondern bei der E. K. GmbH, der Betreibergesellschaft des Kernkraftwerks, angestellt. Deren Geschäftsführung fasste ohne Mitwirkung von Herrn Prof. Dr. C. den Beschluss, sich von Herrn Dr. G. zu trennen. Anschließend wurde Herr Prof. Dr. C. über den Beschluss in Kenntnis gesetzt und erklärte sich hiermit einverstanden.

Für die E. B-W AG:

Dr. B. B.,

Mitglied des Vorstands

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte macht geltend, die Kündigungsentscheidung sei nicht allein im Kreise der Geschäftsführung der E., die von der Verfügungsklägerin beherrscht werde, sondern unter Einbeziehung des Vorstandsvorsitzenden der Verfügungsklägerin getroffen worden. Bei der Zweitfassung handele es sich um eine nicht mehr unverzügliche Gegendarstellung. Auf eine Nachbesserungsmöglichkeit könne sich die Verfügungsklägerin nicht berufen, da der Inhalt der Gegendarstellung völlig verändert worden sei. Die Auffassung, eine neue Gegendarstellung liege nur bei einem neuen Sachverhaltskomplex vor, widerspreche dem im Gegendarstellungsrecht herrschenden Streitgegenstandsbegriff. Dass die Verfügungsklägerin ohne die Einhaltung der Unverzüglichkeitsvoraussetzungen in Bezug auf den Erstbericht zur Einreichung einer neuen Gegendarstellung berechtigt sein soll, nachdem die Unwahrheit der ersten Gegendarstellung nachgewiesen wurde, sei es mit den Grundsätzen der Meinungsäußerungsfreiheit und des Persönlichkeitsschutzes nicht mehr vereinbar.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das landgerichtliche Urteil sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht abgelehnt. Der Verfügungsklägerin steht ein Anspruch auf Verbreitung der modifizierten Gegendarstellung nach § 10 des SWR-Staatsvertrages vom 31.05.1997 in Verbindung mit §§ 1, 9 LMedienG weder nach dem Hauptantrag noch nach dem Hilfsantrag zu.

1.

Eine Gegendarstellung kann die betroffene Person, bei der es sich auch um eine juristische Person handeln kann (Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., Rn. 59), nach § 10 Abs. 3 Satz 3 des SWR-Staatsvertrages nur verlangen, wenn die Gegendarstellung unverzüglich, spätestens aber innerhalb von zwei Monaten dem Anspruchsverpflichteten zugeht.

Die danach bestehende zweimonatige Ausschlussfrist wäre zwar gewahrt, nachdem die Ausstrahlung des Berichts am 26.07.2005 stattfand und das streitgegenständliche Gegenvorstellungsverlangen der Verfügungsbeklagten am 06.09.2005 zugeleitet wurde. Ein unverzügliches Gegendarstellungsverlangen im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 3 des SWR-Staatsvertrages liegt hinsichtlich der Zuleitung der modifizierten Zweitfassung der Gegendarstellung aber nicht vor.

a) Unverzüglich bedeutet nach der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB "ohne schuldhaftes Zögern".

aa) Ob diesem Erfordernis entsprochen wird, beurteilt die herrschende Auffassung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls ohne Bindung an eine starre Frist (OLG Stuttgart, ZUM 2000, 773; OLG Koblenz, NJW-RR 1998, 23; OLG Hamburg, NJW 2001, 186; Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 132; Löffler/Sedelmeier, Presserecht, 4. Aufl., § 11, Rn. 159; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Aufl., Kapitel 25, Rn. 26; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 568; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 29.36; Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kapitel 11, Rn. 168). Dabei wird eine Frist von zwei Wochen ab Kenntnis der Erstmitteilung angenommen, in der eine Zuleitung des Gegendarstellungsverlangens jedenfalls rechtzeitig ist (Prinz/Peters, Medienrecht, a.a.O., Rn. 568; Wenzel-Burkhardt, a.a.O., Rn. 168), die regelmäßig aber auch genügt, um - nach Beratung mit einem Rechtsanwalt - zu einer Entscheidung zu kommen und zu reagieren (OLG Hamburg, NJW-RR 2001, 186; Löffler/Ricker, a.a.O., Rn. 26; Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 132). Hierdurch wird einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, wonach die Bestimmung einer Frist von zwei Wochen, die unabhängig von der Kenntnis des Betroffenen mit dem Sendetermin beginnt, mit der Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unvereinbar ist (BVerfG NJW 1983, 1179).

bb) Abzuwägen sind die Wahrung der Aktualität der Medien und die für den Betroffenen erforderliche Überlegungsfrist. Je kürzer die Intervalle der Publikationen bzw. Sendungen sind, desto raschere Aktivität ist seitens des Betroffenen angebracht (OLG Stuttgart, a.a.O.; Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 132; Prinz/Peters, Medienrecht, a.a.O., Rn. 567). Außerdem werden gesendete Darstellungen im Allgemeinen schneller inaktuell als gedruckte (OLG Stuttgart, a.a.O.; Wenzel-Burkhardt, a.a.O., Rn. 172).

b) Vorliegend ist auf dieser Grundlage eine Frist von zwei Wochen ab Kenntniserlangung zugleich als angemessene Höchstfrist anzusehen. Diese wurde mit der Zweitfassung der Gegendarstellung versäumt.

Bei der L. handelt es sich um eine Sendung, die täglich ausgestrahlt wird und eine hohe Aktualität hat. Die rasche Reaktion eines Betroffenen ist daher angebracht. Eine längere Einreichungsfrist für ein Gegendarstellungsverlangen ist auch unter Berücksichtigung des Sachverhalts, der hier einfach gelagert ist, und der notwendigen Überlegungszeit nicht erforderlich. Dies zeigt sich schon darin, dass die anwaltlich vertretene Verfügungsklägerin einige Tage nach der Erstausstrahlung der Sendung der Verfügungsbeklagten ein erstes Gegendarstellungsverlangen zuleitete.

c) Das Unverzüglichkeitsgebot soll nach einer verbreiteten Auffassung aber auch dann noch gewahrt sein, wenn der Betroffene nach Zurückweisung seiner Gegendarstellung durch den Verpflichteten unverzüglich eine überarbeitete Fassung seiner Gegendarstellung zuleitet. Angesichts der inhaltlichen Anforderungen an ein den Pressegesetzen genügendes Gegendarstellungsverlangen (dazu im Einzelnen: Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 201 ff.) und der deshalb bei der Abfassung bestehenden Schwierigkeiten soll eine Überarbeitung und Zuleitung grundsätzlich möglich sein. Der damit verbundene Zeitverlust soll in diesen Fällen selbst dann nicht als schuldhaftes Zögern angesehen werden, wenn die Gegendarstellung in ihrer ursprünglichen Fassung durch Urteil zurückgewiesen worden ist, sofern nur alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Maßnahmen unverzüglich ergriffen werden, insbesondere jede Fassung für sich betrachtet unverzüglich nach der Zurückweisung zugeleitet wird (OLG Hamburg, AfP 1978, 159, AfP 1981, 408 und 410, NJW-RR 2001, 186; OLG Koblenz, NJW-RR 1998, 23; Seitz/Schmidt/-Schoener, a.a.O., Rn. 137; Löffler/Ricker, a.a.O., Rn. 26; Prinz/Peters, a.a.O., Rn. 571; Soehring, a.a.O., Nr. 29.38; Wenzel-Burkhardt, a.a.O., Rn. 173, a. A. OLG München, NJW-RR 2002, 1271).

Die nach dem Urteil des Landgerichts vom 01.09.2005 der Verfügungsbeklagten am 06.09.2005 zugegangene Zweitfassung könnte danach noch rechtzeitig sein.

d) Allerdings kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen, ob das Nachschieben weiterer Fassungen eines Gegendarstellungsverlangens grundsätzlich zulässig ist. Die mit der notwendigen inhaltlichen Änderung und der Zuleitung einer Zweitfassung verbundene Zeitverzögerung ist jedenfalls dann nicht mehr unverschuldet, wenn die Erstfassung inhaltlich an groben, ohne weiteres erkennbaren Mängeln leidet (OLG München, AfP 1988, 373; OLG Koblenz, NJW-RR 98, S. 23; Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 137).

aa) Zwar wird die Auffassung vertreten, ein schuldhaftes Zögern könne im Hinblick auf die Zweitfassung nicht damit begründet werden, dass der Mangel der Erstfassung erkennbar war. Es ließe sich dann in jedem Fall die Meinung begründen, dass die mit der Abfassung der Gegendarstellung betrauten Rechtsanwälte imstande gewesen sein müssten, die Mangelhaftigkeit vorherzusehen (OLG Hamburg, AfP 1981, 410).

bb) Diese Auffassung kann für offensichtliche Mängel aber nicht gelten. Eine Zeitverzögerung kann nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn der Betroffene die zunächst übersandte Gegendarstellung vernünftigerweise für zulässig halten konnte. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Erstfassung an grundlegenden Fehlern leidet (OLG München, AfP 1988, 373). Ist ohne weiteres ersichtlich, dass dem Anspruchsverpflichteten keine veröffentlichungsfähige Gegendarstellung zugeleitet wurde, liegt ein schuldhafter Verstoß gegen die gebotene Beschleunigung vor. Vom Betroffenen ist zu erwarten, dass er sich mit der gebotenen Sorgfalt bemüht, den Anforderungen an eine Gegendarstellung gerecht zu werden.

Es besteht insoweit auch eine Vergleichbarkeit mit den Fällen, in denen ein Betroffener ein gerichtliches Verfahren eingeleitet hat, das zur Durchsetzung eines Anspruchs auf eine Gegendarstellung von vornherein ersichtlich ungeeignet war. Der Betroffene muss sich dann so behandeln lassen, wie wenn er untätig geblieben wäre (OLGR Frankfurt 2001, 52).

e) Ein grober, ohne weiteres erkennbarer Mangel ist hinsichtlich der Erstfassung der Gegendarstellung gegeben.

aa) Bei der Frage, welche inhaltlichen Abweichungen beachtlich sind, führt die Abgrenzung nach dem Streitgegenstandsbegriff entgegen dem Vorbringen der Berufung nicht weiter. Um nach der gerichtlichen Zurückweisung von Gegendarstellungsverlangen Neufassungen zu ermöglichen, geht die herrschende Auffassung bei Gegendarstellungen davon aus, dass grundsätzlich jede neue Fassung einen neuen Streitgegenstand bildet (OLG Hamburg, AfP 1978, 158, AfP 1981, 408, AfP 1984, 155; OLG Koblenz, NJW-RR 1998, 23; Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 615; Löffler-Sedelmeier, a.a.O., Rn. 221; Soehring, a.a.O., Nr. 29.38; Wenzel-Burkhardt, a.a.O., Rn. 262). Von der anderen Auffassung (KG NJW 1970, 2029) wird die Kerntheorie vertreten, wonach es darauf ankommt, ob die verschiedenen Gegendarstellungen ihrem Wesen nach noch übereinstimmen und sich der Aussageinhalt nicht geändert hat.

Folgt man der herrschenden Auffassung stellen nur Korrekturen im Sinne von § 319 ZPO keinen neuen Streitgegenstand dar. Eine Abgrenzung danach, ob ein neuer Streitgegenstand vorliegt, würde Nachbesserungsmöglichkeiten entgegenstehen. Legt man die Kerntheorie zugrunde, wäre ein erneuter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit geringfügig geänderter Fassung häufig bereits prozessual unzulässig (Seitz/Schmidt/Schoener, Rn. 617).

bb) Ein beachtlicher inhaltlicher Mangel liegt vor, weil die in der Erstfassung verlangte Entgegnung, von der mit der Zweitfassung abgewichen wird, einen offensichtlich unwahren Aussageinhalt hat.

Es liegen nicht nur Änderungen in der Formulierung oder einfache inhaltliche Fehler vor. Die ursprünglich verlangte Gegendarstellung konnte auch aus der Sicht der Verfügungsklägerin von vornherein nicht geeignet sein, presserechtlich eine Verbreitungspflicht zu begründen.

(1) Nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 SWR-Staatsvertrag besteht - entsprechend einem im Presserecht allgemein geltenden Grundsatz - eine Verpflichtung zur Verbreitung einer Gegendarstellung nicht, wenn die betroffene Person oder Stelle kein berechtigtes Interesse an der Verbreitung hat. Bei fehlendem berechtigtem Interesse stellt ein Gegendarstellungsverlangen eine nach § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung dar (OLG München, NJW-RR 1999, 386; Seitz/Schmidt/Schoener, Rn. 246). Es besteht dann keine Veranlassung, dem vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Schutz der Selbstbestimmung des Einzelnen über die Darstellung der eigenen Person (BverfG NJW 1983, 1179), der auch juristischen Personen zusteht, Geltung zu verschaffen. Der Schutz der Pressefreiheit, die durch das Gegendarstellungsrecht eingeschränkt wird, ist dann jedenfalls höher zu bewerten (OLG München NJW-RR 1999, 386).

(2) Ein berechtigtes Interesse an einer Veröffentlichung fehlt insbesondere bei Gegendarstellungen, die offensichtlich unwahr sind (BVerfG NJW 2002, 356; OLG Hamburg, NJW-RR 1994, 1179; OLG München, NJW-RR 1999, 386; OLG Düsseldorf, AfP 2005, 368; Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 254 ff.; Soehring, a.a.O., Rn. 29.20a; Wenzel-Burkhardt, a.a.O., Rn. 127). Da die Wahrheit der Entgegnung im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht geprüft wird und die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die Unwahrheit beim Verpflichteten liegt (Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 260), ist die Gegendarstellung aber nur rechtswidrig, wenn die Unrichtigkeit der Gegendarstellung "auf der Hand liegt" bzw. den "Stempel der Lüge trägt" oder unstreitig ist (OLG Hamburg, NJW-RR 1994, 1179; OLG München, NJW-RR 1999, 386; OLG Düsseldorf, AfP 2005, 368).

Bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt liegt hinsichtlich der Erstfassung der Gegendarstellung eine unwahre Erwiderung vor. Die Behauptung, der Vorstandsvorsitzende der Verfügungsklägerin sei an der Entscheidungsfindung nicht beteiligt gewesen, ist unrichtig. Die Geschäftsführung der E. hat den Vorstandsvorsitzenden über die beabsichtigte Trennung von dem Anlageleiter informiert, er war mit der Trennung einverstanden. Dies lässt sich entgegen der Berufung nicht dahin interpretieren, dass der Vorstandsvorsitzende nur den Beschluss zur Kenntnis nahm, verinnerlichte und sich jeder Einflussnahme enthielt. Dass sein "Einverständnis" eingeholt wurde, bedeutet ohne weiteres, dass der Vorstandsvorsitzende in den Entscheidungsprozess mit eingebunden war. Daran ändert nichts, dass sich zunächst Entscheidungsträger bei der E. über die Kündigung verständigten. Es ist unstreitig, dass die Kündigung erst nach dem Einverständnis des Vorstandsvorsitzenden ausgesprochen wurde.

cc) Selbst wenn man vorliegend aber zu dem Ergebnis käme, dass keine unwahre Entgegnung vorliegt, wäre ein beachtlicher inhaltlicher Mangel gegeben. Ein berechtigtes Interesse an der Gegendarstellung besteht auch bei eindeutig irreführenden Gegendarstellungen nicht (OLG München, NJW-RR 1999, 386; OLG Düsseldorf, AfP 2005, 368).

Von einer eindeutig irreführenden Gegendarstellung ist auszugehen, wenn Behauptungen aufgestellt werden, die zwar nicht unwahr sind, dem Zuschauer aber Schlussfolgerungen aufzwingen, die mit der Wahrheit nicht in Einklang stehen (Seitz/Schmidt/-Schoener, a.a.O., Rn. 261; Wenzel-Burkhardt, a.a.O., Rn. 129). Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Behauptung, die lediglich einer Ergänzung oder einer Einschränkung bedarf, völlig negiert wird (Wenzel-Burkhardt, a.a.O., Rn. 130).

Danach ist die Erstfassung der Gegendarstellung jedenfalls irreführend. Dem Zuschauer würde der falsche Eindruck vermittelt, dass der Vorstandsvorsitzende der Verfügungsklägerin mit der Kündigung nichts zu tun hatte. Dieser Eindruck stimmt mit den tatsächlichen Vorgängen aber nicht überein, nachdem die Entscheidung über die Kündigung zumindest mit ihm besprochen und abgestimmt wurde.

2.

Da die Gegendarstellung unter a) des Hauptantrages demnach nicht zu veröffentlichen ist, besteht auch für die Gegendarstellung unter b) keine Veröffentlichungspflicht. Es gilt das Alles-oder-Nichts-Prinzip (OLG Stuttgart, ZUM 2000, 733; OLG Düsseldorf, AfP, 2001, 327; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2003, 109; Löffler-Sedelmeier, a.a.O., Rn. 215). Bei mehrgliedrigen Gegendarstellungen mit selbständigen Punkten werden hiervon allerdings Ausnahmen zugelassen, das Gericht soll selbständige Kürzungen vornehmen können (Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 739; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2003, 109).

a) Es müsste sich aber jedenfalls um Punkte handeln, die aus sich heraus verständlich sind, so dass das Streichen des einen Punktes das Verständnis des anderen nicht ändert (Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 715). Dies ist vorliegend nicht möglich. Der verbleibende Antrag bezieht sich auf den unzulässigen Antrag und ist ohne ihn nicht verständlich.

b) Darüber hinaus ist das Gericht zu einer selbständigen Kürzung jedenfalls ohne eine persönliche Ermächtigung des Verfügungsklägers nicht befugt (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2003, 109; OLG München NJW-RR 1998, 1632; Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rn. 739; Löffler-Sedelmeier, a.a.O., Rn. 216; Wenzel-Burkhardt, a.a.O., Rn. 266). Diese Ermächtigung liegt nicht vor.

3.

Da der Hilfsantrag ebenfalls das nach § 10 Abs. 3 Satz 3 SWF-Staatsvertrag verspätete Gegendarstellungsverlangen enthält, kann auch er dem Begehren der Verfügungsklägerin nicht zum Erfolg verhelfen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erübrigt sich, da das Urteil nach § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht anfechtbar ist (OLG München, NJW-RR 1999, 386; Zöller-Herget, ZPO, 25. Auflage, § 708, Rn. 8).

Ende der Entscheidung

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