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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 12.08.2002
Aktenzeichen: 4 U 54/02
Rechtsgebiete: ZPO, Amtl. Regel. d deutsch. Rechtschreibung
Vorschriften:
ZPO § 42 II | |
Amtl. Regel. d deutsch. Rechtschreibung § 94 Ziff. (4) |
Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Zivilsenat - Beschluss
Geschäftsnummer: 4 U 54/02
In Sachen
wegen Unterlassung hier: Richterablehnung
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch
Richter am OLG Richterin am LG Richter am OLG
am 12. August 2002
beschlossen:
Tenor:
Das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen Vorsitzende Richterin am OLG Dr. S und Richter am OLG Dr. H wird zurückgewiesen.
Gründe:
Der Beklagte lehnt Vorsitzende Richterin am OLG Dr. S und Richter am OLG Dr. H wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, weil diese als Vorsitzende bzw. als Berichterstatter an einem Urteil des Senats vom 8.5.02 in einem der vorliegenden Hauptsache vorausgehenden einstweiligen Verfügungsverfahren (AZ. 4 U 5/02) mitgewirkt haben, welches folgende Formulierung enthält: "Dennoch ist der Beklagte nicht gehindert, unter Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit in einer die Öffentlichkeit berührenden Frage für seine Auffassung "weiter zu kämpfen", muss hierbei jedoch die Rechte Dritter berücksichtigen." Der Beklagte hält die in Anführungszeichen gesetzte Formulierung "weiter zu kämpfen" für eine ironische Hervorhebung, durch welche zum Ausdruck komme, dass das Gericht sein Anliegen nicht ernst nehme.
Das Ablehnungsgesuch des Beklagten ist zulässig aber unbegründet.
Nach § 42 II ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn eine Partei von ihrem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung die Befürchtung haben kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde (vgl. nur Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 42 Rnr. 9).
Derartige Gründe, die vom Standpunkt des Beklagten aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung geeignet wären, Misstrauen gegen die Unvoreingenommenheit der Vorsitzenden Richterin am OLG Dr. S und des Richters am OLG Dr. H zu rechtfertigen sind nicht ersichtlich.
Die Auffassung des Beklagten, das Setzen einer bestimmten Formulierung in den Gründen des Senatsurteils vom 8.5.2002 in Anführungszeichen diene einer "ironischen Hervorhebung" und bringe zum Ausdruck, dass die abgelehnten Richter das Verhalten des Beklagten "entweder persönlich nicht ernst nehmen oder seine Sache nicht ernst nehmen" und dass dadurch eine "Herabsetzung des Beklagten" bewirkt werde, entbehrt einer objektiv nachvollziehbaren Grundlage. Zwar kann es einen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Grund darstellen, wenn ein Richter durch eine unsachliche, abfällige, höhnische oder kränkende Wortwahl in der mündlichen Verhandlung, dem Schriftverkehr mit den Parteien oder auch in den Entscheidungsgründen eine negative Einstellung gegenüber einer Partei zum Ausdruck bringt, was grundsätzlich auch bei einer unangebrachten ironischen Wortwahl der Fall sein kann (vgl. Zöller-Vollkommer, § 42 Rnr. 22, mit zahleichen Rechtsprechungsnachweisen). Eine derartige Formulierung ist vorliegend aber nicht gegeben.
Dass eine Formulierung in Bezug auf das Verhalten oder die Einstellung einer Partei zu einer bestimmten die Öffentlichkeit berührenden Frage (hier: Straflösigkeit von Abtreibungen) in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung in Anführungszeichen gesetzt wird, stellt für sich genommen noch keine unsachliche oder unangemessene Ausdrucksform dar, die aus der Sicht einer vernünftigen Partei auf eine Voreingenommenheit des Richters ihr gegenüber schließen lässt. Die in Anführungszeichen gesetzte Passage, wonach der Beklagte nicht gehindert sei, für seine Auffassung "weiter zu kämpfen", muss nicht zwangsläufig von jedermann als "ironische Hervorhebung" verstanden werden, selbst wenn dies möglicherweise dem subjektiven Empfinden des Beklagten entsprechen mag. Auch wenn sich die Gerichte bei der schriftlichen Abfassung von Entscheidungsgründe selbstverständlich darum bemühen sollten, den grammatikalischen und orthographischen Regeln der deutschen Sprache zu entsprechen, besteht dennoch ein richterlicher Spielraum für die textliche Urteilsabfassung, der sich nicht auf die vom "Duden" oder anderen Grammatik- oder Wörterbüchern vorgegebenen Regeln beschränkt. Daher ist es keinesfalls zwingend, wie der Beklagte unter Bezugnahme auf den "Duden" behauptet, dass die in Anführungszeichen gesetzte Formulierung vorliegend nur als "ironisierende Hervorhebung" verstanden werden könne. Auch nach § 94 Ziff. (4) der "Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung" (abgedruckt in: Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 2000; im Internet unter "www.duden.de") ist im übrigen die Verwendung von Anführungszeichen für "Wörter oder Wortgruppen" erlaubt, die man "anders als sonst - etwa ironisch oder übertragen - verstanden wissen will". Denkbar ist daher, dass der Senat die Anführungszeichen als rein sprachliches Stilmittel benutzte, um hierdurch etwa zum Ausdruck zu bringen, dass der verwendete Begriff des "weiter kämpfens" in Bezug auf die Aktivitäten des Beklagten in abgeschwächter Weise, also nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinn zu verstehen sei. Dies kann indes dahingestellt bleiben, da das Gericht jedenfalls insoweit seine Entscheidungsgründe frei formulieren darf, als es nicht in beleidigender, herabsetzender oder ansonsten unsachlicher oder unangemessener Weise den nötigen Abstand zu den beteiligten Personen oder der Sache selbst vermissen lässt (vgl. BFH, Beschl. 13.1.1987, IX B 12/84). Wie sich auch aus den übrigen Entscheidungsgründen ersehen lässt, ist dies aber unzweifelhaft nicht der Fall. Selbst wenn die Verwendung der Anführungszeichen in ironisierender Absicht erfolgt sein sollte, würde auch dies für sich genommen noch nicht zwingend eine Ablehnung der an der Entscheidung beteiligten Richter rechtfertigen (vgl. OLG München, AnwBl. 1993, 242).
Im übrigen ist zu beachten, dass es sich bei dem Urteil des Senats vom 8.5.2002 um die Entscheidung eines Kollegialgerichtes handelt, die zwar üblicherweise nach Beratung im Kollegium vom Berichterstatter ausformuliert und abgesetzt und anschließend vom gesamten Spruchkörper unterschrieben wird. Inwieweit einzelne Formulierungen der Entscheidung aber vom Berichterstatter selbst oder einem anderen Mitglied des Spruchkörpers stammen und inwieweit möglicherweise eine Abstimmung darüber vorausgegangen ist, darf wegen des geltenden Beratungsgeheimnisses (§§ 193 GVG, 43 DRiG) nicht offenbart werden. Die Verantwortung für den Inhalt und die Ausformulierung der Entscheidungsgründe trägt dem gemäß auch der gesamte Spruchkörper und kann nicht einzelnen der mitwirkenden Richter zugewiesen werden. Der Ablehnungsantrag gegen Vorsitzende Richterin am OLG Dr. S und Richter am OLG Dr. H ist deshalb auch aus diesem Grund zurückzuweisen.
Der Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter bedurfte es vorliegend nicht, da sich der Beklagte zur Begründung seines Gesuches ausschließlich auf die beanstandete Formulierung im Urteil vom 8.5.02 bezog und die abgelehnten Richter im übrigen aufgrund des Beratungsgeheimnisses ohnehin gehindert sind, Erklärungen zu den internen Vorgängen im Zusammenhang mit der Abfassung und Formulierung und der Entscheidungsgründe abzugeben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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