Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 10.11.2000
Aktenzeichen: 4 VAs 31/2000
Rechtsgebiete: OWiG, EGGVG


Vorschriften:

OWiG § 62
EGGVG § 23 f.
Lehnt die Landeskartellbehörde nach Einstellung eines Bußgeldverfahrens gemäß §§ 46 OWiG, 170 Abs. 2 StPO den Antrag des Verteidigers der Betroffenen auf Gewährung von Akteneinsicht ab, kann dagegen der Rechtsweg zum Amtsgericht nach § 62 OWiG beschritten werden. Der Rechtsweg zum Oberlandesgericht gemäß §§ 23 f. EGGVG ist nicht eröffnet.
Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 4 VAs 31/2000 1 K 3092/2000 Verwaltungsgericht Stuttgart

vom 10. November 2000

in der Justizverwaltungssache

wegen Akteneinsicht.

Tenor:

Die Sache wird an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen.

Gründe:

Der Rechtsweg nach §§ 23 f. EGGVG ist nicht eröffnet, weil wegen der begehrten Akteneinsicht das Amtsgericht Stuttgart nach § 62 OWiG angerufen werden kann. Die Antragstellerin begehrt als - ehemalige - Betroffene eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachtes einer Kartellordnungswidrigkeit die Verpflichtung des Landes Baden-Württemberg, vertreten durch den Wirtschaftsminister, zur Gewährung von Einsicht in die dort vorliegenden Ermittlungsakten. Einen entsprechenden Antrag hatte die Betroffene schon während des laufenden Ermittlungsverfahrens mit Schriftsatz vom 25. August 1999 gestellt. Die Antragsgegnerin hatte damals mit Schreiben vom 06. September die Gewährung von Akteneinsicht "zum gegenwärtigen Zeitpunkt", also vorläufig, und nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens am 20. Dezember 1999 mit Schreiben vom 30. Dezember endgültig abgelehnt.

In dem vom Verwaltungsgericht Baden-Württemberg gemäß § 17a GVG an das Oberlandesgericht verwiesenen Verfahren begehrt die Betroffene - weiterhin - die Gewährung von Akteneinsicht in die Bußgeldakte.

Für die Entscheidung über diesen Antrag ist, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes, nicht das Oberlandesgericht, sondern nach § 62 OWiG das Amtsgericht Stuttgart zuständig. Die Verweisung ist nur für den Rechtsweg - ordentliche Gerichtsbarkeit -, nicht jedoch für das Oberlandesgericht bindend (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2000 -4 VAs 20/2000-), so dass der Senat nicht gehindert ist, die Sache an das Amtsgericht am Sitz der Verwaltungsbehörde, hier Stuttgart, zu verweisen.

Eine Zuständigkeit des Kartellsenates beim Oberlandesgericht nach § 83 GWB besteht nicht, da keiner der Fälle der §§ 52 Abs. 3 Satz 3, 69 Abs. 1 Satz 2 GWB vorliegt (vgl. hierzu Göhler OWiG, 12. Auflage, § 62 Rdnr. 24; Lemke OWiG, 1999, § 62 Rdnr. 29).

Der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts für Verfahren nach §§ 23 f. EGGVG für den Bereich der Strafrechtspflege zuständige 4. Strafsenat ist nicht zur Entscheidung berufen, weil es sich bei der begehrten Akteneinsicht nicht um eine Maßnahme auf dem Gebiete der "Strafrechtspflege", sondern des Ordnungswidrigkeitenrechtes handelt. In Anlehnung an § 23 EGGVG wurde für Anträge auf gerichtliche Entscheidungen gegen Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde in Bußgeldverfahren eine Zuständigkeit des Amtsgericht begründet (Lemke, a. a. O., § 62 Rdnr. 1; Göhler, a. a. O., § 62 Rdnr. 1). Die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, das Amtsgericht sei deshalb nicht zuständig, weil die Ablehnung des Gesuchs nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens erfolgt sei, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Zum einen hatte die Verwaltungsbehörde die Gewährung von Akteneinsicht schon während des laufenden Ermittlungsverfahrens abgelehnt, zum anderen ist der Sinn der Regelung des § 62 OWiG, dass Maßnahmen der Verwaltungsbehörden in Bußgeldverfahren generell beim Amtsgericht angefochten werden sollen, so dass auch eine entsprechende Anwendung der §§ 23 f. EGGVG hier ausscheidet (vgl. Lemke, a. a. O., § 62 Rdnr. 6). Auch nach Einstellung des Bußgeldverfahrens bleiben die Ermittlungsakten Bußgeldakten. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Verwendung der Worte "im Bußgeldverfahren" in § 62 OWiG bedeute, dass von dieser Bestimmung nur Maßnahmen erfasst würden, die dem Bußgeldbescheid oder der Verfahrenseinstellung zeitlich und sachlich vorausgehen würden (so KK -OWiG- Kurz, 2. Auflage, § 62 Rdnr. 7), ist zu eng, jedenfalls dann, wenn wie hier, die Betroffene Akteneinsicht begehrt. In einem vergleichbaren Fall hat der Senat bereits mit Beschluss vom 27. Juni 1995 -4 VAs 11/95- entschieden, dass das Amtsgericht nach § 62 OWiG auch dann zur Entscheidung zuständig ist, wenn der Betroffene nach Rechtskraft des Bußgeldbescheides von der Bußgeldbehörde Auskünfte aus den Bußgeldakten verlangt und diese den Antrag auf Auskunft abgelehnt hatte. Denn eine solche Entscheidung steht in engem Zusammenhang zum abgeschlossenen Bußgeldverfahren und ist auch hier somit noch in dem gegen den Betroffenen eingestellten Bußgeldverfahren ergangen und nicht etwa nur "beiläufig".

Ende der Entscheidung

Zurück