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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: 4 Ws 115/05
Rechtsgebiete: JVEG
Vorschriften:
JVEG § 4 Abs. 3 | |
JVEG § 9 Abs. 1 Satz 6 | |
JVEG § 9 Abs. 1 Satz 5 |
2. Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 5 und 6 JVEG gilt nur, solange der Anspruch auf Vergütung noch nicht geltend gemacht worden ist. Bei Abrechnungsreife kann das Verfahren nach § 4 Abs. 1 und 2 JVEG auf Festsetzung der gesamten Vergütung betrieben werden.
Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Strafsenat - Beschluss
Geschäftsnummer: 4 Ws 115/05
vom 22. Juni 2005
in der Bußgeldsache gegen
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit;
hier: Weitere Beschwerde des Sachverständigen
wegen Festsetzung der Sachverständigenvergütung.
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss des Landgerichts Heilbronn vom 17. März 2005 aufgehoben.
Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 13. Januar 2005 wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe erließ gegen die Betroffene am 27. Mai 2004 wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit einen Bußgeldbescheid, gegen den sie Einspruch einlegte. Nach Vorlage der Akten an das Amtsgericht wurde der Sachverständige ... am 28. Oktober 2004 mit der Erstellung eines anthropologischen Vergleichsgutachtens in der Hauptverhandlung beauftragt. Nachdem dieser zur Vorbereitung des mündlichen Gutachtens die Akten durchgearbeitet und das darin befindliche Messfoto ausgewertet hatte, nahm die Betroffene den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurück, so dass es zu der anberaumten Hauptverhandlung nicht kam. Der Sachverständige reichte daraufhin eine Rechnung ein, in der er einen Zeitaufwand von zweieinhalb Stunden mit einem Stundensatz von 85,00 € abrechnete. Nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass nur ein Stundensatz von 60,00 € bewilligt werden könne, beantragte er die richterliche Festsetzung seiner Vergütung. Mit Beschluss vom 13. Januar 2005 setzte das Amtsgericht fest, dass der Sachverständige gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG mit einem Stundensatz in Höhe von 85,00 € aus der Honorargruppe M 3 - entsprechend Honorargruppe 8 - zu vergüten sei. Eine Zulassung der Beschwerde erfolgte in diesem Beschluss nicht. Gegen diesen Beschluss erhob die Bezirksrevisorin am 17. Februar 2005 das Rechtsmittel der Beschwerde mit dem Ziel, die erbrachte Leistung des Sachverständigen der Honorargruppe M 2 mit einem Stundensatz von 60,00 € zuzuordnen, worauf das Amtsgericht die Sache mit einer Nichtabhilfeentscheidung dem Landgericht vorlegte.
Auf die Beschwerde der Staatskasse hob die 1. große Strafkammer des Landgerichts Heilbronn in der Besetzung mit drei Richtern am 17. März 2005 den Beschluss des Amtsgerichts auf und bestimmte, dass die Tätigkeit des Sachverständigen nach der Honorargruppe M 2 zu vergüten sei. In dieser Entscheidung wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die weitere Beschwerde zugelassen. Dagegen legte der Sachverständige am 27. April 2005 weitere Beschwerde ein. Er begehrt nunmehr die Festsetzung eines Stundensatzes nach der Honorargruppe 6 in Höhe von 75,00 €.
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, da das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage, mit welchem Stundensatz die Erstellung eines anthropologischen Vergleichsgutachtens zu vergüten ist, im angefochtenen Beschluss nach § 4 Abs. 5 JVEG zugelassen hat. Das Oberlandesgericht ist an die Zulassung der weiteren Beschwerde gebunden (§ 4 Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Abs. 4 Satz 4 1. HS. JVEG).
Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern, da die angefochtene Entscheidung nicht von einem Einzelrichter erlassen wurde (§ 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG).
Das Rechtsmittel ist begründet.
Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Heilbronn vom 17. März 2005 ist aufzuheben, da die Beschwerde der Staatskasse gegen den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn nicht zulässig ist.
Nach § 4 Abs. 3 JVEG kann die Staatskasse gegen den hier nach § 4 Abs. 1 JVEG ergangenen Beschluss Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt oder wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts hatte der Amtsrichter die Beschwerde gegen seinen Beschluss nicht durch eine Nichtabhilfeentscheidung und Vorlage an das Landgericht zugelassen. Bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 JVEG ist ersichtlich, dass diese Zulassung in dem Beschluss erfolgen muss. Eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde ist nicht möglich (Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 4 JVEG Rdnr. 25).
Da der Sachverständige für seine Leistung einen Zeitbedarf von zweieinhalb Stunden zu je 85,00 €, insgesamt also 212,50 €, abgerechnet hat, die Staatskasse aber der Meinung ist, dass ihm lediglich ein Stundensatz von 60,00 € zustehe, insgesamt also 150,00 € zu vergüten seien, beträgt die Differenz lediglich 62,50 €. Somit übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € nicht.
§ 9 Abs. 1 Satz 5 JVEG, der eine Ausnahme vom Mindestbeschwerdewert vorsieht, ist nicht einschlägig, da dies nach Satz 6 dieser Vorschrift nur gilt, solange der Anspruch auf Vergütung noch nicht geltend gemacht worden ist. Die Regelung soll es dem Sachverständigen nur ermöglichen, schon sehr frühzeitig - unter Umständen sogleich nach seiner Beauftragung und damit schon vor Aufnahme der ihm übertragenen Aufgaben - Klarheit über die kostenmäßige Bewertung der von ihm erwarteten Leistungen und damit gleichzeitig über einen für seinen Gesamtanspruch wesentlichen Bemessungsfaktor zu erlangen. Die gerichtliche Festsetzung des von dem Sachverständigen zu beanspruchenden Stundensatzes soll stets der Beschwerde unterworfen sein, solange der Sachverständige noch keine Abrechnung seiner Vergütung vorgenommen hat, weil sich in diesen Fällen noch kein Wert der Beschwer beziffern lässt. Die Regelung dient zudem der Rechtsfortbildung, weil sie in der besonders wichtigen Frage der Qualifizierung einzelner Sachverständigenleistungen nach dem neuen Recht obergerichtliche Entscheidungen unabhängig vom Beschwerdewert ermöglichen würde, solange der Sachverständige noch nicht abgerechnet hat. Liegt dagegen, wie hier, Abrechnungsreife vor, kann der Sachverständige das Verfahren nach § 4 Abs. 1 und 2 JVEG auf Festsetzung der (gesamten) von ihm zu beanspruchenden Vergütung betreiben ( Das neue Kostenrecht - Einführung, Texte, Materialien, Bundesanzeiger vom 24. April 2004, Seite 274).
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die unstatthafte Beschwerde der Staatskasse als unzulässig zu verwerfen.
Damit behält der Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 13. Januar 2005 seine Gültigkeit, weshalb der Sachverständige in diesem Verfahren mit einem Stundensatz von 85,00 € zu vergüten ist.
III.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er in der Frage der Vergütung eines Sachverständigen, der mit der Erstellung eines anthropologischen Vergleichsgutachtens beauftragt wird, der Auffassung des Oberlandesgerichts Bamberg (Beschluss vom 27. April 2005 - Ws 255/05), wonach ein Stundensatz von 75.- € nach der Honorargruppe 6 angemessen erscheint, aus den dort genannten Gründen zuneigt.
Für die Einstufung in diese Honorargruppe spricht u.a. auch der Umstand, dass der Sachverständige nach bisherigem Recht eine Vergütung von 72,00 € pro Stunde für die gleiche Leistung erhielt.
IV.
Eine Kostenentscheidung ist nach § 4 Abs. 8 JVEG entbehrlich.
Ende der Entscheidung
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