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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 26.04.2000
Aktenzeichen: 4 Ws 65/00
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 73 d | |
StGB § 76 a Abs. 1 |
Die Anordnung des erweiterten Verfalls im selbstständigen Verfahren nach § 73 d i. V. m. § 76 a Abs. 1 StGB ist auch nach dem Tod des Täters möglich.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 26. April 2000 - 4 Ws 65/2000
Geschäftsnummer: 4 Ws 65/2000 20 KLs 231 Js 48966/99 LG Stuttgart 231 Js 48966/99 StA Stuttgart
Oberlandesgericht Stuttgart
- 4. Strafsenat
Beschluss
vom
26. April 2000
im selbstständigen Verfallsverfahren bezüglich
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Auf die (sofortige) Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der 20. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart vom 17. März 2000
aufgehoben.
Tenor:
Der - erweiterte - Verfall des am 2. August 1999 in der Wohnung des verstorbenen Beschuldigten S. beschlagnahmten Bargelds in Höhe von 21.600,00 DM (Nr. 21 des Durchsuchungsberichts der GER Stuttgart vom 2. August 1999 - V 3/99-P) wird angeordnet.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Beschuldigten O. D. S. ein Ermittlungsverfahren, in dem ihm unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen wurde. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurde am 2. August 1999 dessen damalige Wohnung wegen Gefahr im Verzug von der Polizei durchsucht und dabei eine schwarze Geldkassette, in der sich ein Umschlag mit einem Inhalt von 1.600,00 DM (2 x 200,00 DM, 12 x 100,00 DM) befand, und ein Gefrierbeutel mit einem Inhalt von weiteren 20.000,00 DM Bargeld (6 x 1.000,00 DM, 7 x 500,00 DM, 7 x 200,00 DM, 91 x 100,00 DM) gemäß § 111 b StPO beschlagnahmt. Gleichzeitig wurde der Beschuldigte vorläufig festgenommen und kam tags darauf in Untersuchungshaft, wo er sich am 16. November 1999 selbst tötete. Das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren wurde am 19. November 1999 eingestellt.
Am 23. November 1999 erhob die Staatsanwaltschaft gegen drei in diesem Verfahren Mitbeschuldigte Anklage beim Landgericht Stuttgart und beantragte gleichzeitig die Anordnung des erweiterten Verfalls im selbstständigen Verfallsverfahren bzgl. des beschlagnahmten Bargeldbetrages. Durch Beschluss der zuständigen Strafkammer vom 4. Januar 2000 wurde das Verfallsverfahren hinsichtlich O. D. S. zur gesonderten Entscheidung abgetrennt.
Mit Beschluss vom 17. März 2000 wies das Landgericht den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung des erweiterten Verfalls des beschlagnahmten Bargeldes in Höhe von 21.600,00 DM im selbstständigen Verfallsverfahren hinsichtlich O. D. S. kostenpflichtig als unzulässig zurück. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet, da die Voraussetzungen des § 73 d i. V. m. § 76 a StGB für die selbstständige Anordnung des erweiterten Verfalles vorliegen.
Im Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17. März 2000 gegen die Mitbeschuldigten Sch. , Sa. und H. wird rechtskräftig festgestellt, dass O. D. S. am 19. Juli 1999 490 Ecstasytabletten mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 35,93 Gramm MDMA-HCL erworben und in seiner Wohnung gewinnbringend weiterverkauft habe. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist somit § 73 d StGB vorliegend anzuwenden. Außerdem rechtfertigen die aus den Akten ersichtlichen Umstände die Überzeugung, dass der Beschuldigte S. das beschlagnahmte Bargeld aus rechtswidrigen Taten erlangt hat, ohne dass diese selbst im einzelnen festgestellt werden könnten. Der zu Lebzeiten kein nennenswertes legales Einkommen beziehende Beschuldigte S. betrieb einen umfangreichen, gewinnbringenden Handel mit Betäubungsmitteln, der seine hauptsächliche Einkommensquelle darstellte. Dies ergibt sich neben den Urteilsfeststellungen aus den Angaben seiner zwischenzeitlich rechtskräftig verurteilten Mittäter. So gibt Sa. an, dass S. für die "kleineren" Geschäfte, die allerdings mindestens einen Umfang von bis zu 500 Ecstasytabletten umfassten, zuständig gewesen sei. Sch., der S. kennenlernte, als dieser ihm 10 Ecstasytabletten verkaufte, hatte bei ihm auch schon "Speed" erworben. Außerdem gibt er an, dass S. mit Kokain handeln würde, was durch den Umstand, dass S. bei seiner Festnahme 8,26 Gramm Kokain vor sich auf dem Tisch liegen hatte, bekräftigt wird. Ferner wurden in seiner Wohnung 248 Ecstasytabletten und 147,55 Gramm Haschisch sichergestellt. Außerdem befindet sich in den Akten die Aussage eines weiteren Beschuldigten, der berichtet, dass S. ihm im Sommer 1999 in seiner Wohnung erzählt habe, dass er alle zwei Wochen 25.000 "Pillen" auf Kommission zum Weiterverkauf erhalten würde und dass er ihm in diesem Zusammenhang 20.000,00 DM Bargeld gezeigt habe. Auch eine Überwachung des von S. geführten Telefonverkehrs belegt seinen umfangreichen Handel mit Betäubungsmitteln. Schließlich wurden bei der Durchsuchung seiner Wohnung neben dem bereits erwähnten Rauschgift und dem gesondert in einer Geldkassette bzw. einem Gefrierbeutel aufbewahrten Bargeld auch noch Verpackungsmaterial und eine digitale Feinwaage sichergestellt.
Der Tod des Täters stellt einen "tatsächlichen Grund" im Sinne des § 76 a Abs. 1 StGB dar (Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Auflage, § 440 Rdn. 7; Lackner, StGB, 23. Auflage, § 76 a Rdn. 2). Auch die übrigen Voraussetzungen des erweiterten Verfalls liegen, wie oben dargestellt wurde, vor. Zu diesen übrigen Voraussetzungen im Sinne des § 76 a Abs. 1 StGB gehört im Falle des Todes nach Auffassung des Senats nicht der Umstand, dass dem Täter auch noch zur Zeit der Verfallsentscheidung die für verfallen zu erklärenden Gegenstände gehören oder zustehen müssen, da diese zu Lebzeiten des Täters notwendige Voraussetzung des erweiterten Verfalls so eng an die Person des Täters gebunden ist, dass sie mit seinem Tod entfällt. Wenn der Täter nämlich noch leben würde, könnte nach § 73 d Abs. 1 Satz 2 StGB der erweiterte Verfall selbst dann angeordnet werden, wenn der Gegenstand dem Täter nur deshalb nicht gehört oder zusteht, weil er den Gegenstand für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat. Dies ist vorliegend der Fall, da der verstorbene Beschuldigte deshalb kein Eigentum an dem durch den Verkauf von Betäubungsmitteln erhaltenen Bargeld erworben hat, weil sowohl das Verpflichtungs- als auch das Erfüllungsgeschäft nach § 134 BGB nichtig sind (BGHSt 31, 145 ff; BGHR StGB § 73, Anspruch 3). Wenn somit die Anordnung des erweiterten Verfalls sogar möglich ist, wenn der diesbezügliche Gegenstand im Eigentum Dritter steht, dann muss dies erst recht möglich sein bei Gegenständen aus deliktischer Herkunft, die möglicherweise etwaigen Rechtsnachfolgern des Täters zustehen, da diese kraft Gesetzes in die Position des Täters eingetreten sind, zumal vorliegend der verstorbene Beschuldigte kein Eigentum an dem beschlagnahmten Bargeld erworben hat, welches auf etwaige Erben hätte übergehen können. Nur auf diese Weise kann nach Auffassung des Senats dem Ziel des Gesetzgebers, mit Einführung des erweiterten Verfalls (einer strafrechtlichen Maßnahme "eigener Art" mit kondiktionsähnlichem Charakter) eine strafrechtswidrig zustande gekommene Vermögenszuordnung zu korrigieren (BT-Drs. 11/6623 S. 6 und 7), entsprochen werden. Auch verstößt dies nicht gegen den durch Art. 14 GG garantierten Eigentumsschutz, da Eigentum an Gegenständen, die aus Straftaten stammen, nicht schutzwürdig ist (BVerfGE 22, 387, 422).
Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass im Falle des Todes des Täters die Anordnung des Verfalls im selbstständigen Verfahren deshalb nicht möglich sei, da er zur Zeit der Verfallsentscheidung nicht mehr Eigentümer der für verfallen zu erklärenden Gegenstände sei. Dies seien vielmehr seine Erben, weshalb die Voraussetzungen des Verfalls bzw. die materielle Verfolgbarkeit entfallen würden (Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Auflage, § 440 Rdn. 7; Leipziger Kommentar, StGB, 10. Auflage, § 76 a Rdn. 9; KMR, StPO, § 440 Rdn. 6; Systematischer Kommentar zum StGB, § 76 a Rdn. 4; Schönke/Schröder, StGB, 25. Auflage, § 76 a Rdn. 5). Dies steht aber nicht zwingend der Auffassung des Senats entgegen, da diese Zitate entweder aus dem Zeitraum vor Einführung des erweiterten Verfalls stammen oder sich auf die Einziehung beziehen.
Schließlich gibt es vorliegend auch keinen Anlass für eine Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c i. V. m. § 73 d Abs. 4 StGB.
Ende der Entscheidung
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