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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 20.04.2009
Aktenzeichen: 5 W 68/08
Rechtsgebiete: EuGVO, EuVTVO, AVAG


Vorschriften:

EuGVO Art. 34
EuGVO Art. 35
EuGVO Art. 38
EuGVO Art. 45
EuGVO Art. 54
EuVTVO Art. 5
EuVTVO Art. 21
EuVTVO Art. 27
AVAG § 11
AVAG §§ 12 ff
1. Es besteht ein Wahlrecht zwischen den Vollstreckungssystemen nach der EuVTVO und der EuGVO.

2. Besteht ein Europäischer Vollstreckungstitel, so fehlt es daneben für eine Vollstreckbarerklärung nach der EuGVO am Rechtsschutzbedürfnis.

3. Eine fehlerhafte Parteibezeichnung ist der Auslegung zugänglich und stellt dann gegebenenfalls keinen Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 1 EuGVO dar.


Oberlandesgericht Stuttgart 5. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 68/08

20.04.2009

In dem Rechtsstreit

wegen Zulassung eines ausländischen Titels zur Zwangsvollstreckung

hat der 5. Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vors. Richters am Oberlandesgericht Dr. Würthwein und des Richters am Oberlandesgericht Prof. Dr. Hohloch sowie der Richterin am Amtsgericht Pellen-Lindemann

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Vorsitzenden der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rottweil vom 12.09.2008 - 3 O 250/08 - abgeändert und der Antrag auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung für das Urteil des Bezirksgerichts in Opole (Oppeln)/Polen vom 29.05.2007 - Az.: V GC 2082/01 - abgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Beschluß ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerin (in der Folge: Ag.) hat ihren Wohnsitz im Inland und stellt Büromöbel her. Die Antragstellerin (in der Folge: Ast.) hat ihren Firmensitz in Polen und fertigte Polster für die Ag.

2. Durch Versäumnisurteil vom 24.10.2002 der V. Wirtschaftskammer des Bezirksgerichts in Opole (Oppeln/Polen) (Az.: V GC 2082/01) wurde die Ag. verurteilt, an die Ast. den Betrag von 22.969,53 Zloty samt gesetzlicher Zinsen ab dem 01.08.2000 sowie den Betrag von 10.645,90 Zloty als Rückerstattung der Prozeßkosten, darunter 8.015,00 Zloty als Erstattung der Kosten für die prozessuale Vertretung, zu bezahlen.

3. Mit Urteil vom 29.05.2007 der V. Wirtschaftskammer des Bezirksgerichts in Opole (Az.: V GC 1396/04) wurde das Versäumnisurteil vom 24.10.2002 (Az.: V GC 2082/01) in Höhe des Betrags von 22.962,85 Zloty nebst den gesetzlichen Zinsen vom 01.08.2000 bis zum Zahlungstag aufrecht erhalten wird. Zugleich wurde der offensichtliche Schreibfehler bei der Firmenbezeichnung der beklagten Partei wie folgt korrigiert: anstelle der im Versäumnisurteil eingetragenen fehlerhaften Bezeichnung R. GmbH mit Sitz in L. wurden die Worte eingetragen: V. GmbH mit Sitz in L. Die Ag. wurde zudem verurteilt, den Betrag von 16.980,26 Zloty als Rückerstattung der Prozeßkosten, davon 12.215,00 Zloty als Erstattung der Kosten für die prozessuale Vertretung, an die Ast. zu bezahlen.

4. Die Berufung der Ag. wurde durch Urteil des Bezirksgerichts Opole vom 28.09.2007 (Az.: VI Ga 106/07) abgewiesen und die Ag. verurteilt, an die Ast. den Betrag von 1.200,00 Zloty als Erstattung der Kosten für die prozessuale Vertretung in der II. Instanz zu zahlen.

5. Die Ast. begehrt für das Urteil des Bezirksgerichts Opole vom 29.05.2007 (Az.: V GC 1396/04) Vollstreckbarerklärung und Klauselerteilung für das Inland. Auf ihren Antrag vom 01.09.2008 hat der Vorsitzende der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rottweil mit Beschluß vom 12.09.2008 - 3 O 250/08 - die polnische Entscheidung für im Inland vollstreckbar erklärt und Klauselerteilung für das Inland angeordnet.

6. Die Ag. hat gegen den ihr am 22.09.2008 zugestellten landgerichtlichen Beschluß am 15.10.2008 Beschwerde eingelegt, die sie nochmals mit Schriftsatz vom 16.12.2008 näher begründet hat.

Die Ag. beantragt:

Den Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel hinsichtlich des Urteils des Bezirksgerichts Opole (Republik Polen) vom 29.05.2007 (Az.: V GC 1396/04) zurückzuweisen.

Zur Begründung des Antrags führt die Ag. im wesentlichen an, das polnische Gericht sei für die ergangene Entscheidung nicht zuständig gewesen, da der Erfolgsort in Deutschland liege und dementsprechend auch in den AGB ein inländischer Gerichtsstand vereinbart worden sei. Weder sei die Ast. aktivlegitimiert, da sie sich im Insolvenz- oder bereits Liquidationsverfahren befinde, noch sei im Ausgangsverfahren die richtige Beklagte verurteilt worden, da die im Versäumnisurteil beklagte Firma R. nicht existiere. Zudem sei der Ag. mangels ordnungsgemäßer Zustellung des verfahrenseinleitenden und anderer Schriftstücke sowie in Ermangelung der notwendigen Übersetzungen in die deutsche Sprache kein hinreichendes rechtliches Gehör im Verfahren gewährt worden und daher das Urteil nicht nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ergangen. Unbestrittene Forderungen lägen keine vor und die Forderungen der Ag. überstiegen mögliche Forderungen der Ast. bei weitem.

7. Mit Schriftsatz vom 28.11.2008 hat die Ast. auf die Beschwerde der Ag. erwidert. Die Ast. ist im wesentlichen der Auffassung, die Zuständigkeit polnischer Gerichte sei gegeben gewesen und der Ag. sei durch Anhörung ihres Geschäftsführers vor dem Amtsgericht Freudenstadt am 08.12.2006 und Vertretung durch einen polnischen Anwalt im gesamten Verfahren ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden.

II.

Die Beschwerde der Ag. ist zulässig und begründet.

1. Die Zulässigkeit der Beschwerde folgt aus §§ 11 ff. des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen vom 19.02.2001 (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG - BGBl. 2001 I, S. 288, ber. 436). Die Anwendbarkeit des AVAG folgt aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AVAG. Die begehrte Vollstreckbarerklärung des polnischen Urteils vom 29.05.2007 (Az.: V GC 1396/04) richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (EuGVO - ABl. EG 2001, Nr. L 12, S. 1), die seit 01.03.2002 für alle Mitgliedstaaten der EG mit Ausnahme Dänemarks in Kraft ist und seit dem Beitritt Polens zur EG am 01.05.2004 auch für die Republik Polen gilt. Die EuGVO erfaßt somit das am 29.05.2007 ergangene polnische Urteil. Der Anwendung der EuGVO steht nicht entgegen, daß das polnische Urteil als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vom 21.04.2005 (EuVTVO - ABl. EG 2004, Nr. L 143, S. 15) be-stätigt wurde. Die Anwendbarkeit der EuGVO bleibt gemäß Art. 27 EuVTVO unberührt. Das Rechtmittel der Beschwerde stellt die einzige Möglichkeit der Ag. dar, sich gegen die Vollstreckbarerklärung des polnischen Urteils durch das Landgericht Rottweil zur Wehr zur setzen.

2. Über die Beschwerde der Ag. ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu § 568 ZPO n.F. durch Senatsentscheidung und nicht durch Einzelrichterentscheidung zu befinden. Einzelrichterzuständigkeit besteht nicht, da der in erster Instanz entscheidende Vorsitzende der Zivilkammer des Landgerichts nicht als Einzelrichter im Sinne von § 384 ZPO n.F., sondern kraft besonderer Zuständigkeitszuweisung - hier auf der Grundlage der EuGVO - entscheidet (vgl. Beschluß des Senats v. 06.09.2002 - 5 W 25 / 2002 und st. Rspr. des Senats).

3. Die Beschwerde ist begründet. Der Beschluß des Vorsitzenden der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rottweil ist rechtlich fehlerhaft und verletzt den Ag. in seinen mit der Beschwerde geltend zu machenden Rechten. Die Beschwerde der Ag. hat daher Erfolg.

a. Der Beschluß vom 12.09.2008 ordnet rechtlich unzutreffend die Vollstreckbarerklärung und Klauselerteilung für das Inland an. Zwar kann das polnische Urteil als nach polnischem Recht vollstreckbare und rechtskräftige Entscheidung gemäß Art. 38 Abs. 1 EuGVO auf den Antrag der Ast. hin für im Inland vollstreckbar erklärt werden, wie erstinstanzlich geschehen. Auch hat die Ast. erstinstanzlich eine dafür vollstreckbare Ausfertigung des die Verpflichtung aussprechenden Urteils des polnischen Gerichts nebst beglaubigter Übersetzung vorgelegt. Allerdings fehlt es an der Vorlage einer Bescheinigung gem. Art. 54 EuGVO. Statt dessen hat die Ast. eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gem. Anhang I EuVTVO vorgelegt. Wird die formularmäßige Bescheinigung gem. Art. 54 EuGVO nicht vorgelegt und verzichtet das Gericht auf die Bestimmung einer Frist, innerhalb derer die Bescheinigung beizubringen ist, kann sich das Gericht des Vollstreckbarerklärungsverfahrens mit einer gleichwertigen Urkunde begnügen oder die Partei ausnahmsweise von der Beibringung der Bescheinigung befreien, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält (Art. 55 Abs. 1 Brüssel I-VO). Die Bestätigung als Europäischer Vollstrekkungstitel gem. Anhang I EuVTVO enthält zwar grundsätzlich die für Art. 54 EuGVO i.V.m. Anhang V erforderlichen Angaben und erfüllt damit die Voraussetzungen der Art. 38 ff., 53-55 EuGVO. Bei Entscheidungen durch Versäumnisurteil sind allerdings nach Nr. 4.4. Anhang V EuGVO Angaben zum Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks erforderlich. Das Bezirksgericht Opole erließ zunächst das Versäumnisurteil vom 24.10.2002 (Az.: V GC 2082/01), so daß das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks hätte bescheinigt und dem Gericht vorgelegt werden müssen. Allerdings wurde das hier für vollstreckbar erklärte Urteil vom 29.05.2007 (Az.: V GC 1396/04) erst nach Vernehmung des Geschäftsführers der Ag. vor dem Amtsgericht Freudenstadt am 08.12.2006 (Az.: 5 AR 60/06) erlassen, so daß die Ag. Gelegenheit hatte, sich zur Sache einzulassen und auf das Verfahren Einfluß zu nehmen. Ob dieser Umstand dazu führt, daß die erforderlichen Angaben nach Ziffer 4.4. Anhang V der EuGVO entbehrlich waren, kann dahingestellt bleiben, da mit Bestätigung des Urteils als Europäischer Vollstreckungstitel ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der EuGVO entfällt. Es besteht bereits eine im Inland vollstreckbare Ausfertigung des polnischen Urteils vom 29.05.2007 (Az.: V GC 1396/04). Die Ast. hat zwar grundsätzlich gem. Art. 27 EuVTVO ein Wahlrecht zwischen den Vollstreckungssystemen nach der EuVTVO und der EuGVO. Dies entspricht der Forderung in Erwägungsgrund 20 der EuVTVO, wonach es dem Gläubiger "frei stehen" sollte, eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen zu beantragen oder sich für das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach der EuGVO zu entscheiden. Der Gläubiger kann auch beide Verfahren gleichzeitig einleiten und dann den Weg weiterverfolgen, den das zuerst ausgestellte Dokument weist (Wagner, IPRax 2005, 190). Liegt allerdings bereits eine Bescheinigung als Europäischer Vollstreckungstitel nach Anhang I der EuVTVO vor, bedarf es eines Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitsverfahrens nach den Vorschriften der EuGVO nicht mehr. Für das Vollstreckbarkeitsverfahren entfällt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn im Ursprungsmitgliedstaat der betreffende Titel als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist (Zöller/Geimer, ZPO, 27. Aufl. 2009, Anh I Art. 38 EuGVO Rn. 1). Die Be-stätigung bewirkt, daß die Anerkennung der Wirkungen des Vollstrekkungstitels in allen anderen Mitgliedstaaten nicht in Frage gestellt werden darf, Art. 5 EuVTVO. Die EuVTVO überlagert mithin die Anerkennungsversagungsgründe der Art. 34-35 EuGVO. Dies gilt auch dann, wenn die Be-stätigung eindeutig zu Unrecht erteilt worden ist, solange sie nicht nach Art. 10 EuVTVO im Ursprungsmitgliedstaat widerrufen worden ist, Art. 21 Abs. 2 EuVTVO (Zöller/Geimer, aaO, Anh I Art. 33 EuGVO Rn. 8). Der Ag. stehen nur die eingeschränkten Möglichkeiten der EuVTVO zur Verfügung, dem Europäischen Vollstreckungstitel zu widersprechen. Da vorliegend der Europäische Vollstreckungstitel über die Forderung aus dem Urteil vom 29.05.2007 des Bezirksgerichts in Opole (Az.: V GC 1396/04) einer Vollstreckbarkeitserklärung nach den Regelungen der EuGVO entgegensteht, ist die Beschwerde der Ag. begründet.

b. Ist die Beschwerde der Ag. schon aus den zu a. erfassten Gründen begründet, kommt es für die Entscheidung des Senats auf ihr weiteres Vorbringen nicht mehr entscheidend an. Ob bei Bejahung eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Vollstreckbarkeitserklärung nach der EuGVO trotz Vorliegen eines Europäischen Vollstreckungstitels die Vollstreckbarerklärung durch das Landgericht Rottweil rechtlich fehlerhaft und die Beschwerde des Ag. in Sinne der Art. 45, 34, 35 EuGVO und des § 12 AVAG begründet wäre, kann daher dahinstehen. Hinzuweisen ist insofern auf Folgendes:

aa. Die von der Ag. erhobene Rüge bezüglich der Zuständigkeit des polnischen Gerichts ist bereits gem. Art. 35 Abs. 3 EuGVO ausgeschlossen. Die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts darf grundsätzlich nicht nachgeprüft werden (Thomas/Putzo-Hüßtege, 29. Aufl. 2008, Art. 35 EuGVO Rn. 1). Die Vorschriften über die Zuständigkeit gehören gem. Art. 35 Abs. 3 S. 2 EuGVO nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public) im Sinne des Art. 34 Nr. 1 EuGVO. Eine Ausnahme nach Art. 35 Abs. 1 EuGVO liegt nicht vor, da sich die Zuständigkeit nicht aus Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II der EuGVO herleitet und kein Fall des Art. 72 EuGVO vorliegt. Ob sich die internationale Zuständigkeit des polnischen Gerichts aus Art. 5 Nr. 1 EuGVO ergeben hat oder eine anderweitige Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 23 EuGVO durch die Einbeziehung der AGB der Ag. getroffen wurde, ist im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nicht zu berücksichtigen.

bb. Mit der Einwendung der Ag., es lägen keinerlei unbestrittene Forderungen vor und die Forderungen der Ag. überstiegen mögliche Forderungen der Ast. bei weitem, kann die Ag. im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nicht mehr gehört werden, da die polnische Entscheidung in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden darf (Art. 48 Abs. 2, 36 EuGVO).

cc. Die Falschbezeichnung der Ag. vor Erlaß des für vollstreckbar erklärten Urteils vom 29.05.2007 (Az.: V GC 1396/04) begründet keinen Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 EuGVO. Nach hiesiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Parteibezeichnung als Teil einer Prozeßhandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich (BGH, NJW-RR 2008, 582). Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (BGHZ 4, 328, 334; NJW 1987, 1946 m.w.N.). Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGH, aaO; Beschl. v. 28.03.1995 - X ARZ 255/95, NJW-RR 1995, 764 m.w.N.). Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (so ausdrücklich BAG, Urt. v. 12.02.2004 - 2 AZR 136/03, BAG-Rep. 2004, 210; konkludent auch schon BGH, Urt. v. 16.05.1983 - VIII ZR 34/82, NJW 1983, 2448, wo das Auslegungsergebnis, daß ein bestimmtes falsch bezeichnetes Unternehmen verklagt worden sei, mit dem Klagevortrag und der vorprozessualen Korrespondenz begründet wurde). Dabei gilt der Grundsatz, daß die Klagerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen, selbst dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (BAG aaO; so auch schon OLG Hamm, NJW-RR 1991, 188). Vorliegend wurde die Ag. zunächst fälschlicherweise als R. GmbH in L. bezeichnet, obwohl sie unter der Firma V. GmbH im Handelsregister eingetragen ist. Allerdings konnten trotz dieser Falschbezeichnung weder durch das Gericht noch durch die Ag. Zweifel an der verklagten Person bestehen. Die Adresse ist identisch und die Ag. verwendet nicht nur auf dem von ihr verwendeten Briefpapier das Logo "R.", sondern hebt diese Firmenbezeichnung auch in ihrem Adreßstempel hervor (Bl. 32 d. A.). Die Berufung der Ag. auf eine Nichtzustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks läßt sich daher nicht durch die Falschbezeichnung der Ag. begründen.

dd. Auch liegt in der Falschbezeichnung der Ag. kein Verstoß gegen Art. 34 Nr. 1 EuGVO. Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung liegt nur dann vor, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts auf einem Verfahren beruht, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrens in einem solchen Maß abweicht, daß nach der deutschen Rechtsordnung die Entscheidung nicht mehr als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (vgl. Zöller/Geimer, aaO, Anh I Art. 34 EuGVO Rn. 11). Die Rubrumsberichtigung durch Urteil vom 29.05.2007 (Az.: V GC 1396/04) wäre auch nach deutschem Recht gem. § 319 ZPO möglich gewesen, da feststand bzw. erkennbar war, wer als Partei gemeint war und Interessen Dritter durch die Berichtigung nicht berührt wurden (OLG Frankfurt, NJW-RR 1990, 768 m.w.N.; OLG Hamm, NJW-RR 1999, 469). Voraussetzung ist nur, daß die Identität der Partei feststeht und durch die Berichtigung gewahrt bleibt (BGHReport 2003, 1168). Vorliegend läßt sich bereits aus den Umständen des Falls die Falschbezeichnung der Ag. aufklären, da sich die ursprüngliche Parteibezeichnung der Ag. aus deren eigenen Briefbögen, Adreßstempeln und wohl auch aus der Aussage des Geschäftsführers der Ag. während seiner Zeugenvernehmung am 08.12.2008 ergibt, so daß eine Korrektur im Urteil vom 29.05.2007 (Az.: V GC 1396/04) ohne weiteres vorgenommen werden konnte und diesbezüglich kein Verstoß gegen den ordre public vorliegt.

ee. Die von der Ag. geltend gemachte fehlende Aktivlegitimation bzw. Prozeßführungsbefugnis der Ast., wegen Einleitung eines Insolvenz- bzw. Liquidationsverfahrens gegen diese, begründet ebenfalls keinen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung i.S. von Art. 34 Nr. 1 EuGVO. Die Gesellschaft besteht nach polnischem wie auch nach deutschem Recht bis zur Vollbeendigung als Abwicklungsgesellschaft fort und behält ihre Rechtsfähigkeit gem. Art. 274 § 3 HGG (polnisches Gesetzbuch über die Handelsgesellschaft v. 15.09.2000, Dz. U. Nr. 94, Pos. 1034; vgl. dazu auch: Breidenbach, Handbuch für Wirtschaft und Recht in Osteuropa, Band II, Polen, Kapitel D.I Rn. 66). Die Gesellschaft in Liquidation kann daher weiterhin Ansprüche klageweise geltend machen. Es mangelt der Ast. nicht an der Prozeßführungsbefug-nis, so daß von einem offensichtlichen Verfahrensverstoß gegen die öffentliche Ordnung nicht ausgegangen werden kann.

ff. Offen bleiben kann schließlich, ob ein die Anerkennung der polnischen Ausgangsentscheidung hindernder Versagungsgrund i.S. von Art. 34 Nr. 2 EuGVO gegeben ist. Nach Art. 34 Nr. 2 EuGVO wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Die von der Ast. vorgelegten Unterlagen reichen nicht aus, um von einer ordnungsgemäßen Zustellung der Klageschrift an die Ag. ausgehen zu können. Zwar erfolgte laut Ziffer 11 der Bestätigung des polnischen Urteils (Az.: V GC 1396/04) als Europäischer Vollstreckungstitel vom 26.03.2008 die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gem. Art. 13 EuVTVO. In der EuVTVO sind auch dieselben Urkunden gemeint wie in Art. 34 Nr. 2 EuGVO. Nähere Angaben über Datum und Art der Zustellung enthält die Bestätigung allerdings nicht. Auch wurden von Seiten der Ast. entsprechende Unterlagen nicht eingereicht. Allein aus den Umständen des Falls läßt sich nicht eindeutig darauf schließen, daß der Ag. eine Klageschrift ordnungsgemäß zugestellt worden ist und eine rechtzeitige Verteidigung der Ag. möglich gewesen wäre. Von einer Zustellung an einen vertretungsberechtigten polnischen Anwalt der Ag. kann im Stadium der Klageerhebung nicht ausgegangen werden. Die Ag. trägt insoweit glaubhaft vor, mit einem Anwalt habe man sich erst nach Zustellung des Versäumnisurteils im Februar 2003 in Verbindung gesetzt, der daraufhin Rechtsmittel gegen das Versäumnisurteil eingelegt habe. Diese Vorgehensweise kann, was aber hier nicht mehr entschieden werden muß, der Anwendung des Art. 34 Nr. 2 EuGVO entgegenstehen. Hat die Ag., was aus der vorliegenden Akte und den das polnische Ausgangsverfahren betreffenden Unterlagen allerdings nicht klar hervorgeht, in dem im Verfahren der Rechtshilfe erfolgten Termin vor dem AG Freudenstadt (08.12.2006 AZ 5 AR 60/06) und später im Rechtsbehelfsverfahren in Polen sich nicht nur gegen die Zuständigkeit der polnischen Gerichte gewandt, sondern auch zur Sache eingelassen, würde dies der Anwendung der Art. 34 Nr. 2 EuGVO zu ihren Gunsten entgegenstehen, da die ursprüngliche Verletzung ihres rechtlichen Gehörs dann als Versagungsgrund nachträglich wieder entfallen wäre. Angesichts des zu a. bereits erzielten Ergebnisses kommt es darauf indes für die Entscheidung nicht mehr an. III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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