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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 07.11.2008
Aktenzeichen: 5 W 69/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 269 Abs. 4 | |
ZPO § 319 | |
ZPO § 343 |
Oberlandesgericht Stuttgart 5. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 5 W 69/08
7. November 2008
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Würthwein Richterin am Oberlandesgericht Rose Richter am Oberlandesgericht Eißler
beschlossen:
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten Ziff. 1 wird der Beschluss des Landgerichts Ravensburg vom 07.10.2008 - Az. 2 O 247/08 - aufgehoben.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erheben.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Streitwert der Beschwerde: bis 600 €
Gründe:
I.
Die Klägerin hatte wegen einer Kaufpreisrechnung einen Mahnbescheid gegen den Beklagten Ziff. 1 erwirkt. In der Anspruchsbegründung teilte der Klägervertreter mit, der Anspruch richte sich nunmehr ausschließlich gegen den Beklagten Ziff. 2. Gleichwohl stellte das Landgericht dem bisherigen Beklagten, nämlich dem Beklagten Ziff. 1 und Beschwerdeführer zu und erließ gegen diesen in der mündlichen Verhandlung Versäumnisurteil, weil er nicht erschienen und vertreten war. Auch das Urteil stellte das Gericht dem Beklagten Ziff. 1 zu. Auf den fristgerechten Einspruch des Beklagten Ziff. 1 kündigte das Landgericht an, das Versäumnisurteil durch Berichtigungsbeschluss nach § 319 ZPO aufzuheben, und erließ trotz der vom Beklagten Ziff. 1 mitgeteilten Bedenken, gerade auch in Bezug auf die beim Beschwerdeführer entstandenen Kosten, am 07.10.2008 die angegriffene Entscheidung (Bl. 39/42).
Zur Begründung führt das Landgericht an, § 319 ZPO sei weit auszulegen und eine Aufhebung des Urteils im Weg der Berichtigung daher geeignet, den aufgrund der Kostenentscheidung im Urteil und den Vorgängen bei Erlass des Urteils offensichtlichen Fehler des Gerichts zu beheben. Dass bei dieser Vorgehensweise kein Kostenerstattungsanspruch zu Gunsten des Beklagten Ziff. 1 entstehe sei nicht unbillig, weil der Kläger den gerichtlichen Fehler nicht veranlasst habe.
Am Tag nach der Zustellung legte der Beklagte Ziff. 1 sofortige Beschwerde ein. Er wendet sich gegen den Beschluss vom 07.10.2008 und macht geltend, ein falsches Versäumnisurteil könne nur im Einspruchsverfahren und nicht im Weg der Berichtigung aus der Welt geschafft werden, vor allem, wenn ihm dadurch der Kostenerstattungsanspruch abgeschnitten werde.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16.10.2008 eine Abhilfe abgelehnt und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten Ziff. 1 ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt. Sie ist auch in der Sache begründet.
1. a) Die Aufhebung des Versäumnisurteils war schon aus formalen Gründen nicht statthaft, weil § 319 ZPO nur der Berichtigung eines ansonsten bestehenden bleibenden Urteils dient, aber nicht der Beseitigung des Titels insgesamt. Weil die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils nicht vorlagen - die Klägerin hatte gegen den Beklagten Ziff. 1 in der Sitzung vom 12.09.2008 keinen Antrag gestellt - ist der fehlerhafte Titel in der Einspruchsentscheidung gem. § 343 S. 2 ZPO aufzuheben, wenn sich bis dahin das Verfahren gegen den Beklagten Ziff. 1 nicht auf andere Weise erledigt.
2. Hinzu kommt, dass kein berichtigungsfähiger Fehler in der Willensäußerung des Gerichts vorliegt, sondern ein Fehler in der Willensbildung, der über § 319 ZPO nicht beseitigt werden kann. Die Umstände, dass sowohl bei der Zustellung der Anspruchsbegründung, als auch bei der Abfassung des Protokolls, in dem nur der Beklagte Ziff. 1 als Beklagter aufgeführt ist, als auch beim Erlass des Versäumnisurteils und schließlich bei dessen Zustellung jeweils übersehen wurde, dass die Klägerin seit der Anspruchsbegründung einen anderen Beklagten in Anspruch nehmen wollte, lassen eindeutig auf einen inhaltlichen Fehler schließen, nämlich ein Übergehen von Streitstoff (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 319 Rn. 4) und nicht auf einen bloßen Kommunikationsfehler.
3. Letztlich kann diese Unterscheidung aber dahinstehen. Denn es entspricht ständiger und anerkannter Rechtsprechung, dass eine Berichtigung des Passivrubrums über § 319 ZPO voraussetzt, dass die Identität des Beklagten gewahrt bleibt (z.B. BGH v. 03.06.2003, Az. X ZB 47/02, BGHReport 2003, 1168). Ein Urteil gegen einen Scheinbeklagten kann nicht durch eine Berichtigung, sondern nur durch eine Einspruchsentscheidung (oder eine sonstige Form der Erledigung im Einspruchsverfahren) beseitigt werden (OLG Stuttgart v. 09.04.1998, Az. 2 W 11/98, NJW-RR 1999, 216). Das gilt auch für den Beklagten Ziff. 1, zu dem zwar aufgrund des vorausgegangenen Mahnverfahrens vor Zustellung der Anspruchsbegründung bereits ein Prozessrechtsverhältnis bestand, gegen den die Klage zum Zeitpunkt des Versäumnisurteils aber nicht mehr gerichtet war. Neben den formellen Überlegungen hat diese Rechtsprechung ihren Grund darin, dass dem zu Unrecht Verurteilten der Kostenerstattungsanspruch nicht abgeschnitten werden soll, der ihm im Fall der Aufhebung des falschen Urteils zusteht. Gerade dazu würde aber die Entscheidung des Landgerichts führen. Richtigerweise geht das Risiko, dass durch eine gerichtliche Anspruchsverfolgung letztlich unnötige Kosten entstehen, grundsätzlich zu Lasten der am Ende unterlegenen Partei, im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagtem Ziff. 1 also zu Lasten der Klägerin.
4. Weiter kann offen bleiben, ob über die bloß falsche Form der Aufhebung des Versäumnisurteils hätte hinweggesehen und eine Beschwer des Beklagten Ziff. 1 verneint werden können, wenn diesem die Möglichkeit bliebe, über einen Antrag gem. § 269 Abs. 4 ZPO die gebotene Kostenentscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Landgericht hat den angegriffenen Beschluss unter anderem damit begründet, dass eine Kostenbelastung der Klägerin mit den außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 1 unbillig erschiene. Damit verneint es nicht nur der äußeren Vorgehensweise nach, sondern auch inhaltlich einen Kostenerstattungsanspruch des Beklagten Ziff. 1.
5. Im weiteren Verfahren vor dem Landgericht hat die Klägerin die Möglichkeit, durch eine erneute Rücknahme der Klage gegen den Beklagten Ziff. 1 das streitgegenständliche Versäumnisurteil gem. § 269 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 ZPO wirkungslos zu machen, so dass es einer förmlichen Aufhebung nicht mehr bedürfte. Zum gleichen Ergebnis würde die auch jetzt noch mögliche übereinstimmende Erledigungserklärung von Klägerin und Beklagten Ziff. 1 führen, weil dabei nicht zu prüfen ist, ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis stattgefunden hat. Kommt es zu einer solchen vorzeitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens nicht, wird das Landgericht über den Einspruch des Beklagten Ziff. 1 förmlich gem. § 343 ZPO zu entscheiden haben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
7. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens waren gem. § 21 GKG niederzuschlagen, weil die Beschwerde in der unrichtigen Sachbehandlung des Landgerichts ihren Grund hat. Ob erstinstanzlich entstandene Kosten nicht zu erheben sind, hängt vom weiteren Verlauf des Rechtsstreits gegen den neuen Beklagten Ziff. 2 ab und wird vom Landgericht zu entscheiden sein.
8. Gründe gem. § 574 ZPO für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, weil die vorliegende Entscheidung auf der Basis langjähriger und anerkannter Rechtsprechung ergeht.
9. Der Wert der Beschwerde war nach dem Kosteninteresse des Beklagten Ziff. 1 zu bemessen, weil Gegenstand seines Begehrens nicht die Wiederherstellung seiner Verurteilung im Versäumnisurteil vom 12.09.2008 ist, sondern die faktische Versagung seines Kostenerstattungsanspruchs in Höhe der bisher angefallenen erstinstanzlichen Verfahrensgebühr gem. RVG-VV Ziff. 3100.
Ende der Entscheidung
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