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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 5 W 81/08
Rechtsgebiete: RVG VV, ZPO


Vorschriften:

RVG VV Nr. 3104
ZPO § 91 a
1. Eine telefonische angefragte und abgelehnte Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens ist keine Besprechung, die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichtet ist im Sinn der amtlichen Vorbemerkung 3 zu Teil 3 RVG VV. Sie löst keine anwaltliche Terminsgebühr aus.

2. Trotz formal nur einseitiger Teilerledigterklärung berechnet sich der Streitwert nach den Grundsätzen der übereinstimmenden Erledigterklärung (nämlich nur nach dem Wert des nicht für erledigt erklärten, verbleibenden Teils), wenn die Parteien nach einseitiger Erklärung der Klägerseite nur noch über die Restforderung streiten.


Oberlandesgericht Stuttgart 5. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 81/08

18. Februar 2009

In dem Rechtsstreit

wegen Streitwert

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Würthwein Richter am Oberlandesgericht Eißler Richter am Landgericht Dold

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Einzelrichters der 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 02.12.2008 - Az. 20 O 241/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit der Beschwerde vom 12.12.2008 (Bl. 81/82), die am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, wendet sich der Klägervertreter aus eigenem Recht gegen die Festsetzung des Streitwerts im Beschluss vom 02.12.2008 (Bl. 78/79), der dem Klägervertreter am 08.12.2008 zugestellt worden war. Im angegriffenen Beschluss hat das Landgericht die ursprüngliche Streitwertfestsetzung von einheitlich 8.000 € korrigiert und den Streitwert für die Termins- und Vergleichsgebühr auf 1.500 € herabgesetzt. Mit der Beschwerde sucht der Klägervertreter den Streitwert für seine Terminsgebühr und die Vergleichsgebühr wieder auf 8.000 € festsetzen zu lassen.

Dem Streit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Mit Klage vom 04.07.2008 verfolgte der Kläger einen Restschaden aus einem Verkehrsunfall in Höhe von 7.224,28 € gegen die Beklagten, nämlich Unfallgegner und Haftpflichtversicherung. Nach Zustellung der Klage beantragten die Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 25.07.2008 Klagabweisung. Am 06.08.2008 kam es zu einem Telefonat zwischen dem Klägervertreter und dem Sachbearbeiter der Beklagten Ziff. 2, der Versicherung. Mit Schreiben vom 07.08.2008 rechnete die Beklagte Ziff. 2 den größten Teil des Schadens ab; die Zahlung erfolgte einige Zeit danach. Unter Hinweis auf diese Regulierung kündigte der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 11.08.2008 an, sich einer Erledigungserklärung der Klägerseite anzuschließen und den Abweisungsantrag anzupassen und stellte nachfolgend dar, warum die weitergehende Forderung der Klägerin unbegründet sei. Mit Schriftsatz vom 22.08.2008 (Bl. 53) erklärte der Klägervertreter den Rechtsstreit teilweise für erledigt und reduzierte den Zahlungsantrag auf 1.265 € zuzüglich Zinsen, auch aus dem für erledigt erklärten Teil. Durch Schriftsatz vom 18.09.2008 schlug die Beklagtenseite einen Vergleich über die Zahlung weiterer 800 € vor, den der Kläger in der Folge annahm. Das Landgericht stellte gemäß § 278 Abs. 6 ZPO den Vergleich fest und setzte den Streitwert zunächst auf bis 8.000 € fest. In ihrer Gegenvorstellung machte die Beklagte geltend, es sei zu einer übereinstimmenden Teilerledigung gekommen; in der Zeit danach seien nur noch 1.265 € im Streit gewesen. Daraufhin korrigierte das Landgericht den Streitwert durch den angegriffenen Beschluss wie oben mitgeteilt. Zur Begründung führte es aus, die nach der Teilerledigung streitigen Kosten erhöhten den Streitwert nicht. Die Terminsgebühr für einen schriftlichen Vergleichsabschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO könne nicht höher sein als die Gebühr, die bei einer mündlichen Verhandlung zum selben Zeitpunkt angefallen wäre.

Der Klägervertreter macht mit der aus eigenem Recht eingelegten Beschwerde geltend, seine Terminsgebühr sei aus einem Streitwert bis 8.000 € angefallen, weil zum Zeitpunkt seines Telefonats mit dem Sachbearbeiter der Versicherung noch keine Zahlung erfolgt sei. Dieser habe angefragt, ob man sich nicht auf ein Ruhen des Verfahrens verständigen könne. Das sei von Klägerseite abgelehnt worden, worauf die Beklagte einen Rechtsanwalt habe einschalten wollen und letztlich die Teilregulierung vorgenommen habe. Dadurch seien Gespräche zur Erledigung des Rechtsstreits im Sinn der amtlichen Vorbemerkung zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG geführt worden, wenn im Ergebnis auch ohne Erfolg. Außerdem seien beim Gegenstandswert des Vergleichs die auf den erledigten Teil entfallenden, bis dahin entstandenen Kosten streitwerterhöhend zu berücksichtigen, weshalb der Streitwert insofern bis 3.000 € betragen müsse.

II.

Die Beschwerde des Klägervertreters ist gem. §§ 68 GKG, 32 Abs. 2 RVG zulässig, jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat richtig entschieden.

1. Der Streitwert für die Terminsgebühr des Klägervertreters gem. Ziff. 3104 RVG-VV war auch mit Rücksicht auf das Telefonat des Klägervertreters mit dem Sachbearbeiter der Beklagten Ziff. 2 vom 06.08.2008 nicht auf den Wert der damals anhängigen Klage festzusetzen. Zwar entsteht nach der amtlichen Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 des RVG-VV die Terminsgebühr gem. Ziff. 3104 RVG-VV auch für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen unabhängig von der Beteiligung des Gerichts.

a) Voraussetzung einer solchen Besprechung ist aber zum einen, dass es überhaupt zu einer inhaltlichen Ausrichtung auf eine Verfahrenserledigung kommt. Dazu gehören Vergleichsgespräche im eigentlichen Sinn, aber auch Anregungen zu einer Klagrücknahme, einer Erledigterklärung oder einem Anerkenntnis, sogar schon die Entgegennahme eines gegnerischen Vergleichsvorschlags zwecks Prüfung (BGH vom 20.11.2006, Az. II ZB 9/06, NJW-RR 2007, 286; weitere Nachweise bei Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., RVG-VV 3104 Rn. 12). Nicht ausreichend sind sonstige Gespräche im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit, die nur auf den Verfahrensablauf oder Modalitäten der Auseinandersetzung oder Einigung gerichtet sind, z.B. mündliche Nachfragen nach dem Sachstand, die Anfrage, ob trotz PKH-Ablehnung das Verfahren durchgeführt, ein bestimmter Verhandlungstermin stattfinden oder ein Zeuge gehört werden muss, die Nachfrage nach einer angekündigten Zahlung, die Frage, ob Gesprächsbereitschaft besteht, die Bitte um Zustimmung zu einer Fristverlängerung oder die Absprache über eine Terminsaufhebung wegen eines vorgreiflichen Parallelverfahrens (vgl. OLG Hamburg OLGR 2006, 574, OLG Köln NJW-RR 2006, 720 und OLGR 2008, 30; OLG Koblenz NJW 2005, 2162, etwas großzügiger im Fall des Parallelverfahrens allerdings KG AnwBl. 2007, 384; weitere Nachweise bei Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV Vorb. 3 Rn. 101).

b) Weitere Voraussetzung für eine solche Terminsgebühr ist, dass es zu einem Gespräch über die Frage der Verfahrenserledigung kommt, die Besprechung also eine Zweiseitigkeit aufweist. Dementsprechend ist erforderlich, dass die Gegenseite die Bereitschaft erkennen lässt, in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Eine Terminsgebühr scheidet aus, wenn der Gegner von vornherein ein sachbezogenes Gespräch verweigert (BGH vom 20.11.2006, Az. II ZB 6/06, NJW-RR 2007, 286; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe aaO Rn. 102). Dem folgt auch die Rechtsprechung des OLG Stuttgart (Beschluss vom 09.10.2007, Az. 8 W 409/07, unveröff.).

c) Dem Telefonat des Klägervertreters vom 06.08.2008, mit dem die höhere Terminsgebühr verdient worden sein soll, fehlt es an beiden Voraussetzungen. Inhaltlich war es, wie sich aus der eigenen Aktennotiz des Klägervertreters ergibt (Anl. K14), auf eine bloße Verfahrensfrage gerichtet, indem der Sachbearbeiter der Beklagten Ziff. 2 gebeten hat, im Hinblick auf die avisierte Teilzahlung das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Dass Inhalt des Telefonats etwa auch gewesen sei, ob diese Teilzahlung nicht zur Gesamtregulierung ausreiche oder ob und wie das Verfahren anderweitig beendet werden könne, wird nicht behauptet. Selbst wenn der Klägervertreter einverstanden gewesen wäre, ist nicht ersichtlich, dass damit eine Erledigung des Verfahrens vorbereitet oder erleichtert worden wäre. Das ergibt sich aus der vermerkten Begründung für die Ablehnung, dass dem Ruhen der nicht erledigte Teil der Forderung entgegenstehe.

Es fehlt aber auch an der zweiten Voraussetzung der Zweiseitigkeit. Denn es ist weder vorgetragen noch aus dem Aktenvermerk ersichtlich, dass sich die Klägerseite in dem Gespräch bzw. im nachfolgenden Telefonat veranlasst gesehen hätte, in Überlegungen dazu einzutreten, ob der Bitte der Beklagten entsprochen werden könnte. Vielmehr wurde der Beklagten Ziff. 2 nach Rückfrage schlicht mitgeteilt, man bestehe auf der geltend gemachten Forderung. Dieses grundsätzliche Beharren zeigt keinerlei Gesprächsbereitschaft zum Zweck einer Verfahrenserledigung.

2. Für die durch die schriftliche Vergleichsprotokollierung im Weg des § 278 Abs. 6 ZPO entstandene Termins- und Vergleichsgebühr gilt, was bereits in der Verfügung des Vorsitzenden vom 02.01.2009 ausgeführt ist:

Zu Recht gehen die beide Parteivertreter davon aus, dass auch im Fall einer schriftlichen Vergleichsprotokollierung gem. § 278 Abs. 6 ZPO eine Terminsgebühr nach Ziff. 3104 RVG-VV anfällt (z.B. BGH v. 20.11.2006, Az. II ZB 9/06; BGH v. 22.02.2007, Az. VII ZB 101/06, NJW-RR 2007, 1149; OLG Stuttgart v. 08.09.2005, Az. 8 W 415/05). Die Höhe der Termins- und Vergleichsgebühr richten sich nach dem Wert der zum Zeitpunkt der Vergleichsprotokollierung noch im Streit stehenden Forderungen, § 3 ZPO.

a) Der Senat ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH v. 15.11.2007, AZ. V ZB 72/07, WuM 2008, 35; BGH v. 13.07.2005, Az. XII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728) der Auffassung, dass bei einseitiger Teilerledigungserklärung der Streitwert grundsätzlich nach dem Wert der verbliebenen Hauptforderung zuzüglich dem Kosteninteresse der betreffenden Partei zu bemessen ist, d.h. nach der Summe der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen zusätzlichen Kosten. Dazu ist eine Differenzrechnung anzustellen (BGH v. 13.07.2005 aaO.; BGH v. 09.05.1996, Az. VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210) und von den Gesamtkosten die Kosten abzuziehen, die entstanden wären, wenn der Prozess ohne den erledigten Teil geführt worden wäre (dazu zuletzt Senatsbeschluss vom 30.12.2008, Az. 5 W 79/08, unveröff.; vgl auch Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 3 Rn 16 "Erledigung der Hauptsache").

b) Bei der übereinstimmenden Teilerledigterklärung kommt es dagegen nur noch auf den Wert des nicht für erledigt erklärten Teils der Hauptforderung an. Die bis zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärungen angefallenen Kosten erhöhen den Streitwert nicht (BGH v. 15.03.1995, Az. XII ZB 29/95, NJW-RR 1995, 1089; BGH NJW 1994, 1869; Senat aaO.). Streitige Zinsen aus dem übereinstimmend für erledigt erklärten Teil werden dabei zu Hauptforderungen, da sie insoweit nicht zusammen mit der Hauptforderung geltend gemacht werden (BGH v. 24.03.1994, Az. VII ZR 146/93, NJW 1994, 1869; Zöller/Herget, a.a.O.).

c) In beiden Fällen unerheblich ist es entgegen der Auffassung des Klägervertreters, ob der für erledigt erklärte Teil der Forderung bezahlt ist, denn im Rahmen der Entscheidung nach § 91a ZPO geht es allein um die Frage, ob die für erledigt erklärte Forderung zu Beginn des Rechtsstreits begründet war. Nachdem sich der Kläger offenbar entschlossen hat, den Rechtsstreit schon vor Ausgleich der Forderungen teilweise für erledigt zu erklären und sich die Bemessung des Streitwerts nach den angekündigten Anträgen richtet, kommt es nicht darauf an, welche Zahlungen die Beklagten in tatsächlicher Hinsicht im November 2008 noch zu erbringen hatten.

d) Im vorliegenden Fall liegt bei formaler Betrachtung der erste Fall einer nur einseitigen Teilerledigterklärung der Klägerseite vor, was zu einem Streitwert in Höhe der Restforderung zuzüglich isolierter Zinsen sowie der bis dahin angefallenen (und nach der Differenzmethode berechneten) Mehrkosten führen würde. Die Beklagten haben sich der Teilerledigungserklärung des Klägers vom 22.08.2008 nämlich nie angeschlossen.

e) Der Sache nach ging der Streit der Parteien nach der Teilregulierung der Beklagten Ziff. 2 vom 07.08.2008 jedoch nur noch um die danach verbliebene Restforderung und die isolierten Zinsen. Die ursprüngliche Berechtigung des für erledigt erklärten Teils war ab diesem Zeitpunkt ebenso wenig im Streit wie die sich daraus ergebende Folge, dass die Beklagten die anteiligen Kosten zu tragen haben würden. Das ergibt sich daraus, dass die Beklagten bereits im Schriftsatz vom 07.08.2008 angekündigt hatten, sich einer Teilerledigungserklärung des Klägers anzuschließen, dass sie deswegen keinen vollständigen Klagabweisungsantrag mehr angekündigt hatten und dass die Beklagten als Reaktion auf die klägerische Teilerledigterklärung vom 22.08.2008 ihrerseits im Schriftsatz vom 18.09.2008 einen Vergleich vorgeschlagen haben, in dem die Kosten fast vollständig von ihnen übernommen werden. Den Schriftsätzen der Beklagten sind auch keine Hinweise darauf zu entnehmen, was gegen die für erledigt erklärten Teilforderungen hätte eingewendet werden sollen. Allein die Tatsache, dass die Beklagten - offenbar wegen des erwarteten Vergleichsabschlusses - im Schriftsatz vom 18.09.2008 die bereits angekündigte Teilerledigung von ihrer Seite nicht mehr formal bestätigt haben, kann aus der unstreitigen Teilerledigung keine streitige mehr machen.

f) Die Höhe des somit ab 19.09.2008 gültigen Streitwerts hat das Landgericht mit bis 1.500 € korrekt berechnet.

g) Die Einigungsgebühr berechnet sich ebenso wie die Terminsgebühr nach dem ab 19.09.2008 geltenden Streitwert. Ob der Vergleich im Verfahren gem. § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird oder (wie vor Einführung dieser Verfahrensvorschrift obligatorisch) in einem gesondert dazu angesetzten Protokollierungstermin, ändert am Streitwert nichts. Dass sich der Vergleich - wie in den meisten Fällen - auch auf die Kosten erstreckt, spielt nach dem oben Ausgeführten ebenfalls keine Rolle.

III.

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 S. 1 GKG. Eine weitere Beschwerde ist nicht statthaft, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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