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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 13.12.2000
Aktenzeichen: 5 Ws 53/2000
Rechtsgebiete: StPO, StVG


Vorschriften:

StPO § 119 Abs. 3
StPO § 304
StVG § 30
Die Beschwerde gegen das Anhalten eines eingehenden Briefes an einen Untersuchungsgefangenen ist wegen prozessualer Überholung gegenstandslos, wenn die Untersuchungshaft vor der Entscheidung über die Beschwerde in Strafhaft übergegangen ist.
Oberlandesgericht Stuttgart - 5. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 5 Ws 53/2000 9 Ks 115 Js 36440/99 LG Stuttgart

vom 13. Dezember 2000

in der Strafsache gegen

G.,

geboren am

derzeit in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt

wegen Mordes u.a.

hier: Beschwerde des F.,

Tenor:

Die Beschwerde des F. gegen die Verfügung des Vorsitzenden der 9. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart vom 14. November 2000 ist wegen prozessualer Überholung gegenstandslos.

Die mit der genannten Verfügung angehaltenen Schreiben des Beschwerdeführers an G. vom 23. Oktober und vom 25. Oktober 2000 sind gemäß § 30 Strafvollzugsgesetz über den Leiter der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd weiterzuleiten.

Gründe:

Die 9. Strafkammer hat G. am 30. März 2000 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen der von der Angeklagten eingelegten Revision oblagen dem Vorsitzenden der Strafkammer weiterhin die Aufgaben des Haftrichters, so auch die Briefkontrolle. Mit der angefochtenen Verfügung hat der Strafkammervorsitzende zwei eingehende Schreiben des in anderer Sache inhaftierten Beschwerdeführers an die damalige Untersuchungsgefangene G. vom 23. und vom 25. Oktober 2000 - gestützt auf § 119 Abs. 3 und 6 StPO - angehalten.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde war zunächst gemäß § 304 Abs. 1 und 2 StPO zulässig; insoweit teilt der Senat die Auffassung, daß auch Dritte, die - wie hier der Absender der Briefe - durch die Entscheidung des Haftrichters betroffen werden, beschwerdebefugt sind (vgl. Boujong in KK 4. Aufl., Rdnr. 100 zu § 119 StPO m.w.N.).

Die Beschwerde ist jedoch prozessual überholt und damit gegenstandslos, nachdem das Urteil gegen G. am 22. November 2000 rechtskräftig geworden und die Untersuchungshaft in Strafhaft übergegangen ist.

Allerdings wird nicht jede Beschwerde gegen Maßnahmen des Haftrichters allein durch den rechtskräftigen Abschluß des Erkenntnisverfahrens gegenstandslos. So ist anerkannt, daß etwa über eine während der Untersuchungshaft verhängte Disziplinarmaßnahme, die nach § 105 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz auch noch im Strafvollzug vollstreckt werden kann, eine Beschwerdeentscheidung notwendig bleibt. Der Senat hätte auch keine Bedenken, im Falle eines während der Untersuchungshaft angehaltenen ausgehenden Schreibens auf die Beschwerde hin noch nach Beginn der Strafhaft zu entscheiden, weil die Zurückhaltung des Briefes fortwirkt (vgl. OLG München in StV 1995, 140).

Dagegen ist die Sachlage bei einem angehaltenen eingehenden Schreiben anders zu beurteilen. Hier kann eine Beschwerdeentscheidung des Senats keine Rechtswirkung mehr entfalten (so schon OLG Karlsruhe in NStZ 1984, 183). Das heißt, eine der Beschwerde stattgebende Entscheidung des Senats kann nicht zur unmittelbaren Aushändigung der Schreiben an die nunmehr sich in Strafhaft befindende Adressatin führen. Denn die Prüfung und etwaige Anhaltung eines eingehenden Schreibens obliegt gemäß §§ 29 bis 31 Strafvollzugsgesetz der Vollzugsanstalt bzw. deren Leiter in eigener Zuständigkeit. Zu diesem Zuständigkeitswechsel kommt hinzu, daß nunmehr - abgesehen von der Überschneidung unter dem Gesichtspunkt Ordnung in der Vollzugsanstalt - andere sachliche Kriterien die Überwachung des Schriftverkehrs bestimmen. Die Sicherung der Zwecke der Untersuchungshaft nach § 119 Abs. 3 StPO ist nicht mehr maßgebend, dagegen hat der Leiter der Vollzugsanstalt andere Umstände, so etwa nach § 31 Abs. 1 Nr. 5 Strafvollzugsgesetz eine mögliche Gefährdung der Eingliederung, des Behandlungszieles des am Schriftverkehr beteiligten oder anderer Gefangener zu berücksichtigen.

Aus diesen Gründen und weil eine Beschwerdeentscheidung nach §§ 119 Abs. 3, 304 StPO den Leiter der Vollzugsanstalt in keiner Weise bindet, müßte eine Entscheidung des Senats ins Leere gehen. Auch die Voraussetzungen eines Interesses des Beschwerdeführers an der isolierten Klärung der Rechtmäßigkeit der vorübergehend wirksamen Anhalteverfügung des Strafkammervorsitzenden ist bei der hier gegebenen Sachlage nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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