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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 02.08.2002
Aktenzeichen: 5 Ws 54/2002
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 464 Abs. 3
StPO § 400 Abs. 1
Die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch führt, auch wenn sie vor der Hauptverhandlung erfolgt, nicht gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 HS 2 StPO zur Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Nebenklägers gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Berufungsgerichts.
Oberlandesgericht Stuttgart - 5. Strafsenat - Beschluss

vom 2. August 2002

Geschäftsnummer: 5 Ws 54/2002

in der Strafsache

wegen vorsätzlicher Körperverletzung,

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Nebenklägers wird der Tenor des Berufungsurteils des Landgerichts Stuttgart vom 25. April 2002 (39 Ns 106 Js 31660/01) dahin ergänzt, dass der Angeklagte (auch) die dem Nebenkläger im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte.

Gründe:

I.

Der Angeklagte war vom Amtsgericht Böblingen am 14. November 2001 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des mit Beschluss des Amtsgerichts vom 30. Juli 2001 zugelassenen Nebenklägers zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Die allein vom Angeklagten und zunächst in vollem Umfang eingelegte Berufung wurde noch vor Beginn der Hauptverhandlung durch Verteidigerschriftsatz vom 6. März 2002 wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Mit Urteil vom 25. April 2002 hat das Landgericht das Rechtsmittel des Angeklagten "mit der Maßgabe verworfen, dass die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird". Das Urteil enthält keine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Nebenklägers im Berufungsverfahren. Eine solche begehrt der in der Hauptverhandlung weder anwesend noch vertreten gewesene Nebenkläger nunmehr mit der sofortigen Beschwerde, um seine außerhalb der Hauptverhandlung in der Berufungsinstanz erwachsenen Auslagen im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen zu können.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

1. Die Einlegung erfolgte rechtzeitig, da mangels förmlicher Zustellung des Berufungsurteils an den Nebenkläger die Frist des § 311 Abs. 2 StPO nicht in Lauf gesetzt worden ist. Die für die Kostenbeschwerde erforderliche Wertgrenze gemäß § 304 Abs. 3 StPO ist erreicht. Zudem ist die sofortige Beschwerde auch gegen das Unterlassen einer gebotenen Kosten- und Auslagenentscheidung statthaft (vgl. OLG Karlsruhe, Die Justiz 2001, 110; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl., § 464 Rn. 8, 16).

2. Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht auch nicht die Vorschrift des § 464 Abs. 3 Satz 1 HS 2 StPO entgegen, wonach die Kosten- und Auslagenentscheidung dann nicht isoliert angefochten werden kann, wenn die Anfechtung der ihr zugrunde liegenden Hauptentscheidung für den Beschwerdeführer nicht statthaft wäre.

Die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift liegen schon deswegen nicht vor, weil die Anknüpfungsnorm des § 400 Abs. 1 StPO keinen Fall der Unstatthaftigkeit eines Rechtsmittels zum Gegenstand hat, sondern lediglich eine an sich auch in Bezug auf die Rechtsfolgenentscheidung denkmögliche Beschwer des Nebenklägers gesetzlich ausschließt (ebenso mit eingehender Bezugnahme auf die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf der Neufassung des § 464 Abs. 3 StPO OLG Düsseldorf VRS 96, 222 ff.; vgl. auch LR-Hilger, StPO 25. Aufl., § 464 Rn. 57). Der Wortlaut des § 400 Abs. 1 StPO ist nämlich ohne weiteres dahin zu verstehen, dass der Nebenkläger das Urteil grundsätzlich anfechten kann, allerdings nicht mit dem Ziel, "dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird ...".

Deswegen besteht, soweit ersichtlich, Einigkeit darüber, dass es für die Beurteilung der Frage, ob der Nebenkläger im Sinne der §§ 400 Abs. 1, 464 Abs. 3 Satz 1 die Hauptentscheidung anfechten könnte, entscheidend nicht auf die Betrachtung ex post - also etwa nach einer Bestätigung des Schuldspruchs im Berufungsurteil -, sondern vielmehr auf eine solche ex ante, das heißt jedenfalls vor Beginn der Berufungshauptverhandlung, ankommt (vgl. OLG Karlsruhe, Die Justiz 1998, 481; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 54). Vor diesem Hintergrund vermag dann allerdings die von der überwiegenden Meinung gezogene weitergehende Folgerung, im Falle einer bereits vor Beginn der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung des Angeklagten sei die Hauptsachenentscheidung wegen bereits eingetretener Rechtskraft des Schuldspruchs der Überprüfung durch ein Rechtsmittel des Nebenklägers von vornherein - und damit in einer der Unstatthaftigkeit vergleichbaren Weise - entzogen (KK-Franke, StPO 4. Aufl., § 464 Rn. 8; OLG Stuttgart NStZ 1989, 548; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 128; OLG Karlsruhe, Die Justiz 2001, 110, 111) nicht zu überzeugen. Denn auch die Prüfung der Wirksamkeit einer solchen Rechtsmittelbeschränkung obliegt erstmalig dem Berufungsgericht - endgültig sogar erst aus Sicht der dortigen Urteilsberatung (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 318 Rn. 8 m.w.N.) - und kann somit nicht ex ante, sondern ausschließlich expost beurteilt werden.

Nach alledem steht fest, dass die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch nicht die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Nebenklägers gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Berufungsgerichts zur Folge hat.

3. Das Rechtsmittel ist auch begründet.

a) Wenngleich Feststellungen zur Kosten- und Auslagenentscheidung im Berufungsurteil fehlen, kann der Senat vorliegend statt der sonst erforderlichen Zurückverweisung an das Landgericht in der Sache selbst entscheiden, da diese einfach liegt und sich die maßgeblichen Tatsachen aus dem weiteren Akteninhalt zweifelsfrei ergeben (vgl. BGHSt 26, 29, 33).

b) Der das Nebenklagedelikt in erster Instanz noch bestreitende Angeklagte hat seine zunächst unbeschränkt eingelegte Berufung mit dem Ziel einer Strafaussetzung zur Bewährung nachträglich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und war im Rahmen der Beschränkung letztlich erfolgreich. Die in der nachträglichen Beschränkung liegende Teilrücknahme des Rechtsmittels führt gemäß § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO zu einer jedenfalls teilweisen Auferlegung der notwendigen Auslagen des Nebenklägers auf den Angeklagten. Darüber hinaus eröffnet der den Regelungen der §§ 472 Abs. 1 (der Schuldspruch wegen des Nebenklagedelikts blieb in vollem Umfang bestehen) und 473 Abs. 4 StPO gemeinsame Grundgedanke die Möglichkeit einer Auslagenentscheidung unter Billigkeitsgesichtspunkten (ebenso LR-Hilger aaO § 473 Rn. 76 ff.; KK-Franke, StPO 4. Aufl., §473 Rn. 10; vgl. auch OLG Hamm NStZ-RR 1998, 221 ff.). Nachdem der Nebenkläger auf die Rechtsmittelbeschränkung durch den Angeklagten diesem seinerseits durch Nichtteilnahme an der Berufungshauptverhandlung vor allem weitere Gebühren des Nebenklägervertreters erspart hat, sind keine Umstände ersichtlich, die es entsprechend § 472 Abs. 1 Satz 2 StPO unbillig erscheinen ließen, den Angeklagten mit den - lediglich außerhalb der Hauptverhandlung angefallenen - notwendigen Auslagen des Nebenklägers im Berufungsverfahren zu belasten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG, die Entscheidung über die dem Nebenkläger im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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