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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 25.11.2002
Aktenzeichen: 6 U 135/2002
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EuGVVO, GVG
Vorschriften:
ZPO § 10 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 253 Abs. 1 | |
ZPO § 296 a | |
ZPO § 512 a | |
ZPO § 513 | |
ZPO § 513 Abs. 2 n.F. | |
ZPO § 529 | |
ZPO § 531 | |
ZPO § 543 Abs. 2 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 713 | |
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 291 | |
BGB § 661 a | |
EuGVVO § 15 Abs. 1 c | |
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 b | |
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 c | |
GVG § 119 Abs. 3 |
2. Die Klage aus einer Gewinnzusage (§ 661 a BGB) kann gemäß Art. 15 Abs. 1 c, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO auch dann im Gerichtsstand des Verbrauchers erhoben werden, wenn eine gleichzeitige Warenbestellung nicht vorliegt und für die Teilnahme am Gewinnspiel auch nicht vorausgesetzt wurde.
3. Nach § 661 a BGB hat der Unternehmer dem Verbraucher den versprochenen Preis zu leisten, wenn er durch die Gestaltung der Gewinnzusage den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher den Preis gewonnen habe. Maßgeblich ist die Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers nach einem generell-abstrakten Maßstab ohne nähere Prüfung. Versteckte Hinweise auf die Unverbindlichkeit der Zusage hindern den Anschein eines Preisgewinns und damit die Leistungspflicht des Unternehmers nicht.
Oberlandesgericht Stuttgart - 6. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 6 U 135/2002
Verkündet am: 25.11.2002
In Sachen
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2002 unter Mitwirkung
der Vors. Richterin am OLG Dr. Kluge, der Richterin am OLG Dr. Kleene sowie des Richters am OLG Dr. Reder
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 27.06.2002 - 2 O 513/2001 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: bis € 35.000,--
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Gewinn aus einer Gewinnzusage geltend.
Die Beklagte ist ein Versandhandelsunternehmen mit Sitz in S F, das von dort aus an in Deutschland wohnende Endverbraucher herantritt. Im Juni oder Juli 2001 erhielt die in P wohnende Klägerin ein in K aufgegebenes Schreiben der Beklagten, bei dem schon auf dem Umschlag in rotem Fettdruck angegeben war: "Betrifft: Jackpot-Gewinn von DM 60.000,--. Letzter Aufruf zur Gewinn-Anforderung!". In dem Umschlag befand sich ein an die Klägerin persönlich gerichtetes Schreiben, das auszugsweise folgenden Wortlaut hatte:
"Betrifft: Jackpot-Gewinn von 60.000,- DM. Letzter Aufruf zur Gewinn-Anforderung Frau M!
60.000,-- DM liegen sicher in unserem Safe der Finanzbuchhaltung und warten auf Auszahlung! Ja, liebe Frau M, es stimmt: Der Bargeld-Gewinn in Höhe von 60.000,- DM liegt noch immer in unserem Safe. Warum fordern Sie Ihren Gewinn nicht an, liebe Frau M? ... Niemand außer Ihnen kann mit Ihrem persönlichen Gewinn-Scheck den Gewinn anfordern. Denn er trägt ja Ihren Namen, und außerdem habe ich darauf Ihre persönliche Gewinn-Nummer eingetragen ...
Auch eine 2. Einlöse-Marke habe ich Ihnen beigefügt. Sie hat die volle Gültigkeit ... Wenn Sie mir jetzt nicht antworten, heisst es unwiderruflich: Ihr Jackpot-Gewinn von 60.000.-- DM geht an einen anderen Teilnehmer!
...
PS: Dieser letzte Einlöse-Scheck ist Ihr Schlüssel zum Jackpot über 60.000,-- DM!"
Diesem Schreiben war ein "Einlöse-Scheck" für einen "Jackpot-Gewinn von 60.000,-- DM" beigefügt, der Namen und Anschrift der Klägerin sowie eine bestimmte "Gewinn-Nummer" trug, die sich auf der "nur persönlich gültigen" "Einlöse-Marke" wiederfand. Der Scheck war "gültig für die Anforderung Ihres Jackpot-Gewinns von 60.000,-- DM", unterschrieben von einem Herrn D als Ziehungsleiter mit dem Vermerk, die Klägerin habe nur noch 7 Tage Zeit, den Gewinn anzufordern. Diesen Unterlagen waren verschiedene Prospekte für Bestellungen bei der Beklagten beigefügt. Der von der Klägerin mit der Gewinnanforderung beauftragte Rechtsanwalt übersandte der Beklagten daraufhin am 13.07.2001 den mit der "Einlöse-Marke" beklebten "Einlöse-Scheck" nebst Vollmacht. Die beiden über Datum und Unterschrift vorgedruckten Zeilen "die Auszahlungsvorschriften habe ich zur Kenntnis genommen und verstanden" waren gestrichen.
In der Folge lehnte die Beklagte die Auszahlung des Gewinns ab und berief sich darauf, auf alle Teilnehmer des Gewinnspiels würden numerierte Einlöse-Marken verteilt, die zum Abruf eines Gewinnanteils aus der Gesamtsumme berechtigten. Die Höhe der einzelnen Gewinnanteile bemesse sich nach der Anzahl der eingehenden Einlöse-Schecks, wobei Gewinnanteile unter DM 3,- aus Kostengründen nicht bar ausbezahlt würden. Überraschenderweise hätten sich doch weit mehr Personen als erwartet gemeldet. Die Anzahl der gültigen Rückmeldungen sei so hoch, dass der einzelne Gewinnbetrag DM 3,-- unterschreiten würde. Gemäß den Vergabebedingungen könne keine Auszahlung vorgenommen werden.
Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, das Schreiben der Beklagten an sie sei so zu verstehen, dass sie allein DM 60.000,-- gewonnen habe. Ihr sei unmissverständlich ein Bargeldgewinn von DM 60.000,-- zugesagt worden, so dass die Beklagte gem. § 661 a BGB verpflichtet sei, ihr diesen Betrag zukommen zu lassen. Dass der Gewinn auf alle Einsender der Einlöse-Schecks habe verteilt und Gewinne unter DM 3,-- nicht hätten ausgezahlt werden sollen, sei dem Schreiben, das sie erhalten habe, nicht zu entnehmen gewesen. Die Beklagte müsse sich an dem festhalten lassen, was sie geäußert habe. Überdies bestreite sie, dass sich so viele Personen gemeldet hätten, dass die Auszahlungsgrenze unterschritten sei.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits sei ein deutsches Gericht am Wohnsitz der Klägerin international zuständig. Dies ergebe sich aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, wonach eine Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzstaates des Verbrauchers gegeben sein. Der Erfüllungsanspruch aus § 661 a BGB sei vertragsähnlich und stehe seiner Ratio nach in engem Zusammenhang mit einer Vertragsanbahnung, weil der Verbraucher durch die Gewinnmitteilung zu einer Bestellung veranlasst werden solle. Erfüllungsort sei der Ort, an dem der rechtsgeschäftliche Kontakt aufgenommen werde, also der Wohnort der Klägerin.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 60.000,- nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unzulässig und hat zunächst die internationale Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts Rottweil gerügt. Ein Gerichtsstand in Deutschland sei nach Art. 13 EuGVÜ nur gegeben, wenn ein Verbraucher gegen den Vertragspartner klage, wobei als Verbrauchersache nur die Erbringung von Dienstleistungen und Lieferungen beweglicher Sachen, nicht aber eine bloße Zahlung angesehen werden könne. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ sei auf ein gesetzliches Schuldverhältnis, wie § 661 a BGB es darstelle, nicht anwendbar. In der Sache sei auf die Vergabebedingungen zu verweisen, wonach die Auszahlung eines Gewinns unter DM 3,-- nicht erfolge. Schon dem Begriff "Jackpot" lasse sich entnehmen, dass sich mehrere Personen an einer Ausschreibung beteiligten.
Das Landgericht Rottweil hat mit Urteil vom 27.06.2002 der Klage stattgegeben. Für die Frage der internationalen Zuständigkeit hat es im Hinblick auf die Zustellung der Klage am 28.03.2002 die EuGVVO zugrunde gelegt und angenommen, dass § 661 a BGB einen quasideliktischen Anspruch biete, so dass gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ein Gerichtsstand in Deutschland gegeben sei; hilfsweise wäre die hiesige Zuständigkeit nach Art. 16 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1c EuGVVO gegeben.
In der Sache habe die Klägerin auf der Grundlage des deutschen Rechts den eingeklagten Zahlungsanspruch. Die Beklagte habe mit ihrer Mitteilung den Eindruck erweckt, dass die Klägerin den Geldpreis von DM 60.000,-- gewonnen habe. Die Einbeziehung von "Auszahlungsvorschriften", die eine Quotierung deutlich machten, habe die Beklagte nicht bewiesen. Diese Regelungen habe sie erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegt, so dass sie gemäß. § 296 a ZPO nicht zu berücksichtigen seien.
Dieses Urteil greift die Beklagte damit an, dass sie die fehlerhafte Annahme der internationalen Zuständigkeit rügt und in der Sache die Auffassung vertritt, das Landgericht habe die Anforderungen an die Regelung des § 661 a BGB zu tief gesetzt.
Zum ersten Punkt führt die Beklagte aus, die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts könne nicht gem. Art. 13 EuGVÜ deswegen angenommen werden, weil es sich vorliegend um eine Verbrauchersache handele. Dieser Begriff erfasse das Erbringen von Dienstleistungen und Lieferungen beweglicher Sachen, sei aber eng zu definieren und könne nicht - auch nicht analog - auf ein Gewinnspiel angewendet werden. Zahlungen würden vom Begriff der Dienstleistungen nicht erfasst und es handele sich auch nicht um die Lieferung beweglicher Sachen. Auch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ sei nicht anwendbar, weil § 661 a BGB allenfalls ein gesetzliches Schuldverhältnis begründe. Die Zuständigkeit lasse sich auch nicht auf Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ stützen, weil § 661 a BGB keine deliktische Haftung darstelle. Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 11.07.2002 (C-96/00) sei nunmehr bindend entschieden, dass eine Zuständigkeit in Deutschland für einen Rechtsstreit der vorliegenden Art nicht gegeben sei. Das Urteil lege Art. 13 EuGVÜ dahingehend aus, dass er sich nur auf Verträge beziehe, die ein Verbraucher zu einem Zweck abgeschlossen habe, der nicht seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit betreffe. Der Verbraucher müsse die zum Abschluss des Vertrages erforderliche Rechtshandlung vorgenommen haben, also tatsächlich Waren für seinen persönlichen Gebrauch bestellt haben. Im Ergebnis sei damit eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte gem. Art. 13 EuGVÜ für Ansprüche aus Gewinnzusagen nur gegeben, wenn der Unternehmer zur Teilnahme zwingend eine Bestellung fordere und der Verbraucher die Bestellung tatsächlich aufgegeben habe. Eine originäre Zuständigkeit aus § 661 a BGB bestehe ebenfalls nicht; insoweit habe der EuGH dies für die entsprechende österreichische Norm abgelehnt. Ebenso wenig sei die Zuständigkeit aus unerlaubter Handlung bejaht worden. In der Sache habe das Landgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben. In den der Klägerin zugesandten Unterlagen werde nirgendwo behauptet, dass die Klägerin DM 60.000,-- zu beanspruchen habe. Vielmehr werde nur festgestellt, dass niemand außer der Klägerin mit dem persönlichen Gewinnscheck "ihren Gewinn" anfordern könne. Dadurch, dass die Klägerin die Aussage, die Auszahlungsvorschriften zur Kenntnis genommen und verstanden zu haben, gestrichen habe, habe sie klar zu erkennen gegeben, sich mit diesem Thema auseinander gesetzt zu haben. Wenn sie aber die Bedingungen nicht zur Kenntnis nehme und nicht akzeptiere, nehme sie nicht an der Veranstaltung teil. Die Spielregeln hätten sich auf der Rückseite eines "Test-Anforderungs-Formulars" befunden, das die Klägerin mit dem Katalog erhalten habe.
Die Beklagte beantragt in der Berufung,
das Urteil des Landgerichts Rottweil, 2 O 513/01, vom 27.06.2002, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Rottweil für gegeben. Für die gegenteilige Auffassung lasse sich das erwähnte Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11.07.2002 deswegen nicht heranziehen, weil im dort entschiedenen Fall mit der Gewinnanforderung ein Kaufvertrag verbunden gewesen sei. Nur über diesen Sachverhalt habe das Gericht entschieden. Auch im vorliegenden Fall sei jedoch Art. 15 Abs. 1 c EuGVVO einschlägig, weil die Beklagte in Deutschland eine berufliche und gewerbliche Tätigkeit ausübe, die darauf ausgerichtet sei, in Deutschland per Fernabsatz Lieferungsverträge mit Verbrauchern zu schließen. Hierzu bediene sie sich dubioser Gewinnzusagen, wobei davon auszugehen sei, dass bisher kein einziger Verbraucher, der eine Gewinnanforderung bei der Beklagten eingereicht habe, jemals einen Gewinn erhalten habe. Der Gerichtsstand in Deutschland sei gegeben, weil nur die Personen Gewinnbenachrichtigungen erhielten, die zum Abschluss eines Fernabsatzkaufvertrages bewogen werden sollten.
Mit der an die Klägerin gerichteten Mitteilung habe angesichts des deutlichen Wortlauts der Eindruck erweckt werden sollen, diese habe allein DM 60.000,-gewonnen. Die Spielregeln habe die Beklagte weder auf dem Anschreiben noch auf dem Einlösescheck vermerkt; vielmehr habe sie keine der Gewinnspielunterlagen mit irgendwelchen Spielregeln ausgestattet. Im Übrigen komme es nicht darauf an, ob Auszahlungsvorschriften beigeheftet worden seien, weil nach § 661 a BGB nur der Eindruck des objektiven Empfängers maßgebend sei. Dies wäre nur anders, wenn die Auszahlungsvorschriften den objektiven Eindruck, man habe DM 60.000,-- gewonnen, beseitigen könnten. Hierzu habe die Beklagte indessen nichts vorgetragen.
Wegen des übrigen Vortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
I.
1.
In der Berufungsinstanz ist nicht mehr zu prüfen, ob das Landgericht Rottweil für die Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig war.
Nach § 513 Abs. 2 ZPO n.F. kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Nach der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses - Gesetzentwurf der Bundesregierung -(Bundestagsdrucksache 14/4722 vom 24.11.2000, Seite 94) enthält § 513 ZPO den maßgebenden Grundsatz für die künftige Funktion der Berufung, die unter grundsätzlicher Bindung an die in erster Instanz getroffenen Tatsachenfeststellungen in erster Linie eine Fehlerprüfung gewährleisten solle. Absatz 2 übernehme die Regelungen der bisherigen §§ 10, 512 a und bestimme darüber hinaus, dass die Berufung nicht darauf gestützt werden könne, das erstinstanzliche Gericht habe seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen. Damit würden künftig Rechtsmittelstreitigkeiten, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts gestützt werden, vermieden. Dies diene der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung der Berufungsgerichte. Die Neuregelung vermeide zugleich, dass die von dem erstinstanzlichen Gericht geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig werde. Die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters fordere nicht, den Streit darüber in mehreren Instanzen austragen zu können (insoweit gleichlautend bereits der Referentenentwurf des BMJ vom 23.12.1999, S. 130/131. Dieser führt weiter aus, es seien zwar seltene Fälle vorstellbar, in denen die erste Instanz ihre Zuständigkeit in willkürlicher Weise angenommen habe. Eine willkürliche Entscheidung liege nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sei und sich daher der Schluss aufdränge, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhe. Eine Entscheidung über die Zuständigkeit sei danach willkürlich, wenn sie sich bei Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese Normen beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entferne, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen sei - BVerfG NJW 1979, 2155; 1986, 575 -. Für solche seltenen Ausnahmefälle einer willkürlichen Annahme der eigenen Zuständigkeit durch das erstinstanzliche Gericht sei anerkannt, dass - wie auch in anderen Fällen einer willkürlichen Entscheidung - eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht zulässig sei. Einer besonderen Erwähnung dieser Ausnahme im Wortlaut des Gesetzes bedürfe es deshalb nicht).
Es ergibt sich damit eine Abweichung vom bisherigen Recht, wonach die Berufung in Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche nicht darauf gestützt werden konnte, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine örtliche Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hatte, § 512 a ZPO a.F. Nach allgemeiner Auffassung war bei dieser Rechtslage die internationale Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (BGH NJW 1999, 1395 = MDR 99, 440; BGHZ 98, 263; BGH NJW 1988, 1466; BGHZ 44, 46 = NJW 1965, 1665; einschränkend für den Anwendungsbereich des EuGVÜ - dann nur auf Rüge zu prüfen - OLG Köln NJW 1988, 2182; Schellhammer, ZPO-Reform und Berufung, MDR 2001, 1141, 1146 m.w.N. Rn. 37). Angesichts des Hintergrundes der Gesetzgebung und der Tatsache, dass der nunmehr geltende Gesetzestext keine Einschränkung mehr enthält, muss davon ausgegangen werden, dass die Frage der Zuständigkeit allenfalls noch in den seltenen Ausnahmefällen einer willkürlichen Annahme der eigenen Zuständigkeit durch das erstinstanzliche Gericht und dass insbesondere die Frage der internationalen Zuständigkeit -jedenfalls in den Fällen, in denen keine ausschließliche Zuständigkeit gegeben ist, - nur noch einmal, nämlich in der ersten Instanz, zu prüfen ist (ebenso Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 513 Rn. 6, 8, 15; Thomas/Putzo, ZPO 24. Aufl., § 513 Rn. 3, 5; Schellhammer, ZPO-Reform und Berufung, MDR 2001, 1141, 1146; Hannich/Meyer-Seitz/Engers, ZPO-Reform, Anm. zu § 513; Staudinger, IPRax 2001, 298; a.A.: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 60. Aufl., § 513 Rn. 5; Geimer, Internationales Zivil prozessrecht, 4. Aufl., S. 283 und S. 337 Rn. 1008/1009, S. 570 Rn. 1855; für die ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 16 EuGVÜ vgl. EuGH IPRax 1985, 92). Dem steht auch die Neuregelung in § 119 Abs. 1 Nr. 1 b und c GVG nicht entgegen. Es handelt sich hierbei um eine bloße Zuständigkeitsvorschrift, die daraus resultiert, dass im Zuge der ZPO-Reform ursprünglich vorgesehen war, die Rechtsmittel der Berufung und der Beschwerde gegen amts- und landgerichtliche Entscheidungen - außer Beschwerden in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - insgesamt der Zuständigkeit der Oberlandesgerichte zuzuweisen und sich damit dem 3-stufigen Gerichtsaufbau der DDR anzunähern (vgl. hierzu den Referentenentwurf vom 23.12.1999 mit der Begründung, S. 68, die Konzentration der Berufungen bei den Oberlandesgerichten sei eine Maßnahme klarer Funktionszuweisung; der Rechtsmittelzug werde damit für den Rechtsuchenden transparenter und fördere die Einheitlichkeit der Rechtsprechung). Dieses Modell wurde später fallen gelassen. Für die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gegen Entscheidungen der Amtsgerichte blieben neben den schon früher in dieser Weise geregelten Familiensachen nur noch die Sachen mit formaler Auslandsberührung übrig. Dass hiermit eine Ausweitung der sich aus §§ 513, 529, 531 ZPO ergebenden Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts im Hinblick auf die Prüfung der internationalen Zuständigkeit nicht beabsichtigt war, ergibt sich bereits daraus, dass § 119 Abs. 3 GVG den Ländern die Möglichkeit eröffnet, durch eine Experimentierklausel den Oberlandesgerichten alle Berufungen und Beschwerden gegen amtsgerichtliche Entscheidungen zuzuweisen. Das Ergebnis, dass das deutsche Berufungsgericht an die Bejahung auch der internationalen Zuständigkeit durch das Ausgangsgericht gebunden ist, erscheint nicht nur im Hinblick auf den gesetzgeberischen Zweck, die Berufungsgerichte zu entlasten und damit die Verfahren zu beschleunigen, angemessen, sondern auch im Hinblick darauf, dass ein Rechtsstaat generell nicht verpflichtet ist, für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten einen Instanzenzug zur Verfügung zu stellen. Eine solche Verpflichtung besteht nicht im Verhältnis zu seinen eigenen Staatsangehörigen und umso weniger im Verhältnis zu den Angehörigen anderer Staaten. Er ist daher auch nicht verpflichtet, seine Entscheidungszuständigkeit auf mehreren Verfahrensebenen zu prüfen. Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, dass nämlich die Gerichte zweier Staaten ihre Zuständigkeit annehmen, wird durch die Eröffnung der Zuständigkeitsprüfung in den weiteren Instanzen ohnehin nicht ausgeschlossen und ist daher unabhängig davon hinzunehmen, auf welcher Stufe des innerstaatlichen Instanzenzuges die Prüfung endet. Für den Bereich der EuGVVO (Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000, ABl. L 12/01 S. 1) ist darüber hinaus geregelt, dass die internationale Zuständigkeit nur im Staat des zuerst angerufenen Gerichts abschließend geprüft werden soll: Nach Art. 27 Abs. 1 setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen des selben Anspruchs zwischen den selben Parteien anhängig gemacht werden. Nach Abs. 2 erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig, sobald dessen Zuständigkeit feststeht. Ob der Staat, dessen Gericht zuerst angerufen wird, die Prüfung der internationalen Zuständigkeit nach seinem Prozessrecht in mehreren Instanzen vorsieht, obliegt jedoch seiner eigenen hoheitlichen Entscheidung. Eine Notwendigkeit, die internationale Zuständigkeit auf jeder Stufe des Verfahrens zu prüfen, lässt sich daher nicht aus der Überlegung ableiten, dass die Angehörigen des fremden Staates einen Rechtsanspruch auf mehrstufige Prüfung hätten, um nicht zu Unrecht im Ausland in Anspruch genommen zu werden. Besondere Härten entstehen hieraus nicht, denn in Fällen, in denen die fehlerhafte Annahme der internationalen Zuständigkeit besonders schwer wiegt, wird der andere Staat, in dem die Entscheidung vollstreckt werden soll, die Anerkennung verweigern (Art. 34 und 35 EuGVVO).
2.
Die Berufung hätte allerdings, soweit sie sich auf die Unzuständigkeit des Landgerichts Rottweil stützt, auch dann keinen Erfolg, wenn man mit der Mindermeinung annehmen wollte, das Berufungsgericht sei entsprechend dem bisherigen Verständnis zur Überprüfung seiner internationalen Zuständigkeit verpflichtet. Das Landgericht Rottweil hat seine internationale Zuständigkeit nämlich zu Recht angenommen.
a)
Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits gilt die EuGVVO. Diese ist gemäß ihrem Art. 66 auf Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem diese Verordnung in Kraft getreten ist, also ab dem 01. März 2002 (Art. 76). Die Frage, wann die Klage als "erhoben" gilt, beurteilt sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts (BGHZ 132, 105; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 24. Aufl., EuGVVO Art. 66 Rn. 2 m.w.N.), vorliegend also nach deutschem Zivilprozessrecht und damit nach § 253 Abs. 1 ZPO. Maßgeblich ist somit die Zustellung der Klageschrift, die im Streitfall am 28. März 2002, also nach Inkrafttreten der EuGVVO, erfolgte.
b)
Nach Art. 15 Abs. 1 c, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO hatte die Klägerin die Wahl, ob sie die Beklagte vor einem Gericht des Staates, in dem diese ihren Sitz (Art. 60) hat - also in Frankreich - verklagen wollte oder vor dem Gericht des Ortes, an dem sie selbst ihren Wohnsitz hat, also vor dem Landgericht Rottweil. Da die Klägerin sich für die Klagerhebung an ihrem Wohnsitzgericht entschieden hat, ist dieses international zuständig.
Gemäß Art. 15 Abs. 1 c EuGVVO bestimmt sich die Zuständigkeit u.a. nach Art. 16 EuGVVO, wenn den Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag bilden, den ein Verbraucher zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen ist, sofern der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
Dass die Klägerin im Sinne dieser Vorschrift als Verbraucherin anzusehen ist, bedarf ebenso wenig der Vertiefung wie die von der Beklagten ausdrücklich zugestandene Tatsache, dass sie von Frankreich aus mit in Deutschland ansässigen Endverbrauchern in geschäftlichen Kontakt tritt und damit ihre gewerbliche Tätigkeit, wozu auch die Vertragsanbahnung mit der Klägerin einschließlich der Gewinnzusage gehört, auf Deutschland ausrichtet. Fraglich kann nur sein, ob es sich bei der Forderung auf Auszahlung eines von dem Unternehmer zugesagten Gewinns um einen Anspruch "aus einem Vertrag" handelt. Diese Frage ist zu bejahen.
Nach allgemeiner Auffassung und ständiger Rechtsprechung zu der insoweit entsprechenden früheren Regelung des Art. 5 Nr. 1 und Art. 13 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) ist der Begriff des "Vertrags" oder des "Anspruchs aus einem Vertrag" autonom auszulegen, um eine einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten. Zu berücksichtigen sind daher in erster Linie Systematik und Zielsetzungen des Übereinkommens; die Qualifizierung des dem nationalen Gericht unterbreiteten Rechtsverhältnisses nach dem anwendbaren nationalen Recht ist nicht der entscheidende Gesichtspunkt (EuGH IPRax 2000, 210; EuGH NJW 2002, 2697; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., Art. 5 EuGVÜ Rn. 3; Gottwald in Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., Art. 5 EuGVÜ Rn. 2 und Art. 13 Rn. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 24. Aufl., Art. 5 Nr. 1 Rn. 2 und Art. 15 Rn. 1).
Tatsächlich würde man nach deutschem Recht den Anspruch aus einem Gewinnversprechen nach § 661 a BGB kaum als Anspruch aus Vertrag ansehen können. Zwar ist das Handeln des Unternehmers darauf gerichtet, mit dem angesprochenen potentiellen Kunden einen Vertrag über den Kauf von Waren abzuschließen. Der Anspruch aus einer Gewinnzusage setzt den Abschluss eines solchen Vertrages jedoch nicht voraus und auch im vorliegenden Fall war das Gewinnversprechen nicht an eine Warenbestellung geknüpft. Dieses Versprechen ist auch nicht selbst ein Vertrag, denn es erschöpft sich zunächst in der einseitigen Gewinnzusage, die auch kein Angebot auf Abschluss eines Vertrages mit Rechten und Pflichten darstellt. Der Gewinnabruf des Verbrauchers kann daher auch nicht als Annahmeerklärung angesehen werden. Vielmehr macht er von einem ihm aufgrund der bloßen Zusage zustehenden Recht, er habe bereits einen Preis gewonnen, Gebrauch, wenn er diesen Preis anfordert. Dass ein vertraglicher Anspruch nach deutschem Recht nicht gegeben ist, zeigt bereits die Notwendigkeit der Einführung des anspruchsbegründenden § 661 a BGB. Anspruchsgrundlage ist mithin nicht eine vertragliche Vereinbarung, sondern die gesetzliche Vorschrift (ebenso Lorenz, Gewinnmitteilungen aus dem Ausland: kollisionsrechtliche und international-zivilprozessuale Aspekte von § 661 a BGB, NJW 2000, 3305). Dies hindert jedoch nicht, im Hinblick auf den Sinnzusammenhang und den Schutzzweck der Art. 15 und 16 EuGVVO für die Frage der internationalen Zuständigkeit einen vertraglichen Anspruch im Sinne des Art. 15 Abs. 1 EuGVVO anzunehmen. Schon nach bisherigem Recht war ein "Vertrag" dann gegeben, wenn sich eine Partei gegenüber einer anderen freiwillig zu einer Leistung verpflichtete (EuGH IPRax 2000, 210; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O. Art. 5 EuGVÜ, Rn. 3; MüKo, a.a.O. Art. 5 Rn. 3; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Kommentar zum EuGVÜ, Art. 5 Rn. 17), wobei der Begriff des Vertrags weit auszulegen war und nicht nur Klagen auf Erfüllung, sondern alle damit zusammenhängenden Ansprüche erfasste, insbesondere auf Zahlung von Vertragsstrafen, Bestellung von Sicherheiten, Schadensersatz wegen Verzugs, positiver Vertragsverletzung, Nichterfüllung und culpa in contrahendo, soweit nicht deliktsähnliche Elemente im Vordergrund standen. Entscheidend war nur, dass der geltend gemachte Anspruch seinen Grund in der Nichteinhaltung einer Vertragspflicht fand (Geimer/Schütze, a.a.O. Rn. 18 m.w.N.) oder, sofern es sich um eine deliktische Anspruchsgrundlage handelte, mit einer Klage aus Vertrag in Sachzusammenhang stand (Geimer/Schütze, a.a.O. Rn. 21). Der EuGH hat in einem nach den Vorschriften des EuGVÜ zu beurteilenden Fall, in dem der Kunde Waren bestellen musste, um den Gewinn zu erhalten, und in dem er tatsächlich eine Bestellung aufgegeben, allerdings den Gewinn nicht erhalten hatte, für die Geltendmachung der Gewinnzusage eine Klage aus Verbrauchervertrag angenommen, weil zwischen der Gewinnzusage und der Warenbestellung, die der Verkäufer als Vorbedingung für den Erhalt des versprochenen Gewinns dargestellt habe, eine untrennbare Verbindung gegeben sei (Fall Gabriel, EuGH NJW 2002, 2697, Urteil vom 11.07.2002). Diese Begründung schließt jedoch nicht aus, einen "Anspruch aus Vertrag" im Sinne des Art. 15 Abs. 1 EuGVVO auch dann anzunehmen, wenn der Unternehmer seine Gewinnzusage nicht von einer Warenbestellung abhängig macht und der Kunde eine solche nicht aufgibt. Über eine solche Fallkonstellation hatte der EuGH nicht zu entscheiden; für sie lässt sich dem genannten Urteil auch nichts entnehmen. Entscheidend für die Zuständigkeitsfrage ist, dass die Gewinnzusage und das Bestreben des gewerblich tätigen Unternehmers, den Verbraucher zu einem Vertrag über den Kauf von Waren zu bewegen, in engem Zusammenhang stehen und die Gewinnzusage nie isoliert gegeben wird, sondern in der Verknüpfung mit einem Kaufangebot zum Ziel hat, den Verbraucher zur Aufgabe von Bestellungen zu bringen, die er ohne das verführerische, aber regelmäßig nicht ernst gemeinte Gewinnversprechen nicht aufgeben würde. Dieser enge Zusammenhang besteht auch dann, wenn die Einforderung des Gewinns von einem Vertragsschluss nicht abhängt. Es wäre zudem nicht verständlich, wenn Ansprüche des Verbrauchers aus einem auf diesem Weg zustande gekommenen Kaufvertrag und der Anspruch aus einem Gewinnversprechen am Wohnsitz des Verbrauchers eingeklagt werden könnten, nicht aber der Anspruch aus einer Gewinnanforderung, die im Einzelfall nicht mit einer Warenbestellung kombiniert war. Allein die Möglichkeit des Verbrauchers, solche Klagen an seinem Wohnsitz erheben zu können, wird dem erkennbaren Schutzzweck des Art. 15 Abs. 1 EuGVVO gerecht. Mit der Neufassung dieser Vorschrift wurde die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen im Vergleich zu der früheren Regelung deutlich zugunsten des Verbrauchers erweitert. Während Art. 13 Nr. 3 EuGVÜ voraussetzte, dass der Vertrag die Erbringung von Dienstleistungen im weitesten Sinne oder die Lieferung Beweglicher Sachen zum Gegenstand hatte, ist diese Bedingung nunmehr entfallen. Voraussetzung ist nur noch, dass der Vertragspartner des Verbrauchers in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt, was bei Gewinnspielen der vorliegenden Art regelmäßig der Fall ist und auch im konkreten Fall so war. Die Klage aus einer Gewinnzusage kann daher gem. Art. 15 Abs. 1 c, Art. 16 EuGVVO im Gerichtsstand des Verbrauchers auch dann erhoben werden, wenn eine gleichzeitige Warenbestellung nicht vorliegt und für die Teilnahme am Gewinnspiel auch nicht vorausgesetzt wurde (ebenso schon für die Geltung des EuGVÜ OLG Dresden IPRax 2002, 421 = VuR 2002, 187; OLG Nürnberg, Urteil vom 28.08.2002, 4 U 641/02 - juris Rechtsprechung -; LG Braunschweig, Urteil vom 10.01.2002, IPRax 2002, 213; Lorenz, NJW 2000, 3305 über Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ; zweifelnd Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O. Art. 5 Nr. 1 Rn. 3; ablehnend, allerdings sämtlich noch für die Geltung des EuGVÜ, Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.04.2002, 7 U 199/01 und OLG Bamberg Urteil vom 07.05.2002, 5 U 7/02).
c)
Im Übrigen wäre das Landgericht Rottweil für die Entscheidung des Rechtsstreits auch dann zuständig gewesen, wenn man die dargelegte Auffassung nicht teilen und den Anspruch aus einer Gewinnzusage nicht als einen Anspruch aus Vertrag ansehen wollte. In diesem Fall käme zwar eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ebenfalls nicht in Betracht. Sie wäre aber gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gegeben, weil die Forderung dann als ein Anspruch aus unerlaubter Handlung oder aus einer Handlung, die einer solchen gleichgestellt ist, zu qualifizieren wäre. Der bisher geltende, dem jetzigen Art. 5 Nr. 3 EuGVVO im Wesentlichen entsprechende Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ bezog sich nach ständiger Rechtsprechung auf alle nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfenden Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wurde; auch der Begriff der unerlaubten Handlung war "autonom" auszulegen (EuGH NJW 2002, 2697 und NJW IPRax 2000, 210; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O. Art. 5 EuGVÜ Rn. 17; Gottwald in MüKo a.a.O. Art. 5 EuGVÜ, Rn. 36-38; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 5 Rn. 146/147; Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O. Art. 5 EuGVÜ Rn. 17). Ob in einer nicht ernst gemeinten Gewinnzusage eine unerlaubte Handlung oder eine einer unerlaubten Handlung gleichstehende Handlung liegen kann, hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 11.07.2002 (NJW 2002, 2697) ausdrücklich offen gelassen, weil er für den ihm vorliegenden Fall von einem vertraglichen Anspruch ausging. Er hat eine deliktsrechtliche Qualifizierung aber nicht generell ausgeschlossen. Diese liegt auch nahe, weil § 661 a BGB eine Vorschrift ist, die ihren Grund in Wettbewerbsverstößen hat und deren Ziel es ist, solche Verstöße zu verhindern. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro (Bundestagsdrucksache 14/2658 vom 09.02.2000) sollte die beobachtete Praxis von Unternehmen, Verbrauchern Mitteilungen über angebliche Gewinne zuzusenden, sie den Verbrauchern aber auf Nachfrage nicht auszuhändigen, sondern stattdessen zu versuchen, ihnen Warenangebote aufzudrängen, dadurch unterbunden werden, dass man die Verbraucher in die Lage versetzte, den Unternehmer beim Wort zu nehmen und den mitgeteilten Gewinn zu verlangen. Damit haftet der Unternehmer zwar nicht für einen dem potentiellen Kunden zugefügten Schaden, wohl aber haftet er deswegen, weil sein wettbewerbsrechtlich anstößiges Verhalten generell als schädlich betrachtet und nur der Ausgleich dieses abstrakten Schadens nicht im Verhältnis zu dem unmittelbar betroffenen Mitbewerber, sondern im Verhältnis zum Verbraucher vorgenommen wird. Es besteht Einigkeit darüber, dass auch Wettbewerbsverstöße als unerlaubte Handlung im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ anzusehen sind (BGH MDR 1988, 643 = NJW 88, 1466; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 5 EuGVÜ Rn. 151; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Art. 5 EuGVÜ Rn. 17; Gottwald in MüKo, Art. 5 EuGVÜ Rn. 37; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 5 EuGVÜ Rn. 17). Ansprüche aus § 661 a BGB werden daher zum Teil als deliktsrechtliche Ansprüche eingeordnet mit der Folge der Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ (Schmidt-Räntsch, Zum Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, VuR 2000, 427, 434; ablehnend Lorenz NJW 2000, 3305; bejahend für den Fall, dass man die Klage im Verbrauchergerichtsstand nicht zulassen wollte, OLG Dresden IPRax 2002, 421 = VuR 2002, 187; generell ablehnend Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.04.2002, 7 U 199/01). Hiervon ist auch das Landgericht Rottweil vertretbar ausgegangen.
II.
In der Sache hat das Landgericht der Klage zu Recht stattgegeben.
1.
Für die Entscheidung des vorliegenden Falls ist materiell deutsches Recht und damit § 661 a BGB anwendbar.
Unabhängig von der hier vertretenen vertragsrechtlichen Qualifizierung des Anspruchs für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit kann für die Frage der Rechtswahl gegebenenfalls eine andere Qualifizierung gelten. Das Landgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf Art. 40 EGBGB gestützt. Deutsches Recht ist jedenfalls deswegen zugrunde zu legen, weil beide Parteien hiervon ausgegangen sind und damit jedenfalls konkludent eine Rechtswahl getroffen haben. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine stillschweigende Rechtswahl anzunehmen ist, wenn die Parteien während des Rechtsstreits von der Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung, vor allem durch Anführen ihrer Vorschriften, ausgehen. Dieser Wille kommt insbesondere dann zum Ausdruck, wenn sie die vom Landgericht bejahte Vereinbarung deutschen Rechts im Berufungsrechtszug übereinstimmend und rügelos hingenommen haben (BGH WM 1987, 1501; NJW 1991,1292 = WM 1991, 464; BGHZ 119, 392 = NJW 1993, 385). Dies ist vorliegend der Fall.
2.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu.
a)
Nach § 661 a BGB hat der Unternehmer dem Verbraucher den versprochenen Preis zu leisten, wenn er durch die Gestaltung der Gewinnzusage den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen habe. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein besonders kritischer, Werbezusendungen jeder Art misstrauisch prüfender Kunde erkennen kann, dass die Aufforderung, einen hohen Gewinn anzufordern, nicht die ernst gemeinte Zusage dieses hohen Gewinns darstellen soll. Maßgeblich ist vielmehr, ob der durchschnittliche Verbraucher aus seiner Sicht nach einem generell-abstrakten Maßstab ohne nähere Prüfung den Eindruck hat, einen Preis gewonnen zu haben (Lorenz, a.a.O.; OLG Frankfurt MDR 2002, 1023; Palandt/Sprau, BGB 61. Aufl., § 661 a Rn. 2; Dörner/Ebert/Eckert, BGB, § 661 a Rn. 2). Versteckte Hinweise auf die Unverbindlichkeit der Zusage oder darauf, dass nur ein Bruchteil des in Aussicht genommenen Gewinns ausbezahlt wird, hindern den Anschein eines Preisgewinns und damit die Leistungspflicht des Unternehmers nicht. Andernfalls liefe § 661 a BGB in nahezu allen praktischen Fällen leer und würde funktionslos, weil der Empfänger bei hinreichend sorgfältiger und kritischer Lektüre immer erkennen kann, dass der Unternehmer ihm nicht grundlos eine erhebliche Zuwendung machen will (Dörner/Ebert/Eckert, Rn. 3; Lorenz a.a.O.). Es kommt daher auch im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Auszahlungsregelungen der Beklagten der Mitteilung an die Klägerin an versteckter Stelle beigefügt oder etwa auf der Rückseite eines Bestellformulars abgedruckt waren. Insgesamt gilt, dass der Maßstab für die Erkennbarkeit der mangelnden Ernstlichkeit nicht zu streng angesetzt werden darf.
b)
Den Maßstab des durchschnittlichen unbefangenen Verbrauchers zugrunde gelegt, durfte die Klägerin aufgrund der von der Beklagten übersandten Unterlagen den Eindruck gewinnen, den Geldpreis von DM 60.000,-- gewonnen zu haben und nur noch anfordern zu müssen. Die Klägerin wurde in dem Anschreiben mehrfach persönlich mit ihrem Namen angesprochen; auch der beigefügte Einlösescheck war auf sie persönlich mit Name und Anschrift ausgestellt. Ebenso trägt die Einlösemarke den Namen der Klägerin mit dem besonderen Vermerk "nur persönlich gültig". Mehrfach ist ausdrücklich von einem Gewinn von DM 60.000,-- die Rede, der sicher im Safe liege und nun endlich mit Hilfe des persönlichen Gewinn-Schecks eingelöst werden solle. Es sei eine besondere Freude, dass gerade die Klägerin gewonnen habe, machten doch nur so treue Kunden wie sie ein so großartiges Gewinnspiel möglich, bei dem es so viel Geld zu gewinnen gebe. Allerdings habe die Klägerin nur noch 7 Tage Zeit, den Gewinn anzufordern. Bei dieser Gestaltung wurde nach Diktion und Aufmachung der Eindruck des besonders Wichtigen erweckt. Es wurden angesichts der bedeutenden Summe von DM 60.000,-- besondere Sicherheitsmaßnahmen mit entsprechendem Aufwand vorgespiegelt (Beschränkung der Berechtigung aus dem Scheck auf die namentlich bezeichnete Klägerin; Scheck nur gültig mit der zweiten Einlöse-Marke, auf die unter einem Strichcode nochmals der Betrag von DM 60.000,-- aufgedruckt war und die demnächst verfallen sollte; sichere Aufbewahrung der DM 60.000,-- im Safe der Finanzbuchhaltung). All dies stünde in gar keinem Verhältnis zu einem "Gewinn" von unter DM 3,--, der dann aus Kostengründen nicht einmal ausbezahlt werden soll. Schon deswegen wird der Eindruck geschaffen, der so Angeschriebene habe tatsächlich DM 60.000,-- gewonnen. Dieser Eindruck wird entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dadurch zunichte gemacht, dass der gewonnene Preis einige Male als "Jackpot-Gewinn" bezeichnet wird. Allein hieraus musste die Klägerin nicht schließen, dass die versprochene Summe auf eine Vielzahl von Gewinnern aufgeteilt und damit zu einem ganz unbedeutenden Betrag atomisiert werden sollte. Mit dem Ausdruck "Jackpot" verbindet sich eine solche Vorstellung nämlich gerade nicht. Vielmehr erweckt diese Bezeichnung, wenn der Verbraucher darüber überhaupt nachdenkt und damit eine besondere Vorstellung verbindet, eher den Eindruck eines besonders hohen Gewinns, der durch die Ansammlung kleinerer Einzelbeträge zustande und nur einem Spieler zugute kommt. So wird "Jackpot" beim Pokern als der Einsatz in eine gemeinsame Kasse definiert, deren Inhalt einer der Spieler gewinnt. Bei Lotto oder Toto gilt "Jackpot" als besonders hoher Gewinn nach Spielen ohne Gewinner im ersten Rang (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Stichwort "Jackpot"). Creifelds Rechtwörterbuch (16. Aufl. 2000) und das von Tilch herausgegebene Deutsche Rechts-Lexikon (2001) erwähnen den "Jackpot" nicht, so dass der nach Information suchende Verbraucher auch hier keinen Aufschluss darüber erhält, in welch eingeschränktem Sinn die Beklagte ihren "Jackpot-Gewinn" verstanden wissen will. Zieht er fremdsprachige Lexika zu Rate, wird er umgekehrt den Eindruck haben, mit einem besonders hohen Gewinn außerordentliches Glück gehabt zu haben: The Concise Oxford Dictionary of Current English, 6. Aufl., Oxford 1980, definiert den "Jackpot" folgendermaßen: "(Poker) accumulating pool that can only be opened by player holding two jacks or better, large esp. accumulating prize in lottery etc." Das Duden Oxford Großwörterbuch Englisch, Oxford 1990, übersetzt "Jackpot" mit: "hit the Jackpot: Das große Los ziehen". Bei Phythian, A Concise Dictionary of English Slang and Colloquialisms, 6. Aufl., Sevenoaks (Kent) 1981, findet sich unter "Jackpot": "1. Chief prize, 2. hit the jackpot: Be very lucky (often financially)".
Die Klägerin durfte somit die Mitteilung der Beklagten so verstehen, dass sie tatsächlich DM 60.000,-- gewonnen hatte. Die Beklagte hat daher diesen Betrag zu bezahlen.
c)
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gemäß § 543 Abs. 2 ZPO war die Revision zuzulassen. Die Frage, ob die internationale Zuständigkeit noch in der Berufung zu prüfen ist, und die sich gegebenenfalls weiter stellende Frage, ob für Entscheidungen über Gewinnzusagen, die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Verbrauchern von ausländischen Unternehmern zugesandt werden, deutsche Gerichte zuständig sind, sind höchstrichterlich bisher nicht geklärt. Zur zweiten Frage liegen für den Anwendungsbereich des EuGVÜ unterschiedliche oberlandesgerichtliche Entscheidungen vor.
Ende der Entscheidung
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