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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 14.05.2001
Aktenzeichen: 6 U 17/2001
Rechtsgebiete: HTWG, HWiG, AGBG, BGB, ZPO


Vorschriften:

HTWG § 2 I S. 4 a. F.
HWiG § 3
HWiG § 2 Abs. 1 S. 4 a. F.
HWiG § 1 Abs. 1
AGBG § 3
AGBG § 9
BGB § 401 ff.
BGB § 362
BGB § 371
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Leitsatz:

Vollständige Erbringung der Leistung i.S.v. § 2 I S. 4 HTWG ( a. F. ) setzt lediglich die beiderseitige Erfüllung der jeweiligen Hauptleistungspflicht voraus.


Oberlandesgericht Stuttgart - 6. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 6 U 17/2001 4 O 1399/2000 LG Heilbronn

Verkündet am: 14. Mai 2001

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Kunz) JS'in

In Sachen

wegen Forderung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Hub, des Richters am Oberlandesgericht Ellinger und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Foth

auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 13.10.2000 - Geschäfts-Nr. 4 O 1399/2000 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung tragen die Kläger.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert in zweiter Instanz und Beschwer der Kläger: 119.140,00 DM.

Tatbestand:

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Rückzahlung eines Bürgschaftsbetrages, nachdem sie die Bürgschaftserklärung nach den Regelungen des HWiG widerrufen haben.

Am 07.05.1990 hat der Bruder des Klägers Ziff. 1 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über ein Privatkundendarlehen von 110.000,00 DM in den Räumen der Beklagten geschlossen, für dessen Rückzahlung die Kläger sich mit Höchstbetragsbürgschaft vom 07.05.1990 (K 3) verbürgt haben. Die Bürgschaftsurkunde wurde den Klägern in ihrer Wohnung vom Hauptschuldner mit der Bitte um Unterzeichnung vorgelegt und dort ohne Belehrung nach dem HWiG unterzeichnet.

Im Jahre 1992 hat der Hauptschuldner die Zahlungen auf den Kredit eingestellt. Die Darlehenssumme belief sich zu diesem Zeitpunkt noch auf 102.000,00 DM. Die Beklagte hat daraufhin die Kläger aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Im August 1992 vereinbarten die Parteien, daß die Verpflichtung der Kläger aus der Bürgschaft mit Zahlung eines Betrages von 92.000,00 DM, die am 13.08.1992 erbracht wurde, erledigt sein sollte.

Am 15.07.1999 widerriefen die Kläger die Bürgschaftserklärung nach dem HWiG (K 4).

Die Kläger sind der Auffassung, durch diesen Widerruf sei ihre Bürgschaftsverpflichtung entfallen, der auf die Bürgschaft geleistete Betrag sei daher gem. § 3 HWiG zurückzubezahlen.

Dazu haben sie vorgetragen, die Bürgschaftserklärung sei in einer Haustürsituation abgegeben worden. Daß die Hauptschuld selbst nicht im Rahmen eines Haustürgeschäftes eingegangen wurde, sei ohne Belang. Auch die Tatsache, daß die Bürgschaft vom Bruder des Klägers Ziff. 1 erbeten wurde, stehe der Anwendung des HWiG nicht entgegen. Der Kläger Ziff. 1 habe zu seinem Bruder nur unregelmäßige und oberflächliche Kontakte gehabt. Im übrigen sei es die Beklagte gewesen, die vom Hauptschuldner die Beibringung einer Bürgschaft gefordert habe, daher müsse sie sich die Haustürsituation auch zurechnen lassen. Durch die Zahlung der 92.000,00 DM im Jahre 1992 sei das Widerrufsrecht nicht entfallen, da die Bürgschaftsangelegenheit zwischen den Beteiligten dadurch nicht erledigt worden sei.

Die Bürgschaft selbst sei wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam, da die Einbeziehung von künftigen Ansprüchen, Wechselforderungen und abgetretenen Ansprüchen sowie von Zinsen und Nebenforderungen gegen die §§ 3, 9 AGB-Gesetz verstoße und sich der Umfang der Bürgschaftserklärung nicht mehr feststellen lasse.

Daher sei auch zu bestreiten, daß sich der bezahlte Betrag von 92.000,00 DM auf das verbürgte Risiko bezogen habe.

Die Kläger haben beantragt (Bl. 2),

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 119.140,00 DM nebst 10 % Zinsen hieraus seit 01.08.1998 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt (Bl. 10):

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Bürgschaft sei durch die vereinbarte Zahlung von 92.000,00 DM im Jahre 1992 im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG (a. F.) erledigt. Ein Widerrufsrecht bestehe daher nicht. Davon abgesehen, greife das HWiG schon deshalb nicht ein, weil die Kläger von einem nahen Angehörigen zur Abgabe der Bürgschaftserklärung bestimmt worden seien und diese Erklärung der Beklagten daher nicht zuzurechnen sei.

Ferner könnten Bürgschaftserklärungen grundsätzlich nur dann unter das HWiG fallen, wenn auch die gesicherte Hauptschuld in einer Haustürsituation eingegangen worden sei.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Parteivortrages in erster Instanz wird auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.10.2000 abgewiesen. Im wesentlichen hat es ausgeführt, das HWiG sei nicht anwendbar, weil die Bürgschaft den Klägern nicht von der Beklagten sondern vom Bruder des Klägers Ziff. 1 vorgelegt worden sei und daher eine Zurechnung der Beklagten gegenüber ausscheide. Ferner sei der Widerruf verfristet, weil die Bürgschaftsschuld bereits 1992 erfüllt worden sei. An der Wirksamkeit der Bürgschaft selbst bestünden keine Zweifel.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses, den Klägern am 17.10.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.11.2000 form- und fristgerecht eingelegte und am 23.01.2001, nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist, begründete Berufung.

Die Kläger halten das Urteil für falsch und beharren unter Verweis auf ihren erstinstanzlichen Vortrag auf ihrem Rechtsstandpunkt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts gebe es keine Rechtsprechung, derzufolge das HWiG im Falle der Bestimmung durch jedweden Angehörigen grundsätzlich keine Anwendung finde. Diese Auffassung sei auch mit dem Schutzzweck des HWiG nicht zu vereinbaren. Entscheidend sei vielmehr die Intensität der persönlichen Beziehungen der Beteiligten. Die Beklagte habe mit der Bürgschaft vorrangig eigene Interessen verfolgt und sich zur Beschaffung der Bürgschaft des Hauptschuldners bedient. Die Bürgschaft sei nicht erfüllt. Bei einem Rechtsgeschäft zwischen Gläubiger, Hauptschuldner und Bürgen könne nicht auf eine lediglich beiderseitige Leistungserbringung abgestellt werden. Nach Tilgung des Bürgschaftsvertrages bestehe die Hauptforderung als übergegangene Gläubigerforderung fort. Bei lediglich teilweiser Leistung des Bürgen habe die Restforderung des Gläubigers Vorrang, auch an eventuellen Sicherheiten sei der Bürge nur nachrangig beteiligt. Der Regreßanspruch des Bürgen sei ferner gem. § 401 ff. BGB sämtlichen Einwendungen des Hauptschuldners gegen den Gläubiger ausgesetzt. Ein Erlöschen des Widerrufsrechts könne daher erst vorliegen, wenn sämtliche Ansprüche zwischen Gläubiger, Hauptschuldner und Bürgen getilgt seien. Zahlungen des Bürgen, die zur vollständigen Erfüllung der Hauptschuld nicht ausreichen, führten ohnehin nicht zur - auch nur teilweisen - Erfüllung, sondern hätten lediglich die Wirkung einer Sicherheitsleistung.

Ferner läge eine Haftung der Beklagten auch deshalb vor, weil sie die Kläger - wie der Kläger Ziff. 1 im Termin vor dem Senat ausgeführt hat - über die Risiken einer Bürgschaft nicht aufgeklärt habe. Im übrigen sei der Hinweis in der Bürgschaft, die Bürgen hätten sich ausgewiesen, falsch. Mitarbeiter der Beklagten seien bei Unterzeichnung der Bürgschaft nicht anwesend gewesen.

Die Kläger beantragen (Bl. 47):

das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 13.10.2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtschuldner 119.140,00 DM nebst 10 % Zinsen hieraus seit dem 01.08.1998 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt (Bl. 62):

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Landgerichts für zutreffend. Der Anstoß, die Kläger um eine Bürgschaft zu bitten, sei vom Hauptschuldner und nicht von der Beklagten gekommen. Schon deshalb sei der Hauptschuldner nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen. Hinsichtlich des Tatbestands der Erfüllung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG (a. F.) sei lediglich auf die Bürgschaftsverpflichtung abzustellen, die durch die vereinbarte Zahlung vollständig erloschen sei. Das HWiG komme im übrigen nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH grundsätzlich ohnehin nur dann zur Anwendung, wenn Hauptschuld und Bürgschaft unter dem Eindruck einer Haustürsituation zustande gekommen seien.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die Berufung, deren Erwiderung und die weiteren zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Das Landgericht hat die Klage zurecht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Berufungsvortrag führt zu keiner anderen Beurteilung.

I.

Die Bürgschaft ist, beschränkt auf die Hauptschuld, deren Absicherung sie dienen sollte, wirksam. Ein Widerruf nach den Regeln des HWiG ist nicht möglich. Dieses Gesetz ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die durch die Bürgschaft gesicherte Hauptschuld nicht im Rahmen einer Haustürsituation begründet wurde. Dessen ungeachtet läge eine Haustürsituation nicht vor, weil die Kläger von einem nahen Angehörigen zur Abgabe der Bürgschaftserklärung bestimmt worden sind. Ferner wäre ein unterstelltes Widerrufsrecht gem. § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG (a. F.) verfristet.

1.

Die Auffassung der Kläger, die Bürgschaft sei gem. §§ 3, 9 AGBG unwirksam, ist nicht zutreffend. Es bestehen zwar Bedenken gegen die Wirksamkeit des weit gefaßten Umfangs der Bürgschaft, der u. a. künftige Forderungen, Forderungen aus Abtretung, Wechseln und Bürgschaften umfaßt und sich über den vereinbarten Höchstbetrag hinaus auf Zinsen, Provisionen, Spesen und Kosten jeder Art erstreckt. (Wegen der Einzelheiten des Inhalts der Bürgschaftsurkunde wird auf die Anl. K 3 Bezug genommen.) Das führt indessen nicht zur gänzlichen Unwirksamkeit der Bürgschaft, sondern - worauf das Landgericht zurecht hingewiesen hat - zu ihrer inhaltlichen Beschränkung auf die Forderung, die Anlaß der Verbürgung war, beschränkt auf den in der Bürgschaft vereinbarten Höchstbetrag (vgl. BGH WM 98, 67; BGHZ 130, 19; Fischer, Aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Bürgschaft, WM 98, 1710; Palandt, BGB 6. Aufl. § 765 Rn. 20 und 21).

Eine Verpflichtung des Bürgschaftsgläubigers, den Bürgen über die Risiken einer Bürgschaft aufzuklären, besteht grundsätzlich nicht (vgl. Palandt, BGB, 60. Aufl. § 765 Rn. 33). Sie könnte nur durch außergewöhnliche Umstände, die vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich sind, begründet werden. Der Vermerk in der Bürgschaftsurkunde, daß sich die Bürgen ausgewiesen hätten, mag unzutreffend sein; an der Wirksamkeit der Bürgschaftserklärung selbst ändert dies aber nichts.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist die gesicherte Hauptforderung und der Gläubiger der Bürgschaft in der Urkunde hinreichend bestimmt. Die Bürgschaft genügt dem Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. Palandt, aaO 60. Aufl. § 765 Rn. 6), wenn sich aus ihr durch Auslegung der Bürge, der Gläubiger der Bürgschaft und die gesicherte Hauptschuld bestimmen läßt (vgl. BGH NJW 2000, 1569; NJW 95, 959, 1886). Die Verbürgung für Forderungen aus einer bestimmten Geschäfts- oder konkreten Bankverbindung in Form einer Höchstbetragsbürgschaft ist wirksam (BGHZ 130, 19; NJW 95, 1896). Durch die Nennung des Hauptschuldners und des konkret der Bürgschaft zugrunde liegenden Darlehenskontos im Bürgschaftsvertrag sowie durch die Bezugnahme auf die Bürgschaft im Darlehensvertrag, ist die überdies am gleichen Tag wie der Darlehensvertrag abgegebene Bürgschaft zweifelsfrei der gesicherten Hauptschuld aus dem Darlehensvertrag zuordenbar. Aus beiden Urkunden läßt sich ferner der Gläubiger der gesicherten Hauptschuld, die Beklagte, zweifelsfrei entnehmen. Der im Text der Bürgschaft hinsichtlich der Gläubigerin der Bürgschaftsforderung verwendete Begriff "Gesamtbank" vermag Zweifel an der Identifizierbarkeit der Bürgschaftsgläubigerin nicht zu begründen.

Der Zweck der von den Klägern am 13.08.1992 erbrachten Zahlung ist eindeutig. Er liegt in der Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung. Das folgt aus dem Schriftwechsel der Parteien, der zu der Einigung, derzufolge die Bürgschaft durch Zahlung von 92.000,00 DM erfüllt sein sollte, geführt hat. Im Schreiben der Beklagten vom 17.07.1992 (K 5), mit dem die Beklagte ihre Bürgschaftsforderung geltend gemacht hat, wird ausdrücklich auf die Bürgschaft der Kläger vom 07.05.1990 Bezug genommen. Dasselbe ergibt sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 10.08.1992 (K 6), mit dem der Inhalt der vergleichsweisen Regelung dargelegt wird. Es steht daher fest, daß die Zahlung von 92.000,00 DM die Bürgschaft für die Forderung der Beklagten aus ihrem Darlehensvertrag mit dem Bruder des Klägers Ziff. 1 vom 07.05.1990 betraf. Wäre das im übrigen nicht so, wäre dem Klagvortrag eine Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Rückforderungsanspruch nicht zu entnehmen.

2.

Die Bürgschaftserklärung ist durch den Widerruf vom 15.07.1998 nicht wirkungslos geworden.

a) In Rechtsprechung und Literatur ist die grundsätzliche Widerruflichkeit von Bürgschaften nach den Regelungen des HWiG zwar anerkannt (BGH NJW 93, 1593; Ermann, HWiG, 10. Aufl. § 1 Rn. 11). Im konkreten Fall ist die Widerruflichkeit der Bürgschaft aber deshalb ausgeschlossen, weil sich die Kläger für eine Hauptschuld verbürgt haben, die vom Schuldner nicht im Rahmen einer Haustürsituation eingegangen worden war. Das ist für die Widerruflichkeit der Bürgschaftserklärung aber Voraussetzung (vgl. EuGH NJW 98, 1295; BGH ZIP 98, 1144; ablehnend Reineke, DB 98, 2001; Lorenz, NJW 98, 2937). Dieses Erfordernis der sogenannten "doppelten Verbrauchereigenschaft" und "doppelten Haustürsituation" folgt nach Auffassung des EuGH aus dem akzessorischen Charakter der Bürgschaft. Der BGH sieht in dieser Erwägung des EuGH, wenngleich sie nicht dem Tenor der Entscheidung vom 17.03.1998 (NJW 98, 1295) zu entnehmen ist, eine die innerstaatlichen Gerichte bindende Leitlinie für die Auslegung der Haustürgeschäftswiderrufsrichtlinie, weil sie eine tragende Erwägung der Entscheidung des EuGH darstellt (vgl. BGH aaO). Die Kläger können sich daher auf die frühere, weitergehende Auslegung des Anwendungsbereichs des HWiG, derzufolge auch Bürgschaften für Geschäftskredite, soweit die weiteren Erfordernisse des HWiG vorlagen, widerruflich sein sollen (NJW 93, 1594; WM 93, 683; WM 95, 2027), nicht stützen.

b) Die Klage scheitert aber auch, wenn ohne Rücksicht auf die vorstehenden Ausführungen mit den Klägern von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des HWiG ausgegangen wird.

aa) Der BGH hat mehrfach entschieden, daß das HWiG auf Fälle, in denen nahe Angehörige - unabhängig davon, ob sie mit dem Hauptschuldner im selben Haushalt leben oder nicht (BGH NJW 96, 192) - vom Hauptschuldner zu Hause zur Übernahme einer Bürgschaft bestimmt wurden, nicht anzuwenden ist, weil das HWiG nicht dazu da sei, Verbraucher vor dem psychologischen Druck und den Überredungskünsten ihrer Angehörigen zu schützen (BGH WM 96, 2100; NJW 93,1594; NJW 96, 191). Davon sei nur dann eine Ausnahme berechtigt, wenn Angehörige für Banken oder sonstigen Anlagevertreibern, für die sie sowieso tätig sind, wie jeder x-beliebige Dritte im familiären Umfeld werbend tätig werden, also keine Bürgschaft für eigene Verpflichtungen, sondern beliebige Geschäfte, etwa Kapitalanlagen, anbahnen wollen (BGH NJW 96, 2100). Ein solcher Ausnahmefall liegt im Streitfall aber nicht vor.

Unabhängig davon, wie weit oder eng der Kreis "naher Angehöriger" zu ziehen ist, sind Geschwister nach Auffassung des Senates jedenfalls nahe Angehörige in diesem Sinne. Der hinter dieser Ausnahme stehende Gedanke, daß die Bereitschaft, Erklärungen zugunsten des Angehörigen abzugeben, auf der besonderen Qualität persönlicher Beziehungen beruht und nicht durch die in § 1 Abs. 1 HWiG genannten situativen Umstände hervorgerufen wird, trifft auf Geschwister ebenso zu wie auf in gerader Linie Verwandte.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Differenzierung danach, in welchem konkreten Nähe-Verhältnis die Angehörigen zueinander stehen, nicht sachgerecht. Um die Beeinflussung aufgrund personaler Beziehungen aus dem Anwendungsbereich des HWiG herauszuhalten, ist eine generalisierende Betrachtungsweise im Sinne der Annahme qualitativ intensiverer Beziehungen zwischen Angehörigen erforderlich, da andere Kriterien nicht in hinreichender Weise faßbar und praktikabel anzuwenden sind. Ein Blick auf andere - parallel gelagerte - gesetzliche Regelungen zeigt die Berechtigung dieser generalisierenden Betrachtungsweise. So richtet sich etwa das aus verwandtschaftlichen Gründen bestehende Zeugnisverweigerungsrecht in gleicher Weise lediglich nach allgemeinen Kriterien (§ 383 Abs. 1 Ziff. 1, 2 und 3 ZPO), ohne auf die Verhältnisse des konkreten Einzelfalls abzustellen.

bb) Die Klage wäre aber selbst bei Annahme eines grundsätzlichen Widerrufsrechts unbegründet, da der Widerruf im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG (a. F.) verfristet wäre.

Erfüllung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Hauptleistungspflichten aus dem im Rahmen einer Haustürsituation geschlossenen Vertrag beiderseits erfüllt sind (vgl. Staudinger, HWiG 1998 § 2 Rn. 20; Münchener Kommentar, HWiG 3. Aufl. § 2 Rn. 4; Fischer-Machunsky, HWiG § 2 Rn. 58; Ermann/Kriensporn, HWiG 10. Aufl. Rn. 7, Soergel/Wolf, HWiG 10. Aufl. § 2 Rn. 6). Das ist durch die Zahlung des Vergleichsbetrages geschehen. Die Kläger schulden aus der Bürgschaft nach Erfüllung dieses Vergleiches nichts mehr. Daß die Erfüllung der Bürgschaft gesetzliche Folgen nach sich zieht, die sich auf die Hauptschuld beziehen (Übergang der Forderung und etwaiger Einwendungen), ändert an der Tatsache der Erfüllung der Hauptleistungspflicht aus der Bürgschaft nichts. Dabei handelt es sich nicht um weiterbestehende Hauptleistungspflichten aus dem Bürgschaftsvertrag, sondern um gesetzliche Folgen seiner Erfüllung. Entgegen der Auffassung der Kläger erfordert § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG (a. F.) nicht die vollständige Erledigung der "Bürgschaftsangelegenheit zwischen allen Beteiligten", sondern nur die Erfüllung der in der Haustürsituation eingegangenen Verpflichtung. Das ist aber lediglich die Bürgschaft. Die Bürgschaft erlischt zwar regelmäßig erst mit vollständiger Bezahlung der Hauptschuld bzw. des vereinbarten Höchstbetrages. Im vorliegenden Fall haben die Parteien aber einvernehmlich das Erlöschen der Bürgschaftsverpflichtung der Kläger durch Zahlung eines Betrages von 92.000,00 DM vereinbart. Bereits aus diesem Grund ist der Hinweis der Kläger auf die Entscheidung des BGH (BGHZ 92, 374) unzutreffend. Davon abgesehen, befaßt sich diese Entscheidung nur mit der Frage, ob im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam bestimmt werden kann, daß Teilzahlungen auf eine Bürgschaftsschuld lediglich als Sicherheitsleistungen gelten. Diese Frage ist im vorliegenden Rechtsstreit aber ohne Belang.

Der Sinn der Regelung von § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG (a. F.) ist die Schaffung von Rechtssicherheit (vgl. Staudinger, aaO Rn. 5). Diese Rechtssicherheit hinauszuschieben, bis auch jede nur entfernte gesetzliche Folge des Rechtsgeschäfts für beide Parteien abgewickelt oder ausgeschlossen ist, würde dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Daher stehen beispielsweise auch Mängel der Leistung der Erfüllung der Verpflichtung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG (a. F.) nicht entgegen (Staudinger, aaO Rn. 20; Soergel/Wolff HWiG § 2 Rn. 6; Fischer/Machunsky, HWiG § 2 Rn. 58; a. A. Ermann/Klingsporn § 2 Rn. 8).

Ob es zutrifft, daß die Bürgschaftsurkunde den Klägern nicht zurückgegeben worden ist, kann offenbleiben. Die Bürgschaft ist kein gegenseitiger Vertrag sondern eine einseitig übernommene Verbindlichkeit (vgl. Palandt 60. Aufl. vor § 765 Rn. 1). Erfüllung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG (a. F.) setzt daher lediglich die vollständige vertraglich vereinbarte Leistung des Bürgen voraus. Damit erwirbt er zwar einen Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde. Diese Verpflichtung des Bürgschaftsgläubigers ist aber keine Leistungspflicht im Sinne des § 362 BGB, sondern lediglich eine Nebenleistungspflicht im Sinne des § 371 BGB (vgl. Palandt, aaO § 765 Rn. 33, § 371 Rn. 1).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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