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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 27.10.2005
Aktenzeichen: 7 U 135/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 906 |
2. Ein undichter Sanitäranschluss begründet im Schadensfall in der Regel eine Haftung des Wohnungseigentümers als Störer.
Oberlandesgericht Stuttgart 7. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 7 U 135/05
Verkündet am 27. Oktober 2005
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2005 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Gramlich, Richter am Oberlandesgericht Taxis und Richter am Landgericht Schulte
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 23.06.2005 (14 O 209/05) wird
zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % der aufgrund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Streitwert der Berufung: 9.583,15 €
Gründe:
I.
Die Klägerin macht als Hausratsversicherer aus übergegangenem Recht Schadensersatz und Entschädigungsansprüche gegen die Beklagte aufgrund eines Wasserschadens geltend. Sowohl die Beklagte als auch die Versicherungsnehmerin der Klägerin sind Wohnungseigentümer, die ihre Wohnungen selbst nutzen.
Der maßgebliche Wasserhahn war nach dem Vorfall nicht beschädigt sondern weiterhin intakt. An anderen Stellen in dem Gebäudekomplex gab es gleichzeitig keine unkontrollierten Wasseraustritte.
Das Landgericht hat durch Grundurteil festgestellt, dass die Beklagte gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Grunde nach verpflichtet ist, der Klägerin ihre geltend gemachten Aufwendungen für die vorgetragenen Schadenspositionen zu ersetzen. Diese Vorschrift sei analog auch auf Wohnungseigentümer anwendbar. Auf die - im Detail streitige - Schadensursache komme es dabei nicht an.
Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie rügt, das Urteil beruhe auf einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung. Da die Ursache des Wasseraustritts in ihrer Wohnung auf einem Druckstoß aus dem im Gemeinschaftseigentum stehenden Leitungssystem liege, sei sie nicht Störerin. Außerdem sei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Wohnungseigentümer nicht anwendbar.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Klägerin aus übergegangenem Recht gem. § 67 VVG ein Entschädigungsanspruch gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog zusteht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (zuletzt BGHZ 157, 188) ist ein - verschuldensunabhängiger - nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden.
a) Es handelt sich vorliegend zwar nicht um Grundstückeigentümer. Zutreffend hat das Landgericht jedoch ausgeführt, dass die Norm auch auf Wohnungseigentümer entsprechend Anwendung findet. Die Fälle sind - im Gegensatz zu Mietern (vgl. BGHZ a.a.O.) - strukturell gleich gelagert. Zwischen Wohnungseigentümern besteht - wie §§ 14 Nr. 1 und 15 Abs. 3 WEG zeigen - ein gesetzliches Schuldverhältnis, in dem das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ebenso gilt wie im Nachbarverhältnis von Grundstückseigentümern. Da dieses Rücksichtnahmegebot in § 906 BGB eine Ausprägung erfahren hat, die auch auf Wohnungseigentümer übertragbar ist und von dem objektiven Regelungsplan des Gesetzes her bei Erkennen der Lücke auch übertragen worden wäre, ist die Vorschrift einschließlich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander entsprechend anwendbar. Dass daneben auch noch eine Verschuldenshaftung in Betracht kommt, ist für die Frage der Gesetzesanalogie ohne Bedeutung (Wenzel, NJW 2005, 241).
b) Die Beklagte war auch Störerin im Sinne der §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB. Die Störereigenschaft folgt nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht allein aus dem bloßen Umstand des Eigentums oder Besitzes an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht. Sie setzt andererseits auch keinen unmittelbaren Eingriff voraus. Vielmehr ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden (BGHZ 142, 66, 69; NJW 1995, 2633, 2634, jeweils mit weiteren Nachweisen). Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder -nutzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (BGHZ 142 a.a.O.; Wenzel a.a.O.). Bei dieser wertenden Betrachtung ist im wesentlichen auf die Schadensursache abzustellen. Nicht allein das Eigentum an der Wohnung im Obergeschoss begründet den geltend gemachten Anspruch sondern der Zustand des im Sondereigentum der Beklagten stehende Wasserhahn. Jeder Wasserhahn ist eine latente Gefahr. Er muss dem stets im Leitungsnetzwerk vorhandenen Druck widerstehen und das Wasser zurückhalten. Wenn eine Druckänderung im Netz die Ursache dafür war, dass Wasser ausgetreten ist, hat sich ein Risiko verwirklicht, dem die Sanitärausstattung der Wohnung hätte standhalten müssen. Eine solche von der Beklagten behauptete Druckschwankung hält sich im Rahmen dessen, was eine Sanitäreinrichtung abfangen muss. Bei wertender Betrachtung liegt somit selbst nach dem Vortrag der Beklagten die Störung, die zum streitgegenständlichen Schaden geführt hat, nicht in den Druckveränderungen im Leitungsnetz. Diese waren nicht so ungewöhnlich, dass sie an anderen Anschlüssen oder Hahnen im Haus zum Auslaufen von Leitungswasser geführt haben, noch haben sie den schadensstiftenden Wasserhahnen beschädigt. Vielmehr konnte der Wasserzufluss nach dem Vortrag der Beklagten alsbald nach Entdeckung der Schadensursache von den Eltern der im Urlaub befindlichen Beklagten schlicht durch Zusperren des Absperrventils sofort unterbunden werden. Die zur Behebung eines etwaigen Schadens vorsorglich am 01.06.2004 hinzugezogene Fachfirma hat bestätigt, dass der Hahnen voll funktionsfähig und keiner Reparatur bedürftig war.
c) Der Versicherungsnehmer der Klägerin konnte sein Unterlassungsanspruch nicht rechtzeitig geltend machten. Dass es ihm zudem nicht zumutbar war, den Wasserschaden entschädigungslos hinzunehmen, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung.
III.
Die Revision war zuzulassen, da über die Frage, inwieweit § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander Anwendung findet, eine höchstrichterliche Entscheidung noch nicht ergangen ist.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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