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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 22.04.1999
Aktenzeichen: 7 U 206/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 463
BGB § 823
BGB § 826
Enthält der notarielle Kaufvertrag über ein Hanggrundstück bzgl. der Bodenbeschaffentheit den Hinweis "zum Teil Knollenmergel" und die Erklärung, dem Käufer sei der Zustand des Grundstücks bekannt, scheiden Ansprüche des Käufers wegen eines Sachmangels oder gar arglistigem Verschweigen eines Fehlers auch dann aus, wenn dieser Hinweis nicht von einer Aufklärung darüber begleitet ist, daß deshalb mit deutlich höheren Gründungsmaßnahmen gerechnet werden müsse.

Anmerkung: Die Entscheidung ist rechtskräftig. Der BGH hat die Revision durch Beschluß v. 16.3.2000 nicht angenommen (AZ V ZR 199/99)


OLG Stuttgart 7. Zivilsenat

Urteil vom 22.4.99

7 U 206/98 LG Rottweil, 3 O 587/98

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 01.04.1999 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am OLG Prof. Meißner,

des Richters am OLG Ruf und

des Richters am LG Guckes

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rottweil vom 26.08.1998

abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten d s Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 15.000,-- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Gleicher Höhe leistet.

Streitwert der Berufung und Wert der Beschwer für den Kläger: DM 88.235,85.

Sachverhalt:

Mit der Klage wird Schadensersatz aus einem Grundstückskaufvertrag geltend gemacht.

Der Kläger hatte mit notariellem Kaufvertrag vom 17.06.1997 von der beklagten Gemeinde das Hanggrundstück Flurstück Nr. der Gemarkung A zu einem Kaufpreis von DM 52.664,36 erworben, um dort - gemeinsam mit seiner Mutter, die gleichzeitig das darunterliegende Grundstück erworben hatte - zwei durch eine Tiefgarage mit eingehängtem Schwimmbad verbundene Einfamilienhäuser zu errichten. Geplant war eine Flachgründung; nach Beginn der Erdarbeiten im März 1998 stellte sich aber heraus, daß wesentlich umfangreichere Gründungsmaßnahmen erforderlich werden, weil der Baugrund aus anstehenden Rutschmassen mit unterschiedlicher Tragfähigkeit zusammengesetzt und dadurch rutschig ist.

In Ziff. 3 des notariellen Kaufvertrags ist bestimmt:

Die Gewährleistung wegen Rechtsmängel bestimmt sich nach dem Gesetz. Die Sachmängelhaftung wird, soweit gesetzlich zugelassen, ausgeschlossen. Der Zustand des Vertragsgrundstücks ist dem Käufer bekannt. Insbesondere ist ihm bekannt, daß der Baugrund teilweise aus Knollenmergel besteht.

Der Kläger ist der Meinung, das verkaufte Grundstück weise einen Fehler auf, weil die tatsächlich vorhandene geringe Tragfähigkeit von der üblicherweise bei Baugrundstücken zu erwartenden Tragfähigkeit erheblich abweiche. Dieser Fehler sei der Beklagten beim Abschluß des Kaufvertrags auch von Gutachten, die im Zusammenhang mit früheren Verkäufen von Grundstücken im selben Gebiet eingeholt worden waren, bekannt gewesen. Schließlich habe sie ja auch selbst im August 1992 ein Merkblatt "aufgrund der labilen Situation des Hanggeländes, das im Bereich des sogenannten Knollenmergels liegt", verfaßt (Anl. K 6 in Anlagemappe Bl. 13 d. A.). Mit dem bloßen, nicht einmal von der Übergabe dieses Merkblatts begleiteten Hinweis darauf, daß der Baugrund teilweise aus Knollenmergel bestehe, habe sie den Kläger über das Vorhandensein dieses Fehlers jedoch nicht nur nicht aufgeklärt, sondern in soweit sogar arglistig getäuscht, da der Begriff "Knollenmergel" für die Frage der Tragfähigkeit zumindest nichtssagend sei, eher aber sogar bedeute, es handele sich um einen guten Bauuntergrund. Die Beklagte sei deshalb zum Ersatz der in Höhe von DM 8.235,82 entstandenen Kosten für die Einschaltung eines geologischen Gutachtens zur Feststellung der Baugrundverhältnisse nebst Vorarbeiten verpflichtet sowie zum Ersatz der Kosten für die zusätzlich erforderlich gewordenen Gründungsmaßnahmen, deren genaue Höhe noch nicht absehbar und bezifferbar sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 8.235,82 nebst 9,5 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen sowie

2. festzustellen, daß die Beklagte darüber hinaus gegenüber dem Kläger aus dem Grundstückskaufvertrag der Parteien vom 17.06.1997 aufgrund des sumpfigen Baugrunds des Grundstücks schadenersatzpflichtig, hilfsweise wandelungs- oder nach Wahl des Klägers minderungspflichtig ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der im Kaufvertrag erteilte Hinweis auf Knollenmergel habe ausgereicht, um dem Kläger die tatsächliche Situation, nämlich die Notwendigkeit umfangreicherer Gründungsmaßnahmen für das real von ihm geplante Bauvorhaben, begreifbar zu machen; eine weitergehende Aufklärungspflicht habe nicht bestanden und schon gar nicht sei eine solche arglistig verletzt worden. Soweit der Kläger behaupten wolle, es seien über die mit Knollenmergel immer verbundenen Gründungsschwierigkeiten hinaus weitere Probleme aus der konkreten Beschaffenheit des verkauften Grundstücks aufgetreten, so werde dies bestritten; jedenfalls sei ihr darüber aber nichts bekannt gewesen. Demgegenüber sei die Grundstückssituation dem Kläger aber durchaus bekannt gewesen, da die Familie S bereits vor mehr als 20 Jahren das unmittelbar östlich neben dem streitgegenständlichen Bauplatz liegende Grundstück mit einem Einfamilienhaus bebaut und ihr die geologische Situation im fraglichen Baugebiet schon immer bewußt gewesen sei.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Durch Urteil vom 26.08.1998 hat das Landgericht den gestellten Anträgen bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben mit der Begründung, die tatsächliche Bodenbeschaffenheit weiche erheblich von dem ab, was ein Bauherr von einem durchschnittlichen Baugrund erwarten dürfe. Dies sei der Beklagten auch bekannt gewesen und hätte deshalb eine umfassendere Aufklärung erforderlich gemacht, der sie sich aber durch den jedenfalls für einen Laien ungenügenden Hinweis auf Knollenmergel arglistig entzogen habe. Von einer Kenntnis des Klägers über die mangelnde Tragfähigkeit könne demgegenüber nicht ausgegangen werden.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte frist- und formgerecht Berufung eingelegt, mit der sie unter Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Argumente nur zusätzlich behauptet, der Kläger sei im Zuge der Vertragsverhandlungen von Ortsvorsteher E auf die Bodenbeschaffenheit und die problematische Gründungssituation ausdrücklich mündlich hingewiesen worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil im wesentlichen mit den bereits erstinstanzlich vorgetragenen Argumenten und bestreitet die nun behauptete mündliche Aufklärung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg.

Der Senat vermag bereits dem rechtlichen Ansatz der Klage nicht zu folgen, es sei hier ein mit einem Fehler behaftetes Grundstück veräußert worden. Denn wie sich aus den vom Kläger selbst in bezug genommenen sachverständigen Stellungnahmen ergibt sowie dem Senat im übrigen auch aus anderen Verfahren bekannt ist, führt jedenfalls bei Bauvorhaben in Hanglagen das Vorhandensein von Knollenmergel grundsätzlich zu erhöhten Gründungsnotwendigkeiten. So hat etwa das Geologische Landesamt Baden-Württemberg am 01.10.1985 (Bl. 65 d. A.) erklärt, bei einem Hang, der von den Tonsteinschichten des Knollenmergels aufgebaut sei, befänden sich die Tonsteinhorizonte bekanntlich in geneigter Lage in einem labilen Gleichgewichtszustand, dessen zumeist minimale Restsicherheit schon durch kleine bautechnische Eingriffe beseitigt werden könne, so daß Baumaßnahmen in einem solchen Gelände stets mit einem erheblichen Gleitsicherheitsrisiko behaftet seien, das nur mit erhöhten gründungstechnischen Aufwendungen beherrscht werden könne, insbesondere bei bautechnisch schwierigen Projekten wie Gebäuden mit aufgelösten Grundrissen. Ebenso hat der Geologe Dr. K der bezüglich eines anderen, ein Grundstück im selben Baugebiet betreffenden Rechtsstreits eine Stellungnahme abgegeben hatte(Beiakte des Landgerichts Rottweil 3 O 982/95, Bl. 25) ausgeführt, daß Knollenmergel zwar als geologischer Begriff eigentlich nur für guten Baugrund gebraucht werden solle, daß Knollenmergel aber bei Einschnitten in den Hang als rutschgefährdet gilt. Und auch das Institut für Materialprüfung/Dr.-Ing. Sch hat ausgeführt (Bl. 22 der Beiakte), daß es sich bei dem Knollenmergel um einen extrem rutschgefährdeten Boden handele.

Auf dieser Grundlage darf nun bei der Prüfung der Frage, ob ein Fehler vorliegt, das verkaufte Grundstück aber nicht mit einem üblichen Baugrundstück verglichen werden. Denn es ist ja gerade nicht ein Baugrundstück verkauft worden, sondern ein Hanggrundstück mit der Beschaffenheit "zum Teil Knollenmergel". Die nach dem Vertrag zu bestimmende typische Beschaffenheit des Kaufgegenstandes ist daher nicht im Vergleich zu einem Baugrundstück an sich zu bestimmen, sondern wird durch diese die Bebaubarkeit einschränkenden, da erhöhte Gründungsmaßnahmen erfordernden Faktoren geprägt. Der Umstand, daß der Kläger höhere Gründungsmaßnahmen für sein in den Hang einschneidendes Bauvorhaben ergreifen muß, liegt daher in einem für ein derartiges Grundstück typischen Umstand begründet und ist somit gerade nicht Folge eines Bachmangels, eine Abweichung der Ist-Beschaffenheit also von der Soll-Beschaffenheit.

Jedenfalls aber kann unter diesen Umständen nicht ein bewußtes Unterlassen einer gebotenen Aufklärung oder gar ein arglistiges Verschweigen eines Fehlers angenommen werden.

Grundsätzlich hat ein bauwilliger Käufer, liegt keine entsprechende Zusicherung vor (wie hier aber nicht; es war der Verkäuferin lediglich bekannt, daß gebaut werden soll und die Bebaubarkeit selbst steht ja nicht in Frage), selbst zu überprüfen, ob sein konkretes Bauvorhaben so wie geplant zu realisieren ist und zu welchem Aufwand. Dem Kläger ist auch bereits 5 Wochen vor Abschluß des Bauvertrags die Vertragsurkunde mit dem zu vereinbarenden Inhalt übergeben worden, die dabei auch nicht lediglich einen Hinweis auf den Knollenmergel enthält, sondern die Erklärung, daß dem Käufer der Zustand des Grundstücks bekannt ist, insbesondere, daß der Baugrund teilweise aus Knollenmergel besteht. Er hatte daher, sollte er sich über die aus dieser von ihm zu bestätigenden Kenntnis über den Zustand des Grundstücks zu ziehenden Schlußfolgerung bezüglich der erforderlichen Gründungsmaßnahmen für sein konkretes Bauvorhaben nicht sicher sein, genügend Zeit, sich eine entsprechende Aufklärung zu verschaffen, wenn nicht von dritter Seite, so zumindest doch durch Rückfrage bei der Beklagten vor Abschluß des Vertrags. Es wäre nun zwar optimaler gewesen, hätte die Beklagte dem Kläger bereits von sich aus wenigstens das für das fragliche Baugebiet vorhandene Merkblatt übergeben. Unter den gegebenen Umständen kann aber gerade nicht angenommen werden, die Beklagte habe hier bei dem 5 Wochen später erfolgten Abschluß des Kaufvertrags gegenüber dem um keine weitere Aufklärung nachfragenden und im fraglichen Baugebiet bereits seit langem ortsansässigen Kläger bewußt oder gar arglistig über einen aus ihrer Sicht noch weiter aufklärungsbedürftigen Umstand getäuscht. Und soweit nach dem Vortrag des Klägers auch die Behauptung aufgestellt werden soll, das Grundstück habe über die mit dem Vorhandensein von Knollenmergel am klang zusammenhängenden Probleme hinaus eine weitere für die Bebaubarkeit nachteilige Beschaffenheit aufgewiesen und erst dies, nicht also lediglich der Knollenmergel, habe ganz oder zumindest teilweise in Kombination mit dem Knollenmergel zu den erhöhten Kosten geführt, so fehlt es insoweit bereits an einem substantiierten Vorbringen und insbesondere auch an irgendeinem Beleg dafür, daß dies der Beklagten bekannt oder wenigstens erkennbar gewesen sei.

Die Berufung der Beklagten erweist sich somit als begründet, so daß das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen war. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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